Mein Sex, what else? - Nicole Siller - E-Book

Mein Sex, what else? E-Book

Nicole Siller

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Beschreibung

Nicole Sillers Sexratgeber für Frauen ist ein leidenschaftliches Plädoyer für echtes Empowerment und lädt ein, dem allgegenwärtigen »Mach mal!« in der weiblichen Sexualität ein kleines, gewichtiges Wort voranzustellen: »Ich (mach mal!)«. Werfen Sie einen entspannten Blick auf Ihren einzigartigen weiblichen Körper, genießen Sie Ihre Sinnlichkeit und Libido, erleben Sie Befriedigung und Orgasmen, aber auch Spaß, Wohlbefinden und vor allem das herrliche, gesunde Gefühl der Lebendigkeit! »Mein Sex« macht Lust, die sinnliche Frau in Ihnen auf spielerische Art neu zu erkunden, ohne dabei das Gegenüber aus den Augen zu verlieren. Und gibt eine klare Antwort auf die Frage: Was ist guter Sex? – Sex, der gut für mich ist!

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INHALT

Herzlich willkommen bei „Mein Sex, what else?“

Ein Streifzug durch die Vergangenheit der weiblichen Sexualität

Wo wir Frauen heute stehen

Erwartungshaltung: Was im Kopf beginnt

Fakten über die weiblichen Geschlechtsorgane

Den Frauenkörper verstehen

Lebendigkeit und (Lebens-)Lust

Die Entscheidung für die Lust am Sex

Orgasmus gestalten und genießen

Wenn die Lust geht und Sie sie gerne wieder einladen möchten

Lebendige Beziehungen

Quellen

Herzlich willkommen bei „Mein Sex, what else?“

Dies ist ein Buch für jede Frau, für alle, die sich als Frau fühlen und die eigene Sexualität mit sich und anderen bewusster entdecken und gestalten möchten – ob Single, in Begegnung bzw. Beziehung mit Mann und/oder Frau oder mit Menschen, die sich selbst keinem binären Geschlecht zuordnen möchten.

Und es ist ein Buch für jeden Menschen, der Frauen liebt.

Ich nehme dennoch immer wieder Bezug auf die klassische Frau-Mann-Beziehung, da sie nach wie vor den Großteil der Bevölkerung betrifft.

Bitte fühlen Sie sich inkludiert, auch wenn Sie sich nicht in diesem Beziehungsmodell wiederfinden.

Wenn Sie diese Zeilen lesen, kann es gut sein, dass Sie sich gerade jetzt intensiver mit Ihrer Lust, Sinnlichkeit und Sexualität befassen wollen – und genau darum geht es hier: Dieses Buch lädt Sie dazu ein, einen liebevolleren Blick auf sich selbst, auf Ihren Körper und Ihre sexuelle Gesundheit zu werfen und es ist …

… ein Buch über die Lust am Leben!

Eine essenzielle Voraussetzung für erfüllende Sexualität ist es, über sich selbst bzw. seinen Körper, die eigenen Bedürfnisse, Sehnsüchte, aber auch über Hindernisse, Hemmungen, Ängste usw. informiert zu sein. Wenn wir über uns selbst ein bisschen besser Bescheid wissen, können wir liebevoller und vor allem auch fürsorglicher mit uns selbst umgehen. Wir finden Wege, die guttun, statt uns in destruktiven Mustern einzugraben.

Es geht um Sie

Wenn Sie einen leichteren, freudvolleren und spielerischen Zugang zu Ihrer Sexualität entdecken können, werden Sie mutiger und sicherer. Ich möchte Sie einladen, Ihre eigene Vision zu entwerfen – eine Vision, die Sie ermuntert, im Sinne Ihrer eigenen Bedürfnisse zu agieren. Lassen Sie uns gemeinsam Ihre selbst-bewusste, selbst-verständliche, sinnliche Lust und Ihre Sexualität neu erkunden.

Dieses Buch vermittelt Ihnen das Wissen, das Sie benötigen, und bringt Anregungen für die Praxis: Wir tauchen kurz und knackig in die „Entwicklungsgeschichte unserer Sexualität“ ein, beleuchten, welche Mythen sich hartnäckig halten – und warum Sie diese getrost vergessen können.

Lernen Sie die wichtigsten Fakten rund um Ihren Körper und Ihre sexuelle Gesundheit kennen. Lassen Sie sich inspirieren und mitnehmen zu mehr Freude und vielleicht sogar Begeisterung und Leidenschaft. Erkunden Sie neugierig die eigenen Gestaltungsspielräume, um Ihr Liebesleben wacher und lebendiger genießen zu können.

Bitte entscheiden Sie, welche Anregungen Sie aufgreifen wollen, Sie bekommen hier eine ganze Fülle von Impulsen und Lösungsansätzen. Seien Sie geduldig mit sich: Manchmal ist es nur ein einziger Schritt, der für das Gelingen einer Veränderung notwendig ist, manchmal braucht es jedoch ein bisschen Übung, ein bisschen Zeit.

Finden Sie heraus, was Sie persönlich benötigen, um Ihr eigenes Leben in lustvollere, freudigere Bahnen zu lenken und mehr Lebendigkeit zu verspüren. Nein, es geht hier ganz klar keinesfalls darum, sich selbst zu „optimieren“, sondern darum, sich selbst besser zu spüren und möglichst entspannt, sorgsam und liebevoll damit leben zu können. Nicht für die anderen. Für Sie. Wenn Sie für sich unterstützend und wohlwollend sorgen, geht es automatisch auch den anderen besser.

Wie die WHO sexuelle Gesundheit definiert

Bereits 1975 hat die Weltgesundheitsorganisation per Definition festgehalten, dass sexuelle Gesundheit untrennbar mit Gesundheit, Wohlbefinden und Lebensqualität verbunden ist: Sexuelle Gesundheit ist ein Zustand des körperlichen, emotionalen, mentalen und sozialen Wohlbefindens in Bezug auf die Sexualität und nicht nur das Fehlen von Krankheit, Funktionsstörungen oder Gebrechen. Sie setzt eine positive und respektvolle Haltung zu Sexualität und sexuellen Beziehungen voraus sowie die Möglichkeit, angenehme und sichere sexuelle Erfahrungen zu machen, und zwar frei von Zwang, Diskriminierung und Gewalt. Sexuelle Gesundheit lässt sich nur erlangen und erhalten, wenn die sexuellen Rechte aller Menschen geachtet, geschützt und erfüllt werden. Selbstverständlich gilt diese Definition für alle Menschen dieser Erde, egal, welcher Kultur und Religion, welchen Geschlechts oder welcher Herkunft sie sind.

Never too late

Zu Beginn einer Veränderung braucht es Erkennen und Mut. Wenn man seine Komfortzone verlässt, kann es auch unbequem werden. Oft heißt es: Starten Sie jetzt, damit es am Ende gut wird. Wir wollen aber nicht auf ein Ende warten.

Lebendige Sexualität verändert sich ständig – gestalten Sie die Ihre doch einfach mit. Es ist ein Weg, der niemals enden muss, auch wenn wir sicherlich mit 20, 50 oder 100 Jahren unterschiedliche Bedürfnisse haben. Nur weil wir mit Anfang 20 vielleicht richtig viel Spaß am Sex haben und vielleicht auch ganz selbstverständlich tolle Orgasmen genießen, heißt das noch nicht, dass uns mit 57 dieselben Spielvarianten glücklich machen. Nur weil wir mit 35 noch nie lustvollen Sex, vielleicht noch nie einen Orgasmus genossen haben, heißt das noch lange nicht, dass wir nicht mit 35,1 oder 80 den besten Sex unseres Lebens haben können (eine Frau hat mir erzählt, ihre Mutter hätte sich mit 78 Jahren einen Liebhaber zugelegt und behaupte nun ständig, ob man es hören wolle oder nicht, sie hätte den besten Sex ihres Lebens).

Ein reicher Schatz an Möglichkeiten

Falls Sie schon ein paar Jahre Erfahrungen mit Ihrer Sexualität sammeln durften: Können Sie sich noch erinnern, was Sie im Laufe Ihres Lebens alles erlebt haben, was Ihnen richtig gutgetan bzw. was Sie so richtig erregt hat? Haben Sie Ihre erotischen Träume schon vergessen oder haben Sie noch Kontakt zu den Bedürfnissen, die in Ihnen schlummern? Worauf warten Sie? Egal ob Sie in einer Beziehung sind (hoffentlich in einer Beziehung mit guter Sexualität) oder gerade allein, mit diesem Buch können Sie in jedem Fall sich selbst und Ihrer Sinnlichkeit näherkommen, Ihre Lust und Sexualität wieder neu entdecken, erlernen bzw. verlernen. Viele von uns haben sich Gewohnheiten zugelegt, die nicht mehr passen oder sogar immer nur ein „Mitmachen“ waren – wo bleiben da Lebendigkeit, Freude, Lust?

So keep on dreaming and dancing, till you meet a person you like to play with.

Und falls Sie gerade erst beginnen, Ihre Sexualität zu entdecken, sich ihr zu nähern, finden Sie hier einen reichen Schatz an sinnlichen Anregungen. Ja, ich möchte Sie anregen – denn Sie „müssen“ beim Sex nichts, sie haben nichts zur „erledigen“ und Sie können nichts „richtig“ oder „falsch“ machen, solange Sie und alle Beteiligten erwachsen sind und freiwillig mitmachen.

Vielleicht haben Sie keine Lust auf Sex und sind frustriert, weil Sie nicht wissen, wie Sie diese wieder aktivieren können? Solche Phasen gibt es im Leben fast jeder Frau (fast jedes Menschen)! Manchmal lassen sich die genauen Gründe nicht festmachen, manchmal steckt beispielsweise eine Beziehungskrise dahinter, Stress, Trauer, Ärger, Hormonumstellungen, etwa nach einer Schwangerschaft … und vieles mehr. Lustlose Phasen können kommen, sie dürfen da sein. Oft freuen wir uns, wenn sie wieder gehen. Sie können einiges dafür tun, wenn Sie diese tiefe Sehnsucht nach Lebendigkeit und Lust in sich spüren – und zwar genau so intensiv und in dem Tempo, wie es für Sie passt, ganz ohne Leistungsdruck, ohne Performance.

Sie sind in der Lage, Ihre Gedanken umzudrehen. Statt „Mach mich glücklich“ kann es heißen „Ich mach mich glücklich!“ Viel Vergnügen dabei!

Je weniger Erwartungen Sie dabei an den Tag legen, je mehr Offenheit und Neugierde Sie mitbringen, umso größer können Emotionen und Spielräume werden, umso schöner die Überraschungsmomente. Darf es mehr sein?

Für die Praxis empfiehlt es sich, die Kraft der kleinen Schritte zu nützen – sich also täglich eine Anregung zu gönnen und wirklich in die Sache einzutauchen. Denn so kann ein Prozess in Gang kommen, der Ihre Freiräume für eine lebendige Lust erweitern kann. Wollten Sie das nicht?

EIN STREIFZUG DURCH DIE VERGANGENHEIT DER WEIBLICHEN SEXUALITÄT

Wie unsere (Ururur…-)Ahnen tatsächlich gelebt haben, lässt sich in den meisten Fällen nicht wirklich detailliert belegen. Immer noch wirft jedes „Fundstück“ neue Fragen auf. Trotzdem wage ich hier eine kurze Rückschau – und ein paar Gedanken.

In jedem Fall gab es über die Jahrtausende hinweg völlig unterschiedliche Formen des menschlichen Zusammenlebens. Ob patriarchal oder durch ein Matriarchat geprägt, ob in Sippen oder familienähnliche Strukturen gegliedert – die diesbezügliche Ausprägung der Kulturen zeigte sich bis vor relativ kurzer Zeit ziemlich divers, manchmal sogar von Landstrich zu Landstrich oder gar von Tal zu Tal. Wie die Organisation jeweils funktionierte, kann nur vermutet werden. Hier gibt es völlig verschiedene Zugänge, was wohl auch daran liegt, dass die „Beweislage“ nur sehr lückenhaft ist bzw. immer nur aus heutiger Sicht interpretiert werden kann.

Auf die Suche nach Nahrung machten sich die Menschen über eine lange Zeitspanne ihrer Entwicklungsgeschichte in größeren oder kleineren Gruppen. Während dieser Zeit, so vermutet man, wurden die Kinder eher den Frauen „zugeordnet“ – und von den Frauen einer Sippe, die sich gegenseitig unterstützten, gemeinsam aufgezogen. Die Zeugung eines Kindes fand (vielleicht auch nur in manchen Kulturen?) ohne familiäre Verpflichtung für den Mann statt. Ein Liebesspiel war Wunsch der Frau. Man nimmt auch an, dass die Frau wählen konnte, mit wem sie geschlechtliche Liebe, Sexualität, genießen wollte. Rein körperliche Vereinigungen, also ohne Liebe, waren wahrscheinlich normal, eine entsprechende Beziehung gab es angeblich nur, solange es „passte“ (Freude machte?). Man vermutet zudem, dass es möglich war, mehrere Lieben parallel zu genießen (die romantische Liebesbeziehung, wie wir sie uns heute wünschen, ist eine relativ neue Entwicklung, die sich erst ab dem 18. Jahrhundert ausbreitete – davor waren Beziehungen durchaus auch Vereinbarungen, die jeder Romantik und romantischen Liebe entbehrten).

Moral und Macht

Vor ungefähr 400.000 Jahren waren die Vorfahren des heutigen Menschen durch den Klimawandel gezwungen, von Sammlern zu Jägern zu werden. Durch Zusammenarbeit und gegenseitige Hilfe wurde die Nahrungssuche einfacher und so konnte sich eine „kooperative Moral“ entwickeln. Vor rund 150.000 Jahren soll sich daraus dann ein gemeinsames Verständnis von Mitgefühl und Loyalität, ein Gespür für Richtig und Falsch entwickelt haben – also eine Art Gruppenmoral. Dies war die Basis für die Ausprägung eines gemeinschaftlichen kulturellen Weges und die Grundlage für eine kommunikative Kooperation, aber auch für die Entwicklung von Individualität. Wir Menschen haben uns mit unserem Bewusstsein im Laufe der Zeit immer weiterentwickelt – und wir werden es auch weiterhin tun.

Das menschliche Rollenverhalten änderte sich über die Jahrtausende durch sich ebenfalls verändernde moralische Rahmen. Ein besonders markanter Einschnitt war die Entwicklung der Landwirtschaft und der Sesshaftigkeit. In der Nähe des heutigen Jericho wurde die bisher älteste Siedlung entdeckt, sie soll rund 10.500 Jahre alt sein. Mit der Sesshaftigkeit begann die Zeit der „mächtigen, starken Männer“, da eher Männer Besitz aus Beutezügen mitbrachten. Wer Land und Besitz hatte, war angesehen und wurde mächtig (Vermögen zu sammeln und zu halten, hieß mächtiger werden) – und diese Tatsache war wohl der Nährboden für die Entstehung des Konkurrenzverhaltens: Man wollte das haben, was der andere hatte, Neid und Diebstahl und Zerstörung waren keine Fremdworte mehr. Es kam zu Kriegen, man kämpfte, raubte und verteidigte sich. Und „man“ ist hier tatsächlich mit „Mann“ gleichzusetzen: Es waren Männer, die Kriege führten, und Männer, die Frieden schlossen.

Allerdings bin ich persönlich davon überzeugt, dass es nicht nur diese fixierten, klar getrennten Geschlechterrollen gab. Ganz sicher gab es auch Frauen, die gejagt haben, und Männer, die es nicht getan haben. Wir dürfen unsere Gedanken deutlich weiten. An dieser Stelle: Diese tradierten Geschichten und Werte sind wirklich gründlich zu hinterfragen – ganz im Sinne von Simone de Beauvoir, die meinte, zu dieser Frau, die wir immer noch sein sollen, sind wir nicht geboren, sondern gemacht worden.

Warum Frauen treu sein sollten

Mit der Sesshaftigkeit wurden die Kinder vermutlich den Männern „zugeordnet“. Die schlichte Formel lautete: überleben, fortpflanzen, vererben. Die Treue der Frau wurde immens wichtig, vor allem, damit der Mann sicher(er) sein konnte, dass er tatsächlich die von ihm gezeugten Kinder versorgte. So entwickelten sich auch bei Paaren Machtstrukturen bzw. Einschränkungen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt begann die Unterdrückung der natürlichen sexuellen Bedürfnisse der Frau.

Frauen wurden im Laufe der Geschichte immer wieder am eigenen und freien Lustempfinden gehindert – zum Beispiel durch äußerst harte Maßnahmen wie das Einschnüren der Füße und das Beschneiden der Klitoris, durch Keuschheitsgürtel, aber auch durch Beschimpfungen oder Beurteilungen wie Hure, Schlampe, Nymphomanin usw. Unsere Ahninnen mussten zu oft lernen, frau ist besser nicht lustvoll, denn das tut weh. Auch Religionen trugen das Ihre dazu bei. Viele Frauen lebten mit der Angst, ersetzt, „verstoßen“ oder von ihren Kindern getrennt zu werden, teilweise mussten sie auch ihre Kinder schützen. Sich dem Mann unterzuordnen, wurde lebensnotwendig. Und so lernte frau sich selbst und ihre Bedürfnisse zu „beherrschen“, zu unterdrücken.

Wenn frau sich auf lustvolle oder gar selbstsichere Art zeigte, so war das tendenziell nicht gesellschaftskonform, es gehörte sich nicht. (Woll-)Lust wurde mit der käuflichen Liebe, also der Prostitution, verbunden. „Wertvolle“ und ehrwürdige Frauen hingegen wurden vom Mann (Vater) an den Mann (Ehemann) übergeben und keinesfalls als selbstverantwortlicher, gleichwertiger Mensch behandelt. Eine zur (Ehe-)Partnerin gewählte Frau sollte ehr- und berechenbar, verlässlich, sanftmütig und gehorsam sein und Mann und Kinder umsorgen.

Weibliche Lust habe weibliche Autonomie und somit auch Macht bedeutet – und bedeute es auch jetzt noch, sagt Sandra Konrad in ihrem Buch „Das beherrschte Geschlecht“. Aus heutiger Sicht wisse man, dass diese Kombination Männern durchaus auch Angst mache – was vor allem dann der Fall sei, wenn die Gesellschaft sexuellen Bedürfnissen und Frauen kritisch gegenüberstehe. Unterdrückte Begierde könne zu einer explosiven Mischung aus Scham, Schuld und Hass werden – ob im Mittelalter oder in unseren Tagen, in den USA oder im Iran, im Islam oder im Katholizismus. Und gerade diese Mischung richte sich immer noch oft gegen Frauen und/oder Minderheiten.

Der Mann wollte als Ehefrau also kein lustvolles, selbstsicheres und starkes Weib, das seine sexuelle Energie lebt und in ekstatischen Momenten außer sich geraten kann – aber natürlich wissen wir nicht, was hinter verschlossenen Türen abgelaufen ist. Akzeptiert oder gesellschaftlich anerkannt war die lustvolle Frau jedoch nicht (und das ist oft heute noch so).

Die Legende von Lilith, Adam und Eva

Aus der biblischen Schöpfungsgeschichte sind uns meist nur Adam und Eva bekannt. Es gibt aber auch Geschichten, die von einer anderen Frau Adams erzählen. Sie heißt Lilith – schon einmal gehört? Doch wer genau war diese Lilith?

Einer alten jüdischen Legende nach war Lilith die erste Frau an Adams Seite. Wie dieser von Gott aus Erde geschaffen, war sie ihrem Mann ebenbürtig und akzeptierte Adam weder als ihren Beherrscher noch als Familienoberhaupt. Weil sie sich nicht unterwerfen, sondern gleichwertig sein wollte, floh sie letztendlich vor den Machtansprüchen ihres Mannes.

Wie die Legende weitererzählt, irrte die „verfluchte“ Lilith fortan als Nacht- und Windgeist umher, unglücklich und angeblich kindermordend. Sie galt als schön, als Verführerin der „armen hilflosen Männer“. Auch Eva hat doch später der Legende nach mit dem Apfel Adam verführt. Spannend, oder? Wir Frauen waren scheinbar die lustvollen Verführerinnen – bevor genau dies ver- und beurteilt wurde (wo also bleibt der Mann als Verführer, der selbstverantwortlich agiert – aber das ist wohl eine andere Geschichte?!)! Lilith mutierte in dieser Legende zum Angstbild der „guten Frau“, weil sie „böse und für andere Frauen gefährlich“ war.

Eines Tages traf Lilith zufällig auf Eva, Adams zweite Frau (von Gott aus einer Rippe Adams erschaffen). Lilith misstraute der „braven“ Eva, Eva wiederum hatte Angst vor der „gefährlichen“ Lilith, über die sie schon viel gehört hatte. Beide waren jedoch auch neugierig aufeinander, lernten einander besser kennen und in ihren Unterschiedlichkeiten verstehen und wurden Freundinnen, die sich nicht mehr gegeneinander ausspielen ließen. Die Unterordnung der Frau in Ehe und Familie akzeptierten beide nicht.

Schauergeschichten, die Frauen diskreditieren, wurden von Männern gerne verbreitet. Und so ist jener Teil der Geschichte, der von Liliths und Evas Begegnung berichtet, auch weit weniger bekannt als die Geschichte über die „dämonische“ Lilith. Offenbar war dem Menschen ein co-creatives Miteinander zum Wohle aller nicht in die Wiege gelegt – dieser Legende nach, die be- und abwertet, verteufelt, verurteilt, Frauen kategorisiert und unterdrückt.

Ehe und Familie wurden in patriarchale, über die Jahrhunderte ausgebaute Erzählungen eingebettet. Ein klares Konstrukt entstand: Der Mann ist der mächtige, tonangebende Teil in der Beziehung. Ein unabhängiges Leben von Frauen wurde nicht akzeptiert. Seit einiger Zeit wird die unabhängige Lilith aber wieder zum Thema. Gut so. Denn es ist wichtig, dass wir uns an die gleichberechtigte und unabhängige Frau erinnern – es ist unsere Chance, verkrustete Geschlechterrollen, die schon lange nicht mehr zu uns passen, neu zu gestalten. Für mich steht Lilith für eine urweibliche, kraftvolle Frau, die keinesfalls umgekehrt den Mann unterdrücken oder abwerten wollte, sondern in ihrer Weiblichkeit gleichwertig UND anders sein will und darf. Wollen wir alle unsere Lilith-Anteile integrieren?

Die Ehe im Wandel der Zeit

Die generellen Möglichkeiten und Rechte der Frau änderten sich auch mit der Entwicklung der „fixen Ehe“. Der Mann war in erster Linie für die materielle Basis, für Besitz und Außenleben (später das gesellschaftliche Leben) zuständig, die Frau für das innerfamiliäre Leben, also Haushalt, Kindererziehung etc.

Bildung für Frauen war nicht erwünscht und wurde dementsprechend nicht gefördert – sie hätte zu unabhängig gemacht. Ein Studium konnten Frauen in Deutschland erstmals im 20. Jahrhundert aufnehmen – was noch lange nicht hieß, dass sie Bildung tatsächlich „genießen“ durften. Auch und gerade während der Zeit des Nationalsozialismus war das für Frauen kein Thema.

Zu einer weitgehenden rechtlichen Gleichstellung von Mann und Frau kam es zum Beispiel in Österreich erst durch die Familienrechtsreform 1975. Bis dahin konnte ein Mann den Job seiner Frau kündigen und ihr Einkommen verwalten – und somit über ihren Kopf hinweg entscheiden.

Da die Ehe bis vor etwa zweihundert Jahren vor allem eine Versorgungseinrichtung war und Romantik und Liebe erst später entscheidend wurden, lag lange Zeit der Schluss nahe: Ehe und lustvolle Sexualität gehören nicht „logischerweise“ zusammen. Vor diesem Hintergrund sprach man über Sexualität in einer festen Beziehung wie der Ehe von ehelichen Pflichten – ein Lustkiller schlechthin (der sich sehr lange recht gut behauptete). Frau sollte sich mit ihren wahren Bedürfnissen nicht zeigen, man(n) musste sich nicht anstrengen – es ist noch nicht so lange her, da war Sexualität für viele die rasche, zielgerichtete Entladung des Mannes in der Frau. Punkt. Das reichte als schlichte Triebbefriedigung des Mannes, reichte, um Kinder zu zeugen. Man hatte ja als Mann immer noch die weitgehend geduldete Möglichkeit, seine Lust an Geilheit, erotischem Spiel oder Ekstase mit Mätressen oder in Bordellen auszuleben.

Noch 1966 (!) wurde in Deutschland ein Gesetz verabschiedet, das klarstellte, dass die Frau nicht nur ihren ehelichen Pflichten nachkommen muss – sondern ihr auch verbot, Widerwillen oder Gleichgültigkeit zur Schau zu tragen, sollte sie keine Zufriedenheit erlangen. Es lautete1: „Die Frau genügt ihren ehelichen Pflichten nicht schon damit, dass sie die Beiwohnung teilnahmslos geschehen lässt. Wenn es ihr infolge ihrer Veranlagung oder aus anderen Gründen, zu denen die Unwissenheit der Eheleute gehören kann, versagt bleibt, im ehelichen Verkehr Befriedigung zu finden, so fordert die Ehe von ihr doch eine Gewährung in ehelicher Zuneigung und Opferbereitschaft und verbietet es, Gleichgültigkeit oder Widerwillen zur Schau zu tragen.“ Vergewaltigung in der Ehe war in Deutschland bis 1997 kein Straftatbestand.

Geschichtlich betrachtet ist es nur einen Wimpernschlag her, dass diese – aus heutiger Sicht unglaublichen – Gesetze Gültigkeit hatten, also ganz und gar nicht lange. Wir selbst, unsere Mütter oder Großmütter sind von dieser Haltung weitgehend geprägt, selbst wenn eine Ehe hoffentlich in vielen Fällen eine liebevolle Beziehung war und die entsprechenden Gesetze nicht zum Tragen kamen. Es ist aber nicht verwunderlich, dass viele Frauen nach wie vor Orgasmen vortäuschen oder keinen selbstverständlichen Zugang zu ihrer eigenen Lust, ihrer Sexualität haben. Auch die Dinge, über die nicht gesprochen wurde, prägen uns. Sehr sogar.

Hysterische und frigide Frauen

Frauen, die ihre Lustbedürfnisse und ihre Sexualität nicht ganz unterdrücken wollten oder konnten, nannte man zu Beginn des 20. Jahrhunderts (und wohl auch länger) hysterische Frauen – und nicht wenige wurden so bezeichnet. Manche der wohlhabenderen wurden zum Arzt geschickt, der sie gar nicht selten manuell zum Orgasmus massierte. Was für ein Job – man stelle sich das heute vor! In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfand der britische Mediziner Joseph Mortimer Granville schließlich den Vibrator, die Handarbeit war vielen Ärzten zu mühsam geworden (wie schön, dass wir heute schon viele Schritte weitergekommen sind und es immer mehr Männer gibt, die sich an der Lust und Ekstase ihrer Frauen erfreuen – trotzdem, danke, Joseph Mortimer Granville!).

Auf der anderen Seite wurden (und werden bis heute) Frauen als frigide bezeichnet, nämlich dann, wenn sie sich dem Sex, aus welchen Gründen auch immer (Angst, Traumata, Unwissenheit, körperliche Einschränkungen, Schmerzen, hinderliche Glaubenssätze etc.), nicht hingeben konnten, oder wenn es nicht möglich war, ihrem Mann „ihren Orgasmus zu schenken“, damit er sich, oft mit Sex nur durch Geschlechtsverkehr, als „guter Liebhaber“ wähnen konnte.

Sandra Konrad weist in „Das beherrschte Geschlecht“ darauf hin, dass weibliche Lust ein Mysterium war und es teilweise noch immer ist. Je nach Epoche und Zeitgeist habe eine andere Haltung vorgeherrscht: Entweder hätte sie gebändigt oder geweckt werden müssen, wäre sie gefürchtet oder herbeigesehnt, überhöht oder übersehen worden. Einst sei sie unterdrückt worden, heute werde sie per Pille verschrieben.

Ein wechselhaftes 20. Jahrhundert

Im vergangenen Jahrhundert gab es wohl die komprimierteste Entwicklung „rund um die weibliche Sexualität“ und starke Pendelausschläge in unterschiedliche Richtungen. Den schweren Jahren während des Ersten Weltkrieges folgten die wilden 20er (1928 wurde in Deutschland übrigens das Züchtigungsrecht des Ehemannes gegenüber der Ehefrau abgeschafft) und die schlimme Zeit des Zweiten Weltkrieges. Das Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit, der Beginn der Emanzipationsbewegung und des Feminismus, das 68er-Jahr mit den Versuchen der freien Liebe – die Herausforderungen, aber auch die neuen Möglichkeiten waren da für manche groß.

Mit Willen und Mut auf neuen Wegen

Zusammenfassend kann man sagen: Trotz all der widrigen Umstände haben Frauen immer wieder auch Wege gefunden, ihre Sexualität lustvoll zu leben, vorausgesetzt, sie wollten es und waren mutig genug – wenn auch nicht wirklich frei, selbstbestimmt und gleichwertig.

1 Quelle: Heribert Prantl, Süddeutsche Zeitung

WO WIR FRAUEN HEUTE STEHEN

Was uns prägt

Was denken wir Frauen?

2018 habe ich zwei – nicht gesponserte – Online-Umfragen durchgeführt, an denen jeweils ca. 250 bis 290 Frauen im Alter zwischen 20 und 76 Jahren teilgenommen haben – mit bemerkenswerten Ergebnissen (vermutlich sind diese Prozentsätze deutlich „positiver“ als im breiten Bevölkerungsdurchschnitt, trotzdem zeigen sie Tendenzen).

»36 Prozent der Frauen sagten, ihr Körper sei nicht sexy, weiblich oder jung genug

»über 19 Prozent glaubten, dass das sexuelle Verlangen mit den Jahren aufhöre

»ca. 15 Prozent hatten Angst davor, ihre Lust zu zeigen, weil man sie sonst als „Schlampe“ verurteilen könnte

»noch gut sieben Prozent vermuteten, dass „er“ gehen würde, wenn sie beim Sex nicht machen würden, was er wolle

Andere Glaubenssätze und Meinungen, die genannt wurden, hießen zum Beispiel: Es gehört sich nicht, zu zeigen, was einen erregt. Er muss unbedingt einen Orgasmus bekommen, meiner ist nicht so wichtig. Ich habe Angst, die Kontrolle zu verlieren, wenn ich mich zu sehr fallen lasse. Ich wurde katholisch erzogen und empfinde ein großes Schuld- und Schamgefühl, wenn ich erregt bin. Ich muss immer so tun, als ob ich komme, damit er glücklich und bestätigt ist. Ich rieche „da unten“ vielleicht nicht gut. Ich mag nicht, dass er mich leckt, ich bin ja schmutzig da unten. Ich bin nicht jung und attraktiv genug.

Der Grundtenor bei all dem heißt eindeutig: Frau ist nicht genug (wie traurig, dass uns die Gesellschaft, die Medien immer noch so unterdrücken). Was macht es mit uns Frauen, wenn wir so denken oder agieren? Wie geht es Ihnen, wenn Sie in die Meinungen anderer Frauen eintauchen? Sorgen solche Gedanken für Lust auf Sinnlichkeit, Erotik und ein freies, guttuendes Miteinander? Wohl eher nicht.

Auch wenn diese Verunsicherungen und Ängste sehr menschlich sind – unsere Wahrnehmung fokussiert sich genau darauf. Wir finden quasi immer Bestätigung für dieses „Nicht-Genügen“, weil wir anderes rundherum gar nicht mehr bemerken, sondern voll auf vermeintliche „Mängel“, also Besonderheiten abseits der Norm, fokussiert sind. Haben Sie ähnliche Sätze im Kopf oder gehören Sie zu den Frauen, die freier sind? Lilith, bitte wach auf in uns, wir sind es: vollwertige, lustvolle, sinnliche Frauen, die ganz wunderbar sind, wie wir sind, egal in welchem Alter, mit welcher Figur, mit welchen sexuellen Bedürfnissen!

Alte und neue Geschichten

Nun, wir müssen nicht weit schauen: Wir sind in unserer Sexualität selbst heute noch nicht frei, sondern befinden uns inmitten alter und neuer einengender Geschichten, legen Verhaltensweisen an den Tag, die wir – woher auch immer sie kommen mögen – übernommen haben. Auch wenn wir bereits einiges losgeworden sind, vieles haben wir uns erhalten (und Neues geschaffen, doch dazu später). Nach wie vor existieren reihenweise Mythen, die uns prägen – hier seien nur einige erwähnt: Das erste Mal tut weh, ein Orgasmus gehört dazu, Männer wollen immer, Männer können immer, der Orgasmus des Mannes ist wichtiger, nur spontaner Sex ist gut, je größer der Penis, umso mehr Spaß für sie, nur Frauen können einen Orgasmus vorspielen, bei richtig gutem Sex kommen immer beide gleichzeitig, frau muss nicht erregt sein, einen Penis aufnehmen kann sie immer, nur junge Frauen sind begehrenswert, Lust hört irgendwann eben auf, Sex funktioniert von selbst oder nicht, usw. usf.

Unsere Gesellschaft kennt viele destruktive Regeln, die beide Geschlechter in enge Rollen zwängen wollen, denn so ist die Masse auch leichter zu formen. Viele davon kommen „von oben“ und sind immer noch viel zu männlich dominiert – im Sinne von „alter weißer Mann“. Ich verwende diesen Begriff hier für Menschen, egal welchen Alters und Geschlechts, die in alten patriarchalen Strukturen und Denkmustern stecken. „Alte weiße Männer“ haben sich auch in uns Frauen versteckt, ja, leider – in uns Frauen, die wir einander beurteilen und oftmals dazu beitragen, dass wir „klein“, „artig“, „brav“, „richtig“ bleiben.

Elternhaus, Schule & Co

Einen entscheidenden Einfluss darauf, wie wir auf das Thema Sexualität schauen und wie wir damit umgehen können, hat unser Elternhaus – die „Maßstäbe“, die wir in der Kindheit kennen gelernt haben, können im besten Fall zu uns passen und uns im weniger guten eher einschränken – für viele ist die eigene Sexualität ein großes Tabuthema.

Ob wir aus einem aufgeschlossenen, modernen oder aus einem eher konservativen Elternhaus bzw. Umfeld kommen: Wir haben unbewusst miterlebt, wie zu Hause über Sexualität, Erotik, Lust gedacht wurde – das heißt auch, dass wir unbewusst gelernt haben, wie Sex ist: gut oder nicht, „normal“ oder nicht. Haben die Eltern einander im Alltag berührt und waren sie liebevoll zueinander, haben sie ganz natürlich auf ihre Intimsphäre geachtet? Gerade in der Körperlichkeit, der Sexualität ist es unglaublich wichtig, dass wir durch gesundes Erleben lernen, auf uns und unsere Intimsphäre zu achten (vielleicht war uns das nicht vergönnt, aber wir können im Hier und Jetzt selbst dafür Sorge tragen, es ist nie zu spät!).