Mein wildes Herz - Tess Sharpe - E-Book

Mein wildes Herz E-Book

Tess Sharpe

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Beschreibung

Schon zweimal ist Sophie Winters nur knapp dem Tod entkommen. Mit vierzehn wurde sie bei einem Autounfall schwer verletzt. Drei Jahre später erschießt ein Maskierter vor Sophies Augen ihre beste Freundin Mina. Ein Drogenverbrechen, meinen alle, doch Sophie weiß es besser. Jetzt kehrt sie zurück an ihren Heimatort. Sie hat nur ein Ziel: Minas Mörder zur Strecke zu bringen. Minas Bruder Trev hilft ihr dabei. Doch bald gerät Sophie in einen Strudel aus Lüge und Wahrheit, Vergangenheit und Gegenwart, der ihr Herz an seine Grenzen führt …

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Seitenzahl: 431

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DIE AUTORIN

Foto: © Rowan Price

Tess Sharpe wuchs in Nordkalifornien als Tochter zweier Punkrocker auf. Sie studierte Theaterwissenschaft an der Southern Oregon University, bevor sie die Bühne für eine Laufbahn als professionelle Köchin aufgab. Heute wohnt, schreibt und backt sie nahe der Grenze zu Oregon. Mein wildes Herz ist ihr erster Roman.

TESS SHARPE

MEIN

WILDES HERZ

Aus dem Amerikanischen

von Antoinette Gittinger

cbt ist der Jugendbuchverlag

in der Verlagsgruppe Random House

1. Auflage

Erstmals als cbt Taschenbuch April 2014

Gesetzt nach den Regeln der Rechtschreibreform

© 2014 by Tess Sharpe

Die amerikanische Originalausgabe erschien 2014 unter dem Titel

»Far from You« bei Hyperion, an imprint

of Disney Book Group, New York.

© 2014 für die deutschsprachige Ausgabe cbt Verlag

in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München

Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten

Übersetzung: Antoinette Gittinger

Lektorat: Ulrike Hauswaldt

Umschlaggestaltung: Kathrin Schüler, Berlin

unter Verwendung mehrerer Motive von

Istockphoto (elkor, Photogal [3x], esolla, Dar07, Lezh [2x], dlerick)

he · Herstellung: kw

Satz: KompetenzCenter, Mönchengladbach

ISBN: 978-3-641-13392-4

www.cbt-jugendbuch.de

Für Gramz,

der ich all meine großen Lieben verdanke.

Und für Mom,

die glaubte, dass dies geschehen würde,

selbst als ich es nicht tat.

Dies ist nicht der Anfang …

Auch wenn man es meinen könnte: Zwei verängstigte Mädchen mitten im Nirgendwo, zusammengekauert, die Augen entsetzt auf die Waffe in seiner Hand gerichtet.

Aber dies ist nicht der Anfang.

Es fängt da an, als ich das erste Mal fast gestorben wäre.

Beim ersten Mal bin ich vierzehn und Trev fährt uns vom Schwimmen heim. Mina hat die Fenster heruntergelassen, ihre Finger bewegen sich im Rhythmus der Musik, und ihre Ringe funkeln in der Spätnachmittagssonne, als wir an Stacheldrahtzäunen und vereinzelten Farmen vorbeikommen, hinter denen sich die Berge erstrecken. Auf dem Rücksitz trällern wir die Melodien aus dem Radio mit, und Trev amüsiert sich darüber, dass ich völlig danebensinge.

Es geschieht in Sekundenschnelle: das Knirschen von Metall auf Metall, überall Glas. Ich bin nicht angegurtet und werde nach vorn geschleudert, als Minas Schrei die Musik übertönt.

Dann wird alles schwarz um mich herum.

Beim zweiten Mal bin ich siebzehn und sauer auf Mina. Wir sind sowieso schon zu spät dran und jetzt biegt sie auch noch vom Highway ab, auf die Burnt Oak Road.

»Nur ein kleiner Umweg. Es dauert nicht lange, versprochen.«

»Okay«, erwidere ich und gebe nach, wie immer.

Das ist ein Fehler.

Beim ersten Mal wache ich in einem Krankenhauszimmer auf, angeschlossen an ein Infusionsgerät und piepsende Maschinen.

Überall sind Schläuche. Ich greife nach dem, den man mir in den Hals gesteckt hat. Panik steigt in mir auf und jemand zieht meine Hand weg. Es dauert einen Moment, bis ich erkenne, dass es Mina ist. Als ich in ihre grauen Augen blicke, verstehe ich, was sie sagt.

»Du wirst wieder gesund«, versichert sie mir.

Ich wehre mich nicht länger und vertraue ihr.

Erst viel später erkenne ich, dass sie gelogen hat.

Das zweite Mal habe ich noch deutlich vor Augen. Den Strahl des Fernlichts, die Augen des Schützen, die uns durch die Maske anstarren. Wie ruhig sein Finger am Abzug liegt! Minas Hand umklammert meine, unsere Nägel graben sich in das Fleisch der anderen.

Später streiche ich mit dem Finger über diese blutigen halbmondförmigen Spuren und erkenne, dass sie alles sind, was mir von ihr geblieben ist.

Das erste Mal verbringe ich einige Wochen im Krankenhaus. Die Ärzte setzen mich Stück für Stück wieder zusammen. Operationsnarben schlängeln sich mein Bein hoch, um mein Knie und über meine Brust.

Kampfspuren, nennt Mina sie. »Sie sind heftig.«

Ihre Hände zittern, wenn sie mir hilft, meine Jacke zuzuknöpfen.

Beim zweiten Mal gibt es kein Krankenhaus, keine Narben.

Nur Blut.

Überall Blut. Ich lege die Hände auf Minas Brust, übe Druck aus, aber meine Jacke ist bereits völlig mit Blut durchtränkt.

»Alles okay«, sage ich immer wieder. Sie blickt zu mir hoch. Ihre Augen sind feucht, blicken mich entsetzt an. Sie ringt nach Atem. Ihr Körper zittert unter meinen Händen.

»Sophie …«, presst sie mühsam hervor. Sie hebt die Hand, will nach meiner greifen. »Soph…«

Das waren ihre letzten Worte.

Kapitel 1

Jetzt (Juni)

»Heute ist also der große Tag«, sagt Dr. Charles.

Ich blicke sie über ihren Schreibtisch hinweg an. Alles an ihr ist perfekt, angefangen bei ihren glänzenden Pumps bis hin zu ihrem geschmackvollen »natürlichen« Make-up. Als ich Dr. Charles kennenlernte, hatte ich nur den einen Wunsch: alles in Unordnung zu bringen. Ihr die Brille von der Nase zu nehmen, eine ihrer sorgfältig gebügelten Manschetten zusammenzuknüllen, mich über die hübsche, ordentliche Maske herzumachen, zu dem durchzudringen, was sich darunter verbirgt, dem Chaos.

Das Chaos hat bei der Genesung nichts zu suchen, würde Dr. Charles sagen.

Aber ich sehne mich danach, manchmal noch mehr als nach Sauerstoff.

Genau das geschieht, wenn man drei Monate lang innerhalb makellos weißer Wände gefangen ist, endlose Therapiesitzungen über sich ergehen lassen muss und von New-Age-Musik umsäuselt wird. Die Ordnung und die Regeln bringen einen auf die Palme, erwecken den Wunsch, Mist zu bauen, nur um alles durcheinanderzubringen.

Doch das kann ich mir nicht leisten. Nicht jetzt, denn ich kann die Freiheit fast fühlen.

»Ich denke, ja«, sage ich, als ich merke, dass Dr. Charles auf eine Antwort wartet. Sie mag es, Antworten auf ihre Nicht-Fragen zu erhalten.

»Bist du nervös?«, möchte sie wissen.

»Nein.« Das ist die Wahrheit. Ich kann an einer Hand abzählen, wie oft ich ihr gegenüber ehrlich war, diese Frage mit eingerechnet.

Drei Monate lang zu lügen, ist anstrengend, auch wenn es nötig ist.

»Man braucht sich nicht zu schämen, nervös zu sein«, sagt Dr. Charles. »Es ist ein ganz natürliches Gefühl.«

Natürlich glaubt sie mir nicht, als ich ihr dieses Mal die Wahrheit sage.

Die Geschichte meines Lebens.

»Es ist ein bisschen unheimlich …«, sage ich etwas zögerlich, und Dr. Charles’ neutrale Therapeutenmiene belebt sich bei der Aussicht auf ein Bekenntnis. Mich so weit zu bringen, dass ich mich öffne, ist wie Zähneziehen. Ich sehe, dass es sie nervt. Einmal bat sie mich, ihr von der Nacht zu erzählen, in der Mina ermordet wurde. In dem Versuch, ihr zu entkommen, warf ich den Couchtisch um, und überall splitterte Glas – noch etwas, was ich in Minas Namen zerstört habe.

Dr. Charles starrt mich an, als versuche sie, durch mich hindurchzusehen. Ich starre zurück. Sie mag zwar ihre Therapeuten-Maske aufgesetzt haben, aber ich habe mein »Ich bin eine Drogensüchtige«-Gesicht. Sie kann das nicht übersehen, denn tief in meinem Inneren, verborgen unter all den anderen Dingen (angeschlagen, gebrochen, gezeichnet und betrübt), bin ich eine Drogenabhängige – werde es immer sein. Dr. Charles weiß, dass ich das weiß und es akzeptiert habe.

Sie glaubt, sie sei dafür verantwortlich, dass ich meine Wut bezwungen habe und genesen bin, aber das stimmt nicht. Es ist nicht ihr Verdienst.

Also starre ich sie so lange an, bis sie schließlich den Blick senkt, auf ihre Ledermappe schaut und sich ein paar Notizen macht. »Sophie, bei deinem Aufenthalt in Seaside Wellness hast du riesige Fortschritte gemacht. Während du dich an ein drogenfreies Leben gewöhnst, werden dich ein paar Herausforderungen erwarten, aber ich bin zuversichtlich, dass du mithilfe des Therapeuten, den deine Eltern für dich besorgt haben, und deines Bemühens, die Drogensucht zu überwinden, Erfolg haben wirst.«

»Hört sich nach einem Plan an.«

Sie wühlt in ihren Papieren. Gerade als ich annehme, dass ich jetzt gehen kann, lässt sie die Bombe platzen: »Bevor wir runtergehen, möchte ich mich noch ein bisschen mit dir unterhalten. Über Mina.«

Sie blickt zu mir hoch und beobachtet aufmerksam meine Reaktion, ist gespannt darauf zu sehen, ob ich wohl ihren neuen Couchtisch zertrümmern werde. (Dieses Mal ist er aus Holz – ich vermute, ihr ist klar geworden, dass sie etwas Robusteres benötigt.)

Unwillkürlich presse ich die Lippen zusammen und mein Herzschlag dröhnt mir in den Ohren. Ich zwinge mich zu atmen, ein und aus durch die Nase wie beim Yoga, und entspanne den Mund.

Ich kann mir keinen Ausrutscher leisten, nicht jetzt, da ich so kurz vor der Entlassung stehe.

»Was ist mit Mina?« Meine Stimme klingt so fest, dass ich mir selbst auf die Schulter klopfen möchte.

»Wir haben schon lange nicht mehr über sie gesprochen.« Sie lässt mich nicht aus den Augen, lauert darauf, dass ich ausraste, wie ich es jedes Mal getan habe, wenn sie mir dieses Thema aufzwingen wollte. »Nach Hause zu gehen, bedeutet eine große Herausforderung. Viele Erinnerungen werden dich einholen. Ich muss sicher sein, dass du in der richtigen geistigen Verfassung bist, damit umzugehen, ohne …« Sie nestelt an ihrer linken Manschette.

Dies ist eine weitere ihrer Taktiken. Dr. Charles mag es, wenn ich ihre Sätze zu Ende führe und meine Irrtümer und Fehler eingestehe.

»Ohne Oxy-Rausch?«

Sie nickt. »Mina und ihre Ermordung sind Auslöser. Es ist wichtig, dass du dir dessen bewusst bist. Dass du bereit bist für die Herausforderungen, die die Erinnerungen an sie heraufbeschwören mögen – und die Schuldgefühle.«

Ich muss meine spontane Reaktion unterdrücken, herauszubrüllen: »Ihre Ermordung hatte nichts mit Drogen zu tun!«

Es hat keinen Sinn. Niemand glaubt die Wahrheit. Niemand will mir glauben, nicht in Anbetracht der offensichtlichen Tatsachen. Dieser Dreckskerl mit der Maske hatte alles gründlich vorbereitet – er wusste, ich würde die Drogen, die er mir unterschob, nicht bemerken, nicht nachdem er Mina niedergeschossen und mich k. o. geschlagen hatte. Meine Mom hat alle Hebel in Bewegung gesetzt, damit ich nach Seaside kam, damit dort mein angeblicher Rückfall behandelt und ich nicht wegen Drogenbesitzes verhaftet wurde.

Dr. Charles lächelt mich an. Es ist ein nichtssagendes und zugleich aufmunterndes Lächeln, dieses Verzerren ihrer rosa geschminkten Lippen.

Da dies mein letzter Test ist, muss ich meine Worte abwägen, denn sie stellen mein Ticket in die Freiheit dar. Aber es ist schwer, ja, fast unmöglich, das Zittern in meiner Stimme zu verbergen, die Erinnerungen im Zaum zu halten. Die Erinnerung an Mina, die an jenem Morgen noch mit mir lachte. Keine von uns konnte ahnen, dass es ihr letzter Tag sein würde.

»Ich habe Mina geliebt«, sage ich. Ich habe es x-mal geprobt, aber es darf nicht eingeübt klingen. »Und ihre Ermordung ist etwas, womit ich mich den Rest meines Lebens befassen muss. Aber Mina würde wollen, dass ich nach vorne schaue. Sie hätte gewollt, dass ich glücklich bin. Und clean bleibe. Also werde ich es bleiben.«

»Und wie steht’s mit ihrem Mörder?«, will Dr. Charles wissen. »Bist du bereit, mit der Polizei zu reden, zu sagen, was du weißt?«

»Ich habe Mina geliebt«, erkläre ich erneut, und dieses Mal zittert meine Stimme wirklich. Dieses Mal ist es die Wahrheit, nichts als die Wahrheit. »Und wenn ich wüsste, wer sie ermordet hat, würde ich in voller Lautstärke seinen Namen herausschreien. Aber er trug eine Maske. Ich weiß nicht, wer er war.«

Dr. Charles lehnt sich zurück und mustert mich, als sei ich ein Fisch in einem Aquarium. Ich kaue an meiner Unterlippe, damit sie nicht zittert. Ich halte meinen Atem unter Kontrolle wie bei einer schwierigen Yoga-Stellung, kämpfe mich durch.

»Sie war meine beste Freundin«, sage ich. »Glauben Sie, ich weiß nicht, dass ich es vermasselt habe? Manchmal tue ich kaum ein Auge zu, denke darüber nach, was ich in jener Nacht hätte anders machen können. Wie ich es hätte verhindern können. Dass es meine Schuld ist. Ich weiß das alles, muss lernen, damit fertig zu werden.«

Das ist die Wahrheit.

Die Schuldgefühle – sie sind real. Aber Dr. Charles ordnet ihren Ursprung falsch ein.

Es ist meine Schuld. Weil ich Mina nicht aufgehalten habe. Weil ich nicht noch mehr Fragen gestellt habe. Weil ich sie nicht daran gehindert habe, so zu tun, als sei eine Zeitungsstory etwas, das man geheim halten müsse. Weil ich ihr wie immer die Führung überlassen habe. Weil ich nicht schneller war. Weil ich verkrüppelt bin, unfähig zu laufen oder zu kämpfen oder etwas zu unternehmen, um sie zu beschützen.

»Ich würde gern noch einmal mit Detective James reden«, sage ich. »Aber er hält mich nicht gerade für eine sehr zuverlässige Zeugin.«

»Machst du ihm das zum Vorwurf?«, will Dr. Charles wissen.

»Er tut einfach seinen Job.« Die Worte fühlen sich auf meinem Zahnfleisch an wie Glas, zerschneiden meine Haut. Es ist mir zur zweiten Natur geworden, Detective James zu hassen. Wenn er nur auf mich gehört hätte …

Aber ich kann mich jetzt nicht damit befassen, muss mich konzentrieren. Minas Mörder läuft da draußen herum. Und Detective James wird ihn nicht finden.

»Ich weiß, es wird nicht einfach sein, nach Hause zurückzukehren. Aber Sie haben mir ja die Tools gegeben, damit ich mit allem besser fertig werde.«

Dr. Charles lächelt und ich fühle Erleichterung. Endlich schluckt sie es.

»Ich freue mich, diese Worte von dir zu hören. Sophie, ich weiß, wir hatten einen schwierigen Start, aber bei unseren letzten Sitzungen hattest du eine viel positivere Einstellung. Und das ist sehr wichtig im Hinblick auf alles, was dir bevorsteht. Die Genesung ist nicht einfach und du musst immer weiter an dir arbeiten.« Sie wirft einen Blick auf ihre Armbanduhr. »Deine Eltern dürften bald hier sein. Ich begleite dich jetzt in den Wartebereich.«

»Okay.«

Schweigend gehen wir den Flur hinunter, vorbei an der Gruppentherapie, die im Aufenthaltsraum stattfindet. In den letzten drei Monaten war dieser Kreis aus Stühlen meine persönliche Hölle. Es ist eine Qual gewesen, dort sitzen und sich mit Menschen austauschen zu müssen, die ich kaum kenne. In dieser Zeit habe ich gelogen, dass sich die Balken biegen.

»Anscheinend verspäten sie sich«, sagt Dr. Charles, als wir den leeren Warteraum betreten.

Genau. Sie verspäten sich.

Entweder hat sie unsere angespannte Familiensitzung vergessen oder sie glaubt wirklich an das Gute im Menschen.

Ich nicht.

Deshalb frage ich mich, ob meine Eltern sich verspäten oder ob sie überhaupt kommen.

Kapitel 2

Dreieinhalb Monate früher (siebzehn Jahre alt)

»Bitte, Mom, schick mich nicht dorthin. Ich muss nirgendwohin gehen – ich bin clean. Ich schwöre es!«

»Sophie, ich will das nicht hören.« Mom lässt das Schloss meines Koffers zuschnappen und geht die Treppe hinunter. Ich folge ihr. Ich muss mich wehren, muss es schaffen, dass sie mir glaubt.

Irgendjemand muss es tun.

Mein Dad wartet an der Haustür auf uns, den Mantel über den Arm gelegt, als ob er ins Geschäft ginge. »Fertig?«, fragt er.

»Ja«, erwidert Mom. Ihre Absätze klappern über den spanischen Fliesenboden, als sie auf ihn zugeht.

»Nein.« Ich pflanze mich am Treppenende auf, straffe die Schultern und kreuze die Arme über der Brust. Mein krankes Bein zittert.

»Ich werde nicht gehen. Ihr könnt mich nicht zwingen.«

Mein Dad seufzt und blickt zu Boden.

»Sophie Grace, steig ein«, befiehlt Mom.

Ich sage es leise und langsam. »Ich brauche nirgendwohin zu gehen. Ich hatte keinen Rückfall. Mina und ich waren nicht unterwegs, um uns Stoff zu beschaffen. Ich bin seit über sechs Monaten clean. Ich unterziehe mich jedem Drogentest.«

»Sophie, die Polizei hat die Pillen in deiner Jacke gefunden«, sagt Dad. Seine Stimme klingt heiser und seine Augen sind gerötet. Offensichtlich hat er geweint. Wegen mir. Wegen dem, was ich seiner Meinung nach getan habe.

»Auf der Flasche waren deine Fingerabdrücke. Ihr Mädchen wart statt bei Amber zu Hause am Booker’s Point, wo ihr Drogen gekauft habt. Selbst wenn ihr die Pillen nicht genommen habt, ihr habt sie gekauft – sie sind ja nicht durch Zauberhand in deine Tasche gekommen. Seaside ist im Moment genau der richtige Ort für dich. Weißt du überhaupt, wie hart deine Mutter darum kämpfen musste, dass keine Anklage wegen Drogenmissbrauchs in deine Akte aufgenommen wurde?«

Ich blicke verzweifelt von einem zum anderen. Dad meidet meinen Blick, und Mom trägt mal wieder ihre undurchdringliche Maske, lässt niemanden an sich heran.

Ich muss es versuchen.

»Ich habe euch doch schon gesagt, dass es nicht meine waren. Detective James irrt sich auf der ganzen Linie. Wir waren nicht beim Booker’s Point, um Drogen zu kaufen – Mina hatte eine Verabredung mit jemandem wegen einer Zeitungsstory. Die Polizei jagt die falschen Leute und sie glauben mir nicht. Aber ihr müsst mir glauben.«

Mom geht um mich herum, den Koffer in der Hand. »Weißt du überhaupt, was du mir und deinem Vater angetan hast? Was ist mit Mrs Bishop? Kümmert es dich überhaupt nicht, wie ihr zumute sein muss? Sie hat bereits ihren Ehemann verloren und jetzt verliert sie noch ihre Tochter. Trev wird seine Schwester nie wiedersehen. Und das nur, weil du high sein wolltest.«

Sie spuckt die Worte aus und ich fühle mich wie Abschaum. Ein Fleck auf ihrem Schuh. Mit zusammengekniffenen Augen fährt sie fort. »Sophie, wenn du jetzt nicht sofort in dieses Auto steigst, wenn du nicht nach Seaside gehst und lernst, wie man clean bleibt, schwöre ich bei Gott …« Als die Wut sich legt, schimmern Tränen in ihren Augen.

»Ich hätte dich erneut fast verloren«, flüstert sie, und ihre Stimme zittert und bricht unter dem Gewicht der Worte. »Genau das hätte ich das erste Mal tun sollen, habe es aber nicht. Ich werde diesen Fehler nicht noch einmal machen.« Ihre Stimme wird schärfer. »Steig ein.«

Ich rühre mich nicht von der Stelle. Kann es nicht. Denn damit würde ich zugeben, dass sie recht hat.

Sechs Monate. Fünf Tage. Zehn Stunden.

So lange schon bin ich clean und ich sage mir das immer wieder und wieder vor. Solange ich mich darauf konzentriere, solange ich alles dafür tue, diese Zahl anwachsen zu lassen, Minute um Minute, Tag für Tag, ist mit mir alles in Ordnung. Ich muss clean bleiben.

»Nun, Sophie?«

Ich schüttele den Kopf und klammere mich ans Geländer. »Ich kann das nicht zulassen.«

Mir geht Mina nicht aus dem Kopf. Sie liegt unter der Erde, und ihr Mörder läuft frei herum, und die Bullen suchen an den falschen Plätzen.

Dad packt mich um die Taille, sodass ich das Geländer loslassen muss, und wirft mich über die Schulter. Das geschieht durchaus behutsam. Dad geht immer behutsam mit mir um, hat mich nach dem Unfall stets sanft die Treppe hochgetragen. Aber ich habe seine Sanftmut satt, denn sie vermittelt mir keine Sicherheit mehr. Ich bearbeite ihn mit den Fäusten, mit hochrotem Gesicht, brülle, doch er bleibt unbeeindruckt. Er stößt die Haustür auf. Meine Mutter steht unter dem Vordach und beobachtet uns. Sie hat die Arme um sich geschlungen, als suche sie Schutz.

Er geht die Auffahrt hinunter und bugsiert mich ins Auto. Mit steinernem Gesicht lässt er sich auf den Fahrersitz gleiten.

»Dad.« Tränen rollen mir über die Wangen. »Bitte, du musst mir glauben.«

Doch er beachtet mich nicht, lässt den Motor an und fährt los.

Kapitel 3

Jetzt (Juni)

Meine Eltern sind immer noch nicht eingetroffen. Dr. Charles wirft von Zeit zu Zeit einen Blick auf ihre Armbanduhr und spielt mit ihrem Kuli.

»Sie brauchen nicht mit mir zu warten.«

Sie legt ihre glatte Stirn in Falten. So werden die Dinge nicht gehandhabt. Meine Eltern hätten ihre wie umgewandelte, supercleane Tochter vor mindestens zwanzig Minuten unter Tränen in die Arme nehmen müssen.

»Ich werde kurz einen Anruf tätigen«, sagt sie.

Ich lehne den Kopf gegen die Wand und schließe die Augen. Ich sitze da, warte und überlege, ob sie mir wohl erlauben wird, ein Taxi zu rufen, falls sie meine Eltern nicht erreicht.

Ungefähr zehn Minuten sind verstrichen, als jemand mein Knie berührt. Ich öffne die Augen und erwarte, Dr. Charles zu sehen. Doch stattdessen spüre ich nach Monaten zum ersten Mal, wie sich ein echtes Lächeln auf meinem Gesicht ausbreitet.

»Tante Macy!« Ich falle ihr stürmisch um den Hals, sodass sie um ein Haar das Gleichgewicht verliert. Als ich sie umarme, lege ich das Kinn auf ihre Schulter. Macy ist ein paar Zentimeter kleiner als ich. Aber aufgrund ihrer aufrechten Haltung wirkt sie größer. Sie riecht nach Jasmin und Schießpulver, und sie ist das Beste, was mir seit einer Ewigkeit begegnet ist.

»Hey, Kid.« Sie grinst und umarmt mich herzlich. Ich spüre die Wärme ihrer rauen Handflächen auf meinen Schultern. Sie trägt ihr Haar, das genauso blond ist wie meines, zu einem langen Zopf geflochten. Ihre braune Haut lässt ihre Augen strahlend blau erscheinen. »Deine Mom wurde aufgehalten, hat mich an ihrer Stelle geschickt.«

Während meines Aufenthalts in Seaside habe ich nichts von Macy gehört, obwohl ich nach den ersten zwei Wochen Post empfangen durfte. Aber jetzt ist sie hier bei mir und ich empfinde eine ungeheure Erleichterung.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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