Medienwissenschaft und Mediendidaktik -  - E-Book

Medienwissenschaft und Mediendidaktik E-Book

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Beschreibung

Digitale Medien besitzen zahlreiche, oft ungeahnte Möglichkeiten, das Lernen und Lehren von Sprachen zu erleichtern und zu verbessern. In der aktuellen Praxis digitaler Lehrangebote wird davon kaum etwas sichtbar. Dieser Band gibt einen umfassenden Überblick über aktuelle Tendenzen der Mediendidaktik und ihre wissenschaftlichen Grundlagen. Er eröffnet Einblicke in moderne (multimediale) Lerntheorien und die neuesten Forschungsergebnisse der kognitiven Linguistik, kognitiven Didaktik, Handlungs- und Szenariendidaktik und des interkulturellen Lernens im Kontext digitaler Lehrangebote. Dabei werden die theoretischen Grundlagen immer mit Blick auf ihre Tauglichkeit in einer reflektierten Praxis dargestellt. Der Band enthält daher auch ausführliche Informationen zu diversen digitalen Arbeits- und Lernwerkzeugen, Ressourcen, Lernplattformen sowie Aufgaben- und Übungstypen. Ein umfangreiches Literaturverzeichnis rundet den Band ab.

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Medienwissenschaft und Mediendidaktik

Jörg Roche

 

 

© 2019 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen www.francke.de • [email protected]

 

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

E-Book-Produktion: pagina GmbH, Tübingen

 

ePub-ISBN 978-3-8233-0144-8

Inhalt

VorwortEinleitung: Die Reihe Kompendium DaF / DaZWarum Aus-, Weiter- und Fortbildung heute so wichtig istInterkulturelle Kommunikation im Zeitalter der GlobalisierungInterkultureller FremdsprachenunterrichtEin kleiner historischer Rückblick auf die Entwicklung des FremdsprachenunterrichtsZur kognitiven Ausrichtung1. Grundlagen des multimedialen Lernens1.1 Multimediales Lerndesign1.1.1 Theoretische Grundlagen von Designprinzipien1.1.2 Anwendung der Designprinzipien1.1.3 Zusammenfassung1.1.4 Aufgaben zur Wissenskontrolle1.2 Animationen in der Grammatikvermittlung1.2.1 Grammatische Metaphern und Animationen1.2.2 Wechselpräpositionen1.2.3 Modalverben1.2.4 Passiv und Aktiv1.2.5 Zusammenfassung1.2.6 Aufgaben zur Wissenskontrolle1.3 Multimedialität und Multimodalität1.3.1 Mehrsprachigkeit und Spracherwerb1.3.2 Medialität und Spracherwerb1.3.3 Multiliteralität und Spracherwerb1.3.4 Medienhandeln in der interkulturellen Unterrichtspraxis1.3.5 Umsetzungsformen1.3.6 Zusammenfassung1.3.7 Aufgaben zur Wissenskontrolle2. Didaktische Konzepte2.1 Lernformen2.1.1 Lernformen im handlungsorientierten Unterricht2.1.2 Individualisiertes Lernen2.1.3 Forschendes Lernen2.1.4 Forschendes Lernen am Beispiel der Sprachlernspiele2.1.5 Kollaboratives Lernen2.1.6 Produktorientiertes Lernen2.1.7 Zusammenfassung2.1.8 Aufgaben zur Wissenskontrolle2.2 Theorie und Didaktik kollaborativen Lernens2.2.1 Theoretische Grundlagen und didaktische Umsetzung kollaborativen Lernens2.2.2 Zusammenfassung2.2.3 Aufgaben zur Wissenskontrolle2.3 Tandem-Lernen2.3.1 Sprache oder Kultur? Oder vielleicht doch Sprache und Kultur?2.3.2 Tandem als …?2.3.3 Zusammenfassung2.3.4 Aufgaben zur Wissenskontrolle3. Mediendidaktik im Curriculum3.1 Curriculare Rahmenbedingungen3.1.1 Mediale Mehrwerte und Medienadäquatheit3.1.2 Logistisch-administrative Aspekte3.1.3 Wissenstransfer3.1.4 Handlungskompetenzen und Arbeitswerkzeuge3.1.5 Individualisierung und Intensivierung des Lernens3.1.6 Zusammenfassung3.1.7 Aufgaben zur Wissenskontrolle3.2 Sprachlernsoftware3.2.1 Prinzipien zur Klassifikation der Software3.2.2 Tutorielle Systeme3.2.3 Situativ ausgerichtete Programme3.2.4 Instrumentell-explorativ-referenzielle Sprachlernangebote3.2.5 Sprachlernspiele3.2.6 Zusammenfassung3.2.7 Aufgaben zur Wissenskontrolle3.3 Nachhaltigkeit3.3.1 Nachhaltigkeit in der Entwicklung von Lernprogrammen3.3.2 Kriterien für die Nutzung von Medien in Spracherwerb und Sprachvermittlung3.3.3 Zusammenfassung3.3.4 Aufgaben zur Wissenskontrolle4. Interkulturelle Didaktik4.1 Visuelle Medien im Kulturtransfer4.1.1 Interkulturelles Lernen4.1.2 Zu Struktur und interkulturellem Potential kreativer Videoprojekte4.1.3 Projekttypen4.1.4 Zusammenfassung4.1.5 Aufgaben zur Wissenskontrolle4.2 Interkulturelles Lernen mit fiktionalen Filmen4.2.1 Vermittlung interkultureller Kompetenzen bei der Arbeit mit Filmen4.2.2 Analyse der Filme unter interkulturellem Aspekt4.2.3 Reflexion über die interkulturelle Thematik in den Filmen interkultureller Landeskunde4.2.4 Filmanalyse4.2.5 Einsatz des Wertequadrates4.2.6 Polaritätsprofil Deutsche / Italiener4.2.7 Hinweise zur Umsetzung des didaktischen Projekts in der Praxis4.2.8 Zusammenfassung4.2.9 Aufgaben zur Wissenskontrolle4.3 Kommunikation im Cyber-Unterricht4.3.1 Cyberkultur4.3.2 Studiendesign4.3.3 Interkultur der elektronisch vermittelten Lehre4.3.4 Beiträge der Personen4.3.5 Zur Rolle der Kultur in Animationen4.3.6 Zusammenfassung4.3.7 Aufgaben zur Wissenskontrolle5. Mediengestützte Handlungsdidaktik5.1 Didaktik und Methodik5.1.1 Handlungsorientierung versus Medienaktionismus5.1.2 Technische Fachsprachen und ihre elektronischen Arbeitswerkzeuge5.1.3 Lernwerkzeuge5.1.4 Hintergrund zum inhaltsbasierten Lernen und Lehren von Sprachen5.1.5 Handlungsorientierung5.1.6 Handlungsorientiertes Lernen mit elektronischen Medien5.1.7 Lernplattformen und Infrastruktur5.1.8 Forschung und Evaluation5.1.9 Zusammenfassung5.1.10 Aufgaben zur Wissenskontrolle5.2 Handlungskompetenzen5.2.1 Interkulturalität und Medien5.2.2 Interkulturelle Lernziele im Fremdsprachenunterricht für Anfänger5.2.3 Modell-Lerneinheit Meine Wohnung5.2.4 Forumsbeiträge als Anlass für interkulturelle Sensibilisierung5.2.5 Lerntraditionen5.2.6 Mehrwert von Forumsaufgaben5.2.7 Zusammenfassung5.2.8 Aufgaben zur Wissenskontrolle5.3 Innovativer berufsorientierter DaF-Unterricht5.3.1 Vorüberlegung5.3.2 Die interkulturelle DaF-Übungsfirma5.3.3 Planspiel – Multimedia im interkulturellen Kontext5.3.4 Hinweise für den Unterricht5.3.5 Zusammenfassung5.3.6 Aufgaben zur Wissenskontrolle6. Lernplattformen6.1 Situierung und Aufbau einer Lernplattform (Beispiel DUO)6.1.1 Begriff der Lernplattform6.1.2 Entwicklung von Sprachlernplattformen6.1.3 Komponenten moderner elektronischer Lernplattformen6.1.4 Einstieg in die Plattform6.1.5 Bestandteile und Funktionen der Materialienseite6.1.6 Zusammenfassung6.1.7 Aufgaben zur Wissenskontrolle6.2 Kommunikationsfunktionen und Übungstypologie6.2.1 Kommunikationsfunktionen in Lernplattformen6.2.2 Übungstypologie6.2.3 Online-Programme im Prüfungsmodus6.2.4 Zusammenfassung6.2.5 Aufgaben zur Wissenskontrolle6.3 Klassen-, Lerner-, Aufgabenverwaltung6.3.1 Verwaltungsfunktionen für Teilnehmer6.3.2 Verwaltungsfunktionen für Tutorinnen6.3.3 Korrektur Schriftlicher Ausdruck6.3.4 Korrektur Mündlicher Ausdruck6.3.5 Zusammenfassung6.3.6 Aufgaben zur Wissenskontrolle7. Digitale Werkzeuge, automatische Spracherkennung, Evaluation7.1 Arbeits-, Lern- und Kommunikationswerkzeuge7.1.1 Plattformunabhängige digitale Autorenwerkzeuge7.1.2 Autorenwerkzeuge7.1.3 Kommunikationswerkzeuge7.1.4 Zusammenfassung7.1.5 Aufgaben zur Wissenskontrolle7.2 Intelligente elektronische Tutoren7.2.1 Systeme zur Erkennung von schriftlicher Sprache7.2.2 Systeme zur Erkennung von gesprochener Sprache7.2.3 Empirische Erprobung intelligenter elektronischer Tutoren7.2.4 Zusammenfassung7.2.5 Aufgaben zur Wissenskontrolle7.3 Evaluation7.3.1 Kriterienbasierte Evaluation7.3.2 Theoriebasierte Evaluationsmodelle7.3.3 Evaluation, Qualitätsmanagement und Forschung7.3.4 Kriterienkataloge7.3.5 Instrument zur Evaluation von Sprachlernprogrammen7.3.6 Zusammenfassung7.3.7 Aufgaben zur Wissenskontrolle8. Literaturverzeichnis9. Abbildungsverzeichnis10. Register

Vorwort

Trotz vieler neuerer Bemühungen um Kompetenz-, Aufgaben- und Handlungsorientierung kommen in der Praxis der Sprachvermittlung weiterhin verbreitet traditionelle Verfahren zur Anwendung, beispielsweise bei der Festlegung der Lehrprogression, den Niveaustufen, der Fehlerkorrektur und der Leistungsmessung. Mit der Weiterentwicklung der kognitiven Linguistik, die ihre Wurzeln lange vor der Einführung dieses Namens hat und viele (bisher implizite) Beziehungen zur modernen Sprachdidaktik aufweist, und weiterer kognitiv ausgerichteter Nachbardisziplinen setzt sich auch in der Sprachvermittlung in vieler Hinsicht der Paradigmenwechsel fort. Die kognitionslinguistischen Grundlagen dieses Paradigmenwechsels werden in dieser Reihe systematisiert und anhand zahlreicher Materialien und weiterführender Aufgaben für den Transfer in die Praxis aufbereitet.

Die Reihe Kompendium DaF/DaZ verfolgt das Ziel einer Vertiefung, Aktualisierung und Professionalisierung der Fremdsprachenlehrerausbildung. Der Fokus der Reihe liegt daher auf der Vermittlung von Erkenntnissen aus der Spracherwerbs-, Sprachlehr- und Sprachlernforschung sowie auf deren Anwendung auf die Sprach- und Kulturvermittlungspraxis. Die weiteren Bände behandeln die Themen Sprachenlernen und Kognition, Kognitive Linguistik, Berufs- und Fachsprachen, Sprachenlehren und Sprachenlernen, Kultur- und Literaturwissenschaften, Mehrsprachigkeitsforschung, Unterrichtsmanagement, Propädeutik, Angewandte Kulturwissenschaften.

Durch die thematisch klar abgegrenzten Einzelbände bietet die Reihe ein umfangreiches, strukturiertes Angebot an Inhalten der aktuellen DaF/DaZ-Ausbildung, die über die Reichweite eines Handbuchs weit hinausgehen und daher sowohl in der akademischen Lehre als auch im Rahmen von Weiter- und Fortbildungsmaßnahmen behandelt werden können.

Die Reihe wird daher von (fakultativen) flexibel einsetzbaren Online-Modulen für eine moderne Aus- und Weiterbildung begleitet. Diese Online-Module ergänzen den Stoff der Bücher und enthalten Zusatzlektüre und Zusatzaufgaben (www.multilingua-akademie.de). Das Digitale Lexikon Fremdsprachendidaktik (www.lexikon-mla.de) bietet darüber hinaus Erklärungen der wichtigsten Fachbegriffe und damit einen leichten Zugang zu allen aktuellen Themen der Fremdsprachendidaktik und der Sprachlehr- und -lernforschung.

Möglich gemacht wurde die Entwicklung der Inhalte und der Online-Module durch die Förderung des EU Tempus-Projektes Consortium for Modern Language Teacher Education und des Projektes Dhoch3 des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD). Neben den hier verzeichneten Autorinnen und Autoren haben eine Reihe von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an der editorischen Fertigstellung des Manuskriptes dieses Buches mitgewirkt: Tamara Schabka, Telse Sundermann und Kathrin Heyng sowie Katharina Wituschek (Gunter Narr Verlag). Ihnen allen gebührt großer Dank für die geduldige und professionelle Mitarbeit.

Die Struktur des vorliegenden Bandes kann folgenderweise zusammengefasst werden:

Lernpsychologische Aspekte (Kapitel 1)

Didaktische Aspekte (Kapitel 2 bis 5)

Technologische Aspekte (Kapitel 6 und 7)

Der Band orientiert sich in großen Teilen an Elementen des Bandes »Sprachenlernen und Kognition« (Lerneinheiten 1.1, 1.2) und des Bandes »Kultur- und Literaturwissenschaften« (Lerneinheit 2.3) der Kompendium DaF/DaZ-Reihe sowie am „Handbuch Mediendidaktik“ (2008) von Jörg Roche (Kapitel 3,6 und 7).

BMW Group (© 2012 und Herausgeber) hat aus dem Projekt LIFE. Ideen und Materialien für interkulturelles Lernen. Fünfte Ergänzungslieferung: Interkulturelles Lernen mit Medien (Projektleitung: Roche, Jörg. Koordination und Redaktion: Roche, Jörg; Suñer Muñoz, Ferran & Reher, Janina. München: BMW Group) die Grundlagen für einzelne Lerneinheiten zur Verfügung gestellt. Dafür sei ihnen und den Autorinnen und Autoren gedankt.

Einleitung: Die Reihe Kompendium DaF / DaZ

Jörg Roche

Der Bedarf an solider Aus-, Fort- und Weiterbildung im Bereich der Sprachvermittlung nimmt ständig zu. Immer stärker treten dabei spezialisierte Anforderungen zum Beispiel in Bezug auf Fach- und Berufssprachen, Kompetenzen oder Zielgruppen in den Vordergrund. Theoretisch fundiert sollten die entsprechenden Angebote sein, aber gleichzeitig praxistauglich und praxiserprobt. Genau diese Ziele verfolgen die Buchreihe Kompendium DaF / DaZ und die begleitenden Online-Module. In mehreren Modulen und Bänden soll hiermit eine umfassende Einführung in die Wissenschaft und in die Kunst des Sprachenlernens und Sprachenlehrens gegeben werden, weit weg von fernen Theorie- oder Praxiskonstruktionen und Lehr-Dogmen. Im Mittelpunkt des hier verfolgten Ansatzes steht das, was in den Köpfen der Lerner geschieht oder geschehen sollte. Sachlich, nüchtern, effizient und nachhaltig. Buchreihe und Online-Module sind eine Einladung zur Professionalität eines Bereichs, der die natürlichste Sache der Welt behandelt: den Sprachenerwerb. In diesen Materialien und Kursen werden daher Forschungsergebnisse aus verschiedenen Forschungsrichtungen zusammengetragen und der Nutzen ihrer Synthese für die Optimierung des Sprachenerwerbs und Sprachunterrichts aufgezeigt.

Warum Aus-, Weiter- und Fortbildung heute so wichtig ist

Wer sich etwas eingehender darum bemüht zu verstehen, welche Rolle die Sprache im weiten Feld des Kontaktes von Kulturen spielt – oder spielen könnte –, muss von den Gegensätzen, Widersprüchen und Pauschalisierungen, die die Diskussion in Gesellschaft, Politik und Fach bestimmen, vollkommen irritiert sein. Vielleicht lässt sich aus dieser Irritation auch erklären, warum dieser Bereich von so vielen resistenten Mythen, Dogmen und Praktiken dominiert wird, dass das eigentlich notwendige Bemühen um theoretisch fundierte Innovationen kaum zur Geltung kommt. Mangelndes Sprach- und Sprachenbewusstsein besonders in Öffentlichkeit und Politik führen ihrerseits zu einem ganzen Spektrum gegensätzlicher Positionen, die sich schließlich auch bis in die lehrpraktische Ebene massiv auswirken. Dieses Spektrum ist gekennzeichnet durch eine Verkennung der Bedeutung von Sprache im Umgang der Kulturen auf der einen und durch reduktionistische Rezepte für ihre Vermittlung auf der anderen Seite: Die Vorstellung etwa, die Wissenschaften, die Wirtschaft oder der Alltag kämen mit einer Universalsprache wie dem Englischen aus, verkennt die – übrigens auch empirisch über jeden Zweifel erhabenen – Realitäten genauso wie die Annahme, durch strukturbasierten Sprachunterricht ließen sich kulturpragmatische Kompetenzen (wie sie etwa für die Integration in eine fremde Gesellschaft nötig wären) einfach vermitteln. Als ineffizient haben sich inzwischen auch solche Verfahren erwiesen, die Mehrsprachigkeit als Sonderfall – und nicht als Regelfall – betrachten und daher Methoden empfehlen, die den Spracherwerb vom restlichen Wissen und Leben zu trennen versuchen, also abstrakt und formbasiert zu vermitteln. Der schulische Fremdsprachenunterricht und der Förderunterricht überall auf der Welt tendieren (trotz rühmlicher unterrichtspraktischer, didaktischer, struktureller, konzeptueller und bildungspolitischer Ausnahmen und Initiativen) nach wie vor stark zu einer solchen Absonderung: Weder werden bisher die natürliche Mehrsprachigkeit des Menschen, die Sprachenökologie, Sprachenorganik und Sprachendynamik noch die Handlungs- und Aufgabenorientierung des Lernens systematisch im Fremdsprachenunterricht genutzt. Stattdessen wird Fremdsprachenunterricht in vielen Gesellschaften auf eine (internationale) Fremdsprache reduziert, zeitlich stark limitiert und nach unterschiedlich kompetenten Standards kanalisiert.

Interkulturelle Kommunikation im Zeitalter der Globalisierung

In unserer zunehmend globalisierten Welt gehört die Kommunikation zwischen verschiedenen Kulturen zu einem der wichtigsten sozialen, politischen und wirtschaftlichen Aufgabenbereiche. Die Globalisierung findet dabei auf verschiedenen Ebenen statt: lokal innerhalb multikultureller oder multikulturell werdender Gesellschaften, regional in multinationalen Institutionen und international in transkontinentalen Verbunden, Weltorganisationen (unter anderem für Wirtschaft, Gesundheit, Bildung, Sport, Banken) und im Cyberspace. Dabei sind all diese Globalisierungsbestrebungen gleichzeitig Teil einer wachsenden Paradoxie. Der Notwendigkeit, die großen sozialen und wirtschaftlichen Probleme wegen der globalen Vernetzung der Ursachen auch global zu lösen, stehen andererseits geradezu reaktionäre Bestrebungen entgegen, der Gefahr des Verlustes der „kulturellen Identität“ vorzubauen. Einerseits verlangt oder erzwingt also eine Reduktion wirklicher und relativer Entfernungen und ein Überschreiten von Grenzen ein Zusammenleben und Kommunizieren von Menschen verschiedener Herkunft in bisher nicht gekannter Intensität, andererseits stehen dem Ideal einer multikulturellen Gesellschaft die gleichen Widerstände entgegen, die mit der Schaffung solcher Gesellschaften als überkommen geglaubt galten (Huntington 1997). Erzwungene, oft mit großer militärischer Anstrengung zusammengehaltene multikulturelle Gesellschaften haben ohne Druck keinen Bestand und neigen als Folge des Drucks vielmehr dazu, verschärfte kulturelle Spannungen zu generieren. Auch demokratisch geschaffene multikulturelle Gesellschaften benötigen meist viel Zeit und Energie, um sich aus der Phase der multi-kulturellen Duldung zu inter-kultureller Toleranz und interkulturellem Miteinander zu entwickeln. Die rechtspopulistischen Bewegungen in Europa und die ethnischen Auseinandersetzungen in Afrika und Asien zeigen, dass es zuweilen gewaltig unter der Oberfläche gesellschaftlicher Toleranz- und Internationalisierungspostulate rumort. Ethnozentrismus, Ausländer- und Fremdenfeindlichkeit, Rechtspopulismus, Rassismus, Diskriminierung, Terrorismus, Bürgerkrieg, Massen- und Völkermord sind durch politisch und wirtschaftlich bewirkten Multikulturalismus nicht verschwunden. Das verbreitete Scheitern von Multikulturalismus-Modellen zeigt, dass ein verordnetes oder aufgezwungenes Nebeneinander von Kulturen ohne Mediationsbemühungen eher Spannungen verstärkt, als nachhaltig Toleranz zu bewirken. Es mangelt an effizienten Verfahren der Vermittlung (Mediation) zwischen Kulturen. Den Sprachen kommt in dem Prozess der Mediation deswegen eine besondere Rolle zu, weil er mit der Kommunikation über kulturelle Grenzen hinweg anfängt und auch nur durch diese am Laufen gehalten wird. Die Sprache kann nicht alle Probleme lösen, aber sie hat eine Schlüsselposition beim Zustandekommen interkulturellen Austauschs, die weit über die Beherrschung von Strukturen sprachlicher Systeme hinausgeht. Diese Funktion hat mehr mit Kulturvermittlung als mit strukturellen Eigenschaften sprachlicher Systeme zu tun und sie kann kaum durch eine einzige Lingua Franca erfüllt werden. Das Lernen und Lehren von Sprachen ist in Wirklichkeit eines der wichtigsten politischen Instrumente im Zeitalter der Globalisierung und Internationalisierung. Sprachunterricht und Sprachenlernen werden aber von Lehrkräften und Lernern gleichermaßen oft noch als die Domäne des Grammatikerwerbs und nicht als Zugangsvermittler zu anderen Kulturen behandelt. Wenn kulturelle Aspekte im Fremdsprachenerwerb aber auf die Faktenvermittlung reduziert werden und ansonsten vor allem strukturelle Aspekte der Sprachen in den Vordergrund treten, bleiben wichtige Lern- und Kommunikationspotenziale ungenutzt. Dabei bleibt nicht nur der Bereich des landeskundlichen Wissens unterentwickelt, sondern es wird in erster Linie der Erwerb semantischer, pragmatischer und semiotischer Kompetenzen erheblich eingeschränkt, die für die interkulturelle Kommunikation essenziell sind. Wenn in der heutigen Zeit vordringlich interkulturelle Kompetenzen verlangt werden, dann müssen in Sprachunterricht und Spracherwerb im weiteren Sinne also bevorzugt kulturelle Aspekte der Sprachen und Kommunikation berücksichtigt werden. Dazu bedarf es aber einer größeren Bewusstheit für die kulturelle Bedingtheit von Sprachen und die sprachliche Bedingtheit von Kulturen. Diese müssen sich schließlich in kultursensitiven Lern- und Lehrverfahren manifestieren, die Mehrsprachigkeit nicht nur künstlich rekonstruieren und archivieren wollen, sondern die in Fülle vorhandenen natürlichen Ressourcen der Mehrsprachigkeit und Mehrkulturalität organisch, dynamisch und effizient zu nutzen wissen. Das Augenmerk der künftigen Lern- und Lehrforschung ist daher verstärkt auf Aspekte der Ökologie und Ökonomie des Sprachenerwerbs und Sprachenmanagements zu richten. Das bedeutet aber, dass die Spracherwerbs- und die Mehrsprachigkeitsforschung sich nicht nur eklektisch wie bisher, sondern systematisch an kognitiven und kultursensitiven Aspekten des Sprachenerwerbs und Sprachenmanagements ausrichten müssen. Diesen Aufgabenbereich zu skizzieren, indem wichtige, dafür geleistete Vorarbeiten vorgestellt werden, ist Ziel dieser Reihe.

Interkultureller Fremdsprachenunterricht

Als die Forschung begann, sich mit interkulturellen Aspekten in Spracherwerb und Sprachunterricht zu beschäftigen, geschah dies auf der Grundlage bildungspolitischer Zielsetzungen und hermeneutischer Überlegungen. Literarische Gattungen sollten den kommunikativen Trend zur Alltagssprache ausgleichen helfen und damit gleichzeitig frische, auf rezeptionsästhetischen Theorien basierende Impulse für das Fremdverstehen und die Fremdsprachendidaktik liefern (vergleiche Hunfeld 1997; Wierlacher 1987; Krusche & Krechel 1984; Weinrich 1971). Die anfängliche Affinität zu lyrischen Texten weitete sich auf andere Gattungen aus und verjüngte mit dieser Wiederentdeckung der Literatur im Fremdsprachenunterricht gleichzeitig das in den 1980er Jahren bereits zum Establishment gerinnende kommunikative Didaktikparadigma. Man vergleiche die Forderung nach einem expliziten interkulturellen Ansatz von Wylie, Bégué & Bégué (1970) und die bereits frühe Formulierung der konfrontativen Semantik durch Müller-Jacquier (1981). Für die auf Zyklen sozialisierte Zunft der Sprachlehre stand fest: Das ist eine neue, die vierte Generation der Fremdsprachendidaktik, die interkulturelle, oder zumindest die Version 3.5, die kommunikativ-interkulturelle. Allerdings hat diese Euphorie nicht überall zu einer intensiveren, systematischen Reflexion interkultureller Aspekte in Bezug auf ein besseres Verstehen des Sprachenlernens und eine effizientere Ausrichtung des Sprachenlehrens geführt. Selbst in der Lehrwerksproduktion, deren Halbwertzeitzyklen seitdem immer kürzer werden, ist die Anfangseuphorie vergleichsweise schnell verflogen. Infolge des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GER) – und bereits seines Vorgängers, des Schwellen-Projektes (threshold level project) des Europarates – scheinen sich aufgrund der (oft falsch verstandenen) Standardisierungen die starken Vereinheitlichungstendenzen zu einer Didaktik der Generation 3 oder gar 2.5 zurück zu verdichten. Die Aufnahme der Fremdperspektive in Lehrwerken beschränkte und beschränkt sich oft auf oberflächlich vergleichende Beschreibungen fremder kultureller Artefakte, und die Behandlung der Landeskunde unterliegt nach wie vor dem Stigma der vermeintlich mangelnden Unterrichtszeit.

Ein kleiner historischer Rückblick auf die Entwicklung des Fremdsprachenunterrichts

Der Fremdsprachenunterricht ist traditionellerweise vor allem von den bildungspolitischen, pädagogischen, psychologischen und soziologischen Vorstellungen der entsprechenden Epoche und ihren gesellschaftlichen Trends beeinflusst worden. Diese Aspekte überschreiben im Endeffekt auch alle sporadischen Versuche, den Fremdsprachenunterricht an sprachwissenschaftlichen oder erwerbslinguistischen Erkenntnissen auszurichten. So verdankt die Grammatik-Übersetzungsmethode ihre Langlebigkeit den verbreiteten, aber empirisch nicht begründeten Vorstellungen von der Steuerbarkeit des Lerners, der Autorität des Inputs und der Bedeutung elitärer Bildungsziele. Mit den audiolingualen und audiovisuellen Methoden setzt eine Ent-Elitarisierung und Veralltäglichung des Sprachenlernens ein. Die vorwiegend mit Alltagssprache operierenden Methoden sind direkte, wenn auch reduzierte Abbildungen behaviouristischer Lernmodelle und militärischer Bedürfnisse ihrer Zeit. Der kommunikative Ansatz schließlich ist von den Demokratisierungsbestrebungen der Gesellschaften bestimmt. Sein wichtigstes Lernziel, die kommunikative Kompetenz, ist dem soziologischen Ansatz der Frankfurter Schule entlehnt (Habermas 1981). Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen stellt zwar keinen neuen didaktischen Ansatz dar, bildet aber über seine Ausrichtung auf den pragmatischen und utilitaristischen Bedarf eines zusammenwachsenden und mobilen europäischen Arbeitsmarktes den Zeitgeist des politisch und wirtschaftlich gewollten Einigungsprozesses in Europa ab und wirkt daher paradigmenbildend und auf den Unterricht stärker standardsetzend als alle didaktischen Ansätze zuvor. Er weist deutliche Parallelen zu den Proficiency-Guidelines des American Council of Teachers of Foreign Languages (ACTFL) auf, die ihrerseits – wie bereits die audiolinguale Methode – stark von den Bedürfnissen der Sprachschulen des US-Militärs beeinflusst wurden. Eine erwerbslinguistische oder stringente sprachwissenschaftliche Basis weist er nicht auf. Typisch für die zeitlichen Strömungen sind konsequenterweise auch all die Methoden, die in der Beliebigkeit des Mainstreams keine oder nur geringe Berücksichtigung finden können. Diese alternativen Methoden oder Randmethoden wie die Suggestopädie, Total Physical Response, Silent Way oder Community (Language Learning) Approach reflektieren die Suche des Sprachunterrichts nach zeitgemäßen Verfahren, die vor allem die vernachlässigte Innerlichkeit der Gesellschaft ansprechen oder die Kritik an ihrem Fortschrittsglauben ausdrücken sollen. Die gefühlte Wahrheit der Methoden bei gleichzeitigem Mangel an wissenschaftlich-kritischer Überprüfung der Annahmen ergibt ein inkohärentes Bild der Fremdsprachendidaktik und -methodik, das zwangsläufig zu vielen Widersprüchen, Rückschritten und Frustrationen führen muss. Die rasante Abkehr von der Sprachlerntechnologie der 60er und 70er Jahre, das Austrocknen der alternativen Methoden, die Rückentwicklung der kommunikativen Didaktik oder die neo-behaviouristischen Erscheinungen der kommerziellen Sprachsoftware gehören zu den Symptomen dieses Dilemmas. Die anhaltende unreflektierte Verbreitung eklektischer Übungsformen der Grammatik-Übersetzungsmethode oder des Pattern Drills in Unterricht und Lehrmaterial illustriert, wie wenig nachhaltig offenbar die Bemühungen um eine theoretisch fundierte und empirisch abgesicherte kommunikative Didaktik waren. Mit dem Auftauchen der interkulturellen Sprachdidaktik und der „vierten Generation von Lehrwerken“ (Neuner & Hunfeld 1993) schien sich eine Veränderung gegenüber den Referenzdisziplinen anzubahnen. Zunehmende Migration und Globalisierungstendenzen machten eine entsprechende Öffnung nötig. Aber auch diese anfänglichen Bestrebungen haben sich in der Breite des Lehrmaterials und des Sprachunterrichts genauso wenig durchgesetzt wie wissenschaftlich fundierte Modelle von Grammatik und Sprache. Stattdessen beschäftigt sich die Unterrichtsmethodik geradezu aktionistisch mit temporären Neuerungen (wie den neuen Medien, dem Referenzrahmen, der farbigen Darstellung grammatischer Phänomene) oder Wiedererfindungen bekannter Aspekte (wie dem Inhaltsbezug oder der Diskussion der Bedeutung mündlicher Texte), ohne sich ernsthaft mit den wissenschaftlichen Grundlagen der Didaktik zu beschäftigen. Ein kurzer Rückblick auf die Vorschläge von Comenius zum inhaltsbezogenen Lernen aus dem 17. Jahrhundert etwa oder der Sprachreformer früherer Jahrhunderte sowie die Modelle aus den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts würde der neueren Diskussion des Content and Language Integrated Learning (CLIL) eine erhellende Perspektive bieten. Comenius hält unter Bezug auf einen christlichen Gelehrten bereits 1623 fest:

Die Kenntnis einer Sprache mache noch keinen Weisen, sie diene lediglich dazu, uns mit den anderen Bewohnern der Erdoberfläche, lebenden und toten, zu verständigen; und darum sei auch derjenige, welcher viele Sprachen spreche, noch kein Gelehrter, wenn er nicht zugleich auch andere nützliche Dinge erlernt habe. (Comenius 1970: 269)

Dabei verbindet Comenius bereits die Prozesse des Spracherwerbs und der allgemeinen Maturation (der Vision und des Intellekts des Kindes) und nimmt damit Jean Piagets Modell der kognitiven Entwicklung sowie die in der Spracherwerbsforschung etablierten, kognitive Entwicklungsphasen repräsentierenden Konzepte der Erwerbssequenzen vorweg. Darüber hinaus produzierte er bereits ein Lehrbuch (Orbis sensualium pictus), in dem er systematisch die Verwendung visueller Materialien beim Sprachenlernen und -lehren bedachte (Comenius 1981). Auch die Mitte des 19. Jahrhunderts im Kontext der industriellen und sozialen Umwälzungen entstandene, bildungspolitisch und methodisch motivierte Reformbewegung des Fremdsprachenunterrichts bildet zwar eine didaktische Brücke zwischen den Arbeiten von Comenius und den Elementen des inhaltsbezogenen und handlungsorientierten Lernens moderner didaktischer Ansätze, verfolgt jedoch keine wissenschaftlichen Ziele. Ihr geht es vielmehr darum: Fremdsprachen jedem zugänglich zu machen, anstatt sie einer exklusiven Elite vorzubehalten, den Fremdsprachenunterricht weit über den Unterricht klassischer Literatur hinaus zu erweitern, indem Inhalte des Alltags- und Berufslebens sowie schulischer Fächer in den Fremdsprachenunterricht aufgenommen werden sollten, zum Beispiel in verschiedenen Verfahren des immersiven Lernens.

Mitbegründer oder Anhänger dieser Bewegung wie Jesperson (1922), Passy (1899), Sweet (1899), Gouin (1892), Berlitz (1887), Viëtor (1882) prägten die Reformbewegung mit unterschiedlichen auf die Praxis ausgerichteten Ideen, Modellen und Unterrichtsverfahren. In seiner einflussreichen Einführung benennt Stern (1983) diese Phase wie folgt:

The last decades of the nineteenth century witnessed a determined effort in many countries of the Western world (a) to bring modern foreign languages into the school and university curriculum on their own terms, (b) to emancipate modern languages more and more from the comparison with the classics, and (c) to reform the methods of language teaching in a decisive way. (Stern 1983:98)

Verschiedene Methoden sind in den 20er Jahren (bis in die 40er Jahre) des 20. Jahrhunderts als „praktische Antworten“ auf die vorangehende Diskussion entwickelt worden: darunter die vermittelnde Methode (England), die Lesemethode (England) und BASIC English (British / American / Scientific / International / Commercial), ein Versuch, das Sprachenlernen zu vereinfachen und zu rationalisieren. Mit diesen Methoden beginnen die ersten Ansätze, das Unterrichtsgeschehen, die sprachliche Basis, das Testen von Fertigkeiten und das Lern- und Lehrverhalten mittels verschiedener Pilotstudien systematisch zu untersuchen (unter anderem die Modern Foreign Language Study der American and Canadian Committees on Modern Languages1924–1928, siehe Bagster-Collins, Werner & Woody 1930). Dieser Trend wurde in den 40er und 50er Jahren mit der Profilierung der Linguistik noch intensiviert. Hierzu gehören Schlüsselereignisse wie die Veröffentlichung von Psycholinguistics: A Survey of Theory and Research Problems, herausgegeben von Osgood, Sebeok, Gardner, Carroll, Newmark, Ervin, Saporta, Greenberg, Walker, Jenkins, Wilson & Lounsbury (1954), Verbal Behavior von Skinner (1957) und Lados erste systematische Erfassung der kontrastiven Linguistik Linguistics across Cultures: Applied Linguistics for Language Teachers (1957). The American Army Method, deren Errungenschaften später heiß umstritten waren, versuchte nachzuweisen, dass Sprachunterricht auch ohne die traditionellen schulartigen Methoden und mit wesentlich größeren Gruppen und in kürzerer Zeit effizient durchgeführt werden kann. Als Folge der behaviouristischen Ideologie wurden besonders in den USA die audiolingualen und in Frankreich die audiovisuellen Lehrverfahren entwickelt, die lange Zeit den Sprachunterricht dominierten und unter anderem auch dem Vormarsch der Sprachlabortechnologie Vorschub leisteten und – trotz gegenteiliger empirischer Evidenz – bis heute dem konditionierenden Einsatz elektronischer Medien zugrunde liegen (zum Beispiel in Programmen wie Rosetta Stone oder Tell me more).

Die stetige Zunahme von linguistischen Studien und die Begründung der Psycholinguistik als ein interdisziplinäres Forschungsgebiet leisteten später einen wesentlichen Beitrag zur Identifizierung der aus den Methoden der behaviouristischen Verhaltensformung entstehenden Probleme des Spracherwerbs (zum Beispiel Rivers einflussreiches Buch The Psychologist and the Foreign Language Teacher1964). Als Folge der zunehmenden Kritik an den intuitiven Methoden gewann schließlich das kognitive Lernen – bis heute weitgehend als das regelgeleitete, systematische Lernen missverstanden – in der Diskussion um angemessene Ansätze an Gewicht. Chomskys nativistische Theorie auf der einen Seite und soziolinguistische und pragmalinguistische Strömungen auf der anderen haben im Anschluss daran vor allem die Erwerbsforschung und die Entwicklung neuer methodischer Verfahren geprägt. Chomskys Ausgangshypothese zufolge haben Kinder eine angeborene Fähigkeit der Sprachbildung (in der Muttersprache, L1). Wenn Kinder zum ersten Mal die Sprache hören, setzten allgemeine Prinzipien der Spracherkennung und Sprachproduktion ein, die zusammen das ergäben, was Chomsky den Language Acquisition Device (LAD) nennt. Der LAD steuere die Wahrnehmung der gehörten Sprache und stelle sicher, dass das Kind die entsprechenden Regeln ableite, die die Grammatik der gehörten Sprache bildeten. Dabei bestimmten Verallgemeinerungen, wie die Sätze in der entsprechenden Sprache zu bilden seien. Im Zweitsprachenerwerb werde die Reichweite des LAD einfach auf die neue Sprache ausgedehnt. Nativistische Theorien des Spracherwerbs haben jedoch wenig Einfluss auf die Entwicklung von Erwerbs- und Unterrichtskonzepten für Fremdsprachen gehabt. Den stärksten Einfluss haben sie in der Erforschung und Formulierung von Erwerbssequenzen ausgeübt. In deutlichem Kontrast dazu haben sich seit den 1970er Jahren parallel verschiedene Forschungsrichtungen ausgebildet, die sich an die Valenzgrammatik, die Pragmalinguistik (Sprechakttheorie, Diskursanalyse), die funktionale Linguistik, die Textlinguistik und die Psycholinguistik und andere Kognitionswissenschaften anlehnen. Mit wenigen Ausnahmen ist es aber auch dieser Forschung nicht gelungen, nachhaltig auf die Lehr- und Lernpraxis einzuwirken. Unter den Versuchen einer systematischen Nutzung wissenschaftlicher Ergebnisse für die Entwicklung von Lehrmaterial und Lehrverfahren sind die folgenden zu nennen:

ein kurzlebiger Versuch, die Valenzgrammatik als Grundlage einer didaktischen Grammatik einzuführen (zum Beispiel das DaF-Lehrwerk Deutsch Aktiv)

die eklektische Nutzung von Elementen der pragmatischen Erwerbsforschung in der Lehrwerksproduktion (siehe die DaF-Lehrwerke Tangram, Schritte international)

die Berücksichtigung von Aspekten der Interkomprehensionsdidaktik in Lehransätzen (EuroCom)

die Gestaltung des Sprachunterrichts nach handlungstheoretischen und konstruktivistischen Prinzipien (Szenariendidaktik, fallbasiertes Lernen, Fachsprachenunterricht).

Fremdsprachenunterricht wird verbreitet noch als Domäne des Einzelerwerbs betrachtet. Die systematische Nutzung von Kenntnissen der Vorsprachen beim Erwerb weiterer Sprachen wird bisher nur ansatzweise bedacht und bearbeitet. In Begriffen wie Mehrsprachigkeitsdidaktik, Deutsch nach Englisch oder Interkomprehensionsdidaktik zeigen sich die Vorboten einer neuen Generation der Fremdsprachendidaktik, deren Grundlagen jedoch noch zu erarbeiten sind, wenn sie nicht bei kontrastiven Vergleichen verharren will.

Zur kognitiven Ausrichtung

Um zu verstehen, wie die Sprache überhaupt in den Köpfen der Lerner entsteht und sich weiter verändert – und darum geht es in dieser Buchreihe – sind Erkenntnisse aus verschiedenen Nachbardisziplinen der Sprachlehrforschung erforderlich. Die Neurolinguistik kann zum Beispiel darüber Aufschluss geben, welche Gehirnareale wahrend der Sprachverarbeitung aktiviert werden und inwiefern sich die Gehirnaktivität von L1-Sprechern und L2-Sprechern voneinander unterscheidet. Durch die Nutzung bildgebender Verfahren lässt sich die sprachrelevante neuronale Aktivität sichtbar und damit auch greifbarer machen. Was können wir aber daraus für die Praxis lernen? Sollen Lehrer ab jetzt die Gehirnaktivität der Lerner im Klassenraum regelmäßig überprüfen und auf dieser Basis die Unterrichtsinteraktion und die Lernprogression optimieren? Dabei wird schnell klar, dass eine ganze Sprachdidaktik sich nicht allein auf der Basis solcher Erkenntnisse formulieren lässt. Dennoch können die Daten über die neuronale Aktivität bei sprachrelevanten Prozessen unter anderem die Modelle der Sprachverarbeitung und des mehrsprachigen mentalen Lexikons besser begründen, die sonst nur auf der Basis von behavioralen Daten überprüft werden. Ähnlich wie die Neurolinguistik stellt die kognitive Linguistik eine Referenzdisziplin dar, deren Erkenntnisse zwar für die Unterrichtspraxis sehr relevant und wertvoll sind, sich aber unter anderem aufgrund des introspektiven Charakters ihrer Methoden nicht direkt übertragen lassen. Die kognitive Linguistik erklärt nämlich die Sprache und den Spracherwerb so, dass sie mit den Erkenntnissen aus anderen kognitiv ausgerichteten Disziplinen vereinbar sind. So dienen kognitive Prinzipien wie die Metaphorisierung oder die Prototypeneffekte der Beschreibung bestimmter Sprachphänomene. Der Spracherwerb wird seinerseits durch allgemeine Lernmechanismen wie die Analogiebildung oder die Schematisierung erklärt. Die kognitive Linguistik, die Psycholinguistik, die Neurolinguistik, die kognitiv ausgerichteten Kulturwissenschaften sind also Bezugsdisziplinen, die als Grundlage einer kognitiv ausgerichteten Sprachdidaktik fungieren. Sie sollen in den Bänden dieser Reihe soweit zum Tragen kommen, wie das nur möglich ist. Bei jedem Band stehen daher die Prozesse in den Köpfen der Lerner im Mittelpunkt der Betrachtung.

1.Grundlagen des multimedialen Lernens

Die menschliche Kommunikation läuft in den seltensten Fällen rein sprachlich ab. Vielmehr kann man davon ausgehen, dass Kommunikation neben dem Sprachsystem mindestens ein weiteres Kodierungssystem miteinbezieht. In der mündlichen Kommunikation erfüllen Gestik und Mimik eine essenzielle kohärenzstiftende Funktion, indem zum Beispiel räumliche Aspekte mit den Händen verdeutlicht werden. Dabei kommt es auch vor, dass die Gestik aufgrund kulturbedingter Interpretation zu Missverständnissen führt, wie zum Beispiel das Kopfschütteln, das in manchen Kulturen als Zeichen der Zustimmung gilt. Auch in der schriftlichen Kommunikation spielt vor allem die Verwendung von Bildern (Fotos, Graphiken, Symbolen, Smileys etc.) eine besonders wichtige Rolle, wie sich unter anderem in den Bereichen der Werbung, der Presse oder der virtuellen Kommunikation beobachten lässt. Im Kontext der Sprach- und Kulturvermittlung erscheint es daher sinnvoll, neben dem Sprachgebrauch auch den adäquaten Umgang mit Bildern und anderen Elementen nonverbaler Kommunikation zu fördern. In diesem Kapitel wollen wir der Frage nachgehen, welche Besonderheiten die Text- und Bildverarbeitung in der Fremdsprache aufweist. Im Mittelpunkt dieses Kapitels stehen daher die L2-spezifischen Aspekte der Text- und Bildverarbeitung im Kontext der allgemeinen Kommunikation sowie die Gelingensbedingungen für den Einsatz von Text und Bild in Lernmaterialien. Zur Beantwortung dieser Fragen werden zunächst die Theorien des multimedialen Lernens behandelt und daraus wichtige Prinzipien für das Design multimedialer Materialien abgeleitet. Danach wird die Umsetzung dieser Designprinzipien in Lernmaterialien am Beispiel der Grammatikanimationen gezeigt. Anschließend wird Sprachenlernen aus der Perspektive der Multimedialität und der Multimodalität betrachtet.

1.1Multimediales Lerndesign

Ferran Suñer Muñoz & Jörg Roche

In dieser Lerneinheit wollen wir uns mit den wichtigsten Prinzipien zur Gestaltung multimedialer Materialien beschäftigen. Diese Prinzipien bieten Lehrkräften einen theoretisch fundierten und empirisch gestützten Orientierungsrahmen bei der Erstellung von Materialien, die Bilder und Text miteinander kombinieren. Dabei kann es sich um graphische Übersichten über landeskundliche Sachverhalte, Aufgabensequenzen zu einem Video oder einfach um die eigene PowerPoint-Präsentation für den Unterricht handeln. Diese Lerneinheit geht den Fragen nach, welche Prinzipien sich aus den Theorien des multimedialen Lernens ableiten und wie sie sich auf multimediale Lernmaterialien für das Fremdsprachenlernen anwenden lassen. Zur Beantwortung dieser Fragen soll die Theorie von Mayer (2005a, 2009) vorgestellt werden, die die wichtigsten Erkenntnisse der Vorgängermodelle zu einem integrierten Modell zusammenführt. Danach sollen aus Mayers Modell die wichtigsten Designprinzipien abgeleitet und vor dem Hintergrund der bisherigen empirischen Forschung präsentiert werden. Die Lerneinheit schließt mit der Diskussion einiger Beispiele für eine gelungene Umsetzung der Designprinzipien in Lernmaterialien ab.

 

Lernziele

In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie

erklären können, wie sich die verschiedenen Designprinzipien anhand der Theorien des multimedialen Lernens begründen lassen;

anhand der Designprinzipien multimediale Lernmaterialien im Kontext des Fremdsprachenlernens evaluieren und optimieren können.

1.1.1Theoretische Grundlagen von Designprinzipien

Viele Designprinzipien wie das Multimediaprinzip, nach dem die Darbietung von Bild und Text zu besseren Lernergebnissen führen soll als die Darbietung von Text alleine, oder das signaling-Prinzip, nach dem wichtige Aspekte des Lernmaterials hervorgehoben werden sollen, klingen fast wie selbstverständlich, sind jedoch aus komplexen Theorien entstanden und in zahlreichen empirischen Studien erforscht worden. In diesem Abschnitt soll zunächst das Modell von Mayer (2005a, 2009) präsentiert werden, das als Grundlage für die Formulierung der Designprinzipien genommen wird. Unter Rückgriff auf die Vorgängermodelle von Baddeley (1986) und Paivio (1990) sowie auf die cognitive load theory von Sweller & Chandler (1991), versucht das Modell von Mayer auf folgende drei Fragen zu antworten:

Wie interagieren die verschiedenen Verarbeitungskanäle des Arbeitsgedächtnisses miteinander beim multimedialen Lernen?

Welche Rolle spielt die begrenzte Verarbeitungskapazität des Arbeitsgedächtnisses beim multimedialen Lernen?

Welche Prozesse sind für sinnvolles und nachhaltiges multimediales Lernen notwendig?

Zu Frage 1: Mit der sogenannten dual channel assumption geht Mayer (2005a) davon aus, dass beim multimedialen Lernen hauptsächlich zwei separate, aber miteinander verknüpfte Verarbeitungskanäle involviert sind. Er differenziert zwischen einem visuell-piktorialen und einem auditiv-sprachlichen Kanal, die jeweils Aspekte der sensorischen Modalität (visuell versus auditiv) und des Präsentationsmodus (piktorial versus sprachlich) miteinander kombinieren. Das heißt also, dass jeder dieser beiden Kanäle auf eine bestimmte sensorische Modalität und Kodierungsart spezialisiert ist.

Zu Frage 2: Ähnlich wie bei der cognitive load theory (Sweller & Chandler 1991) geht Mayer auch von einer limitierten Verarbeitungskapazität des Arbeitsgedächtnisses aus, die allerdings für beide Kanäle unterschiedlich ist (vergleiche limited capacity assumption, Mayer 2005a, 2009). Das heißt also, dass der visuell-piktoriale und der auditiv-sprachliche Kanal jeweils eine eigene Verarbeitungskapazität haben, die unabhängig voneinander zu betrachten sind. Daraus ergibt sich also, dass die Verarbeitung von Bild und Text die beiden Kanäle optimal nutzen sollte, um jeweils Überbelastungen zu vermeiden. Weiterhin merkt Mayer an, dass die limitierte Verarbeitungskapazität der beiden Kanäle sich nicht in Form von einer konkreten Anzahl von Items ausdrückt, da dies stark von Faktoren wie dem Chunking, den individuellen Lernvoraussetzungen, den Übungseffekten sowie der Nutzung bestimmter metakognitiver Strategien abhängt (vergleiche Mayer 2005a: 35f). Letzteres wird nach Mayer als die Kernfunktion der von Baddeley postulierten zentralen Exekutive angesehen.

Zu Frage 3: Schließlich beschäftigt sich Mayer auch mit den Voraussetzungen für sinnvolles Lernen. Im Rahmen der sogenannten active processing assumption postuliert Mayer (2005a, 2009), dass sinnvolles Lernen vor allem durch die Konstruktion einer mentalen Repräsentation ermöglicht wird, die den neuen Input mit dem bereits vorhandenen Vorwissen auf eine subjektiv plausible Weise vereinbar macht. Die Prozesse, die hierfür erforderlich sind, wurden bereits in einem der früheren Modelle von Mayer, dem sogenannten Selektion-Organisation-Integration-Modell (kurz SOI-Modell), festgelegt: Zunächst werden Informationen aus dem Input wahrgenommen und selektiert; danach werden die verschiedenen Informationen im ArbeitsgedächtnisArbeitsgedächtnis aufeinander bezogen und zu einer kohärenten mentalen Repräsentation organisiert; schließlich wird diese mentale Repräsentation in die bereits vorhandenen Wissensstrukturen integriert. Diese Prozesse können durch die Strukturierung des Lernmaterials begünstigt oder gehemmt werden. So kann zum Beispiel die Darstellung der Hauptidee eines Textes und der ihr untergeordneten Spezifikationen in Form einer hierarchischen Baumstruktur den Lernern helfen, die darin enthaltenen Informationen besser aufeinander zu beziehen und zu einer kohärenten mentalen Repräsentation zu organisieren (Mayer 2005a).

Vor dem Hintergrund dieser drei Grundthesen formuliert Mayer die sogenannte kognitive Theorie des multimedialen Lernenskognitive Theorie des multimedialen Lernens, die in Abbildung 1.1 dargestellt ist. Mayer geht von drei Komponenten des menschlichen Gedächtnisses aus: In einem ersten Schritt werden im sensorischen Gedächtnis die visuellen (Bilder, geschriebene Wörter) und auditiven Reize (gesprochene Wörter beziehungsweise Töne) durch die entsprechenden Sinnesorgane wahrgenommen und zum Arbeitsgedächtnis weitergeleitet. Dort werden die Informationen je nach Kodierung (piktorial oder verbal) durch kognitive Organisationsprozesse jeweils zu verbalen oder piktorialen Modellen weiterverarbeitet. Durch die Pfeile zwischen den Lauten und den Bildern macht Mayer deutlich, dass Wörter beispielsweise durch referenzielle Prozesse auch die entsprechenden mentalen Bilder aktivieren können. Schließlich werden die verbalen und piktorialen Modelle durch Integrationsprozesse und die Aktivierung von relevantem Vorwissen zu einem ganzheitlichen mentalen Modell zusammengefügt.

Abbildung 1.1:

Kognitive Theorie des multimedialen Lernens (nach Mayer 2005b: 37)

Wie Sie vermutlich bemerkt haben, werden im Modell von Mayer nicht alle Wege der Worterkennung berücksichtigt, die beispielsweise im Modell von Coltheart, Rastle, Perry, Langdon & Ziegler (2001) beschrieben werden. Demnach führt der sogenannte lexikalische Weg über eine orthographische Dekodierung des visuellen Schriftbildes zum entsprechenden Eintrag im mentalen Lexikon. Durch referenzielle Prozesse aktiviert das visuelle Schriftbild direkt das repräsentierte Wort, ohne dass zunächst die entsprechenden Laute durch Graphem-Phonem-Korrespondenz generiert werden. Um diesen Weg in der Sprachverarbeitung zu berücksichtigen, sollte das Modell von Mayer durch einen weiteren Pfeil ergänzt werden, der von den Bildern direkt zum verbalen Modell führt. Der prälexikalische Weg, demzufolge die Lautform des Wortes buchstabenweise durch Graphem-Phonem-Korrespondenzen mental rekonstruiert wird, wird in dem Modell durch die Verbindung zwischen den Bildern und den Lauten dargestellt.

Abbildung 1.2:

Integriertes Modell der Text- und Bildverarbeitung (Schnotz 2005: 57)

In einem ähnlichen Modell, das in vielen Punkten an das Modell von Mayer erinnert, behebt Schnotz (2005, siehe Abbildung 1.2) das Problem der verschiedenen Verarbeitungswege, indem keine strengen auditiv-verbalen und visuell-piktorialen Kanäle angenommen werden (vergleiche auch Gyselinck, Jamet & Dubois 2008: 359). So muss der geschriebene Text zum Beispiel nicht unbedingt zunächst den Weg vom visuellen bis zum auditiven Arbeitsgedächtnis durchlaufen, um ein verbales Modell zu bilden (vergleiche Suñer 2011: 105). Im Vergleich zu Mayers Modell nimmt Schnotz (2005: 59) eine weitere wichtige Änderung vor, und zwar differenziert er nicht mehr zwischen verbalem und piktorialem Modell als Vorstufe zu einem ganzheitlichen mentalen Modell. Vielmehr wird im Modell suggeriert, dass Bilder durch den piktorialen Kanal einen viel schnelleren Zugang zu den mentalen Modellen haben, während der sprachliche Input zunächst zur Bildung einer propositionalen Repräsentation führt und erst dann zu einem mentalen Modell weiterverarbeitet wird. Damit wird das Modell Forschungsergebnissen gerecht, nach denen mentale Modelle mit der Verarbeitung visuell-räumlicher Information eng zusammenhängen (vergleiche Friedman & Miyake 2000; Sims & Hegarty 1997) und für entsprechende mentale Simulationen von Sachverhalten eine wichtige Rolle spielen (vergleiche Seel, Darabi & Nelson 2006; Seel 2008). Durch die Trennung zwischen der bildlichen Repräsentation und dem mentalen Modell im Arbeitsgedächtnis wird jedoch auch deutlich gemacht, dass beide mentalen Repräsentationen nicht gleichzusetzen sind (vergleiche Knauff & Schlieder 2005). So wurde in mehreren Experimenten festgestellt, dass die oft irrelevanten Details von mentalen Bildern unter bestimmten Bedingungen die Denkprozesse hemmen und damit die Bildung von mentalen Modellen behindern können (Knauff & Johnson-Laird 2002; Knauff & May 2006).

1.1.2Anwendung der Designprinzipien

Aus diesen ersten Ausführungen ergeben sich schon wichtige Konsequenzen für die Praxis. Multimediale Lernmaterialien sollen sorgfältig aufbereitet werden, damit zum Beispiel nicht unnötige Details von Bildern die Bildung mentaler Modelle und damit nachhaltiges Lernen verhindern. Das heißt also, dass wir nicht von einem allgemeinen Vorteil durch die Verwendung von Materialien bestehend aus Bildern und Texten (vergleiche MultimediaprinzipMultimediaprinzip, Mayer 2009) ausgehen dürfen. Vielmehr sollen Prinzipien wie das RelevanzprinzipRelevanzprinzip (Darbietung von lernrelevanten Informationen), das RedundanzprinzipRedundanzprinzip (Vermeidung von doppelter Darbietung von Information) oder das signaling-Prinzipsignaling-Prinzip (Hervorhebung wichtiger Elemente im Lernmaterial) sicherstellen, dass die dargebotenen multimedialen Materialien vor allem relevante Lernprozesse initiieren und nicht unnötigerweise kognitive Ressourcen verbrauchen (Mayer 2009). Weiterhin kann die Überlastung der einzelnen Verarbeitungskanäle im Arbeitsgedächtnis dadurch vermieden werden, dass die Bild- und Textanteile des Lernmaterials in verschiedenen Sinnesmodalitäten dargeboten werden und die Kapazität der Kanäle damit optimal genutzt wird (vergleiche ModalitätsprinzipModalitätsprinzip). Die Effizienz dieser und anderer Designprinzipien hängt jedoch stark vom Vorwissen der Lerner ab, und zwar kann ihr Einsatz bei Lernern mit hohem Vorwissen im Sinne des sogenannten expert reversal effectexpert reversal effect kontraproduktiv sein (vergleiche Kalyuga et al. 2003; Sweller 2004; Plass et al. 2010). Schließlich soll bei der Anwendung der Designprinzipien berücksichtigt werden, dass sie meistens nicht direkt auf den Fremdsprachenkontext übertragbar sind. Es ist also hier auch mit veränderten Bedingungen zu rechnen.

Vor diesem Hintergrund werden in den folgenden Abschnitten einzelne Designprinzipien vorgestellt. Dabei werden die Prinzipien in Anlehnung an Mayer (2009) zunächst anhand von Beispielen beschrieben und anschließend wird die zugehörige empirische Befundlage vorgestellt. Schließlich werden – soweit vorhanden – weiterführende Ergebnisse aus dem Bereich des Fremdsprachenlernens vorgestellt, die von den Ergebnissen aus Studien mit muttersprachlichen Probanden abweichen. Da bisher insgesamt circa 30 Designprinzipien formuliert und erforscht wurden (vergleiche van Merriënboer & Kester 2014), beschränken wir uns im Folgenden lediglich auf die drei folgenden Prinzipien: das Modalitätsprinzip, das Kontiguitätsprinzip und das Redundanzprinzip.

Das Modalitätsprinzip

Nach van Merriënboer & Sweller (2010: 89) wird das Modalitätsprinzip wie folgt definiert: „Replace a written explanatory text and another source of visual information (unimodal) with a spoken explanatory text and the visual source of information (multimodal)“. Dabei wird davon ausgegangen, dass die simultane Darbietung von Text und Bild am besten unterschiedliche Sinnesmodalitäten kombinieren sollte, um jeweils die Kapazität der beiden Verarbeitungskanäle optimal zu nutzen und eine eventuelle kognitive Überlastung zu vermeiden (vergleiche Low & Sweller 2005; Brünken, Plass & Leutner 2004). Nehmen wir ein konkretes Beispiel: Ein Kollege oder eine Kollegin von Ihnen möchte ein Tutorial zu einem Tool zur Erstellung von Quizzen für das Lehrerkollegium in der Sprachschule vorbereiten. Dabei möchte er oder sie die verschiedenen Schritte zur Erstellung eines Quiz erklären, indem die entsprechenden Bildschirmaktionen gezeigt und kommentiert werden. Sie werden nun gefragt, ob es besser wäre, die Kommentare zu den jeweiligen Bildschirmaktionen schriftlich oder mündlich darzubieten. In diesem Fall würde sich eine auditive Darbietung der Kommentare anbieten, damit der Sprachanteil der Information ausschließlich über den sprachlich-auditiven Kanal und die Bildschirmaufnahmen über den visuell-piktorialen Kanal verarbeitet werden. Bei der simultanen Darbietung von geschriebenem Text und den Bildschirmaufnahmen besteht hingegen die Gefahr, dass es zu einer Teilung der Aufmerksamkeit bei der Wahrnehmung kommt (beides kann nur visuell wahrgenommen werden) und die entsprechenden verbalen und piktorialen Modelle bei der Verarbeitung nicht erfolgreich aufeinander bezogen und integriert werden können.

Die bisherige empirische Forschung hat die Effizienz des Modalitätsprinzips mehrfach belegt (vergleiche zum Beispiel Mousavi, Low & Sweller 1995; Tindall-Ford, Chandler & Sweller 1997; Jeung, Chandler & Sweller 1997; Mayer & Moreno 1998; Moreno & Mayer 1999; Moreno, Mayer, Spires & Lester 2001; Moreno & Mayer 2002; Craig, Gholson & Driscoll 2002). So wurde in der Studie von Mousavi et al. (1995) beobachtet, dass die Kombination eines Diagramms und eines gesprochenen Textes beim Lösen von Geometrieproblemen effizienter war als die Kombination eines Diagramms und eines geschriebenen Textes (vergleiche Mayer & Moreno 1998). Weiterhin wies Mayer (2005b: 177) in einer Metastudie auf der Basis von insgesamt 21 Experimenten zum Modalitätsprinzip eine durchschnittliche Effektstärke von 0.97 (starker Effekt) nach. Daraus ergibt sich also, dass das Modalitätsprinzip auf einer relativ soliden empirischen Basis steht.

Andere Experimente haben jedoch gezeigt, dass das Modalitätsprinzip nicht bedingungslos zu einem Mehrwert führt. So hat Sweller (2004, 2005; vergleiche auch Rummer, Furstenberg & Schweppe 2008) festgestellt, dass das Prinzip nur dann auftritt, wenn die Bild- und Textverarbeitung simultan erfolgen soll und die Lerner zu einer Aufsplitterung der Aufmerksamkeit verleitet werden (vergleiche split-attention-Effekt). Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn in einem Buch eine Graphik zu den steigenden Zahlen der Deutschlerner weltweit auf einer Seite steht und die dazugehörenden Erklärungen auf der darauffolgenden Seite stehen. In diesem Zusammenhang trägt also das Modalitätsprinzip zur Reduzierung der extrinsischen kognitiven Belastung durch die unterschiedlichen Seiten bei. Leahy, Chandler & Sweller (2003) konnten diesen Mehrwert auch in ihrer Studie nachweisen: Lerner mit einem Lernmaterial bestehend aus einer Graphik und auditiv dargebotenen Erklärungen, die nicht isoliert voneinander verstanden werden konnten, schnitten besser ab als Lerner mit einer Graphik und visuell dargebotenen Erklärungen. Die Autoren weisen jedoch auch darauf hin, dass sich der Vorteil einer solchen multimodalen Darbietung der Lernmaterialien nur dann beobachten lässt, wenn die Lernmaterialien eine erhebliche intrinsische kognitive Belastungintrinsische kognitive Belastung (intrinsic cognitive load)mit sich bringen, zum Beispiel, wenn die verschiedenen Elemente des Lernmaterials einen hohen Interaktivitätsgrad aufweisen und daher inhaltlich anspruchsvoll sind (vergleiche auch Tindall-Ford et al. 1997). In einem weiteren Experiment stellen Leahy et al. (2003) auch fest, dass das Modalitätsprinzip keine Lernvorteile mit sich bringt, wenn neben einer selbsterklärenden Graphik zusätzliche auditive Erklärungen angeboten werden. Da die auditiv dargebotenen Erklärungen in dem Fall als überflüssig anzusehen sind, kann eine solche doppelte Darbietung der Information zu Leistungseinbußen führen. So war in dem Experiment die Gruppe ohne Erklärungen der Gruppe mit auditiv dargebotenen Erklärungen überlegen. Den negativen Effekt einer doppelten Darbietung von Information fasst Mayer unter dem sogenannten Redundanzprinzip zusammen (Mayer 2009; vergleiche auch Sweller & Chandler 1991). Weiterhin stellt Ginns (2005) in seiner Metaanalyse von insgesamt 43 empirischen Studien unter anderem fest, dass die multimodale Darbietung der Lernmaterialien keinen Lernmehrwert darstellt, wenn die Lerner die Wiedergabe des gesprochenen Textanteils durch entsprechende Funktionen steuern können (zum Beispiel durch einen Abspielregler, vergleiche auch Betrancourt 2005).

Bisher wurden wenige empirische Untersuchungen zur Relevanz des Modalitäts-Prinzips im Kontext des Fremdsprachenlernens durchgeführt. Eine Ausnahme bildet jedoch die Studie von Suñer (2011), in der drei unterschiedliche Aufbereitungen eines Hypertextes miteinander verglichen wurden:

Gruppe 1: rein textueller Hypertext bestehend aus einer hierarchischen Navigationsleiste und den schriftlich dargebotenen Hypertextknoten (nur Text);

Gruppe 2: multimedialer Hypertext bestehend aus einer graphischen Übersicht als Navigationsoberfläche und den schriftlich dargebotenen Hypertextknoten (Bild und Text);

Gruppe 3: multimodaler Hypertext bestehend aus einer graphischen Übersicht als Navigationsoberfläche und den auditiv dargebotenen Hypertextknoten (Bild und Audio).

Die Ergebnisse der Tests zum Textverstehen zeigen eindeutig, dass nur die Experimentalgruppe 2 (Bild und Text) der Experimentalgruppe 1 (nur Text) signifikant überlegen war. Die Experimentalgruppe 3 (Bild und Audio) schnitt zwar besser als Gruppe 1 (nur Text) ab, der Unterschied war jedoch nicht signifikant. Der Autor schließt daraus, dass das Multimediaprinzip (die Darbietung von Bild und Text ist lernförderlicher als nur Text) für den L2-Spracherwerb relevanter zu sein scheint als das Modalitätsprinzip. Die bedingte Effizienz des Modalitätsprinzips erklärt der Autor in Anlehnung an das control-of-processing principlecontrol-of-processing principle von Schnotz (2005), nach dem die visuelle Darbietung von Texten bei statischen Bildern, bei schwierigen Texten und bei begrenzter Lernzeit günstiger ist als die auditive Darbietung. So spielt die unterschiedliche Natur der jeweiligen Reizinformationen bei der Überlegenheit der visuellen Darbietung des Textes gegenüber der auditiven Darbietung eine wichtige Rolle. Während das Verarbeitungstempo bei gesprochener Sprache aufgrund der Kurzlebigkeit und Flüchtigkeit der auditiven Reize kaum beeinflussbar ist, kann der Lerner bei geschriebener Sprache aufgrund der Stabilität der visuellen Reize die Verarbeitungsgeschwindigkeit an die eigenen Bedürfnisse anpassen (zum Beispiel langsamer lesen bei thematisch schwierigen Texten). Hier hilft selbst die Nutzung einer Abspielsteuerung bei Audio-Texten nicht, denn die Geschwindigkeit der Aufnahmen bleibt auch nach fünf oder zehn Wiederholungen unverändert. Auch die Flüchtigkeit animierter Bilder kann dazu führen, dass der Lerner insgesamt weniger Kontrolle über die Geschwindigkeit der simultanen Verarbeitung von Text und Bild hat und sich daher zum schnellen Wechseln zwischen animierten Bildern und geschriebenem Text gezwungen sieht. Die damit verbundene kognitive Überlastung (split-attention) kann in diesem Fall jedoch durch die Nutzung eines Abspielreglers vermieden werden, anhand dessen der Lerner die Animation nach Bedarf stoppen kann. Der Einsatz solcher instruktionalen Designmaßnahmen wurde bereits in einigen Studien zur Grammatikvermittlung erfolgreich umgesetzt.

Das Kontiguitätsprinzip

Das KontiguitätsprinzipKontiguitätsprinzip, das van Merriënboer & Sweller (2010: 89) unter dem split-attention effectsplit-attention effect zusammenfassen, definieren die Autoren folgendermaßen: „Replace multiple sources of information, distributed either in space (spatial split attention) or time (temporal split attention), with one integrated source of information“. Das Prinzip lässt sich vor dem Hintergrund der zuvor präsentierten Theorien zum multimedialen Lernen (Mayer 2005a, 2009; Schnotz 2005) begründen, und zwar soll damit die kognitive Überlastung vermieden werden, die sich aus der zeitlich oder räumlich separaten Darbietung von Text und Bild ergeben kann. Der Versuch, Text- und Bildinformation im Arbeitsgedächtnis aufeinander zu beziehen, die zeitlich oder räumlich nicht gemeinsam vorhanden sind, verursacht einen erhöhten Verbrauch an kognitiven Ressourcen, der oft mit Leistungseinbußen einhergeht (vergleiche Sweller 2004). Durch die Integration von Bildern und Wörtern in der Lernumgebung kann also der split-attention-Effekt reduziert und somit die simultane Verarbeitung beider Informationsarten im Arbeitsgedächtnis unterstützt werden (vergleiche Schnotz 2005: 61). Dies betrifft nach Clark & Mayer (2016: 91ff) aber nicht nur die Präsentation von Bildern und Texten im Allgemeinen, sondern auch eine Reihe von weiteren Aspekten, die sowohl für allgemeine Lernmaterialien als auch für Sprachlernplattformen relevant sind. In folgenden Kontexten kann die Aufmersamkeitsteilung nach Clark & Mayer (2016: 5) einen lernhemmenden Effekt haben:

die separate Darbietung von Graphiken und Texten auf scrollenden Websites;

die separate Darbietung von Fragen und den entsprechenden Antworten beziehungsweise des Feedbacks;

die separate Darbietung von Inhalten in verschiedenen Browserfenstern;

die simultane Darbietung von geschriebenem Text und Animationen;

die Nutzung einer Legende zur Erklärung einzelner Teile einer Graphik.

Im Zusammenhang mit dem Kontiguitätsprinzip wird oft zwischen zeitlicher und räumlicher Kontiguität unterschieden (vergleiche Mayer 2009; Clark & Mayer 2016). Wir werden hier im Sinne von van Merriënboer & Sweller (2010) jedoch beide Aspekte gemeinsam behandeln, da sie auf denselben kognitiven Effekt zurückzuführen sind, nämlich den split-attention-Effekt.

Das Vorkommen einer Aufsplittung der Aufmerksamkeit wird in der Literatur mit der extrinsischen kognitiven Belastung in Zusammenhang gebracht und daher eher mit der Präsentationsart des Lernstoffs als mit seiner Schwierigkeit. Zur Untersuchung dieser Quelle der extrinsischen kognitiven Belastung wurden mehrere Studien durchgeführt, in denen nichtintegrierte Lernmaterialien und physikalisch integrierte Lernmaterialien miteinander verglichen wurden (vergleiche Mwangi & Sweller 1998; Chandler & Sweller 1996; Cerpa, Chandler & Sweller 1996; Sweller & Chandler 1994; Mayer & Sims 1994; Ward & Sweller 1990; Kester, Kirschner & van Merriënboer 2005). So verglichen Kester et al. (2005) zwei Gruppen von Lernern, die sich mit den Funktionsweisen eines Stromkreises anhand von unterschiedlich aufbereiteten Lernmaterialien beschäftigten: Eine Gruppe lernte mit einem Diagramm zum besagten Thema, wobei einige prozedurale Informationen nicht räumlich integriert waren; eine andere Gruppe lernte mit demselben Diagramm, in dem die prozeduralen Informationen integriert waren. Die Ergebnisse der Leistungstests zeigen, dass die Gruppe mit den integrierten Lernmaterialien nur beim Lösen von Stromkreisproblemen, die deutlich von den Praxisbeispielen aus der Lernphase differieren, der anderen Gruppe überlegen war. Beim Lösen ähnlicher Probleme wie der aus der Lernphase wurden keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen festgestellt. Ein solches unsystematisches Auftreten beziehungsweise ein nicht flächendeckender Effekt des Kontiguitätsprinzips lässt sich auch in weiteren Studien beobachten (vergleiche zum Beispiel Kester, Kirschner & van Merriënboer 2004a, 2004b). Dies kontrastiert mit den Ergebnissen der zwei Metastudien von Mayer (2009), in denen er für das räumliche und das zeitliche Kontiguitätsprinzip jeweils eine große durchschnittliche Effektstärke nachwies (d=1,09 und d=1,31, vergleiche Mayer 2009: 135 und 153). Das Gesamtbild lässt also zu Recht vermuten, dass das Auftreten des Kontiguitätsprinzips an gewisse Einschränkungen gebunden ist.

Ähnlich wie beim Modalitätsprinzip, stellt das Vorhandensein einer hohen intrinsischen kognitiven Belastung nach Sweller & Chandler (1994: 122) eine der wichtigsten Einschränkungen dar. Weiterhin bewirkt das räumliche Integrieren von Text und Bild nach Ayres & Sweller (2014) keine Steigerung der Lernleistungen, wenn der Text das Bild inhaltlich zwar umschreibt, aber an sich keine neuen, ergänzenden Informationen anbietet (vergleiche auch Mayer 2009: 135). Eine Steigerung der Lernleistung kann in diesem Fall eher durch das Weglassen redundanter Information erreicht werden (vergleiche Ayres & Sweller 2014, vergleiche Redundanzprinzip weiter unten). Schließlich konnten Cierniak, Scheiter & Gerjets (2009) zeigen, dass anhand des Kontiguitätsprinzips nicht nur die extrinsische kognitive Belastungextrinsische kognitive Belastung (extraneous cognitive load) verringert, sondern auch die lernbezogene kognitive Belastunglernbezogene kognitive Belastung (germane cognitive load) erhöht werden konnte. Diesen Befund bestätigen auch Ergebnisse anderer Studien (vergleiche Kester, Kirschner & van Merriënboer 2005; Tabbers, Martens & van Merriënboer 2000), in denen trotz der signifikant besseren Lernleistungen in den Gruppen mit integrierten Lernmaterialien die gesamte kognitive Belastung gleich groß war. Daraus lässt sich schließen, dass durch den Einsatz des Kontiguitätsprinzips kognitive Ressourcen für Schematisierungsprozesse freigemacht wurden, so dass die drei Arten kognitiver Belastung insgesamt besser ausbalanciert werden konnten.

Das Redundanzprinzip

In diesem letzten Abschnitt beschäftigen wir uns mit einem weiteren Designprinzip, das zwar etwas selbstverständlich klingt, jedoch gewissen Einschränkungen unterliegt, vor allem in Bezug auf das Fremdsprachenlernen: Das Redundanzprinzip. Van Merriënboer & Sweller (2010: 89) formulieren das Prinzip wie folgt: „Replace multiple sources of information that are self-contained (i.e. they can be understood on their own) with one source of information“. Mayer (2009: 124), der sich bei der Definition des Redundanzprinzips im Gegensatz zu van Merriënboer & Sweller (2010) lediglich auf die simultane Darbietung von Bildern, gesprochenem Text und geschriebenem Text bezieht, beschreibt die damit verbundene Überlastung des Verarbeitungssystems wie folgt: Sowohl die simultane Wahrnehmung von Bildern und geschriebenem Text durch die Augen als auch die Versuche, die sprachlichen Informationen aus dem gesprochenem und dem geschriebenen Text aufeinander zu beziehen, führen zu einer erhöhten extrinsischen kognitiven Überlastung. Folgerichtig rät Mayer (2009: 124) von einer doppelten Darbietung von verbaler Information (auditiv und visuell) ab und empfiehlt die Darbietung von Bild und Text nach dem zuvor besprochenen Modalitätsprinzip. Diese Definition kontrastiert mit der etwas breiter gefassten Definition des Redundanzprinzips nach Sweller (2005), die sich sowohl auf die doppelte Darbietung von Text und/oder Bild in jeglicher Form, als auch auf die Darbietung unnötiger Erläuterungen zum Lernstoff bezieht. Das zeigt wiederum, dass es fließende Übergänge zwischen vielen Designprinzipien gibt, denn hier kommt unter anderem der Aspekt der Kohärenz der verschiedenen Materialien zum Tragen, den Mayer (2009) unter dem Kohärenzprinzip zusammenfasst: Lässt sich für den Lerner kein kohärenter Zusammenhang zwischen den verschiedenen Elementen des Lernmaterials erkennen, so führt dies zu einer Erhöhung der extrinsischen kognitiven Belastung.

Mayer (2009: 126) legt insgesamt fünf eigene Experimente vor (zum Beispiel Moreno & Mayer 2002), die die Überlegenheit der Gruppen mit nicht redundanten Lernmaterialien gegenüber den Gruppen mit redundanten Lernmaterialien nachweisen konnten. Die positiven Effekte führt Mayer auf die Vermeidung einer Überlastung des auditiv-sprachlichen Kanals zurück. Obwohl die durchschnittliche Effektgröße der fünf Studien mittelstark bis stark war (d=0.72), merkt Mayer an, dass das Vorkommen eines solchen Effektes an viele Bedingungen gekoppelt ist. Demnach profitieren Lerner nicht vom Redundanzprinzip vor allem bei kurzen Texten und bei der Darbietung von verkürzten Untertiteln zu gesprochenen Texten. Außerdem zeigen neuere Studien, dass sich das Prinzip im Fremdsprachenkontext etwas anders verhält.

In einer sehr umfangreichen Metastudie mit mehr als 57 unabhängigen Studien untersuchten Adesope & Nesbit (2012), unter welchen Bedingungen die doppelte Darbietung von sprachlicher Information der einfachen Darbietung überlegen war. Diese Überlegenheit wurde vor allem bei Lernern mit niedrigem Vorwissen sowie bei der Nutzung von systemgesteuerten und rein sprachlichen Lernmaterialien festgestellt. Ein positiver Effekt von redundanten Lernmaterialien wurde ebenfalls von Mayer & Johnson (2008) beobachtet, nämlich bei der Ergänzung von kurzen Überschriften in verschiedenen Graphiken, die durch auditiv dargebotene Erklärungen zusätzlich beschrieben wurden. In diesem Fall verhalfen die Überschriften zu einer besseren Zuordnung der Begriffe aus dem gesprochenen Text zu den jeweiligen Teilen der Graphik. Redundante Lernmaterialien scheinen jedoch auch im Fremdsprachenkontext hilfreich zu sein. So konnten Mayer, Lee & Peebles (2014) in einem ersten Experiment zeigen, dass die Darbietung von redundanten Bildern zu Inhalten aus einem gesprochenen Text nicht-muttersprachlichen Studenten zu besseren Lernerfolgen verhalf als die reine Darbietung des gesprochenen Textes. In einem zweiten Experiment hat sich die Darbietung von Untertiteln in einem Video jedoch nicht als lernförderlich erwiesen. Die Ergebnisse aus diesem zweiten Experiment kontrastieren jedoch mit den Ergebnissen aus der Studie von Mitterer & McQueen (2009), in der Fremdsprachenlerner einen dialektal gefärbten Film mit Untertiteln signifikant besser verstehen konnten als ohne Untertitel. In manchen Fällen kann also die Darbietung sprachlicher Information in visueller Modalität zu einer besseren Segmentierung gesprochener Texte verhelfen.

1.1.3Zusammenfassung

Die kognitive Theorie des multimedialen Lernens von Mayer erweist sich als ein fruchtbarer theoretischer Rahmen zur Formulierung von Designprinzipien.

Die kognitive Theorie des multimedialen Lernens geht von drei zentralen Annahmen aus:

Beim multimedialen Lernen sind hauptsächlich zwei separate, aber miteinander verknüpfte Verarbeitungskanäle involviert.

Das Arbeitsgedächtnis verfügt über eine limitierte Verarbeitungskapazität, die allerdings für beide Kanäle unterschiedlich ist.

Sinnvolles multimediales Lernen basiert auf Prozessen der Selektion von Information sowie deren Organisation und Integration in das bereits vorhandene Vorwissen.

Um einen Mehrwert durch die Kombination von Text und Bild zu erzielen, müssen gewisse Prinzipien beachtet werden (zum Beispiel das Relevanzprinzip, das Redundanzprinzip und das signaling-Prinzip), wobei deren Effizienz stets vom Vorwissen der Lerner abhängt.

Es muss auch zwischen dem Kontext innerhalb der L1 und des L2-Erwerbs unterschieden werden, denn für den L2-Spracherwerb hat das Multimediaprinzip eine höhere Relevanz als das Modalitätsprinzip, da die visuelle Darbietung von Texten den L2-Lernern aufgrund der Stabilität der Reize mehr Kontrolle über die Verarbeitungsgeschwindigkeit erlaubt als die flüchtigen auditiven Reize bei der gesprochenen Sprache.

1.1.4Aufgaben zur Wissenskontrolle

Welche sind die größten Unterschiede zwischen den Theorien zum multimedialen Lernen von Mayer und Schnotz?

Unter welchen Bedingungen stellt das Modalitätsprinzip keinen Lernmehrwert dar?

Wie lässt sich das Kontiguitätsprinzip vor dem Hintergrund der Theorien zum multimedialen Lernen erklären?

Unter welchen Umständen sind redundante Lernmaterialien lernförderlich?

In welchen Kontexten kann die Aufmersamkeitsteilung nach Clark & Mayer (2016: 5) einen lernhemmenden Effekt haben?

1.2Animationen in der Grammatikvermittlung

Jörg Roche & Ferran Suñer Muñoz

In diesem Kapitel haben Sie bereits gelernt, wie die verschiedenen Designprinzipien aus den Theorien abgeleitet wurden und wie sie auf konkrete Materialien angewandt werden können. Nun müssen wir uns fragen, wie sich die verschiedenen Designprinzipien miteinander kombinieren lassen und unter welchen Bedingungen solche komplexen multimedialen Lernmaterialien zu einem funktionalen Mehrwert führen. Die Fragen sollen in dieser Lerneinheit am Beispiel des Einsatzes von GrammatikanimationenGrammatikanimationen beantwortet werden. Dabei soll veranschaulicht werden, wie Erklärungsansätze zu den Wechselpräpositionen, den Modalverben und dem Genus Verbi mithilfe von Animationen vermittelt werden können. Dafür lernen Sie zu Beginn dieser Lerneinheit zunächst einige Grundkonzepte kennen, bevor wir auf animierte grammatische Metaphern eingehen und ihre Effizienz anhand der Ergebnisse dreier empirischer Studien besprechen.

 

Lernziele

In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie

verstehen und erklären können, welcher Mehrwert durch den Einsatz von animierten grammatischen Metaphern erreicht werden kann;

die wichtigsten Aspekte einer Unterrichtssequenz zum Einsatz animierter grammatischer Metaphern ausarbeiten können.

1.2.1Grammatische Metaphern und Animationen

Bei der Konzipierung und Implementierung multimedialer Lernmaterialien reicht die alleinige Berücksichtigung der Designprinzipien nicht aus, um den gewünschten Lernmehrwert zu erreichen. Vielmehr müssen auch Fragen geklärt werden, wie zum Beispiel Welche Sprach- und Kulturauffassung lege ich zugrunde? oder Wie erkläre ich meinen Lernern die Sprache und die Kultur? Bezüglich der ersten Frage haben wir in der Lerneinheit 1.1. (siehe auch den Band »Sprachenlernen und Kognition«) gesehen, dass die kognitionslinguistischen Ansätze ein großes Potenzial zur Beschreibung der konzeptuellen Motiviertheit von Sprache und Grammatik besitzen. Nach dem kognitionslinguistischen Sprachverständnis stellt Sprache ein bedeutungsvolles System dar, welches dem Sprecher erlaubt, die eigenen Erfahrungen über die Welt über unterschiedliche Wege zu konzeptualisieren. Das heißt also, dass der Sprecher beziehungsweise die Sprecherin als Konzeptualisierer im Mittelpunkt sprachlicher Kommunikationsprozesse steht. Die Darstellungsformen in der kognitiven Linguistik lassen sich jedoch nicht direkt auf den Unterrichtskontext übertragen, da sie oft zu abstrakt sind und daher den Lernern keinen besonders leichten Zugang zur Sprache bieten. Lernern kann es zum Beispiel schwerfallen, Kreise und Pfeile jeweils den Partizipanten und Handlungen konkreter Szenen zuzuordnen. Die zweite Frage bezieht sich folgerichtig auf die lerngerechte Darstellung von Sprache und Kultur. Dabei spielen die sogenannten grammatischen Metapherngrammatische Metapher als didaktische Brücken eine wichtige Rolle, und zwar nutzen sie als innovative konzeptuelle Metaphernkonzeptuelle Metapher Alltagserfahrungen der Lerner (zum Beispiel Hobbies, Verkehr etc.) zur Transparentmachung grammatischer Prinzipien (vergleiche Roche & Suñer 2014). Nach dieser Definition besitzen grammatische Metaphern einen rein didaktischen Charakter und sind daher nicht zu verwechseln mit den grammatischen Metaphern nach Goatly (2007), die er zur Bezeichnung der Substitution einer grammatischen Struktur durch eine weniger übliche Struktur nutzt (zum Beispiel die Verwendung eines Nomens statt eines Verbs zur Versprachlichung von Prozessen). Den Mehrwert grammatischer Metaphern für die Grammatikvermittlung beschreiben Roche & Suñer (2014) folgendermaßen: