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Mein Sommer mit Dakota - die etwas andere Pferdegeschichte. Tilda, 12 Jahre, liebt Pferde über alles. Aber anstatt Reiterurlaub, wie ihre Freundinnen es in den Ferien erleben werden, geht es für Tilda mit ihrer Familie auf den Campingplatz. Was wie ein typischer und langweiliger Urlaub beginnt, nimmt aber eine unerwartete Wende. Dieses kurzweilige Jugendbuch ist gespickt mit vielen Profitipps rund um das Thema Pferd. Dabei ist es kein typisches Lehrbuch, sondern eine für Kinder und Jugendliche geschriebene Geschichte mit vielen wertvollen Lehransätzen im Umgang mit Pferden.
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Seitenzahl: 135
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Text und Illustrationen von Iris Uhlenbrock
Ersterscheinung 2023
Die etwas andere Pferdegeschichte
Der letzte Schultag
Der Sonne entgegen
Allein, allein
Am Fuße des Berges
Und es duftet nach Heu
Die Leitstute
Aus Fohlen werden Pferde
Dakota – Bestes Pferd der Welt
Vom Fluchttier zum Reitpferd
Abschied tut weh
„Tildaaaa!“ In der gleichen Sekunde, in der mir Mutters schrilles Rufen durch Mark und Bein geht, stehe ich auch schon senkrecht im Bett. „Beeile dich, mein Schatz. Der Schulbus wartet nicht.“ Ach ja, es war der letzte Schultag vor den großen Ferien. Mein Zeugnis hatte ich bereits gestern erhalten. Nichts, was nicht vorhersehbar gewesen war. Mathe ist klasse – also eine glatte Eins! Deutsch, na ja, mit einem Befriedigend kann man gut leben. Der heutige Tag wird sowieso nichts mehr rausreißen. Aber gleich nach den Sommerferien, so versprach ich Mama gestern, werde ich mich auf den Hosenboden setzen. Die dann beginnende siebte Klasse soll kein Stolperstein werden. So gern möchte ich doch, wie meine Freunde von der Realschule, auf das Gymnasium wechseln. Auch, weil der Weg kurz und ich somit ein wenig länger schlafen kann. Aber jetzt will ich mich sputen. Sonst muss ich, wie so oft, ohne ein Frühstück zum Bus eilen.
Mit einem Blick in den Kleiderschrank entscheide ich mich – die Jeans von gestern tut es auch heute noch. Mein roter Lieblingspulli lässt sich nicht orten. Wahrscheinlich hatte Mama beschlossen, dass es Zeit wurde, ihn der nötigen Wäsche zuzuführen. Na denn, ein blaues T-Shirt passt auch ganz wunderbar zur Jeans. Und schon stürme ich zur Tür, um die Treppenstufen nach unten zur Küche zu nehmen. „Mach langsam! Bestimmt hast du wieder keine Hausschuhe an und du fällst womöglich“, tönt Mama aus der Küche. Woher sie wusste, dass ich strumpffüßig zwei Stufen auf einmal nehmend Richtung Küche eile? Weil ich es immer so mache! Und immer sorgt sich Mama. Aber ich glaube, so muss das sein. Mit diesem Gedanken und einem Lächeln auf dem Gesicht nehme ich am Frühstückstisch Platz.
„Tilda, du denkst daran, dass wir noch am Nachmittag in den Urlaub fahren? Also sei pünktlich und trödle nicht auf dem Heimweg“. Urlaub... Bei uns heißt Urlaub Campingplatz. Meine Freunde fliegen nach Mallorca, in die USA oder zumindest nach Österreich. Seit ich denken kann, verbringe ich die Ferien auf dem Campingplatz in ca. 100 km Entfernung. Immer fahren wir bereits am ersten Ferientag. Manchmal braucht es Tage, bis meine Freundinnen mit ihren Familien auch dort eintreffen. Dann, so Gott will, scheint wenigstens die Sonne. Denn sonst muss ich die Zeit kartenspielend im Wohnwagen verbringen. Nicht, dass ich das nicht mögen würde, aber das Problem heißt Thomas – mein kleiner Bruder. Er ist ein ganz schlechter Verlierer. Und wenn die Stimmung nicht unter den Gefrierpunkt sinken soll, gehören absichtlich verlorene Spiele zur Routine.
Den Gedanken nicht weiterspinnend, esse ich meine heißgeliebte Scheibe Toast mit Honig. Ein Blick auf die Küchenuhr gegenüber dem Esstisch verrät, dass ich mich sputen muss. „Mama, ich bin fertig und mache mich auf den Weg zum Bus“, rufe ich meiner Mutter zu, die in den Keller gegangen ist, um die Koffer zu holen. „Jaaa, bis heute Mittag“, höre ich Mama, während ich in meine Sneakers und Jacke schlüpfe.
Mit einem Satz springe ich in den gerade gehaltenen Schulbus, sowie dieser die Türen öffnet. Ein wenig fühle ich mich genervt von der Lautstärke, die mir entgegenschlägt. Die Aufregung der Schüler am letzten Schultag vor den großen Ferien war laut hörbar. Ich schaue mich um, denn ich erwarte meine Schulfreundin Simone zu sehen, die eigentlich schon im Bus sein sollte. Der Platz, den sie mir üblich freihält, war belegt. Wo war sie nur? Vielleicht hat sich ihre Familie entschlossen bereits heute den Urlaub zu beginnen? Das ist mir auch recht. Denn auf die Fragen, wohin es denn für mich in den Urlaub ginge, habe ich gerade gar keine Lust. Also hangle ich nach einem Haltegriff, den ich so eben erreichen kann und balanciere die Fahrt zur Schule im Stehen.
Ist das ein Tohuwabohu auf dem Flur und auch noch im Klassenzimmer. Kein Lehrer weit und breit. Unterricht steht wohl heute bei Niemandem mehr so recht auf dem Plan. Mit einem Blick erkenne ich, dass die Klasse bei weitem nicht vollständig ist. Die 7c der Pestalozzi-Realschule hat eigentlich mit mir 29 Schüler. Aber überblicken kann ich nur 20, 22 tobende und schreiende Kinder. Ach, im Übrigen „überblicken“ kann ich gut. Ich überrage meine Klassenkameraden mit fast einer Kopflänge. Meine strubbeligen kurzen blonden Haare ragen immer irgendwo aus der Menge hervor. Trotz des heillosen Durcheinanders setze ich mich auf meinen Platz. Da kommt auch schon Dorothee, meine liebe Sitznachbarin und Freundin. Sie hat ein sonniges Gemüt. Immer gut gelaunt und sie ist, so scheint es, niemals aus der Ruhe zu bringen. „Guten Morgen Tilda“, flötet sie mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht. Sie zieht sich einen umgestürzten Stuhl heran und setzt sich neben mich. Mit einem Wumm schwingt sie ihre Tasche auf den Tisch und beginnt darin herumzuwühlen. „Einen Moment – gleich habe ich es – ahhh hier ist es“, flüstert sie mir mit roten Wangen zu. Im nächsten Moment schiebt sie einen Prospekt so nah vor mein Gesicht, dass ich erst gar nichts erkennen kann. „Wir fahren in der kommenden Woche auf einen Reiterhof“, gibt sie mir freudestrahlend zu verstehen.
Ach, wie gern hätte ich auch mal einen Reiturlaub gemacht. Aber, so teilte mir Mama und Papa wiederholt mit, geht das finanziell nicht. „Kind, dafür haben wir doch den Campingplatz. Da können wir Urlaub machen so oft wir wollen.“ „Als wäre das eine angemessene Alternative“, seufzte ich schon oft in mich hinein. Was Mama nicht weiß ist, dass ich mich gern auf den Hof am Stadtrand schleiche. Das windschiefe Haus und der halbverfallene Stall machen keinen vertrauenswürdigen Eindruck. Es soll sich dort mal Jemand erhängt haben, erzählte mir Mama, damit die Ponys dort auf keinen Fall zu einem Magnet für mich würden. Legende hin oder her, ich habe dort bereits viele Nachmittage im Zwiegespräch mit Fanny verbracht. Fanny, so habe ich die kleine Fuchsstute genannt. Sie ist ein wenig rundlich und gemütlicher als ihre Weidekumpels. Oft saß ich in der östlichen Ecke der Weide, die nicht so gut eingesehen werden konnte und kraulte Fanny ihren zotteligen Schopf. Wie sie wirklich heißt weiß ich nicht, denn ich vermied, von dem Besitzer erwischt zu werden. Ich hatte ihn einmal im Supermarkt gesehen: ungepflegt, unrasiert und in schmutzigen Jeans. Nein, er lud nicht gerade zum Gespräch ein. Meinen Gedanken verwerfend wandte ich mich wieder Dorothee zu. „Pass auf Dich auf und fall nicht vom Pferd, Doro“, witzle ich. „Und Du musst mir versprechen, dann alles haarklein zu erzählen“, füge ich hinzu. „Ich hoffe, ich bekomme ein tolles Pony zugeteilt“, antwortet Dorothee zuversichtlich.
Mit einem lauten Knall schließt sich die Tür und alle Gespräche erlöschen. Unser Mathelehrer, Herr Schneider, geht mit großen Schritten auf das Pult zu. Mit seiner schlanken großen Statur, stolzer Haltung und schwarzen zurück gekämmten Haaren sieht er wie ein Spanier aus. Ich weiß, dass viele Mädchen der höheren Stufen verliebt in ihn sind. Ich finde ihn cool. Zumindest schafft er es, mich von einem dauerhaft schwatzenden Störenfried in eine mathe-interessierte Schülerin zu verwandeln. Sein Lieblingsspruch geht ungefähr so: „Ihr müsst nicht auswendig lernen, ihr müsst verstehen“. Oder so ähnlich. Ich denke, ich weiß, was er damit meint. Mit einem hörbar tiefen Atemzug erhebt er seine sonore Stimme: „Auch wenn dies der letzte Tag vor den Sommerferien ist, bitte ich um ein klein wenig Aufmerksamkeit.“ „Wir kontrollieren die Anwesenheit und dann bitte ich euch das Übungsblatt, welches ich gestern verteilt habe, zu bearbeiten. Ihr habt dafür genau 60 Minuten Zeit, dann verabschiede ich euch für die nächsten sechs Wochen in die Sommerferien.“ Ein hörbares Murren geht durch die Reihen. Ich entscheide mich, die Aufgaben gleich anzugehen. Wie sagt Mama immer: „Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen.“ Mit einem herzhaften Knuff in die Seite von Dorothee und einem Augenzwinkern zücke ich meinen Stift und beginne zu rechnen.
„Tildaaaa – Schuhe aus!“, höre ich, während ich die Stufen in die obere Etage nehme. „Ja Mama“, erwidere ich und drehe auf dem Absatz um. Neben der Haustür steht das Schuhregal. Sorgfältig sortiert stehen auf dem unteren Regalbrett Thomas Schuhe, damit er gut drankommt. In der Mitte sind meine Schuhe und die Pantoffeln, die ich blitzschnell gegen meine Turnschuhe tausche. Ich sehe, dass Mama ihre Freizeitschuhe bereits aus dem Regal genommen hat. Wahrscheinlich hat sie ihre Sachen für den Urlaub bereits gepackt. Ich muss sicher machen, dass meine Lieblingsklamotten im Koffer landen, weshalb ich mich sputen muss. Nicht, dass Mama das Packen für mich übernimmt. In meinem Zimmer angekommen, sehe ich, dass meine Reisetasche bereits auf dem Bett liegt. Gott sei Dank ist sie noch leer.
Lautstark fällt die Tür von Thomas Zimmer in den Rahmen. „Dann pack doch alleine. Das ziehe ich sowieso nicht an“, motzt mein kleiner Bruder. Wie immer. Mein Bruder hätte auch ein Mädchen werden können, so eitel wie er ist. Und wenn er seinen Willen nicht bekommt, fliegen die Fetzen.
Um weitere Diskussionen in meinem Reich zu vermeiden, schließe ich schnell die Tür. Ein Griff zum Radio, das neben der Tür steht und ich habe auch meine musikalische Ruhe. Kurz setze ich mich aufs Bett und überlege, was denn alles von Nöten sein wird in meinem Sommerurlaub. Hoffentlich benötige ich nur meine kurzen Hosen und T-Shirts. Nur zur Sicherheit krame ich in den Tiefen meines doppeltürigen Schrankes nach meiner Regenjacke und den Gummistiefeln. Sicher ist sicher, denn auch bei schlechtem Wetter werde ich es vermeiden, stundenlang im Wohnwagen zuzubringen.
Es ist kurz nach 16 Uhr, als mein Vater nach Hause kommt. „Corinna, mein Schatz. Endlich Urlaub. Dieses Jahr habe ich die Auszeit besonders herbei gesehnt. Puh. Machst du mir erst mal einen Kaffee, bevor wir losziehen?“, begrüßt Dad meine Mama in unüberhörbar müdem Ton. „Der Kaffee wartet bereits in der Küche“, erwidert meine Mutter mitfühlend und gibt ihm einen Begrüßungskuss.
„Ich kümmere mich um die Kinder und das Gepäck“, sagt sie und verschwindet in die obere Etage. „Wie schaut es aus? Habt ihr eure Taschen gepackt?“, ruft Mama fragend über den Flur. Thomas antwortet nicht, da er vertieft mit seinen Soldaten auf der Ritterburg spielt. „Bin fertig. Muss nur noch meine Musik-CDs und ein paar Bücher zusammensuchen“, brummle ich mir in den Bart. Lesen ist meine Leidenschaft. Mit den Büchern kann ich ganz in die Welt eintauchen, die nur in meiner Phantasie existiert. Eine Welt von Pferden, Abenteuern und Freiheit, ohne Schule und den Zwängen des Alltags. Seitdem ich lesen kann, verschlinge ich stundenlang ein Buch nach dem anderen. Nur zu gern lasse ich mich treiben und vergesse alles um mich herum. So greife ich nach dem letzten noch nicht gelesenen Buch aus der Leihbücherei. Mama sagt immer scherzhaft: „Für Dich brauchen wir noch eine Druckerei.“ Oder: „So viele Bücher werden gar nicht geschrieben, wie du liest.“ Immerhin kann ich die Bücherei nutzen, damit nicht mein ganzes Taschengeld für Lektüre drauf geht, denke ich verschmitzt.
Die 20 Euro Taschengeld – also mein gesamtes Taschengeld – bekommt zum Leidwesen meiner Eltern die Frau Mayer. Frau Mayer betreibt einen kleinen Reiterhof, 20 Minuten mit dem Fahrrad entfernt. Es ist kein Platz, an welchem ich viel Zeit mit Pferden verbringen kann. Aber immerhin bekomme ich alle 14 Tage eine Reitstunde. Oft sind die Pferde bereits geputzt und gesattelt. Das gefällt mir gar nicht, aber so ist das bei Frau Mayer. In der Abteilung wird dann 45 Minuten geritten. Einer hinter dem anderen. Ob ich überhaupt einen eigenen Weg mit meinem zugeteilten Pferd reiten könnte? Ich weiß es nicht und darf es auch nicht ausprobieren. Ausgiebige Streicheleinheiten verteile ich dann an Funny, der ich von meinen Reitstunden erzähle. Und so landet das Buch – Pferde der Welt – in meine Tasche, die ich dann rasch schließe.
Das Chaos beginnt, als der Kofferraum des Kombis bereits zum dritten Mal umgeräumt wird. „Muss das denn alles wirklich mit?“, fragt Papa ungeduldig. „Wir sind doch nur drei Wochen im Urlaub und starten nicht die Expedition ‚In 365 Tagen um die Welt'“, entfährt es ihm genervt. „Thomas, lass mal deinen Tretroller hier. Auf dem Campingplatz hast du doch dein Kettcar und dein Fahrrad“, beschwichtigt Mama. Den kurzen Protest von Thomas erstickt sie mit einem Blick, der auch den Hulk zum Verstummen gebracht hätte. Rums – und zu ist er, der Kofferraum. Erleichtert, dass nicht meine Gepäckstücke auf überflüssigen Krimskrams durchsucht und abqualifiziert zurückbleiben müssen, setze ich mich schnell auf die Rückbank. „Waren alle noch mal auf der Toilette?“, scherzt Mama. Der ewig letzte Satz, bevor es auf die kleinste Reise oder zum Einkauf geht. Selbst Thomas bleibt stumm, während er nach dem Sicherheitsgurt-Verschluss fingert. „Top Zeit. So schnell waren wir noch nie!“, bemerkte Papa, als er den Motor startet. Und ab geht es, der Sonne entgegen!
„Ich muss mal“, ertönt es nach nicht mal einer halben Stunde. Ich verdrehe die Augen. Wie typisch. Thomas zappelt auf seinem Sitz. „Ich muss wirklich dringend“, sagt er mit verkrampfter Stimme. Diskussionen nutzen hier nicht, weiß Papa aus Erfahrung und bietet an: „Die nächste Ausfahrt oder der Rasthof gehört uns! Dann geht jeder noch mal auf die Toilette.“ Warum auf einer Strecke von knapp einer Stunde eine Pinkelpause erforderlich ist, verstehe ich nicht. Aber Thomas ist da sehr konsequent. Ich kann mich nicht erinnern, wann wir mal irgendwo hingefahren sind, ohne nach wenigen Minuten die erste Pause gemacht zu haben. Meine Hoffnung ist, dass sich das mit dem Alter verwächst. Ich habe Mama auch in anderen Situationen Ähnliches sagen hören. Verwachsen – erwachsen. Es scheint, alles wird einfacher, wenn man erst mal erwachsen ist. Wobei ich für mich entschieden habe, dass ich dafür noch viel Zeit habe.
Nach erfolgreicher Zwangspause auf der Raststätten-Toilette sitze ich wieder auf der Rückbank und blinzle durch die Autoscheibe in die Sonne. Autos, Häuser, Felder und Berge ziehen vorbei. Mein Kopf ist leer und ich genieße den Ausblick der immer grüner werdenden Landschaft. Wir haben die Städte hinter uns gelassen. Die Wolkenformationen inspirieren meine Phantasie. Da ein Hundegesicht und dort drüben ein Schwan, der sich langsam auflöst. Ja, ich liebe die Natur. Das Gelb der fast reifen Felder und das satte Grün der saftigen Wiesen. Pferde, die in Gruppen friedlich nebeneinander grasen. Ich erfreue mich an Kühen, die mit ihren Kälbchen auf der Wiese stehen, anstatt in Milchfabriken binnen eines Tages von ihren Müttern getrennt zu werden – wie ich es leidvoll im Biologieunterricht erfahren musste. Den trüben Gedanken vertreibend fallen mir die Augen zu und dösend fahren wir unserem Ziel entgegen.
Das Rumpeln des Autos auf der unbefestigten Zufahrt zum Campingplatz lässt mich erwachen. Ich schaue nach draußen und erblicke die vertraute Ansicht des Wärterhäuschens, welches wir passieren müssen. „Guten Abend, Dietmar“, begrüßt Helmut der Campingplatz-Verpächter meinen Vater. „Hallo Helmut“, erwidert mein Papa fröhlich. „Ich dachte schon, ihr kommt heute gar nicht mehr. Es ist ja bereits nach 19 Uhr“, sagt Helmut in seiner unverwechselbaren krächzenden Stimme, die mich immer irgendwie an einen Papagei erinnert. Lachend entgegnet Papa: „Du kennst das ja. Kinder organisieren ist schlimmer als Flöhe hüten.“ Wen er damit wohl meint? Mich bestimmt nicht. Ok, im Vergleich zu Papa, der sein Gepäck in einer Kulturtasche unterbringen kann, warte ich mit großem Gepäck auf. Thomas reißt mich mit seiner Pieps-Stimme aus meinen Gedanken: „Papa, Papa, darf ich aussteigen? Ich möchte gern zu Fuß zum Wohnwagen laufen, ich kenne mich doch aus“, bettelt er. Schon hat er den Türgriff des Wagens gezogen und die Tür schwingt auf. Nur knapp verfehlt die Autotür den Balken der Einfahrtsschranke, die Helmut bereits für unseren Wagen geöffnet hat. „Na los, lauf“, lacht Papa und rollt dann langsam an, um die letzten hundert Meter zu unserer Parzelle zu fahren.
Wie befürchtet stelle ich fest, dass die meisten Urlauber noch nicht angekommen sind. Tina, meine Freundin aus der Parzelle nebenan, ist noch nicht mit ihrer Familie angekommen. Auch Petra von gegenüber ist noch nicht da. Bestimmt werden sie in den kommenden Tagen dazu stoßen. Mit einem Seufzer packe ich meine Taschen und trage sie in unseren geräumigen Wohnwagen.