Mehrsprachigkeit in der Schule -  - E-Book

Mehrsprachigkeit in der Schule E-Book

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Beschreibung

Eine Aufgabe der Schule der Migrationsgesellschaft ist es, allen Schülerinnen und Schülern eine gleichberechtigte Teilhabe am gemeinsamen Lernen zu ermöglichen. Mit Blick auf die sprachliche Vielfalt der Schülerinnen und Schüler ist die sprachbildende Gestaltung des Unterrichts hierfür eine wichtige Bedingung. Im Mittelpunkt dieses Buchs stehen das Lernen und Lehren vor, im und nach dem Sachunterricht der Grundschule. Dieser bietet aufgrund seiner Vielperspektivität zahlreiche Anknüpfungspunkte für Sprachbildung im Kontext von Mehrsprachigkeit, auch an den Übergängen vom Elementarbereich in die Grundschule und von dort in die Sekundarstufe. Im Kontext von Sprachbildung werden der vorschulische Bereich, der Sachunterricht und die sachunterrichtsbezogenen Fächer der weiterführenden Schulen sowie Aspekte der LehrerInnenbildung und weitere aktuelle Herausforderungsbereiche beleuchtet.

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Contents

Cover

Titelei

Vorwort

Literatur

I Sprachbildung und fachliches Lernen

1 Konzepte sprachlicher Bildung im Fachunterricht – Gemeinsamkeiten und Unterschiede

1.1 Einleitung

1.2 Content and language integrated learning (CLIL)

1.3 Sprachsensibler Fachunterricht

1.4 Sprachaufmerksamer Fachunterricht

1.5 Durchgängige Sprachbildung

1.6 Sprachbewusster Fachunterricht

1.7 Scaffolding

1.7.1 Theoretische Grundlagen

1.7.2 Scaffolding nach Gibbons (2002, 2006)

1.7.3 Scaffolding nach Kniffka (2010)

1.7.4 Diskussion des Begriffs

1.8 Zusammenschau der Konzepte und Fazit

2 Alltags-‍, Bildungs- und Fachsprache bei sachunterrichtlichen Themen im Übergang Kita – Grundschule: Eine Analyse exemplarischer Situationen

2.1 Einleitung

2.2 Zum Unterschied von Alltags-‍, Bildungs- und Fachsprache

2.3 Die Verwendung der Sprachregister im Alltag der Kinder

2.4 Das Verhältnis zwischen Alltags-‍, Bildungs- und Fachsprache

2.5 Von der Alltags- zur Bildungssprache

2.6 Wagenschein und die Sprache im naturwissenschaftlichen Unterricht

2.7 Die Verwendung von Alltags- und Bildungssprache im Sachunterricht

2.7.1 Erste Szene: Einführung in ein neues Sachunterrichtsthema

2.7.2 Zweite Szene: Gesprächskreis

2.7.3 Dritte Szene: Beobachtung eines naturwissenschaftlichen Versuchs

2.7.4 Vierte Szene: Arbeiten im Arbeitsheft

2.7.5 Fünfte Szene: Präsentation eines selbstständig erarbeiteten Themas

2.8 Fazit

II Sprachbildung im Elementarbereich

3 Portfolios in der frühen naturwissenschaftlichen Bildung: Bedeutung für die sprachliche Bildung in inklusiven Kontexten

3.1 Einleitung

3.2 Kinder mit bildungsrelevanten Risiken

3.3 Domänenspezifische Bildungskontexte

3.3.1 Bedeutung und Förderung von sprachlichen Kompetenzen

3.3.2 Sprachverwendung im naturwissenschaftlichen Kontext

3.4 Diagnose und Förderung in domänenspezifischen Bildungskontexten

3.4.1 Das Konstrukt der Adaptivität

3.4.2 Diagnostische Verfahren im Elementarbereich

3.5 Das Portfolio als Instrument zur Planung und Umsetzung adaptiver Bildungsprozesse

3.5.1 Portfolios in der Frühen Bildung

3.5.2 Kurzbeschreibung des Projekts FinK

3.5.3 Zielsetzungen und Umsetzung des Portfolios in FinK

3.5.4 Fazit und Ausblick

4 Sprachliche Anregung in verschiedenen Phasen des Experimentierens – eine Studie zum frühen naturwissenschaftlichen Lernen in Kindertagesstätten

4.1 Einleitung

4.2 Theoretischer Hintergrund

4.2.1 Sprache und Sprachbildung im Sachunterricht

4.2.2 Sprachliche Facetten der naturwissenschaftlichen Anregungsqualität beim frühen naturwissenschaftlichen Lernen

4.3 Methode

4.3.1 Stichprobe und Sampling

4.3.2 Kodierung der Phasen des naturwissenschaftlichen Lernprozesses

4.3.3 Kodierung der Indikatoren der sprachlichen Anregungsqualität

4.4 Ergebnisse

4.5 Diskussion

III Sprachbildung im Sachunterricht der Grundschule

5 Sprachbildung im Sachunterricht. Lernumgebungen im Sachunterricht sprachbildend gestalten

5.1 Einleitung

5.2 Sprachbildender Sachunterricht

5.2.1 Sprachliche Anforderungen ermitteln

5.2.2 Lernvoraussetzungen der Schüler*innen ermitteln

5.2.3 Methoden des Faches sprachsensibel gestalten

5.2.4 Thematischen Wortschatz erarbeiten

5.3 Lernumgebungen sprachlich gestalten

5.3.1 Auswahl der Unterrichtsmethoden

5.3.2 Unterrichtsbeispiel: Eine Erste-Hilfe-Maßnahme in einem E-Book erklären

5.3.3 Thema: Eine Bauanleitung verstehen

5.3.4 Thema: Pflanzen bestimmen

5.4 Fazit

6 Ermittlung eines bildungssprachlichen und themenspezifischen Wortschatzes im Sachunterricht

6.1 Einleitung

6.2 Forschungsstand zu Bildungssprache und bildungssprachlichen Mitteln im Sachunterricht

6.3 Bildungssprachliche Mittel in Schüler*innentexten

6.4 Ermittlung thematischer Wortschätze

6.5 Fazit

7 Kontinuierliche Sprachbildung im naturwissenschaftlichen Sachunterricht planen und gestalten

7.1 Einleitung

7.2 Sprachbildung im Sachunterricht als curriculare Anforderung

7.3 Qualitätsvolle Sprachbildung im naturwissenschaftlichen Sachunterricht am Beispiel Räuber-Beute-Beziehungen

7.3.1 Räuber-Beute-Beziehungen – Eine Unterrichtsskizze

7.3.2 Sprachliche Anforderungen innerhalb der Unterrichtsskizze

7.3.3 Gestaltung qualitätsvollen, sprachbildenden Sachunterrichts – ein Überblick

7.3.4 Sprachbildende Überarbeitung der Unterrichtsskizze zu Räuber-Beute-Beziehungen

7.4 Kontinuierlicher Erwerb der naturwissenschaftlichen Fachsprache‍(n)

7.5 Fazit für die Schulpraxis

8 Das Operatorenverständnis von Grundschüler*innen in der technischen Perspektive des Sachunterrichts

8.1 Einleitung

8.2 Theoretische Annahmen

8.2.1 Operatoren als Sprachhandlungen und bildungssprachliche Schlüsselfunktionen

8.2.2 Operatoren in der technischen Perspektive des Sachunterrichts

8.2.3 Operatoren aus psycholinguistischer Sicht

8.3 Forschungsstand und Desiderate

8.4 Forschungsfragen

8.5 Methodik der Untersuchung

8.5.1 Untersuchungsdesign und Stichprobe

8.5.2 Auswahl der Operatoren

8.5.3 Erhebungsinstrument

8.6 Ergebnisse

8.7 Diskussion der Ergebnisse

8.8 Konsequenzen für die Unterrichtspraxis

9 Historisches Erzählen als sprachliche Handlung im Sachunterricht. Zur Sprachbildung in der historischen Perspektive

9.1 Einleitung

9.2 Historisches Lernen im Sachunterricht anbahnen

9.3 Historisches und sprachliches Lernen am Beispiel des Erzählens

9.3.1 Historische Narrationskompetenz

9.3.2 Sprachliche Kompetenzen und historisches Lernen

9.3.3 Analyse von Beispieltexten

9.4 Förderung des historischen und des sprachlichen Lernens

9.4.1 Lernaufgaben zum forschend-entdeckenden Lernen

9.4.2 Mit Modelltexten arbeiten

9.5 Fazit

10 (Kommunikations-)‌Räume gestalten – über Räume kommunizieren. Die geographische Perspektive im Sachunterricht

10.1 Einleitung

10.2 Sprache, Weltaneignung und geographische Bildung im Sachunterricht

10.3 Fachsprache, Bilingualität und Sprachförderung in der geographischen Perspektive des Sachunterrichts

10.4 Besonderheiten von Sprache und geographischer Bildung

10.5 Über Räume kommunizieren: Argumentieren in der Geographie und Spatial Citizenship

10.5.1 Geographische Argumentationen

10.5.2 Spatial Citizenship

10.6 Ausblick: Sprache in der geographischen Perspektive im Zeitalter der Digitalisierung

11 Politische Urteilsbildung am Übergang von der Primar- zur Sekundarstufe – Mit Sprachbildung das Argumentieren unterstützen

11.1 Einleitung

11.2 Politische Bildung im Übergang von der Primar- zur Sekundarstufe

11.3 Von einer Meinung zum begründeten politischen Urteil

11.3.1 Konzeptuelles Deutungswissen – Grundlage politischer Urteile

11.3.2 Politische Handlungsfähigkeit – kommunikatives und partizipatives Handeln

11.3.3 Politische Urteilskompetenz – Argumente, Kategorien, Kriterien und Perspektiven

11.4 Sprachbildung als notwendige Unterstützung für politische Urteile

11.4.1 Argumentieren – Zentrale Sprachhandlung des Urteilens

11.4.2 Argumentieren fördern – Urteile stärken

11.5 Fazit und Ausblick

IV Sprachbildung im weiterführenden sachunterrichtsbezogenen Lernen

12 Charakteristika von Sachtexten im Fach Biologie der Mittelstufe

12.1 Einleitung

12.2 Analyse von Materialien im Fachunterricht aus handlungsorientierter Perspektive

12.3 Grundlagen des Faches Biologie

12.4 Aufbau von Sachtexten im Fach Biologie

12.4.1 Substantive, Begriffe und Termini

12.4.2 Verben

12.4.3 Attribution

12.4.4 Sprachliche Handlungen

12.5 Verstehen von Sachtexten

12.6 Zusammenfassung: Erkenntnisse zur Förderung des Verstehens von Sachtexten im Fach Biologie

13 Das Schreiben im Geschichtsunterricht der Sekundarstufe I unter Berücksichtigung der Bedingungen der Migrationsgesellschaft anleiten

13.1 Einleitung

13.2 Fachliche und sprachliche Herausforderungen für Lernende im Unterrichtsfach Geschichte

13.3 Lesen im Geschichtsunterricht als Grundlage für das Schreiben

13.4 Schreiben im Geschichtsunterricht

13.5 Aufgaben im Geschichtsunterricht

13.6 Ein Beispiel

13.6.1 Verortung der ausgewählten Quellenausschnitte

13.6.2 Verortung der Aufgabe: Herausforderungen für die Lernenden

13.6.3 Verortung des Koloniebegriffs: eine migrationspädagogische Perspektive

13.7 Ansätze für eine Didaktisierung

13.7.1 Aufschlüsselung der Aufgabe mithilfe der Orientierung am Schreibprozess: Vorannahmen

13.7.2 Die Quellentexte lesen und verstehen

13.7.3 Den Vergleichstext planen

13.7.4 Den Vergleichstext formulieren

13.7.5 Den Vergleichstext überarbeiten

13.8 Schluss: Empfehlungen für unterrichtliche Praxis

14 Über Bilder sprechen im Sach- und Geschichtsunterricht. Benennen und Beschreiben als fachliche Sprachhandlung

14.1 Einleitung

14.2 Bilder im Sach- und Geschichtsunterricht

14.2.1 Vielperspektivisches Lernen im Sachunterricht

14.2.2 Curriculare Rahmenbedingungen

14.2.3 Bilder aus geschichtsdidaktischer Perspektive

14.3 Benennen und Beschreiben zur Versprachlichung visueller Wahrnehmungen

14.4 Exemplarische Analysen

14.4.1 Sachunterricht: Jahresuhr

14.4.2 Geschichtsunterricht: Griechenland

14.5 Fazit

V Sprachbildung in der Lehrer*innenbildung

15 Professionalisierung für Sprachbildung aus Sicht von Sachunterrichtsstudierenden – Langzeitwirkungen eines Vertiefungsseminars in der ersten Phase der sachunterrichtsdidaktischen Lehrer*innenbildung

15.1 Einleitung

15.2 Zum Forschungsstand

15.3 Projekt- und Forschungsdesign

15.3.1 Das Lehr-Lernprojekt Fachdidaktik & DaZ united

15.3.2 Das fach- und sprachdidaktische Vertiefungsseminar

15.3.3 Zentrale Fragestellung

15.3.4 Datenerhebung

15.3.5 Transkription und Auswertung der Interviewdaten

15.4 Zentrale Ergebnisse der Interviewstudie

15.5 Zusammenfassung, Diskussion und Ausblick

16 DaZ-Kompetenzen angehender Lehrkräfte des Faches Sachunterricht sowie der aus dem Sachunterricht hervorgehenden Fächer

16.1 Einleitung

16.2 Theoretischer Hintergrund

16.2.1 Sprachliche Anforderungen im Sach- und weiterführenden Unterricht

16.2.2 DaZ und durchgängige Sprachbildung in der Lehrer*innenbildung in NRW

16.2.3 Kompetenzen der angehenden Lehrkräfte im Bereich Deutsch als Zweitsprache

16.3 Forschungsdesign

16.3.1 Forschungsfragen

16.3.2 Stichprobe

16.3.3 Erhebungsinstrument

16.3.4 Forschungsdesign

16.4 Ergebnisse

16.4.1 Kompetenzen aller Studierenden

16.4.2 Kompetenzen von Studierenden des Lehramts GS

16.4.3 Kompetenzen von Studierenden des SU (GS) und der aus dem SU hervorgehenden Fächer (Sek I und Sek II)

16.5 Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse

16.6 Ausblick

17 Adaptive Lehrkompetenz im Kontext von Sprache und Sache vermitteln – eine Herausforderung für die universitäre Lehrer*innenbildung?

17.1 Einleitung

17.2 Adaptive Lehrkompetenz

17.3 Adaptive Lehrkompetenz im Kontext von Sache und Sprache

17.4 Adaptive Lehrkompetenz im Kontext von Sache und Sprache erwerben – zum Forschungsstand

17.5 Adaptive Lehrkompetenz im Kontext von Sache und Sprache fördern

17.5.1 Baustein A: Diagnostische Kompetenz von Studierenden gezielt fördern

17.5.2 Baustein B: Lehr-Lern-Materialien systematisch analysieren lernen

17.5.3 Baustein C: Lehr-Lern-Materialien (sprachbildend) überarbeiten können

17.5.4 Baustein D: Erprobung entwickelter Lehr-Lernmaterialien – von der Planung in die Handlung

17.6 Diskussion und Ausblick

VI Mehrsprachigkeit und Sprachbildung im Kontext weiterer aktueller Herausforderungsbereiche

18 Sprachbildung im Sachunterricht der englischen Grundschule

18.1 Einleitung

18.2 Eckpunkte des Sachunterrichts in der Primary School

18.3 Doing science – talking science und dialogic teaching im Science-Unterricht

18.4 Think-pair-share, Speaking Frames und Genre-Pädagogik – Synergie-Effekte für die Sprachbildung im Science-Unterricht

19 Der Scaffolding-Ansatz und Erklärvideos – eine ertragreiche Verbindung?

19.1 Einleitung

19.2 Der Scaffolding-Ansatz

19.2.1 Makro-Scaffolding

19.2.2 Mikro-Scaffolding

19.3 Erklärvideos im Sachunterricht

19.3.1 Relevanz von Erklärvideos für den privaten und schulischen Bereich

19.3.2 Qualität von Erklärvideos für den Sachunterricht

19.4 Produktion und Rezeption von Erklärvideos unter besonderer Berücksichtigung des Scaffolding-Ansatzes – Potenziale, Hindernisse und Impulse

19.4.1 Ebene 1: Rezeption von Erklärvideos im Unterricht unter besonderer Berücksichtigung des Scaffolding-Ansatzes

19.4.2 Produktion von Erklärvideos im Unterricht unter besonderer Berücksichtigung des Scaffolding-Ansatzes

19.5 Fazit

20 Schüler*innenpräsentationen im inklusiven Sachunterricht im Kontext von Fach- und Sprachbildung

20.1 Einleitung

20.2 Präsentationen im Sachunterricht

20.2.1 Was sind Präsentationen?

20.2.2 Präsentationen im Kontext von Sachbildung

20.2.3 Präsentationen im Kontext von Sprachbildung im Sachunterricht

20.3 Forschungsfragen und Methode‍(n)

20.4 Analyseergebnisse

20.4.1 Didaktische Rahmung der Szene: Beobachtung an einer Grundschule Klasse 1/2 – Präsentation zum Thema ›Pferde‹

20.4.2 Analyse des Protokolls aus zwei Perspektiven

20.5 Zusammenfassung und Fazit

Anhang

Autor*innenverzeichnis

Die Herausgeberinnen

Prof.in Dr.in Eva Blumberg ist Professorin für Didaktik des naturwissenschaftlichen Sachunterrichts an der Fakultät für Naturwissenschaften der Universität Paderborn. Prof.in Dr.in Constanze Niederhaus ist Professorin für Deutsch als Zweitsprache und Mehrsprachigkeit an der Fakultät für Kulturwissenschaften der Universität Paderborn. Anne Mischendahl ist Sonderpädagogin mit dem Fach Deutsch und arbeitet u. a. als Lehrbeauftragte im Bereich DaZ und Mehrsprachigkeit an den Universitäten Paderborn und Kassel.

Eva Blumberg,Constanze Niederhaus,Anne Mischendahl (Hrsg.)

Mehrsprachigkeitin der Schule

Sprachbildung im und durch Sachunterricht

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen und sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

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1. Auflage 2024

Alle Rechte vorbehalten© W. Kohlhammer GmbH, StuttgartGesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:ISBN 978-3-17-037202-3

E-Book-Formate:pdf: ISBN 978-3-17-037203-0epub: ISBN 978-3-17-037204-7

Vorwort

In der Schule der Migrationsgesellschaft stellt Mehrsprachigkeit eine wichtige Ressource dar (Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen 2021, S. 179). Gleichzeitig zeigen Befunde der internationalen Schulleistungsstudien wie bspw. der TIMS-Studie1 zum Erreichen naturwissenschaftlicher Kompetenzen im Sachunterricht ganz erhebliche Leistungsdisparitäten zwischen Viertklässler*innen ohne sog. Migrationshintergrund2 und mit beiden im Ausland geborenen Elternteilen von mehr als eineinhalb Schuljahren (vgl. Wendt, Schwippert, Stubbe & Jusufi 2020). Nicht zuletzt aufgrund solcher Befunde zu noch immer bestehenden migrationsbedingten Disparitäten in Bezug auf Bildungsteilhabe ist die Bedeutung von Kompetenzen in der deutschen Sprache als Schlüssel für Bildungserfolg mittlerweile auch verstärkt in den Fokus der fach- und sprachdidaktischen sowie der bildungswissenschaftlichen Forschung (Franz, Giest, Haltenberger, Hartinger, Kantreiter & Michalik 2021; Köker 2018; Paetsch, Felbrich & Stanat 2015) gerückt.

Durch Migration und insbesondere auch aufgrund der Neuzuwanderung nach Deutschland sind die verschiedenen Institutionen in Bildung und Schule vor die Aufgabe gestellt, Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen unterschiedlicher Herkunftsländer und Erstsprachen eine gleichberechtigte Teilhabe am gemeinsamen Lernen und Leben zu ermöglichen. Auf migrationsbedingte Mehrsprachigkeit muss auf den verschiedenen Bildungsebenen im Elementar-‍, Primarstufen-‍, Sekundarstufen- und Berufsbildungsbereich, aber auch auf Hochschulebene in der Lehrer*innenaus-‍, -fort und -weiterbildung reagiert werden. Speziell zur Unterstützung migrationsbedingt mehrsprachig aufwachsender Lernender, aber auch für alle anderen Schüler*innen sollte möglichst durchgängig in allen Fächern und Lernbereichen das fachliche Lernen sprachbildend ausgerichtet sein. Bestärkt wird diese Forderung durch die Erkenntnis, dass von einem sprachbildenden Fachunterricht alle Schüler*innen profitieren, nicht nur diejenigen mit einem sog. Migrationshintergrund (Prediger, Erath, Weinert & Quabeck 2022). Die (zukünftigen) Lehrkräfte sind daher entsprechend aus- bzw. fortzubilden, Möglichkeiten für sprachliches Lernen in ihren Fachunterricht zu integrieren.

Im Fokus des vorliegenden Bandes »Mehrsprachigkeit in der Schule. Sprachbildung im und durch Sachunterricht« steht das Lernen und Lehren im, aber auch vor und nach dem Sachunterricht in der Grundschule, sodass auch die anschließenden (vor-)‌schulischen Bildungsinstitutionen, die auf das Unterrichtsfach Sachunterricht vorbereiten (Elementarbereich) bzw. diesen fortführen (Sekundarstufe I), mit einbezogen werden. Die Beiträge beziehen sich entweder direkt auf einen der fünf Perspektivbereiche des Sachunterrichts in der Grundschule wie die naturwissenschaftliche, technische, sozialwissenschaftliche, historische oder geographische Perspektive (GDSU 2013) oder adressieren die Übergänge zwischen den Bildungsinstitutionen und hier die analogen Lernbereiche im Elementarbereich bzw. die Unterrichtsfächer der weiterführenden Schulen sowie die Ebene Lehrer*innenbildung und weitere aktuelle Anforderungsbereiche wie Inklusion oder Digitalisierung in Verbindung mit Sprachbildung.

Der Herausgeberinnenband umfasst Überblicksartikel, theoretische und empirische sowie praxisbezogene Aufsätze und eignet sich damit für den Einsatz in der Ausbildung angehender (Grundschul-)‌Lehrkräfte, aber auch in der Fort- und Weiterbildung von (Grundschul-)‌Lehrkräften. Die sechs Teile des Bandes mit ihren jeweiligen Beiträgen rund um den Sachunterricht beschäftigen sich mit der Anforderungslinie »Mehrsprachigkeit und Sprachbildung«: Ausgehend von der Darstellung der aktuellen Ausgangslage zu den Herausforderungen der migrationsbedingten Mehrsprachigkeit an verschiedenen Bildungsinstitutionen (Teil I) werden in den folgenden Kapiteln einzelne Ebenen des deutschen Bildungssystems fokussiert. Angefangen mit dem Elementarbereich (Teil II) über die Primarstufe (Teil III) mit Fokus auf den Sachunterricht und über die Sekundarstufe (Teil IV) wird am Ende auch die Lehrer*innenaus-‍, -fort- und -weiterbildung (Teil V) in den Blick genommen. Im letzten Abschnitt (Teil VI) wird die Anforderungslinie »Mehrsprachigkeit und Sprachbildung« in den Kontext weiterer aktueller Herausforderungsbereiche des deutschen Bildungssystems gestellt, wie z. B. Inklusion, Digitalisierung oder der Einsatz neuer Medien.

Zum Einstieg in den ersten Teil »Sprachbildung und fachliches Lernen« stellen Lydia Böttger, Anne Mischendahl und Constanze Niederhaus in einem Überblicksartikel Konzepte sprachlicher Bildung im Fachunterricht vor und arbeiten Gemeinsamkeiten und Unterschiede der verschiedenen Ansätze heraus.

Im zweiten Beitrag nimmt Diemut Kucharz die sprachliche Bildung am Übergang vom Elementarbereich in die Grundschule in den Blick und fokussiert hierbei die Bedeutung von Alltags- und Bildungs- bzw. Fachsprache. In Anlehnung an Wagenschein analysiert sie Unterrichtssequenzen zur exemplarischen Veranschaulichung der Bedeutung von Alltags-‍, Bildungs- und Fachsprache für das Verstehen der Sache.

Im Einstiegsbeitrag zum zweiten Teil »Sprachbildung im Elementarbereich« führen Ilonca Hardy, Anika Bürgermeister und Miriam Leuchter in ihrem Beitrag zu Portfolios in der frühen naturwissenschaftlichen Bildung ein Konzept an, welches pädagogische Fachkräfte dazu befähigen soll, an Präkonzepte adaptierte Förderentscheidungen zu treffen und diese in Bildungsangebote der Naturwissenschaften einzubetten. Die Autorinnen arbeiten die Bedeutung von Portfolios als prozessdiagnostisches Instrument zur Planung und Gestaltung adaptiver Lehr-Lern-Settings im Rahmen des Projekts FinK (Formatives Assessment in der inklusiven naturwissenschaftlichen Bildung in der Kita) heraus.

Andreas Hartinger, Astrid Rank, Anja Wildemann und Sabrina Tietze beziehen sich in ihrem Beitrag auf zentrale Ergebnisse der Studie EASI Science-L (Early Steps Into Science and Literacy), indem sie der Frage nachgehen, inwiefern pädagogische Fachkräfte die verschiedenen Phasen naturwissenschaftlicher Bildungssettings sprachanregend gestalten. Herausgestellt wird das Potenzial des naturwissenschaftlichen Lernens für Sprachanregungen bei Kindern im Vorschulalter, vor allem in den Phasen der Ergebnissammlung und -erörterung.

Den Auftakt zum dritten Teil des Bandes mit dem Schwerpunkt auf »Sprachbildung im Sachunterricht der Grundschule« liefern Claudia Handt und Ingrid Weis mit einem praxisorientierten Beitrag, in dem sie anhand praktischer Beispiele den Blick auf die Planung und Durchführung von Lernumgebungen im Sachunterricht mit fachlichen und sprachlichen Lernzielen richten. Dazu arbeiten die Autorinnen sprachliche Anforderungen des Sachunterrichts heraus und zeigen exemplarisch drei sprachbildende Unterrichtsmethoden für den Sachunterricht auf.

Die Generierung sog. bildungssprachlicher thematischer Wortschätze im Fach Sachunterricht behandelt Sarah L. Fornol, indem sie ausgehend von Untersuchungsergebnissen die Bedeutung des Themas eines im Sachunterricht eingesetzten Textes für den Einsatz bildungssprachlicher Mittel sowie den Wortschatz bei der Darstellung von Vorgängen in naturwissenschaftlichen Lernsettings erläutert.

Sarah Rau-Patschke stellt Sprachbildung im naturwissenschaftlichen Sachunterricht in den Fokus und zeigt am Beispiel der Räuber-Beute-Beziehungen auf, wie an einem naturwissenschaftlichen Inhalt sprachliche Anforderungen im Unterricht geplant und gestaltet werden können.

Petra Zanker und Carina Hartmann beschäftigen sich mit dem Verständnis von Operatoren für die aktive Partizipation am (technischen) Sachunterricht und stellen Untersuchungsergebnisse zu Schüler*innenvorstellungen zu Operatoren im technischen Sachunterricht sowie zum Verstehen von Operatoren und dem produktiven Vermögen, diese zu paraphrasieren, vor.

Katharina Kalcsics und Verena Pisall arbeiten die sprachlichen Anforderungen des historischen Lernens exemplarisch anhand des historischen Erzählens heraus. Im Hinblick auf die Ziele des historischen Lernens und die Narrationskompetenz im Grundschulalter stellen die Autorinnen die Rolle der Sprache für das historische Lernen heraus und unter Einbezug des forschenden Lernens und von Modelltexten zwei Ansätze zur Förderung des historischen Lernens vor.

Sprachbildung in der geographischen Perspektive des Sachunterrichts nehmen Inga Gryl und Miriam Kuckuck in den Blick, indem sie das Kommunizieren über Räume als ein Kernanliegen der räumlichen Perspektive im Sachunterricht herausarbeiten. Anhand einer explorativen Interviewstudie skizzieren sie den Zusammenhang zwischen Sprache und Geographie und stellen die Verbindung zur aktuellen Digitalisierungskultur her.

Annemarie Jordan und Katharina Studtmann fokussieren innerhalb der sozialwissenschaftlichen Perspektive die Notwendigkeit von Sprachbildung hinsichtlich politischer Urteilsbildung am Übergang von der Grund- in die weiterführende Schule. Sprachbildung unterstützt für sie das Argumentieren als Kernelement politischer Urteils- und Handlungsfähigkeit, wozu sie didaktische Konsequenzen und Handlungsmöglichkeiten wie die Förderung politischer Urteilskompetenz durch Scaffolds anführen.

Den Einstieg in den Teil IV zur »Sprachbildung im weiterführenden sachunterrichtsbezogenen Lernen«, d. h. in den Anteilsfächern des Sachunterrichts an den weiterführenden Schulen der Sekundarstufe, liefert Sandra Drumm mit einem Beitrag zum Unterrichtsfach Biologie, indem sie das Potenzial von Sachtexten als bildungssprachliche Lerngelegenheiten in diesem Fach herausarbeitet und zentrale Erkenntnisse zur Förderung des Verstehens von biologischen Sachtexten in diesem naturwissenschaftlichen Fach der Sekundarstufe skizziert.

Die Anforderungen des Unterrichtsfachs Geschichte in der Sekundarstufe I werden mit Blick auf die historische Perspektive im Sachunterricht in der Grundschule von Tülay Altun und Katrin Günther beleuchtet, indem sie ausgehend vom Zusammenhang fachlichen und sprachlichen Lernens das Schreiben bzw. die konzeptionelle Schriftsprachlichkeit als Kernelement des Geschichtsunterrichts herausstellen und mit Blick auf die Unterrichtspraxis anhand einer exemplarischen Analyse einer Schulbuchaufgabe konkretisieren.

Thomas M. Kania stellt die Medienbildung und speziell die Nutzung von (Bild-)‌Medien als Querschnittsaufgabe in allen Unterrichtsfächern in den Fokus und arbeitet die Bedeutung der Anschlussfähigkeit der im Sachunterricht erworbenen (bildbezogenen) Kompetenzen für die Unterrichtsfächer in der Sekundarstufe I heraus.

Teil V zur »Sprachbildung in der Lehrer*innenbildung« eröffnet ein Beitrag einer interdisziplinären Autor*innengruppe aus der Sachunterrichts- und DaZ-Didaktik mit Andre Gövert, Constanze Niederhaus und Eva Blumberg, in dem es vor allem um die langfristigen Auswirkungen der Teilnahme von Grundschullehramtsstudierenden mit dem Fach Sachunterricht an einem Vertiefungsseminar zur »Durchgängigen Sprachbildung im naturwissenschaftlich-technischen Sachunterricht« geht.

Tetyana Vasylyeva, Timo Ehmke, Andre Gövert, Amani Kassem und Constanze Niederhaus beschäftigen sich mit der Ausbildungssituation im Lehramtsstudium im Bundesland Nordrhein-Westfalen im Bereich DaZ und Mehrsprachigkeit und stellen vor dem Hintergrund von empirischen Befunden einer eigenen Studie die Bedeutung vertiefender Angebote zu diesen Themen heraus.

Eva-Kristina Franz stellt die Notwendigkeit von adaptiver Lehrkompetenz zur erfolgreichen Gestaltung adaptiven Unterrichts ins Zentrum und geht der Frage nach, inwiefern die gezielte Kompetenzförderung diesbezüglich möglich ist. Dazu diskutiert sie vier praxiserprobte Bausteine, die zur Stärkung adaptiver Lehrkompetenz im Kontext von Sache und Sprache in der hochschulischen Lehrer*innenausbildung genutzt wurden.

Im Eröffnungsbeitrag zum sechsten Teil zu »Mehrsprachigkeit und Sprachbildung im Kontext weiterer aktueller Herausforderungsbereiche« richtet Thomas Quehl seinen Blick nach England und auf die Sprachbildung im naturwissenschaftlichen Unterricht der englischen Primary School, vor allem durch Unterrichtsgespräche, und stellt die Bedeutung der Häufigkeit des Sprechens in und über Naturwissenschaften für die Entwicklung der Selbstwirksamkeitserwartung von Grundschüler*innen heraus.

Sarah Gaubitz beleuchtet die Rolle digitaler Medien im Kontext von fächerintegrierender Sprachbildung anhand von Scaffolding und fokussiert dazu speziell die Rezeption und Produktion von Erklärvideos im sprachbildenden Unterricht, wozu sie u. a. Impulse für den sprachbildenden Einsatz von Erklärvideos aufzeigt.

Marina Bonanati und Nina Skorsetz thematisieren die Praxis eines inklusionsorientierten Sachunterrichts, indem sie das Präsentieren als methodische Kompetenz im Hinblick auf Sprach- und Fachbildung im Sachunterricht untersuchen und das Transkript einer Schüler*innenpräsentation mit Blick auf eine gelingende Sprachbildung analysieren.

Literatur

Doğmuş, A., Karakaşoğlu, Y., Mecheril, P. (2016): Einführung. In: A. Doğmuş, Y. Karakaşoğlu & P. Mecheril (Hrsg.), Pädagogisches Können in der Migrationsgesellschaft (S. 1 – 9). Wiesbaden: Springer Fachmedien.

Franz, U., Giest, H., Haltenberger, M., Hartinger, A., Kantreiter, J., Michalik, K. (Hrsg.) (2021): Sache und Sprache, Probleme und Perspektiven des Sachunterrichts, Band 31. Weinheim: Klinkhardt.

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Endnoten

1Das Akronym TIMSS steht für ›Trends in Mathematics and Science Study‹.

2Zu einer differenzsensiblen und diskriminierungskritischen Auseinandersetzung mit dem Begriff und seiner Verwendung z. B. Doğmuş, Karakaşoğlu und Mecheril (2016) oder Mecheril (2010).

I Sprachbildung und fachliches Lernen

1 Konzepte sprachlicher Bildung im Fachunterricht – Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Lydia Böttger, Anne Mischendahl und Constanze Niederhaus

1.1 Einleitung

Kompetenzen in der deutschen Sprache nehmen in hohem Maß Einfluss auf soziale Teilhabemöglichkeiten und Bildungserfolg (z. B. Kempert, Edele, Rauch, Wolf, Paetsch, Darsow, Maluch & Stanat 2016). Deshalb sind in der Schule der Migrationsgesellschaft neben der Stärkung aller gesprochener Sprachen die Förderung sprachlicher Kompetenzen und der Auf- und Ausbau der für Bildungsteilhabe relevanten Register Aufgabe aller Fächer (z. B. Leisen 2017; Schmölzer-Eibinger, Dorner, Langer & Helten-Pacher 2013; KMK 2019). Diese Register werden unterschiedlich gefasst als Bildungssprache (z. B. Gogolin 2009; Ortner 2009; Morek & Heller 2021), Schulsprache (z. B. Feilke 2012; Vollmer & Thürmann 2010), Unterrichtssprache (z. B. Härtig, Bernholt, Prechtl & Retelsdorf 2015), Sprache der Distanz oder konzeptionell schriftliche Sprache (Koch & Oesterreicher 1985). Daneben können auch die Register Berufs- (z. B. Kuhn 2007; Efing 2014) und Fachsprache (z. B. Hoffmann 1976, 1987; Fluck 1997) bildungsrelevant sein.

Zur Stärkung sprachlicher Kompetenzen im Regelunterricht und zum Aufbau der für Bildungsteilhabe relevanten Register liegen verschiedene Konzepte und Ansätze vor, wie z. B. Deutschsprachiger Fachunterricht (DFU) (Leisen 1994), Content and Language Integrated Learning (CLIL) (z. B. Eurydice 2006; Coyle, Hood & Marsh 2013), Scaffolding (z. B. Gibbons 2002; Kniffka 2010), Language Awareness (z. B. James & Garret 1991; Association for Language Awareness 2012;Oomen-Welke 2016; Luchtenberg 2017), Sprachsensibler Fachunterricht (v. a. Leisen 2013, 2017), Sprachaufmerksamer Fachunterricht (Schmölzer-Eibinger et al. 2013), Sprachbildender Fachunterricht (z. B. Riebling 2013, Sieberkrob & Caspari 2017), Sprachbewusster Fachunterricht (z. B. Lindauer, Schmellentin, Beerenwinkel, Hefti & Furger 2013; Tajmel & Mead 2017), Sprachförderlicher Fachunterricht (Brandt & Gogolin 2016), Sprachintensiver Fachunterricht (Kurtz, Hofmann, Biermas, Back & Haseldiek 2014) und Durchgängige Sprachbildung (z. B. Lange & Gogolin 2010). Diese Aufzählung zeigt – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – die Vielzahl der nebeneinanderstehenden Begriffe und Konzepte zur sprachlichen Bildung im Fachunterricht. Von diesen sollen hier aufgrund des begrenzten Raums nur die folgenden dargestellt werden, die uns in Lehre und Fortbildung immer wieder begegnen: Sprachsensibler Fachunterricht, Sprachaufmerksamer Fachunterricht, Durchgängige Sprachbildung, Sprachbewusster Fachunterricht und Scaffolding sowie als historisch wichtiges Konzept aus dem Bereich Deutsch als Fremdsprache CLIL. Ziel dieses Beitrags ist es, die Begriffe und Konzepte aufeinander zu beziehen, voneinander abzugrenzen sowie konzeptionelle Überschneidungen, aber auch Unterschiede sichtbar zu machen.

1.2 Content and language integrated learning (CLIL)

CLIL wurde Mitte der 1990er Jahre im Rahmen der Diskussion um die Förderung der Mehrsprachigkeit in der Europäischen Union und die Zielsetzung, dass jede*r Europäer*in zusätzlich zur Erstsprache zwei weitere Sprachen lernen solle, als Konzept für den schulischen Kontext entwickelt (Haataja 2009, S. 6; Wolff 2013, S. 18; Lindemann & Hufeisen 2015, S. 2; Hemmi & Banegas 2021, S. 1). Zentral war dabei die Idee, Fremdsprachen- mit Fachunterricht zu verbinden. Entsprechend kann CLIL definiert werden als »dual-focused educational approach in which an additional language is used for the learning and teaching of both content and language« (Coyle et al. 2013, S. 1; Hervorh. i. Orig.). Das Ziel ist, »dass die teilnehmenden Lernenden im Rahmen der regulären curricularen Wochenstunden eine bei weitem bessere Sprachenkompetenz erreichen, ohne dass das Sprachenlernen das Fachlernen negativ beeinflusst« (Lindemann & Hufeisen 2015, S. 3).1 CLIL bezeichnet somit eine schulische Unterrichtsform, in der fachliches Lernen in einer zu lernenden Fremdsprache stattfindet mit dem Ziel, in dieser Sprache eine höhere Kompetenz zu erreichen, als mit reinem Fremdsprachunterricht im Rahmen der regulären curricularen Wochenstunden möglich wäre. Die zu lernende Sprache ist in aller Regel Englisch (Wolff 2013, S. 21; Hemmi & Banegas 2021, S. 2). Für Deutsch gibt es die gesonderte Bezeichnung CLIL in German bzw. CLILiG (Wicke 2016). Gelernt werden kann aber auch eine weitere Landessprache, eine Regionalsprache oder Minderheitensprache (Eurydice 2006, S. 8), bislang bezieht sich CLIL jedoch i. d. R. nicht auf Sprachen, die in Migrationskontexten als Zweitsprache erworben werden (Breidbach 2013, S. 111).

Die theoretische Basis von CLIL ist zwiegespalten. Einerseits gibt es eine eher frühe Auffassung von CLIL als Immersion (Wolff 2013, S. 20), die einem nativistischen Verständnis von Spracherwerb folgt, demzufolge die zu lernende Sprache durch ausreichenden und reichhaltigen Input sowie Gebrauch in authentischen Situationen implizit erworben wird. Andererseits gibt es ein Verständnis von CLIL, das auf der von Vygotskij inspirierten soziokulturellen Theorie aufbaut und eine bewusste Auseinandersetzung mit der zu lernenden Sprache als essenziellen Bestandteil von CLIL erachtet.

Im Kontext dieses Verständnisses wurden zwei Modelle für CLIL entwickelt: Das Sprachen-Triptychon (Coyle et al. 2013, S. 36) veranschaulicht, dass die sprachliche Progression im CLIL-Unterricht durch drei Perspektiven auf die Unterrichtssprache bestimmt wird: Die »language of learning« bezeichnet die Sprache, die die Lernenden brauchen, um sich die jeweiligen Fachkonzepte aneignen zu können. Die Sprache, die die Schüler*innen für die Kommunikation im Unterricht, z. B. bei der Partnerarbeit, brauchen, wird »language for learning« genannt, und die Sprache, die sich Lernende aneignen, weil sich durch den Ausbau der Fachkenntnisse ihre Denk-‍, Differenzierungs- und Ausdrucksbedürfnisse erweitern, heißt »language through learning« (Coyle et al. 2013, S. 36 f.). Das sog. 4C-Modell besagt, dass content, also Fachinhalte, communication und cognition in eine bestimmte culture eingebettet sind, die wiederum von einem spezifischen context bestimmt wird (Coyle et al. 2013, S. 41 f.).

Abgesehen von diesen Modellen bleibt die theoretische Basis von CLIL recht unspezifisch, was eine große Vielfalt bei der Umsetzung von CLIL erlaubt (Cenoz, Genesee & Gorter 2014; Eurydice 2006). Vorherrschend ist das Modell des Fachunterrichts in einer Fremdsprache, das dem nativistischen Verständnis von Spracherwerb folgt (Heine 2015a, S. 17). Es gibt aber auch Varianten, in denen die Schüler*innen ergänzend zum CLIL-Unterricht regulären oder auch spezifischen Fremdsprachenunterricht in der Zielsprache erhalten (Lindemann & Hufeisen 2015, S. 2) oder in denen der CLIL-Unterricht zweisprachig durchgeführt wird, »um auch die Konzeptbildung und das Verständnis in der Erstsprache bzw. der Umgebungssprache zu sichern« (Lindemann & Hufeisen 2015, S. 3). Diese Vielfalt hat auch damit zu tun, in welchem Umfang und für welches Alter CLIL angeboten wird. Die Bandbreite reicht hier von einzelnen in sich geschlossenen Unterrichtseinheiten oder Projekten über Fächer mit zwei und mehr Wochenstunden bis zur Hälfte der gesamten Unterrichtszeit über mehrere Schuljahre hinweg (Wolff 2013, S. 21). Bei den Schulstufen reicht die Spanne von der Elementar- über die Primar- und Sekundarstufe bis zur beruflichen Bildung (ebd.) und bei den Fächern von musischen über gesellschafts- bis zu naturwissenschaftlichen Fächern (ebd., S. 22.).

Angesichts dieser großen Vielfalt in der Umsetzung soll CLIL kurz von den eng verwandten Begriffen Immersion und Fremdsprachenunterricht abgegrenzt werden. Die Relation von CLIL zu Immersion wird, wie oben bereits angedeutet, sehr unterschiedlich beschrieben. Während einige CLIL als Form von Immersion (Wolff 2013, S. 20) oder auch Immersion als die »zeitaufwändigste Variante von CLIL« (Burmeister 2013, S. 160) verstehen, grenzen andere CLIL strikt von Immersion ab mit dem Argument, dass bei Immersion alle Fächer in der Zielsprache unterrichtet würden, bei CLIL jedoch nur einige (Dale & Tanner 2012, S. 4), oder dass bei Immersion nur anlassbezogene sprachliche Unterstützungen eingesetzt werden, während bei CLIL auch geplante Unterstützungen vorgesehen seien (Thürmann 2013, S. 239). Einfacher ist die Abgrenzung zum Fremdsprachenunterricht. CLIL teilt mit dem Fremdsprachenunterricht das Ziel, Kenntnisse in einer weiteren Sprache zu erwerben, und unterscheidet sich zugleich von diesem, insofern CLIL in erster Linie auf den Erwerb von Fachkenntnissen abzielt: »CLIL is content-driven« (Coyle et al. 2013, S. 1). Das heißt, die Lernziele, der Unterrichtsaufbau, die Materialauswahl und die Arbeitsformen werden vor allem nach den Erfordernissen der zu erarbeitenden fachlichen Inhalte ausgewählt (Heine 2015a, S. 17), nicht wie im Fremdsprachenunterricht nach den Anforderungen des Fremdsprachenerwerbs.

1.3 Sprachsensibler Fachunterricht

Ein Ansatz, der mit dem DFU auf einer Variante von CLIL aufbaut, ist der Sprachsensible Fachunterricht nach Josef Leisen (2017). Er wurde Mitte der 1990er Jahre an Deutschen Auslandsschulen entwickelt (Röttger 2019). In ihm ist Deutsch die Sprache des »Unterrichtens und Lernens«, »der Arbeit an der Sache« und »der Erarbeitung von Wissen und Können« (Leisen 2004, S. 7). Während sich der DFU auf den Kontext Deutsch als Fremdsprache bezieht (Leisen 1994), ist der aus dem DFU hervorgehende Sprachsensible Fachunterricht im Bereich Deutsch als Zweitsprache verortet (Leisen 2017) und wurde zuerst im Physikunterricht erprobt.

Der Sprachsensible Fachunterricht nach Leisen »pflegt einen bewussten Umgang mit Sprache als Medium, um zu vermeiden, dass fachliches Lernen durch sprachliche Schwierigkeiten erschwert wird« (Röttger 2019, S. 88) und stellt somit »sprachbezogenes Fachlernen« (ebd.) dar. Der Fokus liegt also auf dem fachlichen Lernen, dessen Gelingen bei Bedarf durch sprachliche Hilfestellungen gesichert werden soll. Der Sprachsensible Fachunterricht basiert auf drei Prinzipien, die Leisen folgendermaßen erläutert:

Im Mittelpunkt stehen im Sprachsensiblen Fachunterricht die Förderung der kommunikativen Kompetenz und der Lese- und Schreibkompetenz der Schüler*innen sowie die personale und materiale Steuerung des Lehr-Lernprozesses.

Zusammenfassend hat Leisen (2010, S. 42) zehn Anregungen zur Gestaltung eines Sprachsensiblen Fachunterrichts entwickelt:

»1.

den Unterricht auf Kommunikation hin ausrichten und dem Kommunizieren eine große Bedeutung einräumen;

2.

die Sprache in erster Linie am Verstehen der Lerner (Wissensnetze, Sprachvermögen) orientieren und nicht an der Sprache des Fachs;

3.

die Sprache drehen und wenden und die Bedeutung‍(en) mit den Lernern aushandeln;

4.

Sprache als eine von vielen Darstellungsformen nutzen und den Lernern deren Bedeutung bewusst machen;

5.

die Lerner zum Sprechen ermutigen und sprachliche Misserfolge möglichst vermeiden;

6.

beim strukturierten Sprechen (z. B. bei Beschreibungen) unterstützen und helfen (z. B. durch Filmleisten, Bildsequenzen, Sprechhilfen);

7.

fachsprachliche Strukturen behutsam angehen und üben (z. B. durch Satzmuster);

8.

beim Lesen von Texten Hilfen geben und das Textverstehen üben;

9.

verhindern, dass sich Fachlernprobleme und Sprachlernprobleme vermischen;

10.

metareflexive Phasen in den Unterricht integrieren und Sprachbewusstheit schaffen.«

Der von Leisen begründete Sprachsensible Fachunterricht hatte Einfluss auf das Konzept der Durchgängigen Sprachbildung (Röttger 2019), das in Kapitel 1.4 dargestellt wird.

1.4 Sprachaufmerksamer Fachunterricht

Der Sprachaufmerksame Fachunterricht ist ein weiteres Konzept zur sprachlichen Bildung im Fachunterricht, das auf den ersten Blick Ähnlichkeiten mit Leisens Sprachsensiblem Fachunterricht aufweist. Es stammt aber aus der Fachdidaktik Deutsch als Zweitsprache und wurde im Rahmen des Forschungsprojekts »Didaktisches Coaching für den Unterricht in mehrsprachigen Klassen« durch Schmölzer-Eibinger et al. (2013) geprägt. Ziel dieses Projekts war u. a. die »Entwicklung von Grundlagen für einen sprachaufmerksamen Fachunterricht in sprachlich heterogenen Klassen« (Schmölzer-Eibinger et al. 2013, S. 5). Das Ziel des Sprachaufmerksamen Fachunterrichts wiederum besteht darin, »Sprache zur Vermittlung von Inhalten im Unterricht bewusst zu verwenden und die schriftsprachlichen Kompetenzen der Lernenden zu fördern« (Schmölzer-Eibinger et al. 2013, S. 22).

Während Leisen stark auf den Einsatz von Methoden und Materialien fokussiert, wurden in diesem Projekt empirische Daten gesammelt und ausgewertet. Es wurden 80 Unterrichtseinheiten in allgemein-‍, aber auch berufsbildenden Schulen in Österreich videografiert, Interviews mit Direktor*innen, Lehrer*innen und Schüler*innen geführt sowie eine Fragebogenerhebung mit ca. 300 Lehrkräften und 3.500 Schüler*innen an österreichischen Schulen durchgeführt. Auf der Basis dieser Daten wurden u. a. Analyseinstrumente für Fachlehrkräfte zur Reflexion des eigenen sprachlichen und sprachdidaktischen Handelns entwickelt (Schmölzer-Eibinger et al. 2013, S. 5).

Theoretisch-konzeptionell nimmt der Sprachaufmerksame Fachunterricht Bezug auf die Literale Didaktik (Schmölzer-Eibinger 2011), die Prozedurenorientierte Didaktik (Dorner & Schmölzer-Eibinger 2012), das Dialogische Lernen (Gallin & Ruf 2005), die Narrative Didaktik (Kubli 2005) sowie den Sprachsensiblen Fachunterricht nach Leisen (2010).

Der Sprachaufmerksame Fachunterricht wird durch sieben Leitlinien gekennzeichnet, die durch konkret beobachtbare Merkmale näher bestimmt und durch Unterrichtsausschnitte aus verschiedenen Fächern und Schultypen veranschaulicht werden. »Die Leitlinien sollen Fachlehrkräfte bei der Planung und Umsetzung eines Sprachaufmerksamen Fachunterrichts unterstützen und gewährleisten, dass Sprache als ein Medium des Lernens bewusst verwendet und von den Schüler*innen genutzt werden kann« (Schmölzer-Eibinger et al. 2013, S. 22). Die Leitlinien lauten im Einzelnen:

»Im Sprachaufmerksamen Fachunterricht....

1.

findet integriertes Sprach- und Fachlernen statt.

2.

ist die Sprachverwendung durch Sprachaufmerksamkeit und Sprachreflexion geprägt.

3.

findet aktives und authentisches Sprachhandeln statt.

4.

sind sprachliche Anforderungen explizit und transparent.

5.

erfolgt eine systematische sprachliche Unterstützung.

6.

spielt Schriftsprachlichkeit eine zentrale Rolle.

7.

spielt Schreib- und Textarbeit eine zentrale Rolle.« (Schmölzer-Eibinger et al. 2013, S. 22 f.)

1.5 Durchgängige Sprachbildung

Als Reaktion auf den sog. PISA-Schock im Jahr 2000 (OECD 2021) wurde 2003 im Auftrag der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung ein Gutachten von Gogolin, Neumann und Roth erstellt, das deutsche und internationale Forschungsergebnisse zu der Frage zusammentrug, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit Innovationsmaßnahmen zur Verbesserung des Bildungserfolgs von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund beitragen können. Daran anschließend skizzieren sie einen Vorschlag zur Gestaltung des Innovationsprogramms für das deutsche Bildungssystem (Gogolin, Neumann & Roth, 2003). Alle drei Gutachter*innen sind Erziehungswissenschaftler*innen mit dem Schwerpunkt interkulturelle Bildung. Das Gutachten empfahl, ein »umfassendes Konzept von sprachlicher Bildung und Förderung den Maßnahmen zugrunde (...) [zu legen], das die sprachliche Gesamtkompetenz der Kinder und Jugendlichen umfasst« (Gogolin et al. 2010, S. 109). Dieses Konzept, das im Bund-Länder-Projekt FörMig (Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund) von 2003 bis 2009 entwickelt wurde, wurde zuerst mit dem Begriff der Durchgängigen Sprachförderung und dann mit dem Begriff der Durchgängigen Sprachbildung bezeichnet.

»Die Einführung des Begriffs ›Sprachbildung‹ (statt ›Sprachförderung‹) in den Sprachgebrauch des Programms geht auf Rückmeldungen aus den Länderprojekten zurück: Viele Beteiligte wiesen auf die Verbindung des Terminus ›Förderung‹ mit der Vorstellung von zusätzlichen Fördermaßnahmen speziell für sprachlich schwache Kinder und Jugendliche hin. Im Modellprogramm FörMig stand aber eine sprachliche Bildungsaufgabe im Mittelpunkt, die jeden Unterricht und die ganze Schullaufbahn mit einbezieht.« (Lange & Gogolin 2010, S. 14)

Mit der Begriffsverschiebung von 2009 wird der Fokus auf die Unterrichtsprinzipien gelegt, die für das Lernen aller Schüler*innen relevant sind, und damit auf die Veränderung jedes Unterrichts.

Konzeptionell baut die Durchgängige Sprachbildung auf den Konzepten Language across the curriculum (LAC), CLIL, Language Awareness und Sprachsensibler Unterricht auf, wobei Sprachbildung nun als Querschnittsaufgabe aller Fächer über die gesamte Schulzeit betrachtet wird. Entsprechend ist das Kernanliegen von FörMiG

»der kumulative Aufbau schul- und bildungssprachlicher Fähigkeiten. Die Analyse internationaler Forschung, die der Einrichtung von FörMig vorausging, hatte zum Ergebnis, dass die Förderung bildungssprachlicher Fähigkeiten nur gelingt, wenn sie systematisch, koordiniert und kontinuierlich durch die Bildungsbiographie hindurch erfolgt – und zwar nicht nur im sprachlichen Unterricht im engeren Sinne, sondern auch im Unterricht der anderen Fächer und Gegenstandsfelder. Kurzfristige Interventionen reichen nicht hin, um alle Anforderungen bildungssprachlicher Kompetenz zu erfüllen. Ebenso wenig ist es hinreichend, wenn nur ein einzelner Unterricht – etwa der Deutschunterricht – sich dieser Aufgabe stellt, weil die verschiedenen Fächer und Lernbereiche unterschiedliche Anforderungen an die sprachlichen Fähigkeiten stellen.« (Universität Hamburg 2015)

Das Gesamtkonzept der Durchgängigen Sprachbildung besteht daher aus drei Dimensionen: der bildungsbiographischen und der thematischen Dimension sowie der Mehrsprachigkeitsdimension.

Bei der bildungsbiographischen Dimension geht es vor allem um die Übergänge zwischen den Bildungsbereichen, also von der Kita in die Primarstufe, von der Primarstufe in die Sekundarstufe I und von der Sekundarstufe I in den Beruf. Mit jeder neuen Form der sachlichen Anforderung in den verschiedenen Bildungsinstitutionen verändern sich auch die sprachlichen Herausforderungen, die die Lernenden zu bewältigen haben. Es reicht daher nicht aus, nur innerhalb eines bestimmten Zeitraums, z. B. im Elementarbereich, die Sprachentwicklung zu fördern (Gogolin & Lange 2011), sondern es gilt, über die jeweiligen Institutionen der Bildungsstufen hinaus zusammenzuarbeiten und sowohl die sprachlichen Anforderungen der jeweils davor liegenden oder nachfolgenden Bildungsstufe zu kennen als auch Konzepte und Methoden der Sprachbildung aufeinander abzustimmen.

Bei der thematischen Dimension geht es um »den koordinierten systematischen Zugang zu bildungssprachlichem Können und Wissen über die Lernfelder und Themen, später die Gegenstandsbereiche und Fächer des Unterrichts hinweg« (Universität Hamburg 2015). In dieser Dimension stehen die Verbindungen und Beziehungen zwischen den Sprachanforderungen der Fächer im Mittelpunkt.

Des Weiteren wird auf der thematischen bzw. horizontalen Dimension der Blick auch auf die Verbindungsstellen zwischen den Sprachen schulischer, schulbegleitender und außerschulischer Lehr-Lern-Situationen (z. B. Einbezug der Eltern, Sprachbildung in Ganztagesangeboten) gelenkt.

Bei der Mehrsprachigkeitsdimension »geht es zum einen um die Berücksichtigung der sprachlichen Bildungsvoraussetzungen, die Mehrsprachigkeit als Lebensbedingung für die Aneignung bildungssprachlicher Fähigkeiten bedeutet, und zum anderen um die Erschließung von Mehrsprachigkeit als Ressource bei der Aneignung bildungssprachlicher Kompetenz« (Universität Hamburg 2015). Durch diese Dimension erhält die Diagnostik der vorhandenen Sprachkompetenzen der Schüler*innen eine wichtige Funktion, da sie die Basis für die Planung von sprachbildendem Unterricht schafft. Außerdem werden die Erstsprachen der Schüler*innen als Ressource betrachtet und alle sprachlichen Kompetenzen der Schüler*innen sollen für Lernprozesse genutzt werden.

Aufgrund von Praxiserfahrungen im FörMig-Transferprojekt, das in sechs Bundesländern mit insgesamt zwölf Schulen durchgeführt wurde, werden unter der Fragestellung, wie ein gelungener bildungssprachförderlicher Unterricht aussehen kann, folgende sechs Qualitätsmerkmale für den Unterricht formuliert.

»Q 1 Die Lehrkräfte planen und gestalten den Unterricht mit Blick auf das Register Bildungssprache und stellen die Verbindung von Allgemein- und Bildungssprache explizit her.Q 2 Die Lehrkräfte diagnostizieren die individuellen sprachlichen Voraussetzungen und Entwicklungsprozesse.Q 3 Die Lehrkräfte stellen allgemein- und bildungssprachliche Mittel bereit und modellieren diese.Q 4 Die Schülerinnen und Schüler erhalten viele Gelegenheiten, ihre allgemein- und bildungssprachlichen Fähigkeiten zu erwerben, aktiv einzusetzen und zu entwickeln.Q 5 Die Lehrkräfte unterstützen die Schülerinnen und Schüler in ihren individuellen Sprachbildungsprozessen.Q 6 Die Lehrkräfte und die Schülerinnen und Schüler überprüfen und bewerten die Ergebnisse der sprachlichen Bildung.« (Gogolin et al. 2011, S. 9)

Diese Qualitätsmerkmale sind mit Beispielen und Konkretisierungen aus den Projektschulen veranschaulicht und sollen dazu dienen, Schulentwicklungsprozesse zu begleiten (ebd., S. 4).

Aus dem FörMig-Projekt und dem Konzept der Durchgängigen Sprachbildung sind verschiedene Konkretisierungen entstanden, von denen hier der Sprachbewusste Unterricht (Tajmel & Hägi-Mead 2017), der in Kapitel 1.5 dargestellt wird, und der Sprachförderliche Fachunterricht (Brandt & Gogolin 2016) genannt werden sollen.

1.6 Sprachbewusster Fachunterricht

Der Sprachbewusste Fachunterricht (Tajmel & Hägi-Mead 2017) als weiterer Ansatz der sprachlichen Bildung betont unter Bezug auf das Konzept der Language Awareness (James & Garret 1991; Luchtenberg 2020) vor allem die Reflexion von Sprache und erweitert den Diskurs um eine kritisch-reflexive Perspektive. Dabei bezieht er sich explizit auf die Critical Language Awareness nach Fairclough (1992) (Tajmel & Hägi-Mead 2017, S. 9).

Language Awareness lässt sich nur schwer ins Deutsche übersetzen und umfasst mehrere Aspekte, u. a. Sprachaufmerksamkeit, Sprachbewusstheit, Sprachlernbewusstheit, Sprachbewusstmachung, Sprachlernbewusstsein und Reflexion über Sprache (Niederhaus & Havkic 2018, S. 78). Sie alle haben eine intensivere und bewusstere Beschäftigung mit Sprache zum Ziel. Dabei lassen sich vier Ebenen unterscheiden:

»Affektive Ebene (Einstellungen zu Sprache, Freude am Umgang mit Sprache/Sprachen)

Soziale Ebene (Sprachgebrauch, auch kritisch)

Kognitive Ebene (bewusster Umgang mit Strukturen, Regeln und Mustern von Sprache; Einsichten in Möglichkeiten des Sprachgebrauchs bis hin zu Sprachmanipulation). Hier wird zugleich die Gefahrt gesehen, dass LA zu Sprachwissen (Grammatik) degradiert werden könnte.

Machtebene (Einsichten in die Möglichkeiten, sprachliche Macht auszuüben – dies ist vor allem der Bereich von Critical Language Awareness).« (Luchtenberg 2020, S. 151 nach James & Garrett 1991, S. 12 – 20).

Während das ursprüngliche Konzept der Language Awareness zunächst darauf abzielt, die Language Awareness von Schüler*innen in den oben aufgeführten fünf Ebenen auszubilden, geht es Tajmel und Hägi-Mead um die Sprachbewusstheit von Lehrkräften. Als Ziel benennen sie unter Bezug auf die Critical Language Awareness (Fairclough 1992) die Fähigkeit von Lehrkräften, »Spielräume einer nicht-diskriminierenden Unterrichtspraxis ausloten zu können« (Tajmel & Hägi-Mead 2017, S. 10). Dabei unterscheiden auch Tajmel und Hägi-Mead in ihrem Modell der Kritisch-reflexiven Sprachbewusstheit von Lehrenden vier verschiedene Ebenen der Language Awareness:

»Hegemoniale Machtebene (›Ich reflektiere‹): Sprache als Mittel der Selektion und Exklusion erkennen; Normen, Routinen, Traditionen reflektieren. Was gilt als richtig oder falsch, passend oder unpassend?

Rechtlich-soziale Ebene (›Ich bin zuständig‹): Sich der eigenen institutionellen Rolle bewusst sein; zuständig sein für die Ermöglichung des Zugangs zu Bildung.

Kognitiv-linguistische Ebene (›Ich weiß‹, ›Ich kann‹): Über Sprache im Fach, sprachliche Register und die Vermittlung von Sprache Bescheid wissen; sprachdidaktisch handeln können.

Affektive Ebene (›Ich interessiere mich‹): Anteilnehmen; sich im Sinne eines pädagogischen Anliegens mit Sprache und Sprachbildung beschäftigen wollen.« (Tajmel & Hägi-Mead 2017, S. 11)

Das Besondere dieses Ansatzes und der Aspekt, der ihn von anderen unterscheidet, besteht somit in der kritisch-reflexiven Perspektive, die auch machtkritische Aspekte umfasst:

»In diesem Konzept sind einerseits die linguistischen Aspekte der Sprachbewusstheit enthalten, andererseits aber auch rechtliche, soziologische und machtkritische Aspekte. Schule und Unterricht werden nicht nur als Ort des Lehrens und Lernens, sondern vielmehr als soziale Felder verstanden. Damit berücksichtigt das Konzept neben den pädagogisch-didaktischen Aspekten von Sprachbildung auch die hegemonialen Aspekte, welche insbesondere im Zusammenhang mit Bildungsdisparitäten und Diskriminierung bzw. Benachteiligung im Zugang zu Bildung von Bedeutung sind.« (Tajmel & Hägi-Mead 2017, S. 11)

Auch Tajmel und Hägi-Mead formulieren Prinzipien für den Sprachbewussten Fachunterricht und ordnen sie drei Bereichen zu:

Dem ersten Bereich Zuständigkeit sind zwei Prinzipien zugeordnet, 1. Jede Lehrkraft fühlt sich für sprachliche Bildung zuständig und sieht 2. Sprache als intrinsischen Bestandteil jeder fachlichen Unterrichtsplanung an.

Beim zweiten Bereich Zielklarheit gibt es drei Prinzipien: 1. Jede Lehrkraft betrachtet Bildungssprache als Ziel und nicht als Voraussetzung des Unterrichts, 2. kennt die sprachlichen Anforderungen ihres eigenen Unterrichts und 3. die sprachlichen Lernziele ihres Unterrichts.

Zum dritten Bereich Know-How gehören zwei Prinzipien: 1. Unterricht knüpft sprachlich und fachlich an die Lebenswelt der Schüler*innen an und 2. stellt den Schüler*innen alle nötigen Mittel und Maßnahmen, um sprachhandlungsfähig zu sein, zur Verfügung (vgl. Tajmel & Hägi-Mead 2017, S. 72).

Die hier genannten sieben Prinzipien greifen die Qualitätsmerkmale der in Kapitel 1.4 dargestellten Durchgängigen Sprachbildung auf und wurden für Lehrkräfte des Sachfachunterrichts entwickelt.

1.7 Scaffolding

Scaffolding bezieht sich auf den englischen Begriff für Baugerüst und wurde von Wood, Bruner und Ross (1976) für eine spezifische Form der Unterstützung von Lernprozessen bei Kindern durch kompetentere Partner*innen geprägt. Bruner (1978) überträgt den Begriff auf den Erstspracherwerb und Gibbons (2002) adaptiert ihn Anfang des Jahrtausends für den Kontext der Zweitsprachaneignung, wobei sie ihn mit der von Vygotskij (u. a. 1934/1986/2002)2 inspirierten soziokulturellen Lerntheorie und der von Halliday ab 1975 entwickelten systemisch-funktionalen Grammatik verknüpft. Die Übertragung des Begriffs aus dem englischsprachigen auf den deutschsprachigen Kontext erfolgt u. a. durch Kniffka (2010). Diese Begriffsgenese soll im Folgenden etwas detaillierter nachgezeichnet werden mit dem Ziel, die verschiedenen Bedeutungsdimensionen des Begriffs erkennbar und deren Wurzeln und Bezüge nachvollziehbar zu machen.

1.7.1 Theoretische Grundlagen

Wood et al. (1976) beschreiben, wie drei- bis fünf-jährige Kinder unter Anleitung eines Tutors ein Problem – den Bau einer komplexen Pyramide – lösen, welches sie selbstständig noch nicht bewältigen. Ziel ist zu zeigen, dass Problemlösungen nicht nur – wie man damals annahm – selbstständig oder imitativ erfolgen können, sondern auch in Kooperation von einem kompetenteren Tutor mit einem lernenden Kind. Tutor und Kind lösen die Aufgabe Schritt für Schritt gemeinsam, indem der Tutor dem Kind bei Bedarf durch seine Hinweise zum weiteren Vorgehen (z. B. zeigen, wie man die Bausteine zusammenstecken kann, Ermutigung weiterzumachen u. ä.) Hilfestellungen gibt, durch die das Kind seine Fähigkeiten erweitern und die Aufgabe erfolgreich bearbeiten kann. Diese Art der temporären kooperativen Hilfestellung durch eine*n kompetentere*n Partner*in bezeichnen Wood et al. (1976) in Anlehnung an den englischen Begriff für Baugerüst als Scaffolding. Bruner greift den Begriff zwei Jahre später auf, um im Erstspracherwerb die mütterliche Rolle in Mutter-Kind-Dialogen zu beschreiben, und hebt daran folgende Merkmale hervor: »she reduces the degrees of freedom with which the child has to cope, concentrates his attention into a manageable domain, and provides models of the expected dialogue from which he can extract selectively what he needs for filling his role in discourse« (1978, S. 254). Scaffolding meint hier also eine Reduktion der Optionen, die Steuerung der Konzentration und die Modellierung der zu produzierenden Sprache.

Der bei Wood et al. (1976) bzw. Bruner (1978) deutlich werdende soziale Charakter des Lernens spielt auch in den lerntheoretischen Überlegungen Vygotskijs aus den 1920er Jahren, auf denen soziokulturelle Theorien aufbauen, eine zentrale Rolle. Vygotskijs entscheidender Gedanke ist, dass das Denken nicht als Entfalten eines angeborenen Potenzials aus dem Individuum kommt, sondern ein Effekt, der u. a. durch die Sprache vermittelten Interaktion mit der sozialen und materiellen Umwelt ist, welche im Laufe der kindlichen Entwicklung internalisiert wird. Denken entwickelt sich also aus der Verinnerlichung des Sprechens und Interagierens mit anderen Menschen mit Bezug auf die Welt. Entsprechend ist auch Lernen prinzipiell sozial situiert und hat seine Wurzeln in der Interaktion, und zwar mit einer*einem kundigeren Partner*in: »the individual learner does not gain a discrete body of abstract knowledge which is then transferred and reapplied to ›real‹ contexts, but acquires skills to perform by actually engaging and participating in the socially embedded practices of an ›expert‹« (Gibbons 2006, S. 21). Wichtig für das Lernen ist dabei, dass die Lernenden in einem Bereich aktiv sind, den sie nur mit Unterstützung durch eine kundigere Person bewältigen können: »It can be argued that it is only when teacher support – or scaffolding – is needed that learning will take place, since the learner is then likely to be working within his or her zone of proximal development« (Gibbons 2002, S. 10). Der auf Vygotskij zurückgehende Begriff der zone of proximal development (ZPD oder auch Zone der proximalen bzw. nächsten Entwicklung) bezeichnet also den Bereich zwischen dem, was ein Kind ohne, und dem, was es mit Unterstützung durch eine kundigere Person bewältigen kann.

Die von Halliday ab 1975 entwickelte systemisch-funktionale Grammatik versteht Sprache grundsätzlich als in einer Kommunikationssituation verortet und grenzt sich damit von Theorien ab, die Sprache losgelöst von jeglicher Kommunikation als System an sich auffassen. Die systemisch-funktionale Grammatik lenkt den Blick darauf, dass die in einer Äußerung verwendete Sprache vom jeweiligen situativen und kulturellen Kontext bestimmt wird. Die drei entscheidenden Aspekte sind dabei das Thema der Kommunikation, das sog. field, die Beziehung der Kommunikationspartner*innen zueinander, tenor genannt, und der Kommunikationskanal oder mode, also ob die Kommunikation eher mündlich oder eher schriftlich stattfindet. Der enge Bezug zwischen der verwendeten Sprache und dem Kontext ist für Gibbons zentral (2006, S. 29), da er es ermöglicht, sprachliche Äußerungen – gerade im Kontext der Zweitsprachaneignung – nicht lediglich als richtig oder falsch zu beurteilen, sondern ihre Angemessenheit im jeweiligen Kontext in den Blick zu nehmen. Spracherwerb kann damit nicht nur als Aneignung von Wortschatz und Strukturen, sondern als Ausweitung und Vervielfältigung der Kontexte, in denen man angemessen kommunizieren kann, verstanden werden.

1.7.2 Scaffolding nach Gibbons (2002, 2006)

Bevor darauf eingegangen wird, wie Scaffolding nach Gibbons (2002, 2006) umgesetzt werden kann, soll kurz dargestellt werden, wie Gibbons aus den o. g. theoretischen Grundlagen den Begriff des Scaffolding entwickelt. Dazu transferiert sie zum einen die Situation von einer 1:1-Lernsituation zwischen Tutor*in bzw. Mutter und Kind, die auch Vygotskijs Ideen zugrunde liegt, unter Bezug auf Mercers Begriff der intermental development zone (2000, S. 143, zit. nach Gibbons 2006, S. 26) auf das Lernen in einer Schulklasse (Skerra 2008, S. 4; Quehl & Trapp 2013, S. 34). Eine weitere Verschiebung findet statt, insofern es bei Gibbons um die schulische Zweitsprachaneignung geht, während sich Vygotskij, Wood, Bruner und Ross mit der frühkindlichen Entwicklung, also deutlich jüngeren Lernenden im Erstspracherwerb, beschäftigen. Gibbons betrachtet die Sprachaneignung dabei im Gegensatz zu Auffassungen, die davon ausgehen, dass diese nach wenigen Jahren im Wesentlichen abgeschlossen ist, als lebenslangen Prozess (Gibbons 2006, S. 29). Beibehalten werden die Ideen, dass sich die Unterstützung an der Zone der nächsten Entwicklung zu orientieren hat und Sprachaneignung im Fachunterricht eine Form von Problemlösen darstellt (Quehl & Trapp 2013, S. 33).

In Bezug auf die Realisierung von Scaffolding im Fachunterricht entwickelt Gibbons (2002) einen ganzen Strauß an praktischen Ideen und Empfehlungen zur Förderung zweitsprachlicher Fähigkeiten im Unterricht. Zentral dabei ist für Gibbons eine vielfältige Unterrichtskommunikation, die insbesondere durch kooperative Arbeitsformen unterstützt wird. Außerdem gibt sie zahlreiche Empfehlungen zur Förderung von allen vier Fertigkeiten (Lesen, Schreiben, Hören, Sprechen).

1.7.3 Scaffolding nach Kniffka (2010)

Kniffka (2010) adaptiert Scaffolding u. a. für den deutschsprachigen Kontext bzw. für die sprachliche Bildung im Fachunterricht mit migrationsbedingt mehrsprachigen Schüler*innen und unterscheidet – wie auch Hammond und Gibbons (2005, S. 11) – zwischen Makro- und Mikro-Scaffolding. Dabei bezieht sich Makro-Scaffolding auf die Unterrichtsplanung und Mikro-Scaffolding auf die Gestaltung der Unterrichtskommunikation. Die Unterrichtsplanung besteht bei Kniffka (2010) aus drei Bausteinen: Im Baustein Bedarfsplanung soll festgestellt werden, welche sprachlichen Strukturen zum Verständnis und zur Bearbeitung der fachlichen Inhalte von den Schüler*innen beherrscht werden müssen. In einem weiteren Baustein wird der Lernstand der Schüler*innen bestimmt, um die Diskrepanz zwischen dem, was die Schüler*innen bereits können, und dem, was sie für die angemessene Erarbeitung der fachlichen Inhalte sprachlich können müssen, ausloten zu können. Im letzten Baustein ist die eigentliche Unterrichtsplanung vorgesehen, bei der nicht nur die fachlichen, sondern auch die sprachlichen Lernziele zu berücksichtigen sind. Wichtig dabei ist neben den üblichen Punkten wie der Auswahl passender Materialien, möglichst interaktiver Arbeitsformen und abwechslungsreicher Darstellungsweisen die Berücksichtigung folgender Prinzipien: das Anknüpfen an das fachliche und sprachliche Vorwissen der Schüler*innen, die Sequenzierung von Lernaufgaben in gut zu bearbeitende Teilschritte, die Planung metasprachlicher und metakognitiver Phasen sowie die Bereitstellung von sprachlich reichem Input (Kniffka 2012, S. 217). Beim Mikro-Scaffolding, das sich auf die Unterrichtskommunikation bezieht, sind sechs Prinzipien zu berücksichtigen: Die ersten beiden Prinzipien zielen auf eine zeitliche Dehnung der Unterrichtskommunikation ab. Um die meist nicht ganz so schnelle mentale Verarbeitung von Inhalten in einer Zweitsprache nicht zu einem Nachteil für die Schüler*innen werden zu lassen, soll zum einen die Lehrkraft langsamer sprechen und den Schüler*innen zum anderen mehr Zeit zur Planung von Äußerungen einräumen. Die zweiten beiden Prinzipien streben die Realisierung einer möglichst authentischen Kommunikationssituation an. Zu diesem Zweck dient einerseits das Prinzip, möglichst echte Fragen im Gegensatz zu den im Unterricht verbreiteten rhetorischen Fragen zu stellen, und andererseits das Prinzip des aktiven Zuhörens, das die Gedanken der Schüler*innen versucht nachzuvollziehen und darauf inhaltlich zu reagieren. Die letzten beiden Prinzipien unterstützen das sprachliche Lernen, indem die Äußerungen von Schüler*innen zum einen in fachsprachlich korrekter Form rekodiert werden und zum anderen in größere Zusammenhänge eingebettet werden, um für alle die Bezüge zum jeweiligen fachlichen Kontext zu verdeutlichen (zum Interactional Scaffolding s. auch Hammond & Gibbons 2005).

1.7.4 Diskussion des Begriffs

Auch wenn der Begriff des Scaffolding damit relativ klar gefasst ist, wird er vielfach so unscharf verwendet, dass er gleichbedeutend mit jeglicher Hilfestellung zu sein scheint (Thürman 2013, S. 236; Michell & Sharpe 2005, S. 31). Dies ist jedoch ein Missverständnis, wie Gibbons (2002, S. 10) erläutert:

»Scaffolding, however, is not simply another word for help. It is a special kind of help that assists learners to move toward new skills, concepts, or levels of understanding. Scaffolding is thus the temporary assistance by which a teacher helps a learner know how to do something, so that the learner will later be able to complete a similar task alone. It is future-oriented: as Vygotsky has said, what a child can do with support today, she or he can do alone tomorrow.«

Scaffolding ist also auf das Vermitteln von Vorgehensweisen (»know how to do something«, ebd.) und die Befähigung zu eigenverantwortlichem Lernen und Handeln (Thürman 2013, S. 236) ausgerichtet. Entsprechend bedeutet Scaffolding »nicht einfach, dass Schülerinnen und Schüler ein Arbeitsblatt mit Lernhilfen erhalten, vielmehr geht es darum, ihnen einen intellektuellen Schub zu geben« (Kniffka 2010, S. 4, Hervorh. i. Orig.). Dazu bedarf es herausfordernder Aufgaben, die »die Ko-Konstruktion von Wissen [unterstützen], indem kognitive Orientierung angeboten wird und kognitiv-sprachliche Mittel und Methoden zur reflektierten Auswahl bereitgestellt werden« (Thürmann 2013, S. 237).

Ein ähnliches und damit zusammenhängendes Phänomen lässt sich beim Begriff der Zone der nächsten Entwicklung beobachten, die wie oben beschrieben den Bereich zwischen dem, was ein Kind mit und ohne Unterstützung durch eine kundigere Person bewältigen kann, bezeichnet. Bezogen auf den Spracherwerb hat diese Beschreibung dazu geführt, dass »eine den individuellen Lernprozess begleitende Diagnostik mit dem Ziel, fortwährend die Diskrepanz zwischen Lernstand und Lernziel zu bestimmen« (Klieme & Warwas 2011, S. 811) als notwendig erachtet wird, um für alle Schüler*innen die jeweilige Zone der nächsten Entwicklung zu bestimmen. Dieser Gedanke impliziert, dass die Zone der nächsten Entwicklung als objektiv verstanden wird und man den Punkt zu bestimmen versucht, an dem Lernende für den nächsten Lernschritt bereit sind. Gibbons (2002, S. 10) betont jedoch, die Idee des Scaffolding

»does challenge the notion of learner ›readiness‹ by suggesting that it is the teacher who is largely responsible for initiating each new step of learning, building on what a learner is currently able to do alone. It challenges teachers to maintain high expectations of all students as well as provide adequate scaffolding for tasks to be completed successfully.«

Der Fokus liegt also darauf, Schüler*innen zu befähigen, neuen herausfordernden Stoff zu bewältigen, nicht darauf, zu schauen, wo die Schüler*innen stehen, und den Stoff daran anzupassen.

Abschließend lässt sich festhalten, dass es beim Scaffolding um eine »didaktisch-methodische Strukturierung und Planung von Lehr-Lern-Prozessen [geht], die den aktuellen Entwicklungsstand eines Lerners und den potenziellen Entwicklungsschritt, zu dem er in der Lage ist, berücksichtigt« (Ohm 2010, S. 96). Scaffolding ist somit

»keine Methode oder Technik der Wissensvermittlung neben anderen, sondern ein Grundprinzip des lerntheoretischen Ansatzes von Vygotskij, (...) [d. h.] dass nicht für einzelne Aufgaben ›Lerngerüste‹ zu entwickeln sind, sondern dass der Lehr-Lern-Prozess als Ganzes in einer Weise strukturiert wird, dass die Lernenden in die Lage versetzt werden, ihre sprachlichen Fähigkeiten im Kontext fachlichen Lernens und beruflichen Handelns weiterzuentwickeln.« (Ohm 2009, S. 280)

1.8 Zusammenschau der Konzepte und Fazit

Bereits in der Darstellung der Ansätze wurden Gemeinsamkeiten und Unterschiede erkennbar, die abschließend noch einmal konkret herausgestellt werden.

Die wesentlichen Gemeinsamkeiten aller dargestellten Konzepte sind, dass sie für den Schulkontext entwickelt wurden und dass sie einen Fokus auf das integrierte sprachliche und das fachliche Lernen bzw. sprachliches Lernen im Fachunterricht legen, wobei das fachliche Lernen gegenüber dem sprachlichen Lernen insofern dominant ist, als sich die sprachlichen Inhalte nach den fachlichen Inhalten richten, nicht wie im Sprachunterricht üblich umgekehrt. Im Vergleich dazu sind die Unterschiede zwischen den Konzepten zahlreicher und Resultat der verschiedenen Ausgangs- und Schwerpunkte.

Zunächst zu den Besonderheiten von CLIL gegenüber den anderen Ansätzen:

1.

Ein wichtiger Unterschied zwischen dem Sprachsensiblen Fachunterricht, dem Sprachaufmerksamen Fachunterricht, der Durchgängigen Sprachbildung und dem Sprachbewussten Fachunterricht einerseits und CLIL andererseits liegt darin, dass CLIL für einen fremdsprachlichen Kontext entwickelt wurde, in dem also in einem erstsprachlichen Schulkontext eine fremde Sprache gelernt wird, während die anderen Konzepte für einen zweitsprachlichen Kontext entworfen wurden, in dem Schüler*innen mit verschiedenen Erstsprachen an zielsprachlichem Schulunterricht teilnehmen. Dieser Unterschied hat weitreichende Implikationen.

2.

Dazu gehört der Status des Unterrichts: »Während CLIL-DaF [entspricht CLILiG, Anmerkung der Verf.] ein neues, hoch geschätztes, von Eltern in der Freizeit ihrer Kinder noch zusätzlich kostenpflichtig bei Goethe-Instituten gebuchtes Angebot ist, wird der sprachsensible Unterricht an Schulen im deutschsprachigen Raum oft als zusätzliche Anforderung, für die die Lehrkräfte nicht ausgebildet sind, beschrieben.« (Demmig 2018, S. 113)

3.

Auch wenn CLIL ursprünglich nicht elitär gemeint war, wurde und wird es vor allem für die großen europäischen Sprachen als Bereicherung für Schüler*innen an Gymnasien angeboten (Breidbach 2013, S. 13; Burmeister 2013, S. 161; Lindemann & Hufeisen 2015, S. 2), während der Deutsch-als-Zweitsprache-Unterricht mit einer nach wie vor häufig zu beobachtenden Fokussierung auf die Defizite von Schüler*innen von manchen Lehrkräften noch immer als Belastung und zusätzlicher Aufwand betrachtet wird. Damit einher geht interessanterweise ein unterschiedlicher Fokus: Während im Deutsch-als-Zweitsprache-Unterricht gerade auf den korrekten Erwerb der fachsprachlichen Terminologie geachtet wird, wird bei CLIL wenig Wert auf sprachliche Korrekturen (Lindemann & Hufeisen 2015, S. 3) und die korrekte Verwendung der Fachsprache gelegt, was dazu führt, dass es »CLIL-SchülerInnen massiv an Kompetenzen in der Teilhabe an einem fachadäquaten Diskurs fehlt« (Heine 2015b, S. 22).

4.

Ein weiterer Unterschied zwischen den Konzepten besteht darin, dass bei CLIL-Schüler*innen von einem altersgemäß entwickelten Kenntnisstand in der Erstsprache und einem relativ homogenen Kenntnisstand in der zu lernenden Sprache ausgegangen und bei Bedarf problemlos auf die Erstsprache zurückgegriffen werden kann. Bei Deutsch als Zweitsprache hat man es hingegen mit divergierenden Sprachniveaus sowohl in der Erst- als auch der oder den Zweitsprache‍(n) zu tun. Ein Rückgriff auf die Erstsprachen der Schüler*innen ist aufgrund der Vielfalt der sog. Erstsprachen in unterrichtlichen Kontexten nur selten möglich und eine zweisprachige Vermittlung von Fachinhalten, wie sie gelegentlich bei CLIL vorkommt, kaum möglich.

5.

Eine letzte Differenz besteht darin, dass CLIL nur von einigen Lehrkräften umgesetzt wird, während Sprachsensibler, Sprachbewusster und Sprachaufmerksamer Unterricht ein Thema für alle Lehrkräfte sein sollte.

Die Durchgängige Sprachbildung unterscheidet sich von den anderen Ansätzen durch folgende Aspekte:

1.

Die Durchgängige Sprachbildung formuliert auf der Ebene der Schulorganisation Bedingungen, unter denen eine Bildungserfolg für alle ermöglichende Sprachbildung gelingen kann, während die anderen Ansätze den Fokus eher auf Prinzipien legen, nach denen Fachunterricht gestaltet sein muss, damit parallel zur Aneignung von Fachinhalten die sprachlichen Fähigkeiten weiterentwickelt werden. Durchgängige Sprachbildung zielt also auf eine Veränderung und Anpassung des Systems Schule in Hinblick auf die veränderte Schülerschaft und hat damit eine bildungspolitische Dimension. Sie legt den Schwerpunkt auf Möglichkeiten, die sprachlichen Kompetenzen in den einzelnen Schulstufen und Fächern systematisch aufeinander aufbauend zu erwerben.

2.

Anders als der Sprachsensible, Sprachbewusste und Sprachaufmerksame Unterricht bezieht die Durchgängige Sprachbildung die migrationsbedingte Mehrsprachigkeit der Schüler*innen sehr explizit ein und sieht diese als Ressource für den Erwerb der Bildungssprache und damit für den Bildungserfolg.

3.

Durchgängige Sprachbildung hat vor allem den Erwerb des Registers Bildungssprache zum Ziel. Der Sprachsensible, Sprachaufmerksame und Sprachbewusste Fachunterricht zielen zwar auch mehr oder weniger fokussiert und explizit auf die Aneignung dieses Registers, streben jedoch in einem umfassenderen Sinn nach einer Erweiterung der sprachlichen Fähigkeiten der Schüler*innen.

4.

Als letzter Unterschied zu CLIL soll hier noch die Relevanz benannt werden, die die Durchgängige Sprachbildung wie auch der Scaffolding-Ansatz nach Kniffka der Diagnostik beimisst.

Vergleicht man die Konzepte des Sprachsensiblen, des Sprachbewussten und des Sprachaufmerksamen Fachunterrichts, so legt der Sprachsensible Fachunterricht nach Leisen (2010, 2013, 2017)

1.

den Fokus wie CLIL auf das fachliche Lernen, welches durch sprachliche Unterstützung ermöglicht werden soll. Der Sprachbewusste Fachunterricht nach Tajmel und Hägi-Mead (2017) versteht den Erwerb der Bildungssprache als untrennbaren Teil des fachlichen Lernens und fordert zudem, eine kritisch-reflexive Perspektive einzunehmen. Der Sprachaufmerksame Fachunterricht nach Schmölzer-Eibinger et al. (2013) strebt hingegen eine systematische sprachliche Entwicklung mit einem Schwerpunkt auf der Schriftsprache an.

2.

Eine Besonderheit des Sprachsensiblen Fachunterrichts ist ferner der Einsatz verschiedener Darstellungsformen, von denen die versprachlichte Darstellung nur eine ist. Der Wechsel von einer Darstellungsform zu einer anderen dient dabei der Vertiefung des fachlichen Verständnisses, unterstützt aber auch eine Vielfalt bei der Versprachlichung der gleichen fachlichen Inhalte. Ähnliche Arbeitsweisen gibt es auch beim Scaffolding.

3.