Mein Herz friert in deinem Schloß - Margot Daniger - E-Book

Mein Herz friert in deinem Schloß E-Book

Margot Daniger

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Beschreibung

In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkinder" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Ihre Lebensschicksale gehen zu Herzen, ihre erstaunliche Jugend, ihre erste Liebe – ein Leben in Reichtum, in Saus und Braus, aber oft auch in großer, verletzender Einsamkeit. Große Gefühle, zauberhafte Prinzessinnen, edle Prinzen begeistern die Leserinnen dieser einzigartigen Romane und ziehen sie in ihren Bann. Tiefblau glitzert der Vierwaldstätter See im Schein der Sonne. Die Luft ist ein wenig drückend und schwül, doch als Oliver den schnittigen Humber von der Küstenstraße aufwärts lenkt, wird es sofort kühler, und würziger Tannenduft streicht durch die geöffneten Fenster. Mildred, die neben ihrem Gatten sitzt, holt tief Atem und fährt sich mit den zarten, schlanken Fingern über das goldblonde Haar, das weich auf die Schultern fällt. »Das tut gut, Darling. Es war sehr heiß in Luzern. Shopping macht Spaß, kann aber recht anstrengend sein.« Ihre Stimme hat den eigenen, verhüllten Klang, der Sir Oliver Crombie gefangennahm, als er ihn auf der Party im Ballsaal von Claridges vor sieben Jahren hörte, noch bevor die bezaubernde junge Komteß seine Frau wurde. »Morgen wird den ganzen Tag geruht«, sagt Oliver, »hoffentlich hält sich das Wetter. Wir schicken Nanny mit den Kindern ins Schwimmbad, und du bleibst in dem Liegestuhl auf derVeranda.« »Das kann doch nicht dein Ernst sein, Darling. Ich habe Jane und John den ganzen Tag nicht um mich gehabt, da gibt es morgen vieles nachzuholen. Ich weiß, du hast unsere Rangen auch vermißt.« »Ich habe direkt darauf gewartet, das von dir zu hören.« Oliver lacht. »Natürlich haben die Kinder uns beiden gefehlt! Aber es war schön, einmal den ganzen Tag für uns zu haben, nicht wahr, Sunshine?« Sonnenschein – das war sie für ihn! »Die Frage ist unfair«, schmollt die schöne junge Frau, und ihre Augen ruhen in inniger Liebe auf dem markanten Gesicht des Mannes.

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Fürstenkinder – 45 –

Mein Herz friert in deinem Schloß

Für dich bin ich nur ein schönes Bild

Margot Daniger

Tiefblau glitzert der Vierwaldstätter See im Schein der Sonne. Die Luft ist ein wenig drückend und schwül, doch als Oliver den schnittigen Humber von der Küstenstraße aufwärts lenkt, wird es sofort kühler, und würziger Tannenduft streicht durch die geöffneten Fenster.

Mildred, die neben ihrem Gatten sitzt, holt tief Atem und fährt sich mit den zarten, schlanken Fingern über das goldblonde Haar, das weich auf die Schultern fällt.

»Das tut gut, Darling. Es war sehr heiß in Luzern. Shopping macht Spaß, kann aber recht anstrengend sein.«

Ihre Stimme hat den eigenen, verhüllten Klang, der Sir Oliver Crombie gefangennahm, als er ihn auf der Party im Ballsaal von Claridges vor sieben Jahren hörte, noch bevor die bezaubernde junge Komteß seine Frau wurde.

»Morgen wird den ganzen Tag geruht«, sagt Oliver, »hoffentlich hält sich das Wetter.Wir schicken Nanny mit den Kindern ins Schwimmbad, und du bleibst in dem Liegestuhl auf derVeranda.«

»Das kann doch nicht dein Ernst sein, Darling. Ich habe Jane und John den ganzen Tag nicht um mich gehabt, da gibt es morgen vieles nachzuholen. Ich weiß, du hast unsere Rangen auch vermißt.«

»Ich habe direkt darauf gewartet, das von dir zu hören.« Oliver lacht. »Natürlich haben die Kinder uns beiden gefehlt! Aber es war schön, einmal den ganzen Tag für uns zu haben, nicht wahr, Sunshine?«

Sonnenschein – das war sie für ihn!

»Die Frage ist unfair«, schmollt die schöne junge Frau, und ihre Augen ruhen in inniger Liebe auf dem markanten Gesicht des Mannes.

Von den Almwiesen weht der Duft von Gras und Blüten herüber. Das Bergmassiv der Alpen taucht auf.

Bald hat der Wagen die Höhe erreicht, und die ersten Villen des vornehmen Luftkurortes werden sichtbar.

Wenige Minuten später hält der Wagen vor dem Portal des Grandhotels. Oliver springt heraus, bevor derTürsteher, der herbeieilt, ihm behilflich sein kann.

»Schaffen Sie die Pakete nach oben«, sagt er und hilft seiner Frau beim Aussteigen.

Als die beiden die Hotelhalle betreten und auf den Fahrstuhl zugehen, drehen sich viele Gäste nach ihnen um.

Oben im dritten Stock wird das junge Ehepaar von der vierjährigen Jane und dem Zwillingsbruder John mit Freudenrufen empfangen.

Lächelnd läßt Leah Bricks, die schon seit Jahren zu den Angestellten von Schloß Kidderhall gehört und bereits Nanny bei Sir Oliver Crombie und seiner Schwester Doris gewesen ist, ihre Zöglinge gewähren. Sie weiß genau, wann es angebracht ist, ihre Autorität zu behaupten. In den Ferien kann man die Zügel ein wenig lockerer lassen. Wenn es darauf ankommt, gehorchen ihr die Kinder aufs Wort.

»Mami, ich bin heute schneller geschwommen als John. Und dreimal vom Brett gesprungen.«

»Jane kann nicht tauchen. Mädchen haben Angst…«

»Ich habe keine Angst. Morgen wird Mami es selber sehen. Nicht wahr, du kommst morgen ins Schwimmbad? Und Daddy auch.«

»Genug, Kinder!« sagt Nanny. »Sir Oliver, ein Anruf aus London kam vor einer halben Stunde. Mr. Smith, Ihr Sekretär läßt Ihnen sagen, daß eine kleine Änderung in dem Vertrag mit den Schweizer Werken notwendig ist. Sie möchten bitte anrufen.«

»Danke, Bricks.«

Oliver sieht mit glücklichem Lächeln seiner Frau nach, die den Kindern und Nanny folgt, mit den Paketen, die inzwischen abgegeben worden sind. Dann geht er in den kleinen eleganten Wohnraum, der zu der Suite gehört, und läßt eine Verbindung mit seiner Fabrik in London herstellen. Wenige Minuten später ist er mit seinem Sekretär Frank Smith verbunden.

»Hallo, Frank. Was höre ich da? Eine Änderung im Vertrag ist erforderlich? Ein Glück, daß ich mich erst für morgen in Zürich angesagt habe.«

»Nur eine geringfügige Änderung, Sir Oliver. In der fünften Klausel müssen dieWorte ›und zukünftige Lieferungen hinzugefügt werden.«

»Stimmt. Das habe ich auch übersehen. Hoffentlich klappt sonst alles. Ein schöner Exportauftrag wird das, nicht wahr, Frank?«

»Ich drücke die Daumen, Sir Oliver. Wie geht es Lady Mildred und den Kindern? Hier ist es unerträglich heiß.«

»Gott sei Dank haben wir prächtiges Wetter. Aber Ende der Woche kommen wir zurück, hoffentlich wird dann der Vertrag unter Dach und Fach sein. Ist meine Mutter noch in Schottland?«

»Lady Helen dürfte am Donnerstag zurückkommen. Es ist ihr dort wohl ein bißchen zu einsam.«

Oliver lacht kurz auf.

»Natürlich, sie wäre am liebsten in die Schweiz gekommen. Ihr ist nicht wohl, wenn sie die Familie nicht um sich hat. Es kann morgen spät werden, bevor ich Sie anrufe, mein Lieber. Die Verabredung ist für nachmittags um drei festgesetzt, aber ich weiß nicht, wie lange sich die Verhandlungen hinziehen werden. Am besten ist es wohl, wenn Sie mich abends hier anrufen, sagen wir, nach neun. Hoffentlich greife ich damit nicht zu sehr in Ihre Freizeit ein. Sie müssen unbedingt auf Urlaub gehen, wenn ich zurück bin.«

»Machen Sie sich dann keine Sorgen, Sir Oliver. Sie wissen, ich liebe meine Arbeit.«

»Sie sind ein großartiger Sekretär, Frank.Trotzdem sollten Sie sich endlich nach einer Frau umsehen. Selbst wenn der Arbeitseifer darunter leiden sollte… Glauben Sie mir, es gibt nichts Schöneres, als glücklich verheiratet zu sein. Bis morgen dann.«

Oliver legt den Hörer auf. Das fröhliche Lachen der Kinder tönt herüber. Er fühlt sich unbeschwert und zufrieden wie noch nie. Das würde morgen auch klappen. Ein Millionenauftrag für neue Maschinen, die in seinenWerken hergestellt werden und bereits Weltruf genießen.

Es ist nicht leicht, die Konkurrenz aus dem Felde zu schlagen, er hat daher die Verhandlungen selbst übernommen und gleichzeitig einen kurzen Urlaub für sich und seine Familie damit verbunden.

Oliver verehrt seine verwitwete Mutter, aber er weiß, daß es für Mildred nicht immer ganz einfach ist, die energische alte Frau auf Schloß Kidderhall, dem Familienbesitz, um sich zu haben. Überhaupt hängen viele Pflichten damit zusammen, Schloßherrin auf Kidderhall zu sein. Doch Mildred in ihrer sanften, ruhigen Art scheint immer den richtigen Weg zu finden.

Wie glücklich ist er, die junge Komteß zur Lebensgefährtin zu haben. Wenn das Wetter anhielt, wollte er die Kinder noch einen Tag in Nannys Obhut lassen und mit Mildred in die Berge fahren, um zu zweit die Wunder der Gletscherwelt zu genießen.

Oliver pfeift fröhlich, als die Tür des angrenzenden Schlafzimmers sich öffnet und Mildred in hellblauem Spitzennegligé hereinhuscht.

»Darling, müssen wir zum Dinner hinuntergehen?«

Ihre hellen, strahlendblauen Augen sehen ihn halb schelmisch, halb bittend an.

»Natürlich nicht, Sunshine. Ich lasse uns sofort die Speisekarte heraufkommen, und wir machen uns einen gemütlichen Abend. Vielleicht können wir sogar auf der Terrasse speisen. Es ist ein wunderschöner, warmer Abend.«

Er tritt durch die geöffnete Tür auf den großen Balkon. Es ist ein atemberaubender Anblick, der sich bietet. Über das dunkle Grün der Tannen gleitet sein Blick bis hinunter auf den See, der wie ein Aquamarin funkelt. Ein zarter Wind schafft eine leichte weiße Gischtwand um das leuchtende Blau. Villen in jedem Stil stehen an den Hängen. Wie eine Kulisse rahmen Pilatus, Rigi und andere Bergketten den See ein.

Mildred ist neben ihren Mann getreten.

»Ja, es ist wunderschön«, spricht sie das aus, was sie beide empfinden, »und doch, Darling, irgendwie haben die Berge etwas Drohendes – besonders wenn es kein so klarer Tag ist wie heute.«

»Aber Sunshine!« Oliver ist bestürzt von dieser unerwarteten Erklärung. »Ich habe geglaubt, daß du dich hier glücklich fühlst.«

»Sehr glücklich, mein Darling.« Sie lehnt den Kopf an seine Schulter. »Besonders weil ich dich hier mehr für mich habe als zu Hause.Trotzdem freue ich mich auf unser Heim in Surrey, mit den Wiesen und sanften Hügeln, die einem nicht den Atem nehmen. Ein wenig mehr Freiheit dort, aber das wäre zu schön…«

Verwundert hört Oliver diese Worte.

»Ein bißchen mehr Freiheit, meine Süße? Du hast doch alle Freiheit, die du begehrst.«

Mildred unterdrückt einen Seufzer, doch schmiegt sie sich ein wenig fester an den Mann.

»Das war auch nicht so ernst gemeint, Darling. Deine Mutter hat uns nicht geschrieben. Ich glaube, sie wird uns nur schwer verzeihen, daß wir sie nicht nach Schottland begleitet haben. Ich meine, ich und die Kinder. Du hättest auf jeden Fall herreisen müssen.«

»Also das ist es«, meint Oliver. »Ich habe nicht gewußt, daß du Mutters ein wenig dominierende Art so schwernimmst. Ist denn irgend etwas Besonderes vorgefallen? Ich kann dich nicht traurig sehen, mein Sunshine.«

Mildred faßt sich an den Kopf. Es flimmert ihr vor den Augen, eine plötzliche Schwäche überkommt sie.

»Mir ist… nicht gut…«, kann sie noch flüstern, bevor sie ohnmächtig zusammensinkt, zum Glück von Olivers Armen aufgefangen.

Er trägt bestürzt seine besinnungslose Frau in das Zimmer und legt sie behutsam auf das Sofa, das neben dem Schreibtisch steht. Dann greift er nach dem Telefon.

»Bitte sofort einen Arzt zu schicken. Meine Frau ist plötzlich erkrankt. Es ist dringend.«

Sein Herz klopft zum Zerspringen. Was ist denn geschehen? Im ersten Impuls will er Nanny rufen, aber es ist besser, wenn sie bei den Kindern bleibt.

Er kniet neben dem Sofa und legt eine Hand auf die Stirn der geliebten Frau. Es beruhigt ihn ein wenig, daß die Blässe einer zarten Röte gewichen ist. Vielleicht war es der Hummer, den sie mit solcher Freude in dem Kursaalrestaurant gegessen hat. Aber das würde er doch auch spüren?

»Darling…« Kaum hörbar kommen die Worte über ihre Lippen. Jetzt schlägt sie die Augen auf.

»Mildred, Gott sei Dank!«

Es klopft an die Tür.

»Herein!« ruft Oliver, steht auf und geht dem kleinen, älteren Herrn entgegen, der sich als Dr. Stüttli vorstellt.

»Meine Frau ist gerade aus einer kurzen Ohnmacht wieder zu sich gekommen.«

Der Arzt tritt näher.

»Es geht mir schon wieder gut«, murmelt Mildred in fast fehlerlosem Deutsch. »Man hätte Sie nicht herbemühen dürfen, Herr Doktor.«

»Sie können englisch mit mir sprechen, gnädige Frau. Das ist sicher einfacher für Sie und ich frische gern meine Sprachkenntnisse auf. Ich möchte Sie aber jetzt, wo ich nun einmal da bin, doch untersuchen.«

Seine freundliche, bestimmte Art verfehlt ihre Wirkung nicht.

»Geh zu den Kindern und sag Nanny Bescheid«, bittet Mildred, »sie kommen sonst jeden Augenblick herein, um sich den Gutenachtkuß zu holen.«

Als die Tür sich hinter ihrem Mann schließt, wendet sich Mildred mit schwachem Lächeln an den Arzt.

»Ich wollte es meinem Mann noch nicht sagen, weil ich mir nicht ganz sicher war und ich ihm ungestörte Ferien wünschte. Ich glaube, Herr Doktor, daß mein drittes Baby unterwegs ist…«

»Hoppla!« entfährt es Dr. Stüttli. »Das wäre ja ein Krankenbesuch, der keiner ist.«

Dann beginnt er seine Untersuchung. Mildred ist froh, daß Oliver sie mit dem Arzt vorläufig allein läßt. Wahrscheinlich ist es nicht so leicht, die Kinder abzuschütteln. Sie hätte es gar nicht tun sollen, nur den Gutenachtkuß verschieben. Sie fühlte sich schon wieder ganz wohl.

»Ja, gnädige Frau.« Dr. Stüttli richtet sich auf. »Es ist bei dieser oberflächlichen Untersuchung nicht leicht, eine genaue Diagnose zu stellen. Vielleicht würden Sie mich morgen in meiner Klinik aufsuchen?«

»Sie glauben doch auch, daß ich ein Baby erwarte?«

Eine reizende Frau, denkt Dr. Stüttli.Was für strahlendblaue Augen sie hat. Wie unser See im Sonnenlicht.

»Ich zweifle kaum daran, gnädige Frau.«

»Dann, Herr Doktor, nehmen Sie es mir sicher nicht übel, wenn ich morgen nicht zu Ihnen komme. Wir fliegen Ende der Woche sowieso nach England zurück, und da werde ich unseren Arzt gleich aufsuchen. Ich habe nur eine Bitte: Lassen Sie mir die Freude, meinem Mann zu sagen…«

Oliver ist zurückgekehrt.

Dr. Stüttli bittet um Handtuch und Seife und geht in das Badezimmer.

Oliver blickt ihm verärgert nach.

»Sonderbares Verhalten. Anstatt mir erst zu sagen, was er festgestellt hat…«

»Darling«, flüstert Mildred und streckt ihrem Mann beide Hände entgegen, »komm ein bißchen näher.«

Oliver kniet wieder neben dem Sofa.

»Ja, mein Herz, was willst du mir sagen?«

Mildred schenkt ihrem Mann ein süßes, strahlendes Lächeln.

»Unsere Familie wird sich vergrößern, mein Darling. Ich weiß nur nicht, ob es wieder Zwillinge werden.«

*

In der Nacht ziehen dunkle Wolken über den Himmel, bald von Blitz und Donner begleitet. Dann prasselt der Regen auf durstige Wiesen, auf Wälder und Häuser hernieder. Nebelschwaden hüllen alles in eine dunstige Feuchtigkeit. Doch gegen Morgen ist der Spuk verschwunden. Leise streicht ein sanfter Wind über tropfende Blätter. Dann bricht die Sonne durch die Wolken. Ein neuer, herrlicher Sommertag beginnt.

Durch die heruntergelassene Jalousie des Schlafzimmers im Grandhotel zwängen sich die Sonnenstrahlen.

Mildred schlägt die Augen auf. Sie hat herrlich geschlafen, fühlt sich erholt, und der gestrigeVorfall kommt ihr wie ein Traum vor.

»Darling!«

Oliver, der seit einigen Stunden im Nebenzimmer am Schreibtisch arbeitet, hört den leisen Ruf und ist sofort bei ihr.

»Guten Morgen, Sunshine!«

Er küßt seine Frau in behutsamer Zärtlichkeit.

»Das war ein schweres Unwetter in der Nacht. Dafür ist es jetzt um so schöner. In einer Stunde wird es warm genug sein, um auf der Terrasse zu liegen. Ich bringe die Kinder ins Schwimmbad und komme dann zu dir.«

»Ich habe nichts von einem Unwetter gehört«, sagt Mildred verwundert und streckt die Arme weit aus, als wolle sie die ganze Welt umarmen. »Ich stehe jetzt auf und komme mit. Darling, dieser nette Dr. Stüttli hat es doch ganz klar zum Ausdruck gebracht, daß ich nicht krank bin.«

Fröhlich lachend steigt sie aus dem Bett. Die Augen leuchten, eine frische, zarte Röte liegt auf dem ebenmäßigen Gesicht.

»Wo sind die Kinder? Es ist so ruhig.«

»Ich habe sie mit Nanny zum Frühstück hinuntergeschickt. Natürlich waren sie ein bißchen enttäuscht, ihre Mami seit gestern nachmittag nicht gesehen zu haben. Aber das neue Gummipferd aus Luzern und das Springseil haben ihre Wirkung nicht verfehlt. Beide sind damit voll beschäftigt, und ich habe ihnen versprochen, daß sie mit uns zu Mittag essen dürfen. Um halb zwei, Liebes, muß ich dann hinunterfahren. Es ist ein wichtiger Tag, wie du weißt. Übrigens habe ich heute morgen bereits mit London gesprochen. Es ist doch besser, wenn Frank nachmittags dabei ist. Mein Schweizer Rechtsanwalt ist verläßlich, aber…«

»Frank ist noch verläßlicher!« vollendet Mildred. »Der beste Sekretär und der beste Freund, den man sich wünschen kann.«

Neckend sagt Oliver: »Außerdem ist er dein glühender Verehrer. Ich glaube fast, daß er nicht heiraten will, weil er jede Frau mit dir vergleicht. Und so eine Frau wie meine Mildred gibt es nur ein einziges Mal.«

Unter Lachen und Scherzen sitzen die beiden bald darauf am Frühstückstisch, den der Kellner hereingeschoben hat, bei Grapefruitsaft, Eiern mit Schinken, Marmelade, Kaffee und frischen, knusprigen Brötchen.

Oliver hat seiner Frau vorsorglich Kissen in den Rücken geschoben und die Balkontür ein wenig geöffnet.

Die Sonne scheint bereits warm und hat Tisch und Stühle getrocknet.

»Großartig schmeckt es mir heute«, murmelt Mildred. »Vielleicht führen wir zu Hause auch Kaffee statt Tee zum Frühstück ein?«

»Ich stelle mir vor, was Bramble dazu sagen würde. Seit dreiundzwanzig Jahren ist er Butler auf Schloß Kidderhall. Aber ich glaube nicht, daß er jemals Kaffee zum Frühstück serviert hat.«

»Dann wird er es lernen müssen. Du bist doch auch für Fortschritt, Darling?«

Oliver lacht herzlich. »Gewiß, das weißt du. Nur kannst du mich nicht davon überzeugen, daß der Übergang zum Morgenkaffee statt Tee ein Fortschritt wäre.«

»O Darling, schmeckt dir der Kaffee nicht?«

»Tee habe ich lieber. Aber ich weiß, daß es dir Freude macht, wenn wir gemeinsam Kaffee trinken.«

Unter fröhlichem Geplänkel vergeht die nächste Stunde.

Es gelingt Mildred auch, ihren Mann davon zu überzeugen, daß sie ebensogut im Schwimmbad im Liegestuhl liegen kann wie hier allein.

»Also gut, Sunshine. Aber ins Wasser wird nicht gegangen!«

Das Schwimmbad von Bürgenstock liegt ein wenig erhöht, von schattigen Bäumen umgeben, nur ein paar Minuten vom Hotel entfernt. Das breite, große Schwimmbecken ist von Rasenflächen umsäumt. Es gibt bequeme Liegestühle, Sessel, Turngeräte, ein schickes Restaurant.

Als Oliver und Mildred ankommen, ist es schon sehr voll, aber der Bademeister hat wie immer in einer geschützten Ecke die Sessel vorbereitet.

Jane und John haben die Eltern sofort entdeckt und kommen mit Freudenrufen auf sie zugelaufen.

»Mami, darf ich dir jetzt zeigen, wie ich springe?«

»Mami ich bin dreimal getaucht! Kommst du mit?«

»Mami wird sich heute ausruhen«, erklärt Oliver, der bereits die Shorts abgestreift hat und in der dunkelblauen Badehose mit seiner muskulösen, stattlichen Figur manche bewundernde Blicke auf sich zieht. »Kommt, ihr Rangen, zeigt mir, was ihr gelernt habt!«

Nanny Bricks bemüht sich inzwischen um ihre Herrin, breitet eine leichte Wolldecke über sie aus, rückt die Kissen des Liegestuhls zurecht.

»Sir Oliver hat es mir erzählt«, sagt sie strahlend, »aber Sie müssen jetzt sehr vorsichtig sein, Mylady.«

»Nicht so förmlich, meine gute, treue Nanny. Und bitte, behandeln Sie mich nicht wie eine zerbrechliche Porzellanfigur. Ich habe mich noch nie so wohl gefühlt wie heute. Und schließlich – es ist ja nicht das erste Mal…«

Nanny begnügt sich damit, den Kopf zu schütteln. Gut, daß junge Menschen so schnell vergessen. Es war eine schwere Geburt, als die Zwillinge zur Welt kamen. Sie hat mit der Familie um das Leben der schönen jungen Herrin gebangt.

Mildred verfolgt mit frohem Lächeln, wie Oliver und die Kinder in demWasser herumtollen. Es ist gut für ihn, daß er sich einmal von den vielen täglichen Pflichten lösen kann, wenn auch nur für Stunden.

Auch sie fühlt sich hier so unbeschwert, wie es daheim nicht möglich ist. Ihre Schwiegermutter, Lady Helen Crombie, will immer noch nicht einsehen, daß sie, Mildred, die Frau des Schloßherrn ist. Selbst Doris, Olivers Schwester, versucht sich in alles einzumischen. Dabei hätte sie genug mit ihren eigenen Angelegenheiten zu tun. Henry Graf Dudley, Doris’ leichtsinniger Ehemann, ist allerdings ganz zufrieden, wenn seine Frau ihm nicht ihre ungeteilte Aufmerksamkeit schenkt.

Mildred seufzt. Sie greift nach ihrer Handtasche und zieht einen Brief heraus. Er kommt aus Jamaika, wo ihre Eltern seit einigen Jahren leben. Es geht ihnen gut, ihr einziges Kind ist versorgt und glücklich, und sie haben sich auf eine kleine Zuckerplantage auf dieser schönen westindischen Insel zurückgezogen.

Oliver hat ihr versprochen, im nächsten Jahr auf Besuch mit ihr hinüberzufliegen. Aber das würde jetzt auch verschoben werden müssen.