Mein Freund Ybor - Rüdiger Kinting - E-Book

Mein Freund Ybor E-Book

Rüdiger Kinting

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Beschreibung

Der elfährige Felix bekommt von seinem Vater einen Roboter geschenkt. Den möchte er für seine Klasse beim Robotik-Wettbewerb antreten lassen - obwohl er von seinem Mitschüler Angus eingeschüchtert und bedroht wird. ›Ybor‹, wie Felix den Roboter nennt, entpuppt sich allerdings als ein echter Roboter vom Planeten Origan. Er hilft Felix dabei, an sich selbst zu glauben. Und so hält Felix an seinem Plan fest. Als Ybor am Tag vor dem großen Wettbewerb spurlos aus seinem Garten verschwindet, ist Felix verzweifelt. Ist Ybor weggelaufen? Oder steckt Angus hinter der Entführung? Am Tag des Wettbewerbs erwartet Felix eine große Überraschung. Und nun liegt es an ihm, über sich hinauszuwachsen und allen zu zeigen, wie viel Mut in ihm steckt. Eine Geschichte über Freundschaften, Mut und den Weg, im richtigen Moment für sich einzustehen.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Rüdiger D.C. Kinting

Mein Freund Ybor

Ein robotastisches Geschenk

 

Inhalt

 

Vorwort

#Chaos

#Geschenke

#Träume

#Spielzeug

#SH-86/18 beta

#Mattis

#Namen

#Baumhaus

#Robotiade

#Mut

#Veränderung

#Erster Schultag

#Spielzeugmodus

#Entscheidung

#24 Stunden

#Diebe

#Der große Tag

#Ybor

#Ursache und Wirkung

#Vertrauen

#Unerwarteter Besuch

#Ella

#Loui

#Frei

#Zuhause

Nachwort

Infos zum Autor

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Danksagung

Impressum

 

Vorwort

Jetzt, nach so vielen Jahren,

schreibe ich diese Geschichte auf.

Für alle,

die ihren persönlichen Ybor brauchen.

Jemand, der dir den Weg zeigt,

dir hilft und nicht locker lässt,

bis du gelernt hast,

dir selbst zu vertrauen.

 

 

#Chaos

Als Einziger stand ich noch an meinem Platz, unfähig, auch nur einen Finger zu bewegen. Das Herz klopfte mir bis zum Hals, während ich zusah, wie die anderen aus der Klasse versuchten, meinen Roboter einzufangen. Vor allem Angus. Dabei schrien und grölten sie, kletterten über Schultische oder schoben sie rumpelnd beiseite. Stühle fielen knallend um. Auf dem Boden verteilten sich Stifte, Mäppchen und Schulhefte.

Zum Glück wich der kleine metallene Kerl immer wieder geschickt aus, und die Hände griffen ins Leere.

Wie hatte das nur so schnell passieren können?

Die Idee hatte super geklungen: Endlich hatte ich mal was Tolles in der Klasse zu zeigen. Und nicht immer nur Angus.

Doch jetzt? Jetzt ging alles schief. Und die Angst, die anderen könnten herausfinden, wer oder was Ybor wirklich war, schnürte mir die Kehle zu.

Wenn ich das gewusst hätte, dann wäre der Roboter zu Hause geblieben. Und ich hätte ihn erst gar nicht aktiviert.

 

 

 

#Geschenke

Angefangen hat alles an einem Dienstagabend.

Ich stand am Eingang zur Küche. Aus dem Dachzimmer meiner Schwester dröhnte Musik. Wie immer von ihrem Lieblingssänger.

»Wann kommt Papa?«, fragte ich Mama, die das Abendessen richtete. »Er hat versprochen, mit mir am Raumschiffmodell weiterzubauen, aber jetzt kommt er schon wieder so spät.«

»Er hat im Moment viel zu tun, Felix«, erklärte Mama, während sie die Frischhalteboxen aus dem Kühlschrank nahm. »Das weißt du.«

»Ja, trotzdem … Ich muss ihn dringend was fragen.«

»Geht es um diesen Wettbewerb?«

Ich antwortete nicht. Dafür knurrte mein Magen, als ich die Wurst roch, die Mama aus der Box holte und auf den Teller legte.

»Felix.« Sie blieb auf dem Weg ins Esszimmer stehen und sah mich an. »Das haben wir doch schon besprochen. Es ist zwar toll, dass ihr bei dem Wettbewerb mitmacht, aber ein neues Fahrrad ist wichtiger als ein eigener Roboter für diese eine Gelegenheit.«

Meine Ohren begannen zu glühen, während Mama im Durchgang zum Wohnzimmer verschwand.

Die Musik von oben wurde kurz lauter. Ich hörte Schritte die Holztreppe heruntertrampeln.

»Außerdem könnt ihr einen von der Schule nehmen«, sagte Mama, als sie zurückkam und den Brotkorb füllte. »Die hat doch Roboter, soviel ich weiß. Oder jemand aus deiner AG hat einen.«

»Na toll. Weißt du, was das bedeutet? Dass wir wieder einen von Angus nehmen. Das ist echt doof. Der hat immer alles! Und immer das Neueste. Ich will auch mal was mitbringen.«

Meine drei Jahre ältere Schwester Loui, die eigentlich Louisa hieß, kam in die Küche und schob mich einfach zur Seite.

»Hast du diesem Idioten noch immer keins auf die Nase gegeben? Also, ich hätte ihm ja schon längst mal gezeigt, wo sein Platz is’.« Sie deutete einen ihrer Schläge vom Kickboxen an.

»Ha-ha«, erwiderte ich gedehnt und verschränkte die Arme. »Du hast gut reden. Du kennst Angus nicht.«

»Na und? Brauch ich auch nich’. Der würd sich bei mir nur einmal trauen. Da kannste sicher sein.« Sie nahm einen ihrer knallbunten Sportdrinks aus dem Kühlschrank, trank direkt aus der Flasche und stellte sie zurück. »Du bist einfach viel zu nett. Lässt alles mit dir machen. So’n typischer Schwachmat. Kein Wunder, dass der dich ständig ärgert!«

Ich seufzte laut. Immer hatte sie was an mir auszusetzen. Mal waren die Klamotten zu uncool, mal trieb ich aus ihrer Sicht zu wenig Sport oder trug die Haare zu lang. Immerhin hatte ich welche. Ihre hatte sie bis auf einen schwarzen Seitenscheitel kurz geschoren.

»Du nervst. Echt!« Ich stellte mich zurück an die Küchentür. »Denkst du, deine Trainingsklamotten machen dich stark?«

»Hört auf ihr beiden! Helft mir lieber, wenn ihr schon hier seid«, forderte Mama uns auf, die Schälchen mit sauren Gurken und geschnittener Paprika in den Händen. »Aber vorher machst du die Musik aus, Loui. Los! Die muss nicht in deinem Zimmer dröhnen, wenn du hier unten bist. Das gleiche gilt für das Licht.«

Loui rollte mit den Augen.

Meistens war sie ja ganz okay. Aber an manchen Tagen würde ich sie am liebsten auf den Mond schießen. Oder in eine Ratte verwandeln. Oder in irgendetwas ganz Kleines. Das könnte ich dann in ein Glas sperren und in den Keller stellen. Dann hätte ich meine Ruhe.

Aber ich besaß kein Raumschiff. Ich war auch kein Schüler an einer Zauberschule. Ich ging auf eine ganz normale Schule. Und seit letztem Herbst in die fünfte Klasse, die 5A.

»Loui, was soll die Frage?«, hörte ich Mama sagen. »Du hast erst vor Kurzem neue Fußballschuhe bekommen. Die waren teuer. Und du hast sie dir selbst ausgesucht. Es gibt sicher keine neuen, nur weil ihr dieses Turnier habt oder dir auf einmal die Farbe nicht mehr gefällt. Oder was auch immer.« Ihr Blick ließ keine Einwände zu. »Geht jetzt bitte eure Hände waschen. Wir essen gleich.«

Ich grinste. Loui bekam also auch nicht immer alles, was sie wollte. Zumindest nicht von Mama.

An der Haustür hörte ich Geräusche. Das musste Papa sein. Endlich!

»Glotz nich’ so doof«, motzte mich Loui an und hob ihre Hand. Aber ich duckte mich schnell weg, sprang die drei Stufen zum Eingang hinunter und öffnete.

Papa balancierte einen großen Karton auf seinem Arm, der ihm vor Schreck fast herunterfiel. »Oh! Hallo Felix. Danke, dass du aufmachst.«

»Soll ich helfen? Sind das wieder Sachen von euren Events?«

Papa arbeitete seit einigen Jahren in einer Marketing-Agentur. Er betreute Kunden, die die ganz großen Veranstaltungen durchführten. Und manchmal brachte er Dinge mit, die übrig blieben.

»Nein, nein. Danke, Felix. Es geht schon«, antwortete Papa und trug den Karton ins Wohnzimmer. Dort stellte er ihn mit einem Ächzer auf dem Sofa ab.

»Hallo Paps.« Loui stand plötzlich neben mir. Sie hatte tatsächlich die Musik ausgemacht. »Is’ das für mich?«

»Für euch beide«, sagte Papa. Er umarmte uns zur Begrüßung. »Und nein, Felix. Es sind keine Werbe- oder Fanartikel.«

»Und was ist da drin?«, fragte ich. Vor Aufregung kribbelten mir die Beine, und ich musste einfach hüpfen. Nur, um irgendetwas zu machen.

»Geduld, Geduld.« Papa zog sich das Jackett aus. »Lasst uns erst essen. Ich habe einen Bärenhunger. Es hat leider länger gedauert, als gedacht. Entschuldige, Schatz.« Er begrüßte Mama mit einem Kuss. »In der Agentur ist im Moment der Teufel los. Wir mussten die Planung für die nächsten Wochen noch mal über den Haufen werfen. Echt ärgerlich.« Er legte das Jackett über die Sofalehne. »Ich bin gleich bei euch.«

Mama nickte, während wir uns schon mal an den Tisch setzten.

Obwohl ich Hunger hatte, bekam ich vom Abendbrot nur wenig runter. Selbst das Lyonerbrot schmeckte fad. Auch Loui rutschte nervös hin und her. Und die neuen Fußballschuhe waren plötzlich kein Thema mehr.

Dann endlich – mir kam es wie eine Ewigkeit vor – waren auch meine Eltern fertig. Und Papa meinte, dass es jetzt Zeit für das Mitgebrachte wäre.

Schnell standen wir neben der großen Kiste.

»Sooo«, versuchte Papa es unnötig spannend zu machen. »Zunächst zu dir, Loui.« Er sah sie an, ohne den Karton zu öffnen.

»Ja? Ach, nun mach schon, Paps.«

»Na gut.« Er räusperte sich. »Ich bin dir doch noch dein Geburtstagsgeschenk schuldig, nicht wahr?«

»Ja, klar. Das bist du.«

»Gut. Also, jetzt ist es so weit.« Papa grinste, dann öffnete er umständlich den Karton. Aber nur ein bisschen, sodass seine Hände und Unterarme darin verschwanden. Was sich darin befand, konnte ich nicht erkennen.

»Trommelwirbel«, rief er und machte Trommelgeräusche nach, gefolgt von einem ziemlich schrägen Fanfarenklang.

»Mensch, Paps! Ich bin kein kleines Kind mehr. Du musst nich’ so komisch tun«, erklärte Loui.

Wie gut, dass kein Freund von mir da war und das mitbekam. Papa konnte manchmal echt peinlich sein.

»Ja, ja, ich weiß«, sagte er. »Du bist inzwischen ein großes Mädchen. Ein Mädchen, das sich sehr für Fußball interessiert, wenn ich mich nicht irre. Nicht wahr?«

Loui kaute auf ihrer Unterlippe herum.

»Tataaa«, rief Papa und holte mit Schwung einen Ball aus dem Karton. Er präsentierte ihr einen bunt und weiß gemusterten Fußball mit allerlei schwarzen Kritzeleien drauf. »Das nachträgliche Geburtstagsgeschenk für das große Mädchen, das Fußball so sehr liebt: Ein Ball der letzten WM mit den Unterschriften unserer Nationalmannschaft.«

»Was?« Loui nahm den Ball und starrte ihn an. Und es dauerte wirklich lange, bis sie kapierte, was sie da in den Händen hielt.

Dann kreischte sie los, hüpfte und schrie gefühlt hundertmal ›Ja, Ja, Ja‹ und ›O mein Gott‹. Auf einmal wirkte sie gar nicht mehr wie eine große Schwester. Und sie heulte auch prompt los.

»Ich fass es nich’! Mama, hast du gesehen?« Mama kam zu uns. »Unsere Nationalelf! Alle drauf!« Und wieder ging das Gekreische und Rumgehüpfe los, bis sie auf einmal stoppte und erklärte: »Das muss ich Emma erzählen.« Und schon rannte sie mit ihrem Ball aus dem Wohnzimmer und trampelte die Holztreppe rauf.

»Aber nicht wieder die halbe Nacht lang«, rief ihr Mama hinterher. »Du hast morgen früh zur ersten Stunde Schule.«

So, wie ich Loui kannte, war ihr das ziemlich egal.

Papa freute sich. Das sah ich. »Wie schön, wie schön«, sagte er zufrieden und strahlte Mama an. »Siehst du? Ich wusste, dass es das Richtige für sie ist. Und du meintest, das sei nur wieder so ein Ball mehr.«

»Ehrlich gesagt, habe ich nicht daran geglaubt, dass deine Idee funktioniert und du den Ball mit den Unterschriften tatsächlich bekommst.« Sie ging zurück zum Tisch, um fertig abzuräumen.

»Na, hör mal«, protestierte Papa. »Wozu arbeite ich denn in dieser Agentur? Hm? Das mit dem Wincent-Weiss-Konzert letzten Herbst hat doch auch super geklappt. Ganz vorn sogar. Ein echtes Erlebnis für sie. Einschließlich Feuerwerk zum Abschluss-Song und Autogrammstunde.«

»Ist da noch mehr drin?« Ich räusperte mich und schluckte den bitteren Kloß im Hals runter. Sie hatte ein Autogramm mit Widmung bekommen. Das hing neben dem lebensgroßen Porträt, Plakaten und Fotos in ihrem Zimmer. Scheinbar waren Konzertkarten und Autogrammstunden für Loui einfacher zu organisieren als mal ein Besuch von Filmpremieren für mich. Obwohl Papas Agentur auch solche Events veranstaltete.

»Ja, natürlich.« Er zwinkerte mir zu. »Für dich habe ich auch etwas in meiner Zauberkiste.«

»Zauberkiste?«

»Ach, vergiss es«, sagte er. »Hier, der ist für dich, mein Kleiner.« Er klappte den Karton auf und schob ihn mir hin.

Ich bog die Deckel nach unten, damit sie offenblieben, und sah hinein. Im Karton saß eine Figur aus Metall. Auf den ersten Blick erkannte ich dunkle Schmierer auf den hellen Oberflächen.

»Ein Roboter?«

»Jaaa«, sagte Papa und strahlte übertrieben. »Als ich den hier gesehen habe, dachte ich sofort: Der ist für Felix. Du hast doch von dem Wettbewerb erzählt, diesem Roboter-Dingsda. Und dass du da mit einem eigenen Roboter mitmachen möchtest. Vielleicht tut es ja der hier.«

»Echt?« Ich schaute wieder in die Kiste.

»Nun ja«, erklärte Papa weiter, »der ist zwar nicht goldfarben und auch nicht so glatt und supermodern, wie die in deinen Filmen. Aber er ist sicher etwas Besonderes. So, wie deine Begeisterung für Technik etwas Besonderes ist.«

Ich holte den matt schimmernden Kerl aus dem Karton. Für seine Größe war er überraschend schwer. Während Papa die Kiste nahm, wollte ich ihn auf dem Sofa absetzen.

»Leg ihn lieber auf den Boden oder setze ihn hin«, sagte Papa.

Ich setzte den Roboter auf den Teppich. Auf dem großen Quadrat wirkte er fremd und verloren.

Der Roboter hatte einen eckigen Kopf und einen rechteckigen Körper. Seine Augen waren ungleich. Um das eine hatte er einen Metallring mit Nieten und darüber einen gebogenen Draht. Das andere Auge bestand nur aus einem kleinen Punkt. Der Hals ähnelte mit seinen Falten einem eckigen Staubsaugerschlauch.

Vorn am Körper erkannte ich winzige Lämpchen. Allerdings leuchteten sie nicht. Über seine Oberflächen zogen sich feine Linien, die Rechtecke und Quadrate bildeten.

Im Vergleich zum Rest wirkten die Arme und Beine dünn, aber sie ließen sich bewegen. Dabei surrten sie im Innern leise. An einer Hand hatte er drei, an der anderen vier Finger. Auch die Füße unterschieden sich.

Der Roboter wirkte irgendwie zusammengesetzt und unfertig. Wie aus einem von Papas alten Science-Fiction-Filmen.

»Ist der nicht cool?«, fragte Papa. »Also mir gefällt er.«

»Ja«, sagte ich leise. Ich sah schon Angus vor mir, wie er sich über den Roboter lustig machte.

»Und wie geht er an? Ich sehe keinen Knopf zum Anschalten.«

»Ähm.« Papa beugte sich über den Roboter, der mir gerade mal bis zum Knie reichte. »Keine Ahnung.«

»Schau doch in der Anleitung nach. Dort steht so was.«

»Anleitung? Ich habe keine Anleitung.«

»Und wie soll ich ihn dann für den Wettbewerb programmieren oder steuern können?«

»Nun ja.« Er wich meinem Blick aus.

»Papa, woher hast du den Roboter?«

Er schwieg einen Moment. »Von Michael«, gab er dann zu, »meinem Freund und Kollege aus der Agentur. Er rief mich vorletzte Woche an, dass er noch einen Roboter hat, den er nicht mehr braucht, aber auch nicht wegwerfen wollte. Er hat ihn von einer Reise durch Skandinavien mitgebracht. Viel mehr hat er nicht erzählt. Er wusste von mir, wie gern du tüftelst und technische Sachen magst. Und wie toll du reparieren kannst. Das hat er sich gemerkt. Und du hast ja von dem Wettbewerb erzählt. Also habe ich ihm den Roboter abgekauft.«

Ich sah ihn an. »Das ist okay«, beruhigte ich ihn ‒ und mich. Denn es versetzte mir einen Stich, dass er sich für Louis Geschenk mehr ins Zeug gelegt hatte. Wie immer.

»Ich kann Michael ja fragen, ob er die Anleitung noch hat«, sagte Papa. »Mich würde sowieso interessieren, von welchem Hersteller der ist. So einen habe ich noch nie gesehen. Auf dem Roboter steht nichts drauf.«

Ich nickte nur.

»Was ist das denn?« Mama kam wieder ins Wohnzimmer und nahm Papas Jackett vom Sofa. »Bist du verrückt, Tom? Was soll Felix mit diesem ollen Ding anfangen? Ist das deine geniale Lösung, von der du gesprochen hast?«

»Ja, natürlich«, antwortete Papa gereizt.

»Das ist ein Roboter«, erklärte ich schnell. »Kein olles Ding. Den hat Papa mir für den Wettbewerb geschenkt. Wir müssen nur noch gucken, wie er angeht.« Und plötzlich gefiel mir der Gedanke. »Papa, das bekommen wir doch hin, oder? Stell dir vor, das klappt und er funktioniert!« Vor Aufregung hüpfte ich von einem Bein auf das andere. »Dann kann meine Klasse mit meinem Roboter teilnehmen. Das wär doch toll, oder?«

»Ja, ja. Das wäre toll, Felix. So ist es geplant. Aber noch läuft er nicht.« Papa strich sein Haar zurück. »Früher konnte er laufen und leuchten und noch ein paar andere Dinge, wie Michael erzählt hat. Aber das ist lange her.«

Ich blieb stehen. »Och, menno.« Frustriert trat ich gegen den Karton.

Papa legte eine Hand auf meinen Arm. »Aber wir versuchen es, okay? Vielleicht sind auch nur die Energiezellen leer.«

Mama schüttelte den Kopf. »Ich hab mir wirklich etwas anderes vorgestellt, als du von einem Roboter für Felix gesprochen hast, Tom. Irgendeins von diesen neueren Modellen, die es inzwischen gibt. Der da sieht nicht so aus, als ob man damit überhaupt irgendetwas gewinnen könnte. Ehrlich. Aber gut. Versucht es. Nur nicht mehr heute Abend. Und so schmutzig, wie der ist, kommt er nicht in dein Zimmer, Felix. Also: Macht ihn entweder turboschnell sauber oder er bleibt hier unten. Und macht voran. Es ist spät.« Sie ging in den Flur und hängte das Jackett an den Haken.

Ich blickte zu Papa, aber der nickte nur. So, wie Mama das gesagt und uns angesehen hatte, gab es keine Widerrede. Sonst würde der Roboter wahrscheinlich sofort im Müll landen.

Und das wollte ich nicht.

 

#Träume

Ich trug den Roboter runter in den Hobbyraum, wo Opas alte Werkbank stand. Schnell räumte ich das angefangene Raumschiffmodell zur Seite und die rumliegenden Teile zusammen. Papa half mir dabei, den Roboter zu säubern und mit Öl einzureiben. Danach schleppte ich ihn in mein Zimmer, legte ein paar Blätter von meinem Schmierpapier mit alten Kritzeleien auf den Boden, setzte ihn darauf und lehnte ihn an die Wand. So konnte ich ihn vom Bett aus sehen.

Als ich mich fertig gemacht hatte, wünschte ich Mama und Papa eine gute Nacht. Dann kletterte ich hoch in mein Bett.

Der Roboter saß reglos da und starrte mit seinen schwarzen Lampenaugen geradeaus. Nach der Putzerei wirkte er viel neuer. Und irgendwie gefiel er mir. Ich musste ihn auf jeden Fall anbekommen!

Nur wie?

Beim Saubermachen hatte ich noch einmal nach einem Knopf zum Anschalten gesucht, aber keinen gefunden. Auch kein Fach für Energiezellen. Also musste es anders gehen. Aber auf diesen Freund von Papa wollte ich nicht warten. Das dauerte viel zu lange. Wenn es überhaupt etwas brachte.

Ich knipste die Leselampe aus.

Hoffentlich brauchte ich keine Fernbedienung. Dann hatte ich keine Chance. Aber vielleicht konnte ich den Roboter mit einem Startbefehl aktivieren? Ein besonderes Wort, das ich nur laut zu sagen brauchte?

Ich überlegte, aber mir fielen keine Befehle ein, die passen könnten. Ein Wort aus meinen Büchern und Filmen konnte es nicht sein. Denn das waren ja nur Geschichten.

Ich drehte mich zur Wand. Was wäre, wenn sich der Roboter tatsächlich anschalten ließ? Oder war er nur ein Spielzeug, das ich nicht programmieren konnte? Dann taugte er nicht für den Wettbewerb.

Aber vielleicht steckte ja doch mehr in ihm. Vielleicht war er sogar ein echter Roboter? Der Gedanke gefiel mir. Das wäre echt krass.

Doch konnte das sein, ohne dass Papa davon wusste?

Mir wurde warm. Ich schlug die Decke zurück und drehte mich wieder zum Roboter.

Wir würden zusammen spielen und viel Spaß haben. Und er könnte mir bei den Hausaufgaben helfen – bestimmt war er schlau. Wie die Droiden in meinen Filmen.

Ich stellte mir vor, wie ich ihm Kunststücke beibrachte. Und das Aufräumen. Wie ich ihn mit in die Schule nahm, den Wettbewerb gewann und wie stolz mich Papa bei der Preisverleihung anstrahlen würde.

Und wie wir Loui ärgerten. Ich lachte leise und setzte mich auf.

Das Licht der Straßenlaterne schien durch die Rollladenritzen von Fenster und Balkontür. Schräge Flecken sprenkelten die Wand mit den Filmplakaten und meinen Zeichnungen.

Ich sah es schon vor mir: Alle bewundern mich für meinen tollen Roboter. Sie sind begeistert und wollen nur noch mit uns spielen, während Angus ziemlich doof daneben steht.

Ich grinste. Das war ein tolles Gefühl.

Während ich zum Roboter sah, entdeckte ich hinter der Schulter ein schwaches grünliches Schimmern. Das Leuchten war an der Wand erkennbar, verblasste wieder, schimmerte erneut auf und verschwand.

Ich schaltete die Lampe an. Der Roboter saß reglos da und starrte vor sich hin. Kein grünes Licht. Also schaltete ich die Lampe wieder aus. Nach einer Weile erkannte ich das schwache Pulsieren erneut.

Mein Herz überschlug sich. Der Roboter war an! Wie hatten Papa und ich das übersehen können? Schnell kletterte ich die Leiter runter, wobei ich darauf achten musste, nicht auf die kleinen Bausteine zu treten. Sie lagen noch immer verteilt auf dem Boden, nachdem mir das eine Raumschiff runtergefallen war. Ich holte eine Taschenlampe aus der Schublade und kniete mich vor den Roboter hin. Das Schimmern war kaum zu erkennen. Aber es war da und kam immer wieder zurück.

Ich atmete tief durch. Dann nahm ich ihn und drehte ihn mit dem Rücken zu mir. Ich beugte mich vor, wartete und sah genauer hin. Deutlich roch ich das Metall und Öl vom Saubermachen.

Endlich entdeckte ich rechts oben die winzige Öffnung, aus der das Leuchten kam. Ich schaltete die Taschenlampe an. In ihrem Licht erkannte ich zwei kleine Löcher, direkt untereinander, versteckt in einer dünnen Kerbe. Ich hatte sie für eine Macke gehalten. Das untere Löchlein blieb dunkel.

Ob das der Knopf zum Aktivieren war? So wie der Reset-Knopf an Papas altem Computer?

Ich stand auf und durchwühlte im Licht der Taschenlampe die Alles-Box auf meinem Schreibtisch. Zwischen Stiften, Scheren und anderem Zeugs fand ich eine Büroklammer.

»Mal sehen, ob ich dich damit ankriege«, murmelte ich, während ich mich wieder vor den Roboter hinkniete.

Ich legte die Taschenlampe so auf den Boden, dass ich gut sah. Dann bog ich das eine Ende der Büroklammer gerade.

Meine Hand zitterte, als ich versuchte, den Draht in das winzige Loch zu stecken.

Es klappte nicht.

Tief atmete ich durch, hielt den Roboter mit der anderen Hand fest und probierte es erneut.

Diesmal traf ich.

Vorsichtig schob ich den Draht hinein. Immer weiter, bis ich einen leichten Widerstand spürte.

Sollte ich wirklich drücken?

Einen Roboter als Freund – das wäre echt cool. Für den Wettbewerb konnte mir nichts Besseres passieren als ein echter Roboter.

Ich drückte fester. Es klickte leise.

Schnell ließ ich den Roboter los und rutschte von ihm weg. Ich hielt den Atem an und wagte nicht, mich zu bewegen.

Es geschah ‒ nichts. Kein Piepsen. Auch kein Aufleuchten am Körper oder ein leises Summen, wie beim startenden Laptop. Und so lange ich auch wartete: Der Roboter blieb so leblos wie bisher.

Nur das grünliche Schimmern war verschwunden.

Echt toll, dachte ich. Jetzt hatte ich ihn ausgeschaltet!

Ich warf die Büroklammer in Richtung Tisch, haute gegen den Roboter, dass er an die Wand kippte, schaltete die Taschenlampe aus und kletterte zurück ins Bett.

Dort drückte ich das Gesicht ins Kopfkissen und schrie meinen Frust raus. Dann packte ich eines der anderen Kissen und schmiss es gegen den Schrank, an dem es dumpf stoppte und auf den Boden fiel.

Das war echt gemein!

Mit dem Handrücken wischte ich mir über die Augen und sah noch einmal zu dem kleinen Kerl. Er saß reglos da und blickte geradeaus.

Da kam mir die Idee: Wenn ich ihn ausgeschaltet hatte, konnte ich ihn doch auch wieder anschalten!

Wieder stieg ich die Leiter hinunter, suchte im Licht der Taschenlampe eine andere Büroklammer und versuchte es erneut. Es klickte leise.

Ich wartete.

Nichts geschah.

Ich versuchte es wieder und wieder. Jedes Mal, wenn ich den Draht der Büroklammer hinein drückte, klickte es. Aber ansonsten tat sich nichts.

Das durfte echt nicht wahr sein! Wie oft hatte ich geklickt?

Hatte ich ihn nun an- oder ausgeschaltet?

Ich knallte die Taschenlampe auf den Boden, sprang auf und stieg die Leiter hoch zurück ins Bett. Dort vergrub ich mich unter der Decke.

Es wäre ja zu schön gewesen.

 

 

#Spielzeug

Mein Papa kam mehrmals ins Zimmer, um mich zu wecken. Aber ich ignorierte ihn. Schließlich öffnete er die Balkontür und zog den Rollladen hoch. Von der Sonne geblendet, schloss ich wieder die Augen, hörte was von ›Frühstücken‹ und ›Zeit‹, blieb jedoch lieber liegen.

Plötzlich zog mir Papa die Decke runter.

»Los jetzt! Aufstehen, junger Mann!«, sagte er streng. »Auch wenn du später Schule hast, wäre es schön, wenn wir zusammen frühstücken.« Er drehte sich um und ging aus dem Zimmer.

Ich setzte mich auf und blinzelte. Im Traum hatten mich riesige Roboter gejagt, die durch die Schule gestapft waren und mich und meinen kleinen Roboterfreund verfolgt hatten.

Doch der Traum löste sich auf, bevor ich mich genauer erinnern konnte. Er hinterließ nur einen komischen Geschmack im Mund. Das Shirt klebte mir am Körper und ich hatte Durst.

Langsam kroch ich zur Leiter. Ohne eigenen Roboter konnte der Tag nur blöd werden. Und die Schule ganz besonders.

»Guten Morgen«, sagte ich zu dem kleinen Kerl, der noch immer an der Wand lehnte. »Gut geschlafen?« Er war zwar nicht lebendig, aber ich konnte ja so spielen, als wäre er es.

»Guten Morgen«, antwortete eine blecherne Stimme.

Vor Schreck rutschte ich auf den Sprossen aus, sauste nach unten, trat auf die kleinen Bausteine am Boden und plumpste auf den Teppich.

Ich starrte zum Roboter, rieb meinen Fuß und blinzelte gegen den Schmerz an.

Der Kerl saß genauso da wie am Abend vorher.

Ich musste träumen.

Langsam stand ich auf und humpelte ins Bad.

Als ich zurückkam, stand der kleine Roboter mitten im Zimmer. Die Augen leuchteten schwach und die Lämpchen an seinem Körper flackerten rot.

Er schwankte ein bisschen.

Ich starrte ihn an.

Das war kein Traum.

»Papaaa!«, schrie ich, knallte die Tür hinter mir zu und rannte runter in die Küche. »Papa, Mama, mein Roboter ist lebendig geworden!«

Aber hier war niemand. Sie saßen schon alle um die Ecke beim Frühstücken.

»Ja, sicher«, erwiderte Loui und verdrehte die Augen. »Mein Roboter ist lebendig geworden, mein Roboter ist lebendig geworden«, äffte sie mich nach.

»Aber es ist wahr! Er stand eben vor mir.«

»Und wo stand er eben vor dir?« Papa hörte wenigstens auf, das Brot mit Orangenmarmelade vollzukleistern.

»Na, in meinem Zimmer. Schnell! Ihr müsst mitkommen. Nun macht schon!«

»Du hörst erst einmal auf zu hüpfen«, sagte Mama streng.

»Och, Mama. Das ist viel zu aufregend. Oder?«

»Nööö«, tönte Loui, die sich den Sportteil der Zeitung schnappte und ihre Nase reinsteckte.

»Nun kommt endlich! Na los! Papa, Mama! Bitte!«

»Das hast du dir eingebrockt«, sagte Mama und stand auf, um sich einen zweiten Kaffee zu holen. Sie trank morgens immer zwei Tassen Kaffee. Keine drei und keine weniger. Nicht einmal im Urlaub machte sie das anders.

»Dann du, Papa«, drängte ich und zog ihn am Arm. »Nun mach schon! Bitte.«

»Ja, ja, ich komme.« Papa biss noch mal ab, bevor er aufstand. Ich rannte los und stürmte die Treppe rauf.

»Du wirst staunen«, erklärte ich. Papa kam viel zu langsam hinterher. »Ich kam aus dem Bad und wollte mich anziehen. Da stand er plötzlich vor mir. Echt. Einfach so.«

»Einfach so?« Papa sah mich skeptisch an. Ich kannte den Blick.

»Du glaubst mir nicht? Dann schau mal hier. Geh vor«, sagte ich und öffnete die Tür.

Papa ging ins Zimmer. Dort blieb er stehen und stemmte die Hände in die Hüften.

»Felix Renner, dafür habe ich nun wirklich keine Zeit und Nerven so früh am Morgen«, hörte ich ihn sagen.

»Was?« Ich folgte ihm und erkannte sofort, was er meinte. Da stand kein Roboter. Er saß auch nicht an der Wand.

»Aber, ich habe —«

»Felix« Er fasste meine Schultern, ging in die Hocke und sah mich an. »Ich kann verstehen, dass du dir wünschst, dass er ein echter Roboter ist. Davon habe ich als Kind auch immer geträumt. Aber«, Papa machte eine kleine Pause und sah mich eindringlich an, »das ist ein Spielzeug. Nicht mehr. Das kann nicht einfach lebendig werden.«

Mir schossen Tränen in die Augen.

»Du glaubst mir nicht?«

»Siehst du hier irgendwo einen Roboter?«, fragte er ruhig.

»Aber das ist es doch!« Meine Stimme überschlug sich. »Gestern Abend saß er da an der Wand. Heute Morgen auch. Und dann, dann stand er plötzlich vor mir. Genau hier. Jetzt ist er weg. Aber vorhin hat er wirklich hier gestanden. Er hat mir sogar geantwortet. Echt. Und ich hab mir wehgetan, und ... und ...«

Papa nahm mich in die Arme und drückte mich einen Moment. Dann ließ er los, strich mir die Haare aus dem Gesicht und lächelte.

»Mann, wie kann man nur so’n Theater wegen ’nem blöden Blechmann machen?«, hörte ich Loui sagen. Sie stand an meiner Zimmertür. »Bist du dafür inzwischen nich’ zu alt?«

»Hör auf, Loui. Mach dich lieber auf den Weg«, sagte Papa streng. »Dein Bus fährt gleich.«

»Da ist Fußball doch tausendmal besser und realer«, ergänzte sie, natürlich so, dass ich es hörte.

Ich schnappte einen der Jonglierbälle, die auf dem Boden lagen, und warf ihn nach ihr. »Verschwinde!«, schrie ich. Doch sie war schneller und zog die Tür zu. Der Ball prallte ab und landete in einer Kiste, aus der er bunte Spielsteine schleuderte.

»Felix! Hör auf!« Papa packte meine Hände.

»Sie war es«, schimpfte ich. »Ganz bestimmt. Sie hat ihn versteckt, um mich zu ärgern.«

»Felix!« Papa sah mich streng an. »Loui saß mit uns die ganze Zeit beim Frühstück. Sie kann es nicht getan haben. Was auch immer sie getan haben soll.«

»Ach menno.« Ich legte den Kopf auf seine Schulter und hielt mich an ihm fest. Am liebsten hätte ich nie mehr losgelassen.

Aber Papa löste meine Umarmung.

»Komm, Felix. Es wird Zeit. Zumindest für mich.« Er sah auf seine Uhr am Handgelenk. »Himmel, ich muss wirklich los.« Schnell stand er auf. »Dein Frühstück wartet. Zieh dich an und komm.« Er wuschelte mir durchs Haar. »Und hab einen schönen Tag.«

Er öffnete die Tür und ging aus dem Zimmer.

»Tschüss, Papa«, sagte ich, aber er hörte mich schon nicht mehr. Kurz darauf fiel die Haustür ins Schloss.

Da kam Loui die Treppe runtergetrampelt, eilte kopfschüttelnd an meinem Zimmer vorbei, polterte weiter und knallte die Eingangstür hinter sich zu.

Einen Moment lang war es vollkommen still im Haus.

Dann klingelte das Telefon. Ich hörte, wie Mama sich unten in der Diele meldete und dann aus dem Flur ging.

Mit ausgestrecktem Arm gab ich meiner Zimmertür einen Stoß. Sie schwang langsam zu und sperrte das Gemurmel aus.

Was für ein doofer Tag!

Als es hinter mir klapperte, zuckte ich zusammen und sah mich um. Der Roboter lag direkt vor meiner Balkontür auf dem Teppichboden, einen Fuß noch auf der Schwelle.

Er stemmte sich erst auf seine Hände, zog nacheinander die Knie an und richtete sich schließlich auf, bis er stand.

Er blickte mich an.

Die Augen des Roboters schimmerten heller. Auch die winzigen Lämpchen vorn am Körper leuchteten grün. Unter der Nase erschien ein dunkler Strich auf dem Metall, der sich an den Enden nach oben zog. Es sah aus, als lächelte er.

»Ähm, hallo«, sagte ich und ging langsam auf den Roboter zu. Seine Augen folgten meinen Bewegungen.

»Du tust mir doch nichts, oder?« Ich ging noch ein Stück näher und kniete mich hin. Mir schlug das Herz bis zum Hals. Jetzt würde es sich zeigen, ob er ein Spielzeug war.

Der Roboter kam näher. Er neigte leicht den Kopf, so wie ein Hund, um besser zu hören. Aus dieser Entfernung erkannte ich, dass sich der Mund aus vielen winzigen Pixeln zusammensetzte.

Ich hob eine Hand und winkte.

 

 

#SH-86/18 beta

Ich wartete kurz und winkte noch einmal.

Da hob auch der Roboter eine Hand und machte es nach. Leise hörte ich Motoren surren.

»Hallo«, wiederholte er mit einer leicht metallischen Stimme. Sie klang, als würde er durch ein langes Rohr sprechen. »Und guten Morgen.«

Ich erkannte sie wieder.

»Ich wusste es! Ich habe doch nicht geträumt! Das warst du heute Morgen. Kannst du ... sprechen?«

»Natürlich kann ich sprechen. Wiiieso auch nicht? Du sprichst doch auch«, plapperte er los. Sein Strichmund bewegte sich dabei wie bei einer Trickfilmfigur.

Überrascht starrte ich ihn an.

»Ich bin SH 86 Strich 18 beta«, erklärte er. »Und wiiie heißt du?«

»Felix. Felix Renner«, antwortete ich automatisch und streckte ihm die Hand hin.

Der Roboter betrachtete sie. »Korrekt. Menschen geben sich zur Begrüßung diiie Hand.« Er ergriff sie. Seine Metallhand war kalt und hart. Zum Glück drückte er nicht fest zu.

»Guten Tag, Felix Renner«, sagte er monoton. »Schön, dich kennenzulernen.«

»Unglaublich«, flüsterte ich. Wie konnte ich so viel Glück haben? Das war definitiv kein Spielzeug. In meinem Kopf purzelten viele Bilder durcheinander, was ich mit diesem Roboter alles machen könnte. »Einfach faszinierend.«

»Ja, ich finde euch auch fasziniiierend«, erklärte der Roboter. Er ließ meine Hand los, drehte erst den Kopf, dann seinen Körper, stapfte los und erkundete mein Zimmer.

Er blieb vor meinen Zeichnungen von Raumschiffen und verschiedenen Superhelden stehen und betrachtete sie.

»Wo bin ich hiiier?«

»Du bist bei mir zu Hause. Kirschbaumweg 17. In meinem Zimmer. Ähm, auf der Erde.«

»Ich weiß, dass ich auf der Erde bin. Meine Speicher funktioniiieren.«

Er stellte sich vor die Filmplakate.

Ich platzte beinahe vor Aufregung und wischte meine Hände an der Schlafhose ab. »Sag mal, SH 86 Strich 8 b, wieso —«

»SH 86 Strich 18 beta«, verbesserte mich der kleine Kerl und drehte sich zu mir um.

»Oh, ’Tschuldigung, SH 86 Strich 18 beta. Ich ... Darf ich was fragen? Wieso kannst du sprechen? Woher kommst du? Und warum hast du dich versteckt, als mein Papa im Zimmer war? Das war echt gemein. Er glaubt mir nicht, dass du geantwortet hast.«

Er sah mich reglos an.

»Verstehst du mich?«

»Ich verstehe dich. Aber du stellst ziiiemlich viiiele Fragen auf einmal.«

Das Blut schoss mir in den Kopf und meine Ohren wurden heiß.

Der Roboter zeigte ein breites Grinsen. »Diiiese Farbe in deinem Gesicht passt besser. Du warst sehr blass.«

»Bist du darauf programmiert, andere zu ärgern?« Ich verschränkte die Arme. So hatte ich mir das mit ihm nicht vorgestellt.

»Nein, bin ich nicht.« Der Roboter sah sich noch einmal im Zimmer um. »Zu deinen Fragen: Ich komme von einem anderen Planeten und lebe seit exakt zweiundviiierzig Jahren, zwei Monaten, drei Tagen, achtundzwanzig Minuten und neun Sekunden auf der Erde, wiiie iiihr eure Heimat nennt.

---ENDE DER LESEPROBE---