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Paulina Schwope

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Beschreibung

Liana Delawiss ist die schönste – aber auch die frechste – Lady Englands, und das Wort Gehorchen existiert nicht in ihrem Wortschatz! Nach dem Tod ihres Vaters muss sie ihren geliebten Wohnsitz, Kingston Lacy, verlassen, denn ihr Vater hat alles an seinen Erzfeind, die Familie Barkon, verspielt. Doch Liana schwört sich, alles zu tun, um ihr Erbe zurückzuerlangen! Auf Castel Drogo begegnet sie dem attraktiven Grafen Ivo von Barkon – doch anstatt ihm mit Respekt zu begegnen, lässt sie ihn bei jeder Gelegenheit spüren, wie sehr sie ihn hasst und verachtet. Ivo hingegen ist fasziniert von ihrer temperamentvollen Art. Er ist es gewohnt, dass Frauen ihm zu Füßen liegen, doch Liana ist anders – sie widersetzt sich ihm mit jeder Faser ihres Seins. Trotz ihrer Entschlossenheit fühlt sich Liana oft einsam. Zum Glück steht ihr ihre treue Zofe Gerda stets zur Seite. Doch in ihren Gedanken verweilt sie immer wieder bei ihrer verstorbenen Schwester Amalia, deren Schicksal bis heute ein Rätsel bleibt. Eines Tages entdeckt sie in ihren Gemächern einen geheimnisvollen Brief – ein Brief, der ihr endlich verrät, was damals mit Amalia geschah. Wird es Liana gelingen, die Wahrheit ans Licht zu bringen?

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhaltsverzeichnis

 

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Demnächst …

Über Paulina Schwoppe

Impressum

 

 

Mein Traum

 

Paulina Schwoppe

 

Impressum

Inhaltsverzeichnis

 

 

Wimborne – England

Kapitel 1

Liana sitzt auf ihrem Bett und blickt sich nachdenklich um.

Nachdenklich atmete sie tief ein und ließ ihre Gedanken in die Vergangenheit schweifen – zurück in eine Zeit, als sie noch ein kleines Mädchen war. Damals lebten ihre geliebte Mutter, Lady Muria, und ihre große Schwester Amalia noch und die Welt schien in Ordnung.

In ihrer Heimat Kingston Lacy war sie glücklich und sorglos. Nichts konnte ihr Angst machen, niemand konnte ihr etwas anhaben. Sie glaubte fest daran, dass ihr Leben sicher und unerschütterlich war. Doch diese Illusion war längst zerbrochen. Die Realität hatte sich wie ein dunkler Schleier über ihr Leben gelegt, und nichts war mehr, wie es einmal war. Alles hatte sich gegen sie gewandt, wie ein nie endender Albtraum, aus dem es kein Erwachen gab.

Sie hatte einst alles, was sie sich je wünschen konnte – und doch hatte sie alles verloren, was ihr etwas bedeutete.

„Ich kann es nicht fassen. Verflucht noch mal, das kann doch nicht wahr sein!“, murmelte sie mit bitterer Stimme.

Liana stöhnte leise und dachte an ihre Mutter. „Warum bist du so früh von mir gegangen?“

Sie war erst zehn Jahre alt gewesen, als Lady Muria starb und konnte bis heute nicht verstehen, warum das Schicksal gerade in dem Moment so gnadenlos zugeschlagen hatte, als sie ihre Mutter am meisten gebraucht hätte.

Ihr Vater, Sir John, war einst ein angesehener und gerechter Herrscher gewesen. Die Bewohner von Wimborne liebten ihn, denn unter seiner Führung kannte das Land keinen Krieg, kein Leid, keinen Hunger. Kingston Lacy war der schönste Ort in ganz England. Doch dann kam der Tag, der alles veränderte.

Sir John hatte einen schweren Reitunfall. Danach war er nicht mehr derselbe Mann. Liana spürte von Anfang an, dass es mit ihm kein gutes Ende nehmen würde.

Er trank zu viel, verlor sich in sinnlosen Kartenspielen – immer in der Hoffnung, das Glück möge doch noch auf seine Seite wechseln. Doch das Glück war ihm nicht wohlgesonnen. Er verspielte alles: ihr Vermögen, ihre Ländereien und schließlich sogar das prächtige Schloss.

Doch das Schlimmste war nicht das verlorene Eigentum.

Liana selbst wurde zum Einsatz in seinem letzten verzweifelten Spiel.

Sir John setzte nicht nur Kingston Lacy, sondern auch seine eigene Tochter – und verlor.

Liana konnte nicht glauben, dass ihr Vater sie ausgerechnet an Graf Barkon verspielt hatte. Der Mann, der seit Jahren als größter Feind ihrer Familie galt. Warum genau diese Fehde existierte, hatte sie nie erfahren. Jedes Mal, wenn sie danach fragte, erhielt sie nur ausweichende Antworten.

Ihr Vater hatte ihr immer wieder gesagt, die Familie Barkon trüge schwere Schuld auf ihrem Gewissen. Es sei ihre Pflicht, diesen verfluchten Namen für immer zu hassen.

Doch all das spielte keine Rolle mehr.

Sir John hatte mit seinem letzten Spiel alles zurückgewinnen wollen – doch er verlor. Und mit diesem Verlust verlor er auch seinen letzten Funken Lebenswillen.

Reue überkam ihn, bittere Erkenntnis fraß an ihm. Die Gedanken an Liana quälten ihn, raubten ihm den Schlaf, zerrissen sein Herz.

Wenige Tage später nahm er sich das Leben.

In diesem Moment dachte er nicht an seine Tochter. Für ihn war sein Tod eine Befreiung. Eine Erlösung von all den Fehlern, die er in seinem Leben begangen hatte. Er konnte es nicht ertragen, mit der Gewissheit zu leben, dass sein größter Feind ihn endgültig besiegt hatte.

Liana schloss die Augen, während ihr Körper von einem tiefen Zittern erfasst wurde.

„Heilige Maria, hilf mir! Bitte gib mir die Kraft, das alles zu bewältigen – ich flehe dich an!“

Sie saß auf ihrem Bett, starrte ins Leere.

Die Stille um sie herum war erdrückend.

Und zum ersten Mal fühlte sie sich völlig allein.

„Oder schicke mir meine geliebte Schwester Amalia zurück …“

Heute wäre ihr dreißigster Geburtstag. Doch Amalia war vor fünf Jahren unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen. Die Bewohner von Winborne glaubten damals, sie sei in einem See ertrunken. Doch Liana hatte stets gehofft, dass ihre Schwester eines Tages zurückkehren würde.

Nach all den Jahren begann sie jedoch langsam, aber sicher, auch die letzte Hoffnung zu verlieren. Schließlich musste sie sich nach dem Tod ihrer Mutter auch damit abfinden, dass ihre geliebte Schwester in Frieden ruhen sollte.

Trotz allem dachte sie oft an die unbeschwerten Tage ihrer Kindheit zurück – an die Stunden, in denen sie mit Amalia draußen spielte oder heimlich ein Stück Kuchen aus der Küche stahl, den Gerda gebacken hatte. Diese Erinnerungen ließen sie lächeln, auch wenn ihr nicht danach war. Es waren die wenigen glücklichen Momente, die ihr geblieben waren.

Das Einzige, das ihr noch geblieben war, war ihre treue Zofe Gerda. Sie war bereits alt, doch stets gepflegt. Oft trug sie blaue oder grüne Kleider, und ihre weißen Haare steckte sie immer ordentlich hoch. Gerda war seit Lianas Geburt an ihrer Seite gewesen und hatte eine Rolle übernommen, die eigentlich ihrer Mutter, Lady Murie, zugestanden hätte.

Doch ihre Mutter war stets beschäftigt gewesen, oft mit ihrem Vater unterwegs. So hatte Gerda Liana alles beigebracht, was eine Lady wissen musste – wie man sich in der Gesellschaft benimmt, wie man in der Öffentlichkeit spricht, wie man sich Älteren gegenüber verhält und sogar, wie man sich aus unangenehmen Situationen befreit.

Doch all das war Liana nie wirklich wichtig gewesen. Sie hatte ihren eigenen Kopf – und vor dem anderen Geschlecht hatte sie nie Angst haben müssen.

Alle Männer waren ihr egal. Sie hatte nie vorgehabt, sich zu vermählen oder gar jemandem zu gehorchen! Sie wusste nicht einmal genau, was dieses Wort bedeuten sollte und es interessierte sie auch nicht.

Das Einzige, dessen sie sich sicher war: Alles, was sie sich in den Kopf setzte, würde ihr auch gelingen. Und genau so war es immer gewesen.

Ihr Vater, Sir John, hatte oft den Kopf geschüttelt und gesagt: Meine Tochter, ich weiß nicht, wie du das machst, aber irgendwie gelingt dir alles, was du dir wünschst. Du hast stets die richtigen Worte auf den Lippen – ob es dir nun nützt oder nicht! Doch pass auf deine Zunge auf, sonst wirst du es im Leben schwer haben und ,was deinen zukünftigen Gemahl betrifft darüber schweige ich lieber.

Liana war in ganz Wimborne bekannt. Man bewunderte sie für ihre Schönheit und Klugheit – aber auch für ihre freche, scharfzüngige Art. Genau deshalb wagte es kaum jemand, sie anzusprechen, denn jeder wusste: Liana hatte immer eine spitze, schlagfertige Antwort parat.

Plötzlich wurde die Tür zu ihrem Gemach aufgerissen. Ihre Zofe Gerda trat ein, die Sorge stand ihr ins Gesicht geschrieben.

„Mylady, der Graf von Barkon ist in Wimborne eingetroffen! Ich fürchte, er wird in weniger als einer Stunde hier sein.“

Liana sprang auf, die Wut flammte in ihr auf.

„Ich verabscheue diese verfluchte Familie! Was denkt sich dieser Mann nur? So ein Schuft! Ein Betrüger und Verbrecher ist er!“

Gerda blickte sie erschrocken an. „Mylady, was sind das für Worte? So spricht eine Dame nicht!“

„Mir ist egal, was sich gehört und was nicht! Ich hasse diesen Mann, obwohl ich ihn nicht einmal kenne! Aber eines schwöre ich dir, Gerda – bei den Gräbern meiner Eltern: Ich werde mir zurückholen, was mir gehört!“

Liana ballte die Hände zu Fäusten, ihr Blick brannte vor Entschlossenheit.

„Ich weiß noch nicht, wie ich es anstellen werde, aber mir wird etwas einfallen! Ich werde nicht zulassen, dass mein schönes Schloss dem Grafen von Barkon gehört! Hörst du mich, Gerda?“

Die Zofe seufzte schwer. „Aber gewiss doch, Mylady. Ich bete zu Gott, dass euch gelingt, was ihr euch vorgenommen habt.“

„Seit drei Generationen gehört Kingston Lacy unserer Familie! Ich werde alles tun, um es zurückzubekommen. Mein verstorbener Großvater würde sich im Grabe umdrehen, wenn er wüsste, dass unser Erbe nun den Barkons gehört!“

Gerda trat nervös von einem Fuß auf den anderen. „Mylady, ich flehe euch an – der Graf ist bald hier! Ihr müsst euch fertig machen.“

„Das ist mir völlig egal, wo sich dieser Mann gerade befindet! Aber weißt du was, Gerda? Vielleicht stürzt er ja vom Pferd und fällt tot um!“

„Mylady!“ Gerda riss entsetzt die Hände hoch. „So etwas darf man doch nicht sagen! Man wünscht niemandem den Tod!“

Liana schnaubte verächtlich. „Ihm schon!“

„Ihr redet von einem Menschenleben! So habe ich euch nicht erzogen!“

„Gerda, ich wünsche mir aus tiefstem Herzen, dass Graf Barkon noch bevor er hier eintrifft tot umfällt und in der Hölle landet – genau dorthin, wo er hingehört!“ rief Liana voller Zorn.

Gerda bekreuzigte sich. „Heilige Maria, steh uns bei! Wenn ihr so mit dem Grafen sprecht, wird das böse für uns enden! Ist euch das überhaupt bewusst, Mylady?“

Liana funkelte sie an. „Es wäre das Beste, wenn du mich jetzt allein lässt!“

Gerda blieb einen Moment stehen, ihr Gesicht von Besorgnis gezeichnet. „Mylady, seid doch vernünftig. Ihr solltet dankbar sein, dass wir beide noch ein Dach über dem Kopf haben. Immerhin können wir weiterhin in einem Schloss leben!“

„Ein Schloss, das nicht mehr mir gehört!“ fuhr Liana sie an.

„Nun ja … das Einzige, was dagegen spricht, ist, dass wir vielleicht irgendwann unsere Heimat verlassen müssen. Aber, mein Kind, Kopf hoch! Wir schaffen das! Ihr müsst euch keine Sorgen ums Essen machen – und vergesst nicht, ihr könnt weiterleben wie bisher!“

Liana drehte sich ruckartig zu ihr um, ihre Augen loderten vor Entschlossenheit.

„Aber welchen Preis muss ich dafür bezahlen?“ murmelte Liana und wischte sich eine Träne aus den Augen.

Gerda seufzte leise. „Tja, Mylady, das Leben ist nicht einfach. Ihr konntet es nicht verhindern, und uns bleibt keine andere Wahl. Ihr müsst das Leben nehmen, wie es ist. Vielleicht findet ihr ja sogar die Liebe – und wer weiß, eines Tages kümmere ich mich noch um eure Kinder!“ sagte sie mit einem kleinen Lächeln.

Liana sah sie entsetzt an. „Was? Hör auf, solchen Unsinn zu reden!“

„Nun ja … ich habe gehört, dass Sir Oliver eigentlich nach Kingston Lacy kommen sollte. Doch jetzt erzählen die Bewohner, dass Ivo von Barkon bereits eingetroffen ist.“

Liana runzelte die Stirn. „Gerda, worauf willst du hinaus?“

„Ich habe auch gehört, dass Graf Ivo von Barkon ein äußerst gutaussehender Mann sein soll – und dass er immer noch auf die richtige Gemahlin wartet.“

Liana lachte bitter auf. „Das ist mir völlig egal, Gerda! Der Graf kann tun und lassen, was er will – es interessiert mich nicht! Und in Castel Drogo werde ich niemals glücklich sein!“

Ihre Augen funkelten vor Zorn.

„Meine Heimat ist hier – in Kingston Lacy, in Wimborne! Und wenn ich dich noch einmal dabei erwische, wie du so gut über unsere Feinde redest, dann verlasse ich dich! Dann bist du ganz allein, ohne mich! Hast du mich verstanden?“

Gerda schluckte nervös.

„Mylady, verzeiht mir. Aber … habt ihr wirklich vergessen, was damals geschehen ist? Wir wissen doch gar nicht genau, was tatsächlich passiert ist.“

Liana schnaubte. „Was soll das heißen, Gerda? Natürlich weiß ich es! Die Familie von Barkon ist schuld an allem! Sie haben meinen Vater auf dem Gewissen – das ganze Leid, all die Plagen, gehen auf ihr Konto! Hast du das etwa vergessen?“

Gerda senkte den Kopf. „Nein, Mylady. Aber …“ Sie zögerte. „Niemand kennt die ganze Wahrheit. Vielleicht – und verzeiht mir meine Worte – ist damals gar nichts passiert, zumindest nicht so, wie es erzählt wurde.“

Liana riss die Augen auf. „Was redest du da? Sprich endlich!“

„Kann ich offen mit euch sprechen, Mylady?“

„Natürlich!“

Gerda nahm einen tiefen Atemzug. „Ich glaube nicht einmal, dass wirklich etwas vorgefallen ist.“

Liana starrte sie an. „Was soll das heißen, Gerda?“

„Eure Mutter hat mir nie etwas Schlechtes über die Familie von Barkon erzählt. Nicht ein einziges Mal! Es war immer nur euer Vater, der voller Hass über sie sprach. Aber nie eure Mutter …“

Liana sprang auf, ihre Stimme bebte vor Wut. „Was redest du da, Gerda?!“

„Ich wollte euch nicht erzürnen, Mylady. Aber denkt doch nach! Ihr seid nicht dumm. Kommt euch das nicht merkwürdig vor?“

Liana funkelte sie an. „Das ist das Dümmste, was ich je von dir gehört habe! Schäm dich, so über meinen Vater zu sprechen! Er war ein guter Herrscher! Der König selbst hat ihn geschätzt!“

Gerda hob abwehrend die Hände. „Natürlich, Mylady. Ich meinte ja nur … ich dachte, ihr wolltet meine ehrliche Meinung hören. Und ich habe euch gesagt, was ich mir schon seit Jahren denke.“

Liana drehte sich abrupt um. Ihre Gedanken rasten. Doch sie wollte es nicht wahrhaben.

Aber jetzt haben wir ein anderes Problem!

"Was für ein Problem?"

"Ihr müsst euch fertig machen, sonst steht ihr noch in diesem alten Kleid vor dem Grafen!"

"Ist mir doch egal", sagte Liana frech und drehte sich zum Fenster.

"Was wollt ihr denn anziehen, das rote oder lieber das grüne Seidenkleid?"

Liana stand am Fenster und sagte kalt: "Bring mir am besten das Trauerkleid."

Gerda blieb abrupt stehen und sah Liana mit großen Augen an. "Aber, Mylady, das geht doch nicht! Ihr geht doch nicht zu einer Beerdigung! So eine schöne, junge Frau wie ihr …" Dabei schüttelte sie den Kopf.

"Mach, was ich gesagt habe! Bring mir sofort das Trauerkleid. Vielleicht brauche ich es tatsächlich, falls ich plötzlich höre, dass Graf Ivo von Barkon tot umgefallen ist." Ein schadenfrohes Lächeln huschte über Lianas Lippen.

"Ach, mein Kind … Lieber Gott, steh uns bei", murmelte Gerda und eilte in den Nebenraum, um das verlangte Kleid zu holen.

oOo

"Seid gegrüßt, mein Herr, Graf Ivo von Barkon!"

"Mein guter Freund Jan! Schön, dich zu sehen! Ich hoffe, ihr hattet eine angenehme Reise nach Wimborne?"

"Ja, wie immer. Du kennst das ja."

Ivo sah sich um und sprach anerkennend: "Es ist schön hier, so ruhig. Sogar die Vögel hört man zwitschern. Sehr selten bei uns in Castel Drogo."

"Ja, das stimmt. Bei uns ist immer etwas los", antwortete Jan schmunzelnd.

"Ich glaube, hier kann man sich gut erholen. Ein großes Landhaus mit wunderschönem Garten – das gefällt mir. Apropos, Jan, sag bitte dem Gärtner Bescheid, dass er sich weiterhin um den gesamten Garten kümmern soll!"

"Gewiss, mein Herr. Ich habe bereits mit ihm besprochen, was er zu tun hat, wenn ihr nicht anwesend seid."

"Sehr gut, Jan! Ich wusste, auf dich ist Verlass."

"Das freut mich zu hören, mein Herr."

"Weißt du was, Jan? Ich denke, ich schicke meine Schwester Eliza für ein paar Wochen hierher. Sie braucht Ruhe – aber erst nach ihrem Geburtstag."

"Das ist eine sehr gute Idee, mein Herr."

Ivo lachte und betrat mit Jan das Schloss.

"Mein Herr, verzeiht mir die Neugier, aber wie kommt es, dass ihr dieses wunderschöne Schloss besitzt? Soweit ich mich erinnere, gehörte es jahrelang der Familie Delawiss."

"Ja, das stimmt, Jan. Doch Sir John hatte leider kein Glück im Spiel. Der arme Mann hat sein gesamtes Vermögen – samt Schloss und Tochter – an uns verspielt. Und das ausgerechnet an uns! An seinen größten Feind!"

"Das ist sehr bedauerlich. Eure Familien sind doch schon seit Jahren verfeindet … aber verzeiht, ich will nicht zu viel fragen."

"Ich glaube, niemand weiß mehr genau, wie dieser Streit begonnen hat. Mein Vater hatte nie etwas gegen die Familie Delawiss. Tatsächlich stand Lady Murie, Sir Johns verstorbene Gemahlin, meiner Mutter sehr nahe. Sie war oft in Castel Drogo – natürlich heimlich, wenn ihr Gatte unterwegs war."

"Ich verstehe, mein Herr. Dann gehört das Schloss nun eurem Vater, Sir Oliver?"

"Ja, genau. Oder besser gesagt, es gehört mir", korrigierte Ivo sich mit einem leichten Lächeln.

"Eben, mein Herr! Das ganze Anwesen ist euer."

Ivo sah Jan an und nickte. "Nun ja, da hast du wohl recht. Aber meine jüngere Schwester Eliza bekommt selbstverständlich ihre Mitgift, wenn sie eines Tages heiratet. Mein Vater hat mir unser gesamtes Vermögen anvertraut. Er ist der Meinung, dass ich in der Lage bin, mich um die Angelegenheiten unserer Familie zu kümmern – nicht nur um die des Königs."

"Und das tut ihr ausgezeichnet, mein Herr. Ihr herrscht über beinahe alle Castles in England. Die Barone sind neidisch auf euch. Das Volk sucht euren Rat, und selbst der König schätzt euch sehr. Ihr genießt große Zuneigung – ganz im Gegensatz zu eurem Cousin Robert." Jan hielt kurz inne und senkte den Blick. "Verzeiht, mein Herr, das hätte ich nicht sagen sollen."

"Schon gut, Jan. Ich weiß, wie du es gemeint hast."

"Mein Herr, darf ich euch noch etwas fragen?" wagte Jan vorsichtig.

"Sprich."

"Sir Oliver … warum hat er sich entschieden, Lady Liana nach Castel Drogo zu holen?"

"Mein Vater kann nicht ruhig schlafen, wenn er an den armen Sir John denkt. Er wollte ihm noch ein letztes Mal begegnen – ihm sagen, dass seine Tochter bei ihm bleiben könne und er nie vorhatte, die Familie auseinanderzubringen. Doch er kam zu spät. Sir John nahm sich einen Tag zuvor das Leben. Seitdem plagt meinen Vater das schlechte Gewissen. Darum bin ich hier. Lady Liana soll es an nichts fehlen. Sie soll ihr Leben weiterleben wie bisher – nur eben in Castel Drogo."

"Das ist sehr großzügig von eurem Vater, mein Herr. Wie heißt sie eigentlich? Ich habe sie nie zuvor gesehen."

"Liana Delawiss."

"Aha, gut zu wissen. Ich habe gehört, dass sie für ihre freche Zunge berühmt ist. Stimmt das?" Jan grinste.

"Vielleicht. Aber man sagt auch, dass sie ebenso für ihre Schönheit und Klugheit bekannt ist."

"Nun, wir werden sehen. Komm, lass uns hineingehen."

„Wie sieht es eigentlich mit dir aus, Jan? Hast du ein Weib?“

„Ich? Nein, mein Herr, ich bin nach wie vor allein“, antwortete Jan mit leicht stotternder Stimme und roten Wangen.

Ivo zog eine Augenbraue hoch und grinste. „Warum wirst du denn auf einmal rot im Gesicht? Ich habe nur gefragt, weil du in letzter Zeit so oft weg bist. Aber mach dir nichts draus – irgendwann kommt auch die Richtige!“

Jan senkte den Blick und murmelte mit geröteten Wangen: „Gewiss doch.“

„Und ihr, mein Herr?“ wagte er dann zögernd.

„Was? Ich?“ Ivo lachte kurz auf. „Willst du etwa wissen, ob ich schon die Frau meines Lebens gefunden habe? Eine, die mich nachts nicht schlafen lässt?“

Jan nickte schmunzelnd.

„Nein, mein Lieber! Ich habe nicht vor zu heiraten. Das ist nichts für mich! Ich will frei leben und das Leben genießen. Du kennst mich doch – ich bin kein Heiliger. Wenn mir danach ist, suche ich mir eine schöne Frau für eine oder mehrere Nächte.“ Er zuckte mit den Schultern. „Und du weißt, ich bekomme jede Frau, die ich haben will. Doch bis jetzt hat mich keine wirklich interessiert. Alle, die ich kennengelernt habe, waren hübsch, ja – aber keine hat mein Herz erobert. Und weißt du was? Das ist gut so! Ich bin ständig unterwegs und habe keine Zeit für ein Weib. Ich genieße mein Leben so, wie es ist.“

Jan nickte verstehend. „Ich verstehe euch, mein Herr. Aber Kopf hoch – irgendwann kommt auch die Richtige zu euch. Nicht wahr?“

Ivo lachte. „Allerdings! Und wie ich sehe, lernst du wirklich schnell.“

Jan grinste. „Nun ja, ich habe auch den besten Lehrer der Welt.“

Ivo schüttelte amüsiert den Kopf. „Gut zu wissen.“

„Und, wie ist eigentlich die Lage in Dover Castle, mein Herr?“

„Ganz gut. Ich war erst vor Kurzem dort. Der König ist derzeit sehr zufrieden, und ich hoffe, dass es so bleibt.“

Inzwischen hatten Ivo und Jan den großen Saal erreicht. Ivo ließ seinen Blick durch den Raum schweifen.

„Mein Herr, wollt Ihr etwas zu Euch nehmen?“

„Nein, ich brauche nichts.“

Er wandte sich wieder Jan zu. „Noch eine Sache: Vergiss nicht, eine Kutsche für Lady Liana bereitzustellen! Und bevor ich es vergesse – schick jemanden, der sich um die Pferde kümmert. Außerdem bereite alles für die Abfahrt vor. Ich will so schnell wie möglich nach Castel Drogo zurück.“

„Wie Ihr befehlt, mein Herr.“

„Warte noch. Ist Lady Delawiss eigentlich schon fertig? Wie lange dauert es noch? Ich werde langsam ungeduldig!“

Jan überlegte kurz. „Nun ja, ich schätze, die Lady wird bald soweit sein. Ich habe mit ihrer Zofe gesprochen, und sie meinte, ihre Herrin brauche noch ein paar Minuten, um sich zu verabschieden.“

Ivo verschränkte die Arme. Für sie muss es schwer sein, ihre Heimat zu verlassen.

Ja, mein Herr. Schließlich hat sie hier ihr ganzes Leben verbracht.

Ivo seufzte. Ja, ja … ist schon gut. Weißt du was? Bring mir doch noch etwas zu trinken.“

Jan nickte. „Aber gewiss doch, mein Herr. Ich sage in der Küche Bescheid.“

Ivo ließ sich in einen Sessel vor dem Kamin sinken und betrachtete den Raum. Der Saal war gemütlich eingerichtet. Ein großer Marmorkamin prasselte bereits mit warmem Feuer. An den Wänden hingen prachtvolle französische Gemälde. In der Mitte stand ein großer, schwarzer Tisch mit zehn passenden Stühlen, unter dem sich ein edler roter persischer Teppich erstreckte – perfekt abgestimmt auf die schweren Vorhänge. Ganz oben an der Decke funkelte ein großer Kronleuchter mit zahllosen Kerzen.

Nach einem Moment stand Ivo auf und ging zur geschwungenen schwarzen Treppe, die in das zweite Stockwerk führte. Währenddessen brachte eine Bedienstete ihm einen Becher Wein.

Er nahm das Getränk entgegen, trat ans Fenster und blickte hinaus. Der Ausblick war atemberaubend – vor ihm lag der wunderschön gepflegte Garten des Anwesens.

Ivo nahm sich das Glas Wein und trank es in einem Zug aus. Ungeduldig lief er im Raum auf und ab, während er wartete.

Zur gleichen Zeit hatte sich Liana umgezogen. Ihre Zofe Gerda hatte ihr prachtvolles, langes braunes Haar hochgesteckt und mit einer weißen Perlen-Spange befestigt, sodass keine Strähne herabfiel. Um ihren Hals lag ihre geliebte Perlenkette, und an ihren Ohren baumelten passende, lange Perlenohrringe. Liana war schon immer vernarrt in Perlenschmuck – egal in welcher Form.

Gerda betrachtete ihre Herrin bewundernd. „Mylady, ich muss sagen, selbst in diesem schwarzen Trauerkleid seht Ihr bezaubernd aus!“

Liana warf einen kurzen Blick in den Spiegel, atmete tief ein und dachte nach. Ich muss nur in Ruhe überlegen … Mir wird schon etwas einfallen, um diesen Grafen zu vernichten!

Sie hatte eine anmutige, weibliche Figur mit einer schmalen Taille, große braune Augen, die von dichten, verführerischen Wimpern umrahmt wurden, und Lippen so rot wie reife Kirschen. Ihr Dekolleté war stets ein Blickfang, ihre Haut makellos. Kurz gesagt – Liana war eine wahre Augenweide für jeden Mann. Doch ebenso bekannt wie ihre Schönheit war ihr scharfer Verstand und ihre freche Zunge, die ihr den Ruf als temperamentvollste Mylady Englands eingebracht hatte.

Währenddessen lief Ivo ungeduldig hin und her. Warten war noch nie seine Stärke gewesen und schon gar nicht auf eine Frau.

„Jan! Jan, wo steckst du?“ rief er laut. „Zum Teufel, wo bist du, wenn ich dich brauche? Verdammt!“

Jan eilte herbei. „Mein Herr, ich bin hier. Ich habe im Hof alles für die Abfahrt nach Castel Drogo vorbereitet, wie Ihr es befohlen habt.“

„Gut. Und wo bleibt Mylady so lange? Ich bin unter Zeitdruck! Verdammt, holt sie sofort! Sonst reise ich ohne sie ab. Sie soll sehen, wie sie nach Castel Drogo kommt – meinetwegen auch zu Fuß! Das ist mir egal!“

In diesem Moment hörte Ivo, wie im zweiten Stockwerk eine Tür geöffnet wurde. Schritte hallten auf der schwarzen Treppe wider. Eine Frau kam langsam auf ihn zu.

Er verschränkte die Arme. „Na bitte! Geht doch!“ murmelte er und musterte die Ankommende mit prüfendem Blick. Ohne Jan direkt anzusehen, sagte er leise: „Das soll also die berühmte Schönheit sein? Sag mal, Jan, wo hast du denn deine Augen gelassen?“

Jan blinzelte verwirrt. „Mein Herr … was redet Ihr denn da?“ fragte er zögerlich.

Doch Ivo hörte ihm gar nicht zu. Mit selbstsicherem Ausdruck trat er zur Treppe und wartete, bis die Frau die letzte Stufe erreicht hatte. Dann neigte er leicht den Kopf und sprach mit gespielter Höflichkeit: „Mylady Liana Delawiss, ich freue mich, Euch kennenzulernen. Was für eine Schönheit seid Ihr doch.“

Jan schluckte und trat schnell zu ihm. „Aber mein Herr …“

„Was?“ fuhr Ivo ihn mit lauter Stimme an.

„Das ist nicht Mylady Liana … Das ist ihre Zofe, Gerda.“

Einen Moment lang herrschte Stille. Dann sah Ivo mit versteinertem Gesicht von Jan zu der Frau vor ihm. „Ach so …“ murmelte er. „Woher zum Teufel hätte ich das wissen sollen? Ich habe doch keine Ahnung, wie Mylady Liana aussieht! Das weißt du doch, Jan!“

Sein Gesicht lief hochrot an – als hätte ihn ein Schwarm Bienen gestochen. Gerda konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.

„Mylady Liana kommt gleich, mein Herr“, sagte sie schmunzelnd, bevor sie sich umdrehte und aus dem Saal verschwand.

Ivo atmete tief durch, dann drehte er sich zu Jan. „Das hättest du mir auch früher sagen können! Das war ja ein peinlicher Zwischenfall! Ich habe mich schon gefragt, was ich mit diesem alten Weib auf meinem Schloss soll!“

„Aber mein Herr …“ begann Jan vorsichtig.

„Was denn noch?“ Ivo klang gereizt. „Kommt jetzt noch eine Zofe runter? Oder ein Diener? Oder – noch besser – der Teufel höchstpersönlich?“

„Nein, nein …“ Jan deutete mit einem Nicken zur Treppe. „Mylady Liana Delawiss kommt jetzt. Schaut doch mal nach oben.“

Ivo drehte sich zur Treppe – und in diesem Augenblick vergaß er zu atmen.

Seine Augen hafteten an der jungen Frau, die langsam die Stufen hinabstieg. Liana.

Ihr Herz pochte heftig, ihre Hände waren feucht vor Aufregung, doch sie zwang sich zur Ruhe. Sie durfte nicht zeigen, wie sehr sie dieser Moment mitnahm. Nicht vor ihrem Feind. Konzentriere dich, ermahnte sie sich. Denk daran, warum du hier bist. Denk daran, was du ihm antun wirst!

Als sie die letzte Stufe erreichte, stand sie ihm gegenüber – dem Mann, den sie hasste. Endlich konnte sie ihm direkt ins Gesicht blicken.

Er war größer als sie, älter, kräftig gebaut. Seine breiten Schultern und die muskulöse Statur ließen keinen Zweifel daran, dass er viele Schlachten für den König geschlagen hatte. Kurze schwarze Haare fielen ihm in die tiefblauen Augen, die sie aufmerksam musterten.

Ivo war für einen Moment sprachlos. Die Schönheit dieser Frau raubte ihm den Verstand. Er hatte vieles erwartet – eine verbitterte Adlige, eine weinende Witwe ihrer eigenen Vergangenheit, doch nicht diese atemberaubende Erscheinung mit brennendem Zorn in den Augen.

Nach einigen Sekunden fand er seine Fassung wieder. Er verneigte sich leicht vor ihr und sprach mit ruhiger Stimme:

„Mylady Liana Delawiss, es ist mir eine Freude, Euch kennenzulernen. Mein Name ist Ivo von Barkon, und ich bin gekommen, um Euch in Eure neue Heimat, Castel Drogo, zu begleiten.“

Er beugte sich vor und nahm ihre Hand, um sie sanft zu küssen.

Doch Liana riss sie ihm mit einer scharfen Bewegung aus der Hand. Ihr Blick war eiskalt, ihre Stimme schneidend.

„Ich weiß genau, wer Ihr seid!“

Ivo hob überrascht eine Braue, dann lächelte er leicht. „Ach ja? Das freut mich zu hören. Dann bin ich Euch also nicht völlig fremd.“

Liana hob ihr Kinn und sah ihm direkt in die Augen.

„Ihr seid mein Feind.“

Ihr Blick war voller Hass.

„Ihr habt mir alles genommen. Alles, was meiner Familie gehörte! Ihr allein seid schuld am Tod meines Vaters! Sir John Delawiss hat sich nur wegen Euch das Leben genommen! Wie könnt Ihr in der Nacht noch ruhig schlafen?“ Sie machte eine kurze Pause und fügte mit bitterem Spott hinzu: „Oder jagt Euch der Teufel, sobald Ihr die Augen schließt?“

Ivo atmete tief durch, sein Blick blieb unergründlich. „Meine Familie bedauert zutiefst, dass Euer Vater“

„Schweigt!“ unterbrach ihn Liana mit lauter Stimme.

Einen Moment lang blieb Ivo der Atem weg. Er sah ihr in die Augen, beobachtete, wie Wut und Schmerz in ihnen flackerten. Doch er sagte nichts. Er wollte hören, was sie noch zu sagen hatte.

„Ihr habt kein Recht, über meinen Vater zu sprechen! Ihr habt sein Leben zerstört! Ihr seid an allem schuld! Ihr seid nichts weiter als Dreck unter meinen Füßen! Ich hasse Euch! Ich verabscheue Euch! Und ich wünsche mir, dass Ihr morgen nicht mehr lebt!“

Für einen kurzen Moment war es still.

Dann zuckten Ivos Mundwinkel. Seine blauen Augen funkelten gefährlich. Wut loderte darin auf – und doch hielt er sich zurück.

Normalerweise hätte er einer Frau, die es wagte, ihn so zu beleidigen, die Zunge aus der Kehle schneiden lassen. Doch er wusste genau: Sein Vater würde das nicht gutheißen.

Also atmete er tief ein, schob die Wut zur Seite und erwiderte mit kühler Stimme:

„Soll ich mich jetzt etwa vor Euch fürchten, Mylady?“ Er neigte leicht den Kopf. „Wie ich höre, habt Ihr Euch längst eine Meinung über meine Familie gebildet.“

Sein Blick wanderte über ihr schwarzes Kleid.

„Habt Ihr mich etwa schon lebendig begraben? Ist das der Grund, warum Ihr heute ein Trauerkleid tragt?“

„Was ist das für ein Benehmen, das Ihr an den Tag legt?“ Ivo verschränkte die Arme vor der Brust, seine Stimme klang kühl. „Eure Mutter würde sich im Grab umdrehen, wenn sie hören könnte, wie Ihr mit mir sprecht!“

Liana sah ihm direkt in die Augen und erwiderte mit schneidender Stimme:

„Ihr werdet mir noch alles teuer bezahlen. Vergesst meine Worte nicht – ich schwöre es Euch!“

Ivo hob eine Braue und musterte sie amüsiert. „Habt Ihr etwa vor, mir zu drohen, Mylady? Ich bin mir nicht sicher, ob Ihr überhaupt wisst, mit wem Ihr es zu tun habt.“

Liana trat einen Schritt näher, ihr Blick loderte vor Entschlossenheit.

„Nein, Graf, Ihr seid es, der keine Ahnung hat, mit wem er es zu tun hat!“

Ivo lachte leise, verschränkte die Arme vor der Brust und betrachtete sie herausfordernd.

„Soll ich mich jetzt etwa vor Euch fürchten? Seid doch nicht lächerlich. Ihr seid nur eine zierliche junge Frau. Ich bezweifle, dass Ihr überhaupt in der Lage wärt, ein Schwert zu halten.“

Liana funkelte ihn an. „Das werdet Ihr noch früh genug sehen! Ich werde Euch das Leben zur Hölle machen!“

Für einen Moment hielten die beiden sich nur im Blick, wie zwei Kontrahenten vor dem entscheidenden Schlagabtausch. Dann hob Liana entschlossen ihr langes Kleid an und drehte sich um.

„Ich glaube, wir haben uns vorerst nichts mehr zu sagen.“

Ohne ein weiteres Wort verließ sie den Saal.

Ivo beobachtete, wie sie davonrauschte und schüttelte ungläubig den Kopf. Dann drehte er sich zu Jan um.

„Was zum Teufel war das?“ rief er aus. „Hast du gehört, wie sie mit mir gesprochen hat?“

Jan seufzte. „Ja, mein Herr. Aber bleibt ruhig. Mylady spricht nur manchmal so …“

„Manchmal?“ Ivo lachte spöttisch. „Und so ein Weib soll ich mit auf mein Schloss nehmen? Nie in meinem Leben! Ich muss dringend mit meinem Vater sprechen!“

Jan trat vorsichtig einen Schritt näher. „Mylady Liana ist eigentlich sehr nett und höflich, mein Herr.“

Ivo verzog das Gesicht. „Ach ja? Das habe ich gerade selbst gehört – wie nett und höflich sie in Wahrheit ist! Sie ist doch der Teufel in Person! Ich hätte mir lieber eine Schlange um den Hals gewickelt, als mich mit solch einem Weib einzulassen.“

Er griff nach seinem Weinglas, trank es in einem Zug aus und ging mit entschlossenen Schritten in Richtung Ausgang.

„Komm, Jan! Wir haben noch einen langen Weg vor uns. Lass uns endlich von hier verschwinden!“

Draußen vor dem Schloss stand alles bereit für die Abfahrt nach Castel Drogo. Ivo warf einen kurzen Blick zur Kutsche, in der Liana bereits Platz genommen hatte. Doch als er genauer hinsah, entdeckte er neben ihr auch ihre Zofe Gerda.

Seine Augen verengten sich.

Was zum Teufel soll das?

Ohne zu zögern ritt er zur Kutsche, hielt sein Pferd abrupt an und beugte sich leicht zu Liana hinab.

„Mylady, ich hätte da eine kleine Frage an Euch.“

Liana verdrehte genervt die Augen. „Lasst mich in Ruhe!“

Ivo ließ sich davon nicht beeindrucken. „Wo genau wollt Ihr eigentlich mit Eurer Zofe hin?“

Liana funkelte ihn an und verschränkte die Arme.

„Das wisst Ihr ganz genau! Ich nehme sie selbstverständlich mit nach Castel Drogo. Ich brauche sie an meiner Seite!“

Sie lehnte sich leicht nach vorne und fügte mit spöttischem Unterton hinzu:

„Oder seid Ihr so von Dummheit geplagt, dass Ihr Euch nicht vorstellen könnt, warum?“

„Das ist das Einzige, was mir noch geblieben ist – oder besser gesagt, das Einzige, was Ihr mir noch übrig gelassen habt, Graf Barkon!“ Lianas Stimme bebte vor Zorn. „Oder habt Ihr vor, mir auch das Letzte zu nehmen? Das, was mich seit meiner Kindheit begleitet?“

Ivo verengte die Augen und kam mit seinem Pferd näher an die Kutsche heran.

„Mylady, ich warne Euch! Hütet Eure Zunge, sonst endet das noch schlecht für Euch. Ihr macht Euch mit diesem Verhalten keine Freunde!“

Liana lachte kalt. „Ich brauche keine Freunde. Und ich habe auch keine Angst vor dem Tod. Außerdem – wenn Ihr mir wirklich etwas antun wolltet, hättet Ihr es längst getan. Oder hat Euer Vater es Euch verboten?“

Ein herausforderndes Grinsen spielte um ihre Lippen, und sie genoss jedes einzelne Wort, das sie aussprach.

„Ich werde Euch das Leben zur Hölle machen, Graf Ivo von Barkon. Und glaubt mir – das ist erst der Anfang. Ihr könnt Euch auf das Schlimmste gefasst machen!“

Ivo ließ sich nicht beirren. Stattdessen grinste er spöttisch und brachte sein Pferd so nah an die Kutsche heran, dass er beinahe Liana berühren konnte.

„So, so … Mylady Delawiss!“ Seine Stimme klang gefährlich ruhig. „Ich warne Euch ein letztes Mal: Wenn Ihr nicht ein wenig netter zu mir seid, schicke ich Eure Zofe Gerda nach Kingston Lacy zurück. Dann seid Ihr ganz allein in meinem Schloss – für immer. Überlegt Euch also gut, wie Ihr in Zukunft mit mir sprecht!“

Liana verschränkte die Arme und sah ihn wütend an, doch bevor sie etwas erwidern konnte, sprach er weiter:

„Und ja, Ihr habt recht. Ich hätte Euch längst die Zunge herausgeschnitten für Eure freche Art – aber das darf ich nicht.“ Er beugte sich leicht vor. „Noch nicht!“

Ein kaltes Lächeln huschte über sein Gesicht.

„Aber keine Sorge. Ich kann mit einem ungezogenen Kind wie Euch sicherlich gut zurechtkommen.“

Liana funkelte ihn zornig an. „Ich bin kein Kind mehr! Oder seid Ihr auch noch blind?“

Ivo betrachtete sie einen Moment lang, bevor er mit amüsiertem Ton erwiderte:

„Nun ja, wenn Ihr Euren Mund aufmacht, bekomme ich da meine Zweifel, Mylady.“

Sein Blick wurde einen Hauch ernster.

„Und noch etwas: Ob Ihr es glaubt oder nicht, es tut uns leid, dass Euer Vater sich das Leben genommen hat. Aber wir können nichts dafür.“

Liana sog scharf die Luft ein, doch Ivo sprach unbeirrt weiter.

„Vergesst nicht: Es war Euer Vater, der alles auf eine letzte Karte gesetzt hat – und verloren hat. Nicht wir. Also sucht Euch einen anderen Schuldigen.“

Liana presste die Lippen zusammen, ihre Hände zitterten vor unterdrückter Wut.

„Mein Vater ist unschuldig! Ist das klar?!“

Ivo musterte sie einen Moment lang, dann zuckte er mit den Schultern.

„Ich wünsche Euch eine angenehme Reise nach Castel Drogo, Mylady. Und vergesst nicht, was ich Euch gesagt habe.“

Er wendete sein Pferd und ritt nach vorne zu den anderen.

In diesem Moment, als er außer Sicht war, überkam Liana eine solche Wut, dass sie das Gefühl hatte, zu ersticken. Große Tränen rollten über ihr schönes Gesicht, doch sie drehte sich rasch zum kleinen Fenster der Kutsche, damit Gerda nicht bemerkte, dass sie weinte.

Die Kutsche setzte sich in Bewegung, und Liana warf einen letzten Blick auf ihren geliebten Wohnsitz, Kingston Lacy. Ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen, doch in ihrem Inneren loderte ein unerschütterlicher Wille.

Irgendwann würde sie zurückkehren – als alleinige Herrin dieses Schlosses.

Wie oder wann, wusste sie noch nicht, aber eines stand für sie fest: Sie würde ihr Anwesen niemandem überlassen. Und schon gar nicht würde sie zulassen, dass Graf Ivo von Barkon es länger behielt, als unbedingt nötig.

Sie schwor sich, ihm das Leben zur Hölle zu machen und alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um zurückzuholen, was ihr gehörte.

Kapitel 2

Die Reise nach Castel Drogo zog sich für Liana endlos hin. Sie konnte nicht mehr sitzen – jeder Muskel und jeder Knochen ihres jungen Körpers schmerzte.

"Verdammt, mir tut alles weh! Ich kann nicht mehr lange in dieser verdammten Kutsche sitzen!" dachte sie.

Natürlich könnte sie den Grafen um eine Pause bitten, aber ihr Stolz ließ das nicht zu. Lieber ertrug sie diese Qual mit Würde, als ihm einen Gefallen schuldig zu sein. „So ein Schuft! Was denkt er eigentlich, wer er ist? Ich hasse ihn jetzt noch mehr als zuvor, als ich ihn nicht einmal kannte! Jedes Mal, wenn er den Mund aufmacht, redet er nur Unsinn – wie seine ganze Familie!“

Zum Glück hatte Gerda etwas zu essen und zu trinken eingepackt, sonst wäre sie auf dieser endlosen Reise noch verdurstet.

"So ein Dummkopf!" sagte sie laut. „Hörst du mich, Gerda?“

Doch die alte Frau war so müde, dass sie tief und fest in der Kutsche schlief. Liana seufzte, lehnte sich an das kleine Fenster und atmete tief die frische Luft ein. Draußen war ein wunderschöner, sonniger Tag, und die Vögel zwitscherten fröhlich. Diese Klänge hatte sie schon als Kind geliebt, als sie mit ihrer Schwester Amalia draußen im Garten spielte. Ein kleines Lächeln huschte über ihre Lippen, als sie an diese unbeschwerten Zeiten zurückdachte.

Doch plötzlich erschrak sie. Ein unbekannter Mann stand direkt neben der Kutsche!

Er war etwas kleiner als Ivo, mit blonden Haaren, blauen Augen und einem Gesicht voller Sommersprossen. Von seiner Statur her war er nicht so kräftig und muskulös wie der Graf.

„Verzeiht, Mylady, es war nicht meine Absicht, euch zu erschrecken“, sagte er höflich. „Ich wollte nur nachfragen, ob ihr etwas benötigt. Mein Name ist Jan und ich bin—“

„Ja, ja, ich weiß genau, wer du bist! Du bist der treue Hund deines Herrn, habe ich recht?“

Jan schmunzelte. „Nicht ganz, Mylady. Ich bin kein Hund, sondern sein treuer Diener. Und ja, ich schätze meinen Herrn sehr – er hat mir das Leben gerettet. Ohne ihn wäre ich längst tot.“

„Ach, tatsächlich?“ Liana zog skeptisch eine Augenbraue hoch. „Dann verdankst du also dein Leben diesem Mann?“

„Ja, in der Tat, Mylady.“ Jan lächelte. „Mein Herr ist klug und gerecht. Die Bewohner von Devon schätzen ihn sehr. Sie sind froh, dass er ein guter Herrscher ist. Graf Ivo von Barkon herrscht über fast alle Burgen hier in England, und sogar unser König vertraut ihm. Er hat seine Loyalität bewiesen – das kann man nicht über alle Grafen und Barone sagen. Respekt muss man sich verdienen, und mein Herr hat das geschafft.“

Liana warf einen kurzen Blick auf Ivo und schnaubte. „Na gut, dann hat dein Herr wenigstens etwas richtig gemacht.“

„Mylady, ich versichere euch, mein Herr ist kein grausamer Mensch, ganz im Gegenteil. Aber das müsst ihr selbst herausfinden.“

„Oh, das habe ich längst.“ Liana grinste frech. Dann sah sie Jan erneut an.

„Hör zu, ich wollte dich nicht beleidigen, als ich dich einen Hund genannt habe. Ich sehe, dass man sich mit dir gut unterhalten kann. Und weißt du was? Ich glaube, ich habe gerade meinen ersten Freund gefunden!“

Jan verbeugte sich leicht. „Das freut mich zu hören, Mylady. Wenn ihr etwas benötigt, stehe ich euch jederzeit zur Verfügung.“

Liana schenkte ihm ein kleines Lächeln. „Wenn ich etwas brauche, lasse ich es dich wissen.“

„Jederzeit, Mylady!“

Jan nickte und wollte gerade mit seinem Pferd nach vorne reiten, als Liana plötzlich einfiel:

„Warte noch kurz! Wie lange dauert es noch bis Drewsteignton?“

„Nicht mehr lange, Mylady.“

„Wollt ihr eine Pause einlegen, um etwas zu essen?“

Liana schüttelte den Kopf. „Ich? Aber nicht doch! Für mich braucht dein Herr keine Pause zu machen. Ich halte es schon aus – und außerdem hat meine Zofe genug eingepackt.“

„Wie ihr wünscht, Mylady. Wir sind bald da.“

Liana versuchte, sich so bequem wie möglich hinzusetzen, nahm einen Apfel und biss genüsslich hinein. Kurz darauf wurden ihre Augen schwer, und sie schlief tief und fest ein.

Ein paar Stunden später hörte sie eine leise Stimme:

„Mylady, wacht auf. Hört ihr mich?“

Liana öffnete langsam die Augen und blinzelte verwirrt. „Was ist denn jetzt schon wieder los?“

„Wir sind endlich da! Schaut doch mal aus dem Fenster!“

Noch halb verschlafen gähnte Liana und fuhr sich durch die Haare. Dann drehte sie sich zum Fenster und erblickte ein prächtiges Schloss mit unzähligen Türmen. Ein weitläufiger Garten voller duftender Rosen, Magnolien und Lavendel umgab das Anwesen. Alles wirkte gepflegt und beeindruckend – hier spielte Geld eindeutig keine Rolle.

„Ich glaube, in diesem Schloss gibt es nur das Beste vom Besten, Mylady.“

Doch Liana zuckte zusammen, als sie bemerkte, dass Ivo sich ihrer Kutsche näherte.

„Na, Mylady, seid ihr endlich wach? Ihr habt aber lange in der Kutsche geschlafen. Was treibt ihr denn nachts, wenn ich fragen darf?“

„Nein, dürft ihr nicht!“ erwiderte Liana frech.

Ivo grinste und öffnete die Tür der Kutsche. Liana stieg langsam aus, doch kaum hatte sie den Boden unter den Füßen, spürte sie, wie ihre Beine nach der langen Fahrt völlig taub waren. Sie schwankte und wäre fast gestürzt, doch Ivo reagierte blitzschnell und fing sie auf.

Ihre Blicke trafen sich, und für einen Moment lag eine seltsame Spannung in der Luft. Ivo konnte den zarten, angenehmen Duft ihres Körpers wahrnehmen.

„Langsam, Mylady, ich laufe euch nicht weg. Seht ihr? Kaum seid ihr in Castel Drogo angekommen, fallt ihr mir direkt in die Arme. Das hätte ich nach unserem letzten Gespräch nicht von euch erwartet. Aber ich wusste es doch – ihr habt ein Auge auf mich geworfen, nicht wahr?“ Er grinste selbstgefällig.

Liana funkelte ihn wütend an. „Redet doch nicht so einen Unsinn! Und jetzt lasst mich los! Ich kann sehr wohl allein stehen – meine Beine sind nur eingeschlafen, mehr nicht!“

Ivo ließ sie mit gespielter Enttäuschung los. „Da bin ich aber enttäuscht, Mylady. Habt ihr etwa schon vergessen, worüber wir gesprochen haben?“

Liana hob eine Augenbraue. „Offensichtlich war es nicht wichtig genug, Graf Ivo.“

Er musterte sie und verzog leicht die Lippen. „Ihr seid ganz blass. Fühlt ihr euch nicht wohl, oder lässt euch das schwarze Kleid so fahl wirken?“

„Ihr braucht euch keine Sorgen um mich zu machen“, erwiderte Liana kühl. „Am besten geht ihr mir einfach aus dem Weg, dann wird es mir sofort besser gehen.“

Ivo schüttelte den Kopf und lachte leise. „Ihr seid wirklich undankbar, Mylady. Ich gebe euch ein Dach über dem Kopf, und nicht einmal ein kleines Dankeschön?“

„Das könnt ihr vergessen!“ fauchte Liana. „Ich habe euch nicht darum gebeten! Und falls es euch interessiert – wenn man so lange ohne Pause in einer Kutsche sitzt, ist es kein Wunder, wenn man blass aussieht.“

„Aber ihr habt doch geschlafen, Mylady. Und ich muss euch sagen – ihr habt ganz schön laut geschnarcht!“

Liana riss die Augen auf und funkelte Ivo empört an. „Ich schnarche nicht! Ihr müsst euch verhört haben!“

Ivo lachte leise und schüttelte den Kopf. „Nein, habe ich nicht. Ich kann euch versichern, dass ich es ganz deutlich gehört habe – und es war nicht zu überhören, Mylady!“ Mit einem spitzbübischen Grinsen übergab er die Zügel seines Pferdes an einen Diener und wandte sich dem Schloss zu.

Liana war noch immer sprachlos. Schnell lief sie zu Gerda und fragte aufgeregt: „Gerda, habe ich geschnarcht?“

Die ältere Frau blinzelte verwirrt. „Wie bitte?“

„Ich habe gefragt, ob ich in der Kutsche geschnarcht habe!“

Gerda runzelte die Stirn. „Wie kommt ihr denn darauf, Mylady?“

„Antwortet! Sofort!“

„Nein, natürlich nicht! Ihr schnarcht doch nicht!“ Gerda betrachtete sie besorgt. „Was ist denn los mit euch, mein Kind?“

Liana atmete tief durch und rieb sich mit der Hand die Stirn. Die Sonne war bereits hinter dem Horizont verschwunden, und die Dämmerung legte sich über das Land. Sie sah sich um, ob jemand gekommen war, um sie zu begrüßen, doch niemand war zu sehen. Gerade als sie dachte, man hätte sie vergessen, öffnete sich die große Eingangstür des Schlosses, und eine junge Dame trat heraus.

Die Frau war etwas kleiner als Liana und trug ein edles, smaragdgrünes Satinkleid. Ihr hübsches Gesicht strahlte Freundlichkeit aus, und ihre dunklen, gelockten Haare waren elegant hochgesteckt. Ihre Sommersprossen verliehen ihr ein jugendliches, warmes Aussehen.

„Ich begrüße euch, Mylady Liana Delawiss!“ sagte sie mit sanfter Stimme. „Mein Name ist Eliza von Barkon. Ich bin die Tochter von Sir Oliver und die Schwester von Graf Ivo von Barkon, den ihr ja bereits kennengelernt habt.“ Sie lächelte herzlich. „Ich freue mich sehr, euch endlich hier willkommen zu heißen! Ich hatte allerdings erwartet, dass ihr erst morgen eintrefft. Deshalb war ich überrascht, als unser Hofmeister Roy zu mir kam und mir sagte, dass ihr bereits auf dem Hof steht.“

„Seid mir bitte nicht böse, Mylady, dass ich euch nicht draußen empfangen habe.“

Liana erwiderte das Lächeln und winkte ab. „Aber nicht doch, macht euch keine Sorgen deswegen, Eliza. Es freut mich, euch kennenzulernen.“

Eliza lachte leise. „Ach, lasst uns doch die Förmlichkeiten beiseite!“ Und ehe Liana reagieren konnte, umarmte sie sie herzlich.

„Wie war die Reise nach Castel Drogo, Liana?“ fragte Eliza und musterte sie besorgt. „Du siehst ganz blass aus. Fühlst du dich nicht wohl? Hat mein Bruder dich etwa schlecht behandelt?“

Liana sah Eliza an und wusste für einen Moment nicht, was sie antworten sollte. Am liebsten hätte sie gesagt, dass ihr Bruder ein ungehobelter Schuft ohne Manieren war – doch irgendetwas hielt sie zurück. Eliza wirkte ganz anders als Ivo. In ihren Augen lag etwas Gütiges, und Liana hatte das seltsame Gefühl, als würde sie sie schon lange kennen. Sie spürte instinktiv, dass Eliza nicht für das Verhalten ihres Bruders verantwortlich war.

Vielleicht hatte Gerda recht, dachte sie.

„Liana? Bist du noch hier oder träumst du?“ Eliza lachte leise und winkte vor ihrem Gesicht.

Liana schüttelte den Kopf. „Nein … Ich meinte nur … dein Bruder – oder besser gesagt, der Graf – scheint nicht zu wissen, wie man sich einer Dame gegenüber benimmt! Vielleicht braucht er eine Nachhilfestunde in Sachen Anstand.“

Eliza kicherte. „Meinst du, ich muss mich jetzt für meinen Bruder schämen?“

„Aber nicht doch“, erwiderte Liana schnell. „Das ist nicht deine Schuld.“

„Gut“, sagte Eliza fröhlich. „Dann lasst uns hineingehen. Hier draußen ist es inzwischen ziemlich kalt.“

Liana nickte und folgte Eliza ins Schloss.

Sie traten durch das große Eingangsportal in einen hellen, weitläufigen Flur. Auf dem Boden lagen prachtvolle persische Teppiche, an den Wänden hingen kunstvolle Leuchter und französische Gemälde. Der Gang führte sie zu einer großen, weißen Tür, die Eliza mit leichtem Schwung öffnete. Dahinter lag ein prächtiger Saal mit hohen Fenstern, die das letzte Licht des Tages einfingen.

Die Wände waren in sanften, warmen Farben gehalten, und in der Mitte des Raumes stand ein imposanter Marmorkamin, in dem ein gemütliches Feuer prasselte. Auf der rechten Seite hing ein großes Familienporträt der Barkons, und an der linken Wand prangte ein ebenso gewaltiges Gemälde – es zeigte niemand anderen als Graf Ivo selbst.

Überall waren kleinere Kunstwerke verteilt, und rechts neben dem Kamin stand eine riesige Vase, gefüllt mit duftenden Rosen und Magnolien.

An der linken Seite des Saals stand ein großer Tisch mit zehn passenden Stühlen, und von der Decke hing ein prächtiger Leuchter mit unzähligen brennenden Kerzen. Die schweren Vorhänge waren mit goldenem Brokat bestickt, und in der Mitte kunstvoll zu einer Rose zusammengebunden.

„Komm, Liana, lass uns hier am Tisch Platz nehmen,sagte Eliza freundlich.

„Sehr gerne, erwiderte Liana. Doch bevor sie sich setzte, trat sie kurz zur Vase auf dem Boden und beugte sich über die frischen Rosen, um an ihnen zu riechen.

Eliza lächelte. „Sie duften wunderbar, nicht wahr? Liebst du Rosen genauso sehr wie ich?“ fragte sie neugierig.

Liana nahm auf einem der Stühle Platz und zuckte leicht mit den Schultern. „Nun ja, ehrlich gesagt bevorzuge ich andere Blumen.

Eliza sah sie überrascht an. Was? Magst du etwa keine Rosen?

Liana schmunzelte. „Rosen sind wunderschön, aber ich habe eine besondere Vorliebe für andere Blumen.“

„Welche denn?“

„Lilien“, antwortete Liana mit einem strahlenden Lächeln. „In jeder Farbe, Art und Form. Jede einzelne Lilie erzählt ihre eigene Geschichte. Sie sehen sich ähnlich, und doch ist jede Blüte einzigartig – ihr Duft, ihre Farben … Das macht sie so besonders.“

Eliza betrachtete sie nachdenklich. „Dann musst du eine außergewöhnliche Frau sein, Liana. Ich kenne keine einzige Dame in ganz England, die keine Rosen bevorzugt.“

Liana lachte leise. „Nun, dann bin ich wohl die erste.“

Beide mussten herzlich lachen.

Kurze Zeit später betrat ein Diener den Raum und begann, den Tisch zu decken. Edle Weingläser, dampfender Braten und frisches Obst wurden aufgetragen.

„Du musst bestimmt großen Hunger haben, Liana. Habe ich recht?“ fragte Eliza.

„Rosa! Wo bist du?“ rief sie laut.

Kurz darauf trat eine junge Frau in den Raum. „Liana, das ist meine Zofe Rosa. Sie steht dir selbstverständlich jederzeit zur Verfügung.“

Liana schenkte ihr ein höfliches Lächeln. „Danke, Eliza, das ist sehr lieb von dir. Aber ich habe meine eigene Zofe, Gerda, mitgebracht. Ich möchte, dass sie auch hier in Castel Drogo weiterhin bei mir bleibt. Ich hoffe, das bereitet dir keine Umstände.“

Eliza winkte ab. „Aber natürlich nicht! Deine Zofe soll stets in deiner Nähe sein. Du sollst dich hier wie zu Hause fühlen.“

Sie deutete auf einen Mann, der gerade eintrat. „Darf ich dir noch jemanden vorstellen? Das ist unser Hofmeister Roy. Wenn du etwas brauchst, kannst du dich jederzeit an ihn wenden.“

Roy verbeugte sich vor Liana. „Mylady, es freut mich, euch kennenzulernen. Ihr könnt jederzeit auf mich zählen.“

„Danke, Roy“, erwiderte Liana höflich.

Eliza wandte sich an den Hofmeister. „Roy, wird Graf Ivo zum Essen kommen?“

„Ja, ich glaube, der Graf ist bereits auf dem Weg zu euch“, antwortete Roy.

Liana erstarrte für einen Moment, als sie Ivos Namen hörte. Ihr Herz schlug schneller. Dann wandte sie sich hastig an Eliza.

„Sei mir bitte nicht böse, aber ich möchte mich zurückziehen.“

„Ich fühle mich nicht besonders wohl“, sagte Liana leise. „Die lange und anstrengende Reise hat mich erschöpft. Ich denke, ich brauche etwas Ruhe. Außerdem würde ich gerne ein Bad nehmen.“

Eliza nickte verständnisvoll. „Aber natürlich, Liana, wie du möchtest.“ Sie drehte sich zur Tür. „Rosa! Rosa!“

„Ja, Mylady, habt ihr mich gerufen?“ Rosa eilte herbei und verbeugte sich.

„Bring unseren Gast in ihre Gemächer und bereite ein Bad für sie vor.“

„Wie ihr wünscht, Mylady“, erwiderte Rosa und trat an die Tür, um auf Liana zu warten.

Eliza wandte sich wieder an Liana. „Ruh dich gut aus. Ich werde deiner Zofe Bescheid geben, dass sie dir etwas zu essen und zu trinken in dein Zimmer bringt. Meinen Vater, Sir Oliver und meinen Cousin Robert wirst du erst in ein paar Tagen kennenlernen. Leider sind sie momentan nicht anwesend.“

Liana nickte dankbar und ging zur Tür, wo Rosa bereits auf sie wartete. „Dann bis morgen. Fühl dich hier wie zu Hause.“

„Ich danke dir, dass du mich so freundlich aufgenommen hast“, sagte Liana mit einem sanften Lächeln. Dann verließ sie den Speisesaal und ließ sich von Rosa zu ihren Gemächern führen.

Eliza seufzte leise und setzte sich an den Tisch. „Roy, du kannst jetzt servieren.“

Kurz darauf betrat ihr Bruder Ivo den Speisesaal. „Grüß dich, Schwesterherz!“ sagte er mit einem selbstzufriedenen Lächeln.

„Ach, Ivo, na endlich! Gut, dass ich dich auch mal zu Gesicht bekomme“, erwiderte Eliza und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Doch dann verzog sie das Gesicht. „Wo warst du denn? Du stinkst ja wie ein altes Pferd!“

Ivo grinste unbeeindruckt. „Ich war im Stall.“ Ohne sich weiter darum zu kümmern, nahm er sich mit bloßen Händen ein Stück Bratenfleisch und schenkte sich großzügig Wein ein.

Eliza verschränkte die Arme und schüttelte den Kopf. „Und das soll der ehrenwerte Graf sein, der über Castel Drogo herrscht? Ivo, was ist das für ein Benehmen?!“

Ivo sah sie amüsiert an. „Was denn, Eliza? Ich habe Hunger. Außerdem sind wir doch unter uns, oder?“ Er nahm einen Schluck Wein und zwinkerte ihr zu. „Erlaubst du mir also, mich zu benehmen, wie ich es will, liebste Schwester?“

„Ach, Ivo …“ Eliza seufzte. „Ich weiß doch, dass du immer tust, was du willst. Ich wünsche mir nur, dass du dich wenigstens am Tisch etwas zivilisierter verhältst.“

„Aber natürlich, liebe Schwester“, sagte Ivo gespielt ernst. „Ich verspreche dir, dass ich mich in Gegenwart einer Dame tadellos benehmen werde.“ Dabei verzog er grinsend den Mund.

Eliza hob eine Augenbraue. „So, so … Dann habe ich wohl geträumt, als ich gesehen habe, wie du dich gegenüber unserer neuen Gästin benommen hast?“

Ivo lehnte sich zurück. „Wie meinst du das, Eliza? Ich verstehe nicht, worauf du hinauswillst.

---ENDE DER LESEPROBE---