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Eine Liebesgeschichte, wie sie im Buche steht. Mia zieht nach Hawaii, findet einen Job, findet Freunde und lernt ihre große Liebe John kennen. Alles scheint perfekt – wenn nicht Mias Vergangenheit in Deutschland wäre. Dort hat sie ihre Familie zurückgelassen, nachdem einige hässliche Dinge passiert sind. Kann sie in ihrer neuen Heimat darüber hinwegkommen? Kann sie die schlimmen Erlebnisse vergessen, die sie in ihren Träumen immer wieder durchlebt? John hat dazu seine eigene Meinung und zieht im Hintergrund seine Fäden um Mia zu helfen. Er will nur das Beste für seine Freundin und möchte die Familie gerne wieder zusammenführen, weil er weiß wie sehr Mia unter allem leidet. Doch ob dies klug ist und zu einer guten Lösung für alle führt, sei dahingestellt.
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Seitenzahl: 300
Veröffentlichungsjahr: 2024
Impressum
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.
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© 2024 novum publishing
ISBN Printausgabe: 978-3-99146-941-4
ISBN e-book: 978-3-99146-942-1
Lektorat: Mag. Angelika Mählich
Umschlagfoto: Milenie | Dreamstime.com
Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh
www.novumverlag.com
Widmung
„An diejenigen, die von Dingen heilen müssen, die nicht ihre Schuld waren. IHR werdet es schaffen und IHR werdet wieder glücklich sein!“
Kapitel 1
Die Sonne scheint mir ins Gesicht und ich werde langsam wach. Ich schaue auf mein Handy und sehe, dass wir erst sieben Uhr haben. Also habe ich noch eine halbe Stunde, bevor ich aufstehen sollte, denn ich muss erst um neun Uhr im Restaurant sein. Ich arbeite dort nun seit drei Jahren. Jack, der Besitzer hat mich, als ich vor drei Jahren neu in der Stadt war, direkt eingestellt, nachdem er meinen Lebenslauf gesehen hatte. Er wunderte sich, dass ich von einem Fünfsternerestaurant nun in sein altes Lokal wechseln wollte. Ich aber fand sein Lokal Namens „Die Hütte“ von der ersten Sekunde an toll. Eigentlich heißt es „Malca“, aber übersetzt auf Deutsch könnte man „Die Hütte“ sagen. Sein Restaurant lag direkt an der Küste und hatte ein altes Flair, das ich so liebte. Außerdem konnte ich von dort aus immer den schönsten Sonnenuntergang sehen, wenn ich Spätdienst hatte. Wir boten an Speisen eigentlich alles an, was man sich vorstellen konnte: Pizza, Burger, Suppen, aber auch Steaks.
Anfangs habe ich in einer runtergekommenen Pension gehaust, aber nachdem ich John kennengelernt habe, hat sich alles geändert. Wir kannten uns noch gar nicht so lange, aber er wollte so gerne, dass ich bei ihm einziehe. Um ehrlich zu sein, war ich anfangs sehr unsicher, weil wir uns eben noch nicht so gut kannten, ich würde behaupten, dass ich mich Tag für Tag mehr in John verliebt hatte, weshalb ich mich nach nicht einmal zwei Wochen nach dem Einzug richtig heimisch gefühlt hatte. John weiß alles über meine Vergangenheit, denn ich wollte offen und ehrlich zu ihm sein, wenn er mich bei sich leben lässt. Er wollte keine Miete von mir, denn er wusste, dass ich bei Jack nicht sehr viel verdiente. Außerdem hatte John genügend Geld und musste sowieso keine Miete bezahlen, denn das Haus gehört ihm. Als sein Vater vor sechs Jahren bei einem Autounfall starb, wurde das Haus ihm überschrieben, da er Einzelkind ist und somit alles geerbt hatte. Seine Mutter ist, als er drei Jahre alt war abgehauen, und somit zog sein Vater ihn alleine groß. Sein Vater hatte ein bekanntes Fischergeschäft, wo alle Restaurants in der Gegend ihre Fische bezogen. Als sein Vater dann starb, übernahm er auch das Geschäft.
Deshalb lag er jetzt nicht neben mir, weil er schon seit vier Uhr auf den Beinen war, damit er pünktlich um fünf Uhr losfahren konnte, um den frischen Fisch an die umliegenden Hotels und Restaurants zu liefern. Er verdiente dabei keine Millionen, aber genügend, dass er und ich glücklich waren. John fragte mich anfangs immer, warum ich bei Jack arbeite und mich nicht in dem Sterne Restaurant in der anderen Stadt beworben hatte. Natürlich hätte ich dies machen können und ich hätte sicherlich einen Job bekommen. Nachdem ich aber mehrere Jahre in der gehobenen Gastronomie tätig war, hatte ich es satt, reiche alte Säcke zu bedienen und immer nett zu sein, egal wie unhöflich sie zu mir waren. Das ist in der Hütte nicht so. Alle sind sehr nett und freuen sich immer, wenn ich sie am Tisch bediene. Viele Einheimische kommen regelmäßig zum Essen zu uns und unterstützen somit Jack. Er hatte es nicht immer leicht im Leben. Seine Frau verstarb vor zehn Jahren an Brustkrebs, was ihn ziemlich mitgenommen hatte. Er erzählte viel von ihr und sagte mir immer, dass sie der einzige Grund wäre, weshalb er das Restaurant noch offen hat. Es war ihre Leidenschaft. Sie hat es geliebt, in der Hütte zu kochen und alle Gäste mit ihrem Essen glücklich zu machen. Jack ist mittlerweile schon 63 Jahre alt und könnte eigentlich in den Ruhestand gehen, aber das will er nicht. Ich denke, er braucht eine Aufgabe im Leben, denn er hat leider keine Kinder und viele aus seiner Familie sind bereits verstorben oder wohnen nicht hier auf Maui in Hawaii.
Als ich vor drei Jahren hierher kam, war er eigentlich der Erste, den ich getroffen hatte und mich wie gesagt sofort eingestellt hatte, durch ihn lernte ich John kennen. John belieferte auch die Hütte mit Fischen. Er fragte mich direkt bei unserem zweiten Aufeinandertreffen, ob ich mit ihm einen Kaffee trinken gehen würde. Anfangs sagte ich ihm zunächst, ich hätte keine Zeit, aber das akzeptierte er nicht. Er probierte es immer und immer wieder, bis ich einer Verabredung zustimmte. Heute bin ich sehr froh, dass ich es gemacht habe, denn ich könnte mir ein Leben ohne John nicht mehr vorstellen. Er ist schließlich der Grund, warum ich mein Lächeln wiedergefunden hatte. Anfangs hatte ich große Angst, mich auf John einzulassen, denn eigentlich hatte ich in meiner Heimat Deutschland einen Freund. Ich hasse mich bis heute dafür, dass ich Chase auf diese Art zurückgelassen hatte und nicht persönlich Schluss gemacht hatte. Aber ich konnte nicht mehr in Deutschland bleiben und ich wollte umso weniger, dass Chase mit mir abhaut. Auch jetzt erst, nachdem ich John habe, weiß ich, dass ich Chase nie richtig geliebt habe. Ich habe wohl eher den Gedanken geliebt, jemanden zu haben, der auf mich aufpasst und mich liebt. Eines Nachts bin ich schließlich abgehauen. Natürlich habe ich im Voraus genaustens alles geplant mit dem Flug und wohin ich verschwinden möchte. Ich habe Chase einen Brief geschrieben und ihn neben ihn gelegt, als ich mich nachts davongemacht habe. Seit dieser Nacht habe ich ihn nicht mehr gesehen und auch nichts mehr von ihm gehört, denn ich habe ihm in den Brief nicht geschrieben, wohin ich gehen möchte. Ich habe alles hinter mir gelassen: ihn, meine besten Freunde, meinen Job und selbst meine Familie. Wobei meine Familie der Grund war, weshalb ich gegangen bin. Es ist noch immer sehr schmerzlich für mich, an meine Vergangenheit zu denken, ich hatte sehr oft schlimme Gedanken und hatte selbst davor Angst, dass ich sie irgendwann in meiner Verzweiflung umsetzen könnte. Deshalb blieb mir nichts anderes übrig, als alles hinter mir zu lassen, ansonsten würde ich jetzt vermutlich nicht mehr leben.
Nun war es aber an der Zeit aufzustehen. Ich zog mir Johns Shirt über und schlüpfte in meine Kuschelsocken. Erstmal einen Kaffee und dann ab unter die Dusche. Um acht Uhr war ich fertig und ging raus zu meinem Fahrrad. John wollte mir ein Auto besorgen, aber das wollte ich nicht, denn die Hütte war nur fünf Minuten mit dem Fahrrad entfernt und zum Einkaufen konnten wir mit seinem Auto fahren. Ich genieße es jeden Morgen, mit meinem Fahrrad auf die Arbeit zu fahren und die frische Luft einzuatmen. Als ich bei der Hütte ankam, sah ich bereits unsere Küchenchefin und John, wie sie den frischen Fisch, welchen John uns geliefert hat, einräumten.
„Guten Morgen, mein Liebling!“, sagte John zu mir und gab mir einen Kuss.
„Guten Morgen John“, sagte ich und erwiderte den Kuss.
„Na, haben deine Fischer heute Nacht viel gefangen?“
„Ja, durch den Sturm vor ein paar Tagen sind die Fische alle in Richtung Küste geschwommen, wodurch wir gute Fänge haben. Im Übrigen, JJ und Mary kommen heute Abend vorbei.
Ich habe sie zum Grillen eingeladen. Sie bringen das Fleisch mit und einen Salat. Wir sind zuständig für die Getränke. Ich werde nach Feierabend noch einkaufen gehen.“
„Das hört sich super an, dann können wir gemütlich ins Wochenende starten. Ich muss jetzt rein, bis später, Liebling.“ Ich küsste ihn noch einmal zum Abschied und ging in die Hütte.
Es war ziemlich viel los und ich musste ein bisschen länger bleiben als gedacht, aber das mache ich gern, weil ich auch oft früher heim gehen durfte, wenn nicht viel los war. Ich stieg auf mein Fahrrad und fuhr nach Hause. Als ich auf das olivgrüne Haus zufuhr, kam mir ein Lächeln über die Lippen. Johns Haus war nicht das modernste, aber es hatte seinen eigenen Charme. Wir hatten eine große Veranda und einen riesigen Garten hinter dem Haus, wo wir auch einen Steg direkt ins Wasser hatten. Ich habe vor ein paar Monaten einen Gemüsegarten angelegt, weshalb wir nun viel ernten und nicht mehr alles im Supermarkt kaufen mussten.
John und JJ waren bereits dabei den Grill anzuwerfen. Sie kennen sich schon seit sie zusammen im Kindergarten waren. Seitdem sind sie beste Freunde. JJ heißt in Wirklichkeit auch John und früher haben alle immer zu ihnen das doppelte J gesagt, deshalb hat sich John den Spitznamen JJ zugelegt, damit man sie unterscheiden konnte. Ich mag JJ sehr, denn er hat mich sofort freundlich aufgenommen und war immer nett zu mir. Er hat blonde Haare und freche blaue Augen. Er ist allerdings nicht sehr groß. Doch seine Freundin Mary stört das überhaupt nicht. John kennt die beiden seit Kindheitstagen. Sie waren alle drei im Kindergarten zusammen in einer Gruppe und danach in derselben Schulklasse. Mary und JJ sind bereits ein Paar, seit sie fünfzehn sind. In zwei Jahren sind sie schon seit zehn Jahren zusammen. Mit der Zeit habe ich in Mary ebenfalls auch eine gute Freundin gefunden. Als wir uns kennenlernten, war sie mir sofort sympathisch, denn sie redet genauso viel wie ich. Mit ihren dunkelbraunen Haaren und ihren glitzernden grünen Augen kann man sie nur mögen.
Wir haben den ganzen Abend lang gelacht und die verbrannten Würstchen von JJ gegessen. Er behauptete zwar, sie wären so perfekt, aber da waren wir alle anderer Meinung. Wir haben wieder den ganzen Abend über JJs blöde Sprüche gelacht und köpften eine Weinflasche nach der anderen, weshalb ich ganz schön angeheitert war. Als Mary und JJ am Abend gingen, beschloss ich, alles am nächsten Morgen aufzuräumen, und mich ins Bett zu legen. John ging noch duschen und als er sich zu mir ins Bett gelegen hat, war ich bereits eingeschlafen.
Kapitel 2
Als ich am nächsten Morgen meine Augen öffnete, spürte ich einen stechenden Schmerz in meinem Kopf. John lag neben mir und schlief noch seelenruhig. Es gibt für mich nichts Schöneres, als am Wochenende mit ihm einzuschlafen und zusammen aufzuwachen. Samstag und Sonntag waren die einzigen Tage, an denen wir den Tag zusammen beginnen konnten, weil John sonst immer wegen seiner Arbeit so früh aufstehen musste. Heute musste ich aber darauf verzichten zu warten, bis John aufsteht, um nochmal eine Runde mit ihm zu kuscheln, denn ich brauchte dringend eine Aspirin und eine kalte Dusche. Als ich aus der Dusche kam, war John bereits wach und bereitete das Frühstück für uns vor.
„Guten Morgen Mia, hast du gut geschlafen?“, fragte er und nahm mich in den Arm.
„Ich werde nie wieder Alkohol trinken. Ich weiß, ich habe das schon öfters gesagt, aber dieses Mal meine ich es ernst.“
John lachte und gab mir einen Kuss auf meine Stirn.
„Komm, setz dich hin und iss etwas, dann wird es dir schnell wieder besser gehen.“
Nach dem Frühstück setzten wir uns raus auf die Veranda mit einer Tasse Kaffee. Wir überlegten, was wir unternehmen konnten, denn ich hatte nicht jedes Wochenende frei und deshalb mussten wir dies ausnutzen. Meinem Kopf ging es zum Glück wieder besser.
„Was hältst du davon, wenn wir später ein bisschen Surfen gehen und heute Abend lade ich dich ins Kino ein? Wir waren schon so lange nicht mehr im Kino und es soll ein neuer Actionfilm rausgekommen sein.“
Ich fand die Idee toll und stimmte zu. John versucht, seit wir uns kennen, mir das Surfen beizubringen, aber ich bin einfach zu untalentiert. Ich habe kein Gleichgewichtssinn und falle deswegen immer vom Board. Aber das machte mir nichts, denn so lange ich Zeit mit John verbringen konnte, war das für mich okay. Ich genoss die Zeit zu zweit mit John, denn das lenkte mich immer von meinen negativen Gedanken ab. Seit ich so schlimme Dinge in der Vergangenheit erlebt habe, grüble ich viel vor mich hin. Meistens merke ich es nicht einmal, erst wenn mich John aus meinen Tagträumen reist. Er sagt immer, ich soll aufhören der Vergangenheit nachzutrauern und anfangen im Jetzt zu leben. Ich weiß, das hört sich hart an, aber im Endeffekt hat er recht. Es ist nur ziemlich schwer für mich, denn ich vermisse meine Eltern sehr. Ich habe seit drei Jahren nicht mehr mit ihnen gesprochen oder sie gesehen. Nicht einmal sie wissen, dass ich hier bin, denn wenn sie es gewusst hätten, hätten sie mich zurückgeholt oder es meinen Freunden gesagt. Oder noch schlimmer, sie hätten es Chase gesagt. Ich wüsste nicht, was ich tun würde, wenn ich Chase hier treffen würde. Er war ein netter Freund und ich liebte ihn sehr, zumindest dachte ich das zu dieser Zeit. Wir hatten eine schöne Zeit zusammen aber seit ich John kenne, habe ich gemerkt, dass Chase mich eigentlich gar nicht wirklich kannte. John weiß, was er tun muss, damit ich lache, wenn ich traurig bin. Er weiß, wie er mich aufmuntern kann, wenn ich wegen etwas sauer bin und was aber das Wichtigste ist, er liebt mich von ganzem Herzen. Ich merke es daran, wie er mich ansieht, wie er mit mir umgeht und vor allem sagt er es mir so oft, wie sehr er mich liebt. Das hat Chase nie getan.
Als wir mit dem Surfen fertig waren und ich mal wieder in ganzer Linie versagt habe, hat sich John endlich dazu bereit erklärt, nach Hause zu gehen. John ging an seinen Computer, weil er irgendetwas googeln wollte, und ich ging in die Küche, um mir ein Sandwich zu machen. Ich saß auf dem Sofa und sah mir eine Kochsendung an. Von dem Surfen war ich ganz schön müde und beschloss für ein wenig die Augen zu schließen.
John weckte mich früh genug, damit ich noch Zeit hatte zu duschen und mich in Ruhe für unseren Kinobesuch fertig zu machen. Wir fuhren mit Johns Auto zum Kino, wobei es zu Fuß nur fünfundzwanzig Minuten sind, aber John wollte fahren, weil er sonst verschwitzt im Kino ankommen würde. Verständlich bei fünfunddreißig Grad Außentemperatur und das, obwohl wir schon 19 Uhr hatten. Der Film war super und sogar ziemlich witzig, wobei es ja eigentlich ein Actionfilm war. Wir beschlossen, nach dem Kino noch in die örtliche Eisdiele zu fahren und uns einen Milchshake zum Mitnehmen zu holen. Wir ließen den Abend noch gemütlich auf der Veranda ausklingen und sind dann auch schon ziemlich zeitig ins Bett gegangen. John konnte immer sofort einschlafen, ich leider überhaupt nicht. Ich grübelte immer ziemlich viel, wenn ich im Bett lag. Als ich dann endlich einschlief, fingen auch meine Träume wieder an.
Ich hörte ihn schreien, es war ein so fürchterliches Schreien. Mein Vater schrie ebenfalls und meine Mutter weinte nur und rief die ganze Zeit: „Mike, hör bitte auf!“ Er saß auf meinem jüngeren Bruder Paul, der auf dem Boden lag und schlug ihm ins Gesicht. Immer und immer wieder. Mein Vater versuchte Mike von Paul runterzuziehen, aber er war einfach zu schwach. Nach ein paar Schlägen lief auch schon das Blut von Paul seinem Gesicht auf den Boden. Ich rannte zum Telefon und verständigte die Polizei. Das war nun bereits der dritte Einsatz dieses Jahr. Immer wenn Mike im Spielkasino verlor, kam er wütend nach Hause und ließ alles an meinem jüngeren Bruder aus. Meine Eltern unternahmen nie viel, außer sich gegenseitig die Schuld in die Schuhe zu schieben. Mike war damals bereits einundzwanzig, weshalb das Jugendamt nichts unternehmen konnte, und die Polizei konnte uns nur dann helfen, wenn meine Eltern oder Paul eine Anzeige gegen Mike erstatten würden. Das machten sie aber nie. Paul war einmal kurz davor ihn anzuzeigen, aber dann redete mein Vater ihm ins Gewissen, dass er das der Familie doch nicht antun konnte. Ich sah immer wieder meine Mutter, wie sie mit den Tränen zu kämpfen hatte, aber ich verstand nie, warum sie nur danebenstand und nichts unternahm, um Paul zu helfen.
„Mia, wach doch auf. Es ist alles gut!“, sagte John zu mir und rüttelte leicht an meinen Schultern. Ich hatte wieder einmal im Traum geschrien, was ich in letzter Zeit ziemlich oft tat. Schweißgebadet sah ich John an und stammelte nur:
„Entschuldige, dass ich dich aufgeweckt habe.“
John nahm mich in den Arm.
„Hattest du wieder einen Albtraum?“
Ich nickte, denn ich konnte ihm schlecht sagen, dass ich keinen Albtraum, sondern von meiner Vergangenheit in Deutschland geträumt hatte. Wenn ich es ihm sagen würde, wäre er nur wieder sehr besorgt und das wollte ich nicht. Es war schon schwer genug für mich, ihm alles zu erzählen, aber ich wollte es nicht immer und immer wieder thematisieren, weil es im Endeffekt meine Vergangenheit war und sie in der jetzigen Zeit nicht wichtig für mich war. Ich hatte oft solche Flashbacks im Traum, was ziemlich nervig war. Es zeigte mir, dass ich nicht nur an meine Vergangenheit erinnert wurde, sondern auch wie sehr ich meine Eltern vermisse. Meine Eltern sind in meinen Augen immer noch die besten Eltern der Welt, obwohl sie zugelassen haben, dass ich so viele Jahre mit Gewalt und Angst aufwachsen musste. Sie haben versucht, alles für mich und meine Brüder zu ermöglichen. Doch als Mike der Spielsucht verfiel und noch ein Alkoholproblem hinzukam, hatten sie keine Kontrolle mehr über ihn und seine Taten. Mir war bewusst, dass sie in einem Zwiespalt stecken, denn wir sind alle ihre Kinder. Dennoch hätte sie etwas unternehmen müssen, vor allem für Paul. Er hat mittlerweile so viele Narben auf seinem Körper wegen Mike, dass ich gar nicht sagen könnte wie viele es sind. Es war nicht nur die körperliche Gewalt, die wir seinetwegen ertragen mussten. Nein, das Schlimmste war diese psychische Gewalt, in der Mike ziemlich gut war. Er konnte es schaffen, mich mit einem Satz mehr zu verletzen als mit einem Schlag ins Gesicht. Wenn ich an ihn denke, kommt eigentlich nur Hass in mir auf. Hass und Wut. Die Wut auf mich selbst, dass ich Paul und meine Eltern im Stich gelassen habe, aber ich konnte es einfach nicht mehr ertragen. Als ich abhaute, war ich in einer ziemlich schlechten psychischen Verfassung, weshalb ich ziemlich düstere Gedanken hatte, die ich zum Glück nie umsetzte. Aber ich wusste einfach das ich dort weggehen musste, um einen Neuanfang zu beginnen. Anfangs, als ich hier nach Hawaii kam, habe ich sehr oft darüber nachgedacht, wieder zurückzugehen, weil ich meine Eltern und Paul so vermisste. Dennoch wusste ich, dass es das Richtige war, denn ich konnte das einfach nicht mehr ertragen. Oft denke ich an Paul und bete, dass es ihm gutgeht. Vielleicht ist er ja ebenfalls abgehauen und führt jetzt ein glückliches Leben. Das hoffe ich zumindest sehr. Meine Hoffnung, dass Mike irgendwann zur Vernunft kommen würde, ist zerplatzt, nachdem er drei Versuche gestartet hatte, um sein Alkoholproblem und seine Spielsucht in den Griff zu bekommen. Ich hoffe so sehr, dass es meinen Eltern gut geht und dass sie ihn rausgeworfen haben. Sie haben ein glückliches Leben verdient, denn es sind herzensgute Menschen. Keiner von meinen Freunden wusste, was ich zu Hause erlebt hatte. Meine damalige beste Freundin wusste ein wenig davon. Aber nur so viel, dass es sich nicht angsteinflößend anhört, denn ich wusste genau, sie würde mir helfen wollen. Einerseits wollte ich Hilfe, aber andererseits war es mir auch sehr unangenehm, darüber zu sprechen. Chase wusste eigentlich alles, denn er hat so gut wie alles mitbekommen. Vor ihm war es mir eigentlich nie peinlich, denn ich wollte, dass er mich wirklich kennt und dazu gehörte eben auch meine verrückte Familie, was noch nett ausgedrückt ist. An dem Tag, als Chase zugesehen hatte, wie Mike mir eine Backpfeife gab und er nichts unternommen hatte, wusste ich, dass auch er mich im Stich lässt, genau wie meine Eltern. Also beschloss ich zu gehen. Ich wusste, dass er mir gerne geholfen hätte, aber ich wusste auch, dass Chase große Angst vor Mike hatte und deshalb nichts eingegriffen ist. Natürlich hat er sich furchtbare Sorgen gemacht und ist sofort mit mir zu ihm nach Hause gefahren und hat sich dafür entschuldigt, dass er nicht eingegriffen hat. Fünf Tage nachdem das passiert ist, saß ich bereits im Flugzeug nach Hawaii. Als ich dort ankam, hatte ich furchtbare Angstzustände und war drauf und dran wieder nach Hause zu gehen, und dann traf ich John. Ich mochte ihn von der ersten Minute an, aber eigentlich habe ich nicht geplant mich mit Männern schon so früh zu treffen, da ich ja Chase erst verlassen hatte. Aber John hat einfach alles geändert. Auch meine Selbstliebe hat sich verändert. Ich fühle mich jetzt so wohl in meiner Haut und das liegt hauptsächlich an John. Er nimmt mich so, wie ich bin, und will mich auch nicht verändern. Meine Kurven habe ich früher immer gehasst und versucht wegzubekommen, aber durch den ganzen Stress zu Hause habe ich immer Fressattacken bekommen. Mittlerweile mache ich regelmäßig Sport und ernähre mich überwiegend gesund. Meine Kurven sind noch immer da, aber definierter. Durch John hat sich einfach alles ins Positive verändert und darüber bin ich verdammt froh!
Ich hatte heute Spätdienst das hieß, ich musste erst um 12 Uhr anfangen zu arbeiten. Wenn ich samstags oder sonntags arbeiten musste, kam John immer mit in die Hütte und aß bei uns zu Mittag. Und so war es heute wieder. John war ein beliebter Mann in der Stadt, so gut wie jeder kannte ihn und er kannte auch alle anderen. Die anderen Frauen waren ganz eifersüchtig, als sie hörten, dass John nun eine Freundin hat. Mary erzählte mir, dass John der totale Mädchenschwarm in der Schule war, aber er hat sich nie etwas daraus gemacht. John bemerkt oft gar nicht, wie die Frauen ihn anschauen oder mit ihm umgehen. Innerlich koche ich immer vor Eifersucht, aber er versteht nie, weshalb. Es war heute ziemlich warm, weshalb ich auf der Arbeit ganz schön ins Schwitzen kam. Um zweiundzwanzig Uhr hatte ich Feierabend und bin gemütlich mit meinem Fahrrad nach Hause gefahren. Das Licht brennt noch, was vermutlich hieß, dass John noch wach ist. Ich wunderte mich ständig, dass er so lange wach bleibt und bereits um 4 Uhr wieder aufstehen muss und trotzdem topfit ist.
„Hey, Liebling!“, sagte ich und gab ihm einen Kuss.
„Ich gehe duschen, bin total verschwitzt.“
Als ich unter der Dusche stand, merkte ich wie langsam die Badezimmertür aufging. John kam vorsichtig in die Dusche gestiegen und schaute mich mit seinen kastanienbraunen Augen an.
„Ich habe dich heute ganz schön vermisst.“
Er strich mir über die Wange und fing an, meinen Hals zu Küssen. Ganz langsam liebkoste er ihn von oben nach unten. Nun kamen seine Hände ins Spiel. Er wusste genau, was er tat, und steckte langsam seinen Mittel- und Zeigefinger in mich hinein. Ich musste mich an der Duschwand anlehnen, denn meine Knie waren bereits wie Pudding.
„Gefällt dir das?“, fragte er mit einer rauen Stimme.
Er ließ sanft seine Finger in mir kurven und strich mit der anderen Hand in Richtung meiner Brust. Ich liebte es, dass er solch einen explosiven Einfluss auf mich und meinen Körper hatte. Das hatte ich bis jetzt bei niemandem so wie bei ihm. Der Sex mit Chase war nicht schlecht und ich dachte besser kann es nicht werden. Da kannte ich John noch nicht. Nun ließ er ab von meiner Brust und nahm fest entschlossen mit seiner Hand mein Gesicht und küsste mich wild. Ich legte erregt meine Hände auf seine Schultern und kurvte mit meiner Hüfte im Tempo seiner Finger. Und da war er schon. Er stieg langsam in mir auf und explodierte wie ein Feuerwerkskörper an Silvester. Bisher hat es niemand geschafft, mich so schnell zu einem Orgasmus zu bringen wie er. Nicht einmal mein Satisfyer. Ich merke, wie er hart wurde und gegen meinen Oberschenkel drückte. Er packte mich an beiden Schenkeln, hob mich hoch und drückte ihn fest in mich. Ich schrie auf vor Schreck und gleichzeitig davor, weil es sich so gut anfühlt. Er ging langsam wieder raus und führte ihn dann umso härter wieder in mich hinein. Ich riss an seinen Haaren und stöhnte ihm ins Ohr
„Oh mein Gott, John, das ist so gut.“
Auch ihm merkte ich an, dass er kurz vorm Orgasmus stand. Noch fünf weitere Mal drang er hart in mich ein und vergoss sich dann in mir. Er küsste meinen Mund ein letztes Mal und ließ mich dann wieder zu Boden. Er nahm das Duschgel und schäumte uns beide liebevoll ein. Nach der Dusche setzten wir uns noch ein wenig vor den Fernseher, aber John schlief schon bald auf dem Sofa ein. Ich weckte ihn vorsichtig und wir legten uns langsam ins Bett.
Kapitel 3
Heute treffe ich mich mit Mary zum Frühstück in unserem Lieblingscafé. Es heißt „Stübchen“ und ist ganz in der Nähe von Marys Haus, weshalb ich immer zu ihr mit dem Fahrrad fahre und wir von ihr aus dann zum Café laufen. Die Kellnerin Josy begrüßt uns mit einem herzlichen Lächeln. Wir sind dort sehr oft, weshalb sie uns schon kennt. Ich bestelle wie immer einen Vanille-Cappuccino und ein Käsecroissant. Wir haben mittlerweile schon einen Stammplatz, an dem wir jedes Mal sitzen, soweit er frei ist. Heute sitzen wir auch wieder dort, gleich im Eck bei der Eingangstür, wo man aus dem Fenster direkt auf die Küste schauen kann. Ich hätte nie gedacht, dass eine schöne Aussicht mich so beruhigen kann. Wir gingen den neuesten Klatsch und Tratsch durch und Mary erzählte mir, dass Ihre Chefin wieder einmal superunhöflich zu ihr war. Mary arbeitet in einer Gärtnerei, weshalb ich von ihr immer die allerschönsten Blumen zu allen Geburtstagen und Feiertagen bekomme. Sie haben einen eigenen Garten hinter der Gärtnerei, wo sie Gemüse anpflanzen, welches sie im Laden mitverkaufen. Ihre Chefin ist immer ziemlich gemein, aber warum sie das ist, wissen wir bis heute nicht. Mary sagt immer, es liegt daran, dass sie schon lange nicht mehr flachgelegt wurde. Ihre Chefin ist eigentlich ziemlich hübsch, aber leider nur äußerlich. Nach unserem Frühstück lagen wir noch bei Mary im Garten und tranken ihre selbstgemachte Limonade. Mein Handy klingelte, und als ich das Handy in die Hand nahm, sah ich, dass wir bereits 16 Uhr hatten. John rief mich an.
„Hey John, du hast ja schon Feierabend. Ich bin noch bei Mary und hab die Zeit ganz vergessen.“
„Hey Mia, kein Problem. Ich rufe eigentlich nur an, weil ich dir etwas Wichtiges zeigen muss, und es wäre gut, wenn du gleich heimkommst.“
Plötzlich kam ein komisches Gefühl in mir auf.
„Ähm, okay, John, dann mach ich mich gleich auf den Weg.“
Ich trank meine Limonade noch leer und erzählte Mary von dem komischen Gespräch mit John. Als ich leer getrunken habe, musste ich ihr noch versprechen, dass ich sie gleich anrufe und ihr erzählen würde, was John mir zeigen wollte. Mary war schon immer superneugierig, aber damit hatte ich kein Problem, denn mittlerweile war sie meine beste Freundin und ich hatte keine Geheimnisse vor ihr.
Als ich mit meinem Fahrrad nach Hause fuhr, ging mir die ganze Zeit durch den Kopf, was er mir wohl so Dringendes zeigen möchte. Als ich ankam, stand er schon draußen auf der Veranda. Ich gab ihm einen Begrüßungskuss, aber John schaute mich mit einem komischen Blick an.
„Ich muss dir etwas erzählen oder besser gesagt ich muss dir etwas zeigen.“
Er ging mit mir ins Büro und setze mich vor den Computer.
„Flipp bitte nicht aus, aber ich war so neugierig wegen deiner Familie. Ich bin auf etwas gestoßen, was dich vielleicht interessieren wird.“
Er zögerte keine Sekunde und öffnete seine Facebookseite und da war er.
Der Mensch, weswegen ich mein Leben zurückgelassen hatte, der Mensch, weshalb es mir viele Jahre schlecht ging. Mein Bruder Mike. Ich war völlig geschockt, denn auf seinem Profilbild war nicht nur er zu sehen, sondern eine ziemlich hübsche Frau, die offensichtlich hochschwanger war.
„Dein Bruder wird Vater“, sagte John in einem ziemlich ernsten Ton zu mir.
Ich sehe sein Bild und dann kam eine Wut in mir auf, wie ich sie schon lange nicht mehr gespürt habe.
„Sag mal, spinnst du, meine Familie auf Facebook zu suchen? Und dann auch noch ihn? Ich will nicht wissen, ob er Vater wird oder was sonst mit ihm ist. Er hat mir mein ganzes Leben zerstört und nur wegen ihm musste ich verschwinden aus Deutschland“, die Tränen liefen mir bereits die Wangen hinunter und ich sprang vom Stuhl auf.
„Mia, dass weiß ich doch, aber ich will dir doch nur helfen!“
„Das nennst du helfen? Du solltest mich beschützen und auf mich aufpassen!“
„Aber das tue ich doch, Mia! Es wird dir nie besser gehen, wenn du nicht endlich im Reinen mit deiner Vergangenheit bist!“
Ich bewegte mich auf John zu und hob meinen Zeigefinger an seine Brust.
„Du solltest Mike hassen! Du solltest ihm eine reinhauen wollen und ihn nicht in Schutz nehmen. Er hat mein Leben zerstört und mich gequält!“, schrie ich ihn an.
John packte meine Arme und versuchte mich festzuhalten.
„Mia, ich weiß doch, dass er dein Leben zerstört hat. Und natürlich würde ich ihm am liebsten eine reinhauen. Ich würde ihm am liebsten so leiden lassen, wie du leiden musstest. Aber dann bin ich kein Stück besser als er!“
„Ich will das alles nicht hören!“, schrie ich und Riess mich aus seinen Armen.
Ich rannte los und flüchtete in den Garten. Am Gartenzaun stand mein Fahrrad, ich schnappte es mir und fing an zu treten. Ich hörte John noch hinter mir, dass ich doch stehen bleiben soll, aber seine Stimme wurde immer leiser und leiser.
Meine Gedanken drehten sich im Kreis und ich konnte das Gedankenkarussell in meinem Kopf nicht mehr zum Stehen bekommen. Ich wusste nicht, was ich noch denken oder fühlen sollte. Ich sah nur noch dieses Bild vor mir und konnte nicht mehr klar denken. Mike wird Vater. Das ist zu viel, einfach zu viel. Wie kann so ein Monster Vater werden? Wird er seinem Kind auch so etwas antun? Was sagt meine Mutter dazu? Haben sie noch Kontakt? Und wer ist diese Frau, die neben ihm stand?
Plötzlich kam ich ins Rutschen und viel mit dem Fahrrad hin. Mein ganzes Bein war voller Dreck und mein Knie war komplett aufgeschürft, weswegen mir Blut am Schienbein hinunterlief. Und in diesem Moment konnte ich meinen Tränen nicht mehr zurückhalten. Ich konnte es nicht glauben, dass er jetzt eine eigene Familie gründet, obwohl er unsere doch zerstört hatte. Mein Leben wäre ganz anders verlaufen. Ich meine, ich liebe mein jetziges Leben und ich bin froh, dass ich John kennengelernt habe, aber musste ich dafür jahrelang diese Qualen auf mich nehmen?
Es donnerte laut und ich entschied wieder nach Hause zu fahren, denn etwas anderes blieb mir nicht übrig. Erst überlegte ich zu Mary zu fahren, aber dann müsste ich ihr alles erzählen und das konnte ich jetzt einfach nicht. Sie wusste ein paar Einzelheiten über mein früheres Leben, aber die schlimmen Ereignisse habe ich ihr nie erzählt. Als ich am Haus ankam, regnete es in Strömen und ich war bis auf die Unterhose komplett nass. Und dann sah ich auch schon John, wie er aus der Haustür rannte.
„Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht! Wieso rennst du denn einfach weg. Das war doch nicht böse gemeint. Ich hätte das doch nicht für mich behalten können.“
Obwohl ich ziemlich sauer auf John war, rannte ich in seine Arme und schluchzte so laut, dass man es trotz dem Donner hören konnte. Erst jetzt bemerkte John meine Wunde am Knie.
„Oh nein, Mia, dein Knie blutet. Bist du hingefallen? Komm, wir gehen rein, und ich verarzte dich.“
Ich ging erst einmal unter die Dusche und John wich nicht mehr von meiner Seite. Er wartete, bis ich fertig mit Duschen war, und kümmerte sich danach fürsorglich um meine Verletzung. Wir sprachen in dieser Zeit kein Wort miteinander, was mir aber auch ganz recht war, denn ich wollte jetzt nicht darüber reden. Ich wollte einfach schlafen und bestenfalls am nächsten Morgen aufwachen und merken, dass es nur ein Albtraum war. Ich nahm mein Handy in die Hand und schrieb Mary, dass alles in Ordnung wäre, und dass ich mich bald bei ihr melden würde.
Kapitel 4
Als ich morgens aufwachte, hörte ich ein Geräusch aus der Küche. Ich sprang auf und sah vorsichtig durch die Tür. Es war John, nach kurzem Zögern entschied ich mich, zu ihm zu gehen.
„Was machst du denn noch hier? Du müsstest schon seit Stunden auf der Arbeit sein!“
„Dir auch einen guten Morgen, Mia. Ich habe mir heute frei genommen und außerdem habe ich Jack angerufen und dich krankgemeldet. Ich habe ihm gesagt, dass du einen Unfall hattest und deshalb heute noch zu Hause bleibst.“
In diesem Moment wurde ich erneut so wütend auf John.
„Du kannst doch nicht bei meinem Chef anrufen und mich krankmelden! Spinnst du eigentlich, Was fällt dir ein? Erst stalkst du meine Familie auf Facebook und jetzt entscheidest du noch, wann ich arbeiten gehe und wann nicht?“, schrie ich ihn an. Jetzt wurde er offensichtlich auch sauer und maulte mich auch an.
„Du kannst momentan nicht klar denken, weshalb ich das jetzt für dich übernehmen muss! Außerdem habe ich deine Familie nicht gestalkt. Aber denkst du denn, dass deine Albträume aufhören, wenn du alles immer nur verdrängst? Du musst dich dem jetzt endlich deiner Vergangenheit stellen und deinen Eltern Bescheid geben, wo du bist und dass es dir gut geht. Deine Mutter ist völlig krank vor Sorge! Sie postet jeden Tag, dass du dich melden sollst. Sie fordert sogar andere auf die Augen aufzuhalten und auch nach dir zu suchen!“
Jetzt musste ich erstmal schlucken.
„Du warst auf der Seite meiner Mutter?“, wieder kamen mir die Tränen.
John kam zu mir und nahm mich in den Arm.
„Mia, ich weiß, es ist schwierig für dich, und ich würde mich auch niemals einmischen, aber ich merke doch, wie es dich bedrückt. Und du vermisst doch deine Eltern und Paul.“
„Natürlich vermisse ich sie. So sehr, dass ich kaum noch atmen kann. Anfangs war ich so sauer auf sie, weil sie das alles nicht gestoppt haben, und mittlerweile habe ich einfach Angst davor, dass wenn ich mit ihnen den Kontakt suche, Mike mich finden wird und mir wieder etwas antut.“
John hob mein Kinn nach oben und schaute mir tief in die Augen.
„Er wird dir nie wieder etwas antun. Dafür werde ich sorgen. Das verspreche ich dir! Aber du musst dich bei deiner Mutter melden. Bitte, Mia. Es sind jetzt schon drei Jahre vergangen und sie vermisst dich sicherlich genauso wie du sie.“
Ich weiß, dass er recht hat, aber bin ich wirklich schon so weit, meine Mutter anzurufen?
„Du musst deiner Mutter nicht verraten, wo du bist. Wir rufen mit unterdrückter Nummer an und dann kann sie auch nicht zurückverfolgen, wo du wohnst.“
Diese Idee war eigentlich gar nicht so schlecht, aber was solle ich den am Telefon zu ihr sagen?
Ich bin mit dieser Situation komplett überfordert.
„Ich mach dir einen Vorschlag. Wir frühstücken jetzt und dann schauen wir zusammen die Facebook-Seite deiner Mutter an. Vielleicht fällt es dir dann einfach ihr anzurufen, wenn du siehst, wie traurig sie ist.“