Meine Liebe ist tödlich - Alexandra Krebs - E-Book

Meine Liebe ist tödlich E-Book

Alexandra Krebs

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Beschreibung

Liebesbriefe und Pralinen, was wünscht sich eine Frau mehr? Für Claire hingegen beginnt mit diesen Geschenken ein Albtraum. Immer mehr grauenvolle Ereignisse häufen sich in ihrem Umfeld. Hat ihr Stalker etwas damit zu tun, wer ist dieser Mann? "Liebste Claire, ich liebe dich und werde dich immer beschützen, vor allem und jedem."

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Alexandra Krebs

Meine Liebe ist tödlich

BookRix GmbH & Co. KG80331 München

intro

 

 

 

 

Mord ist manchmal wie ein Blumenstrauß. Ein nicht erwünschtes Geschenk.

Alexandra Krebs 2019

 

 

impressum

 

 

 

 

 

 

Impressum:

©2019 Alexandra Krebs

Oortkatenweg 120

21037 Hamburg

[email protected]

Korrektorat:Marita Pfaff

Cover: Jasmin Braun

 

 

 

1. Kapitel

 

Welch ungewöhnliche Ruhe. Mein Blick wandert auf meine Armbanduhr, es ist neun Uhr durch. Wo sind denn nur alle?

In mir steigt eine Unruhe auf. Seitdem ich hier in dieser Firma arbeite, kam es noch nie vor, dass ich die Erste im Büro war.

Morgens, wenn ich den Raum betrete, sitzen hier zwanzig junge Menschen mit Headsets auf dem Kopf und ein Stimmengewirr, welches mich oft an einen Bienenschwarm erinnert, schallt mir entgegen. Ich liebe diesen Krach, auch wenn ich nie zuvor gedacht hätte, mich jemals damit anzufreunden.

Vielleicht habe ich ja den Tag verwechselt? Aber auch hier sagt meine Armbanduhr ganz eindeutig, es ist ein Freitag. Als ich auf das Datum sehe, läuft mir ein kalter Schauer über meinen Rücken. Ist das vielleicht die Antwort? Kann es wirklich sein? Ich dachte immer, ich sei nicht abergläubisch, doch bei einem Freitag, also einem Freitag, den 13., mache ich eine Ausnahme. Gibt es wirklich Paranormales? Immer wieder blicke ich mich um, während ich das große Gemeinschaftsbüro durchquere, um in mein Arbeitszimmer zu gelangen

Es ist nur durch eine Glasfront vom Hauptraum abgetrennt, der Chef hat mich extra so positioniert, damit ich alles überblicken kann. Vielleicht sind sie ja unter ihren Tischen und wollen mich veräppeln? Ich blicke unter die Tische, doch niemand ist da. Es hätte mich auch ein wenig gewundert, denn wieso sollten sie so etwas tun? Sie haben nie etwas in dieser Richtung angedeutet. Wenn der Chef rausbekommt, dass ich hier keinen Mitarbeiter habe, dann kann ich meine Sachen packen und gehen. Bevor ich ihn anrufe, muss ich mich absichern und blicke auf den Kalender an der Wand. Auf ihn schreibe ich alle Termine, die für mich oder das Team anstehen, mit Sicherheit habe ich etwas vergessen.

Seit dem Tod meines Vaters habe ich einige Termine verdusselt, es fühlte sich an, als hätte ich ein schwarzes Loch in meinem Kopf. Nur bei wichtigen Gelegenheiten hat mich meine Freundin, Natalia, erinnert. Ich war mir eigentlich sicher, dass die Vergesslichkeit vorbei war. Wobei? Wenn ich so in den Raum sehe, das Ganze muss doch einen Grund haben. Keiner von den Kollegen hatte mehr als normal über die Arbeit gemeckert. Wieso sollten sie kollektiv wegbleiben? Immer wieder blicke ich auf das heutige Datum, da steht nichts, außer dass heute Freitag, der 13. ist.

Ich muss mich ablenken, vielleicht klärt es sich ja innerhalb der nächsten Minuten auf. Ich gebe den Kollegen noch eine halbe Stunde, dann werde ich anfangen, ihnen hinterher zu telefonieren. Ich höre schon die Stimme meines Vorgesetzten im Ohr. Er wird mir einen stundenlangen Vortrag halten. Frau Pekut, sie sind zu weich. Sie müssen härter sein, um als Vorgesetzte akzeptiert zu werden. Vielleicht hat er ja recht. Ich mag aber lieber einen leicht distanzierten und dennoch freundlichen Umgang mit den Kollegen. Und außerdem quillt mein Schreibtisch mit Belegen, Zetteln und Verkaufsreporten über. Ich muss Rechnungen schreiben und begleichen. Hätte ich vor der Arbeitsaufnahme gewusst, dass der Chef die Buchhaltung abschafft und ich das übernehmen soll, ich hätte nie den Job angenommen. Was mich hier hält? Ja, das werde ich oft gefragt. Ich weiß es mittlerweile selbst nicht mehr. Die Bezahlung definitiv nicht.

Mein Blick wandert über den Tisch, und ich habe mich nicht getäuscht. Die Stapel sind noch mal gewachsen, seit ich gestern das Büro verlassen habe. Einige der Callcenteragenten verlassen nach mir das Büro und legen dann ihre Berichte achtlos auf meinem Schreibtisch ab. Wieso Herr Starke, der sonst so ein geiziger Chef ist, nicht will, dass wir das per Intranet machen, verstehe ich bis heute nicht.

Für ihn muss alles in Papierform vorliegen. Außer bei E-Mails, da macht er eine Ausnahme. Mein Blick lässt mich stoppen. Was ist das für ein seltsamer Umschlag auf dem zweiten Stapel? Ein dunkelblaues Kuvert, auf dem mit silberner klarer Schrift mein Name steht.

 

An Claire Pekut

 

Vielleicht ja die Antwort auf meine Frage. Vermutlich haben die Kollegen sich wegen Freitag, den 13. einen Scherz erlaubt.

Während ich den Umschlag öffne, steigt mir ein schwerer Moschusduft in die Nase. Sofort bekomme ich Kopfschmerzen, ich hasse den Duft, aber kann gar nicht sagen, wieso es so ist. Keiner meiner Kollegen oder Vorgesetzten nutzt so ein starkes Parfüm. Das wüsste ich.

 

Liebste Claire,

du weißt zwar nicht, wer ich bin, doch ich kenne dich genau. Deine schönen braunen Augen sind ein wundervoller Kontrast zu deinen blonden Haaren.

Ich liebe es, wie du versuchst, deine Haare zu bändigen. Aber genau wie du sind sie wild und streben nach Freiheit. Immer, wenn ich an dir vorbei gehe, unterdrücke ich mein Bedürfnis, dich und deine herrliche Mähne anzufassen.

Aber der Tag wird kommen und dann wirst du ganz mein sein.

In ewiger Treue

 

Sprachlos starre ich den Zettel in meiner Hand an. Wer kann mir das geschickt haben?

„Hey, Claire, bist du aus dem Bett gefallen?“

Erschrocken blicke ich auf. Thomas, der Praktikant, der immer vor allen anderen im Büro ist, steht in meinem Türrahmen.

„Ach, du bist es.“ Lächelnd schaue ich ihn an. Dann werde ich stutzig.

„Wie meinst du das? Es ist laut meiner Uhr schon halb zehn und wo sind die anderen?“

Genau in dem Moment, indem ich das sage, geht die Tür auf. Michel und Frank kommen herein. Es sind die beiden größten Schnattertanten im Team. Lachend hauen sie sich auf die Schultern. Einer von ihnen hat mit Sicherheit den größten Witz aller Zeiten erzählt. Davon gehen sie sehr oft aus. Andere können weniger über ihre Späße lachen. Aber sie heitern das Team dennoch oft auf.

„Claire, es ist gerade eben kurz vor acht und unsere Arbeitszeit beginnt erst in einigen Minuten. Du wirst doch jetzt nicht zu einer weiblichen Form vom Starke.“ Thomas muss über seinen eigenen Gag lachen. Herr Starke ist unser Chef und sein Lieblingssatz lautet: „Jeder sollte fünf Minuten vorher seinen Abschluss machen, denn dann hat man fünf Minuten länger Zeit einen neuen zu machen!“ Wenn er diesen Satz bringt, schaut er sich immer Beifall heischend um. Doch keiner kann darüber lachen, noch irgendeinen Sinn darin sehen. Da wir aber wissen wie cholerisch er werden kann, nicken wir ihm zustimmend zu.

Wieder schaue ich auf meine Uhr, sie zeigt mir, dass es mittlerweile schon halb zehn durch ist. Aber ich will es genau wissen und fische mein Handy aus meiner Handtasche. Verdammter Mist, wie kann das passieren? Mein Handy zeigt mir 7.45 Uhr an. Wie können Armbanduhr und Wecker gleich falsch gehen? Aber es hat auch etwas Gutes. Ich habe wenigstens nicht verschlafen. Denn wenn etwas so sicher wie das Amen in der Kirche ist, dann dass der Starke mir das übelgenommen hätte. Ich darf mir keinen Fehler mehr leisten. Es waren zu viele seit dem Tod meines Vaters. Doch dafür hatte mein Chef kein Verständnis.

Langsam füllt sich das Büro und alle rufen fröhlich durcheinander. Einige beginnen die Wochenendplanung zu erstellen. Doch wenn ich richtig höre, sind die meisten erstaunt, dass ich schon da bin. Meine Befürchtung ist, dass einige dahinter etwas Größeres vermuten. Ich kann ja schlecht sagen, dass ich einfach zu dumm bin, meine Uhren richtig zu stellen.

Aber meine Gedanken schweifen immer öfters ab. Wer kann der Verfasser meines Briefes sein? Einer aus dem Team? Ich fixiere jeden Einzelnen. Michel? Nein, er und Frank sind schon so lange ein Paar. Ich vermute mal, dass er nicht einmal wüsste, welche Augenfarbe ich habe und meine Haarmähne? Das ist kein typisches Wort für ihn. Thomas, der Praktikant? Ich könnte mit achtunddreißig Jahren schon fast seine Mutter sein. Wenn er an Frauen denkt, dann wohl an eher welche in seinem Alter. Keiner, der da ist, würde aus meiner Sicht dazu passen.

Ich muss aufhören darüber zu grübeln. Damit wird der Arbeitsberg nicht kleiner.

„Frau Pekut …“

Die donnernde Stimme von Herrn Starke schallt durch das ganze Büro. Die Glasscheibe wackelt und ich bin nicht zum ersten Mal glücklich darüber, dass sie sehr stabil eingebaut wurde. Alle blicken auf und ich erkenne, wie mich die Kollegen bemitleiden. Es ist verdammt selten, dass der Chef sich sehen lässt. Wenn die Verkaufszahlen gut sind, ist es selbstverständlich. Sind sie aber schlecht, sendet er mir eine E-Mail, in der er mir mitteilt, wer gekündigt werden muss. Wenn er also im Haus ist und mich auch noch sehen will, kann es nur das Schlimmste bedeuten.

… Meine Kündigung. …

Tief einatmend gehe ich in Richtung seines Büros. Jeder Schritt hallt in meinen Ohren wieder. Vor seiner Tür atme ich noch einmal tief durch und versuche, das Zittern meiner Hände unter Kontrolle zu bekommen. Ich will nicht, dass er meine Angst erkennt und ich mich noch verletzlicher damit mache.

„Reinkommen.“ Noch ehe ich an die Tür geklopft habe, brüllt er sein Kommando. Ich hatte schon oft gedacht, dass er überall Kameras aufgestellt hat und uns immer beobachtet. Wenn seine Tür ein Fenster hätte, würde ich es ja verstehen. Aber woher sonst sollte er wissen, dass ich schon da bin?

„Herr Starke, was kann ich für Sie tun?“ Obwohl ich Angst vor dem habe, was nun kommt, versuche ich Selbstsicherheit auszustrahlen. Für irgendetwas muss ja meine Modelzeit gut gewesen sein.

„Setzen Sie sich.“ Mit einer Hand deutet er auf den Stuhl vor seinem großen Schreibtisch mit einer schweren Marmorplatte. Auch wenn es überhaupt nicht freundlich klingt, beruhigt es mich. Falls er mich rauswerfen wollte, würde er nicht darum bitten, mich hinzusetzen. Ich habe einmal mitbekommen, wie er jemanden entlassen hat. Damals durfte derjenige nicht einmal die Tür schließen, da hatte er das Schreiben schon in der Hand. Aber wenn er mich nicht kündigen will, was habe ich dann verbrochen? Kann ich es vielleicht noch richten?

„Haben Sie meine E-Mail am Mittwoch nicht bekommen?“ Wild fuchtelnd deutet er auf seinen Monitor, fast so, als sollte ich darauf sehen. Doch ich weiß, dass es nichts bringen wird.

Wenn ich nur wüsste, von welcher er spricht. Er schickt bis zu zwanzig Stück an einem Tag. Oft Unnützes, doch wenn er so drauf ist, dann muss es sehr wichtig gewesen sein, vermutlich aber nur aus seiner Sicht.

„Ich meine die mit den Quartalszahlen.“ Augenrollend schaut er mich an. Sofort fällt bei mir auch wieder der Groschen. Dass die ihm besonders wichtig ist, hätte mir klar sein müssen. Immerhin hatte er im Betreff gefühlt hundert Ausrufezeichen gesetzt. Vor Monaten hätte ich diese E-Mail auch mit oberster Priorität behandelt. Doch er nutzte diese Ausrufezeichen fast so gerne wie Jugendliche in WhatsApp oder Facebook. Ich bin da mittlerweile so abgestumpft. Seitdem er die Buchhaltung abgeschafft hat und mir diese Aufgabe noch zusätzlich aufs Auge gedrückt hat, komme ich nicht mehr hinterher. Ich versuche einfach, alles chronologisch abzuarbeiten.

„Wir haben zwei Prozent weniger Umsatz im letzten Quartal gemacht, ich wollte, dass Sie mir eine Lösung nennen.“

Seine Stimme überschlägt sich buchstäblich. Er hat schon im ruhigen Zustand eine hohe Stimme, wenn er aber wie jetzt aufgeregt ist, dann ist sie regelrecht schmerzhaft in den Ohren.

„Herr Starke, ja, die E-Mail habe ich erhalten.“ Ehe ich weitersprechen kann, unterbricht er mich sofort wieder.

„Wo ist dann Ihre Antwort?“ Wenn ich ihm sage, dass ich noch nicht dazu gekommen bin, mir die Zahlen genauer anzusehen, kann ich gleich meinen Hut nehmen. Doch gerade habe ich noch eine Chance, ich muss ihn nur einwickeln und mir eine verdammt gute Ausrede einfallen lassen.

„Wissen Sie Herr Starke, es ist eine komplexe Konstellation und es sind viele Variablen, die man da in Betracht ziehen muss.“ Jeder vernünftige Mensch erkennt sofort, dass ich eine Nullaussage treffe. Aber der Mann ist so in sich gefangen und selbstverliebt, dass ich ihn mit meinen völlig unzusammenhängenden Fremdwörtern einlullen kann. Er hat die Firma vor einigen Jahren von seinem Vater übernommen. Wenn man den langjährigen Mitarbeitern glauben darf, war dieser ein sehr gütiger Chef. Der Sohn ist das komplette Gegenteil. Und dazu noch ist Starke Junior ein ungebildeter Mensch, einer, den man immer wieder beeindrucken kann.

„Sie haben recht, Frau Pekut, nun sagen Sie mir doch, wie Sie es verbessern wollen.“ Er lehnt sich in seinem teuren Ledersessel zurück und winkt mit seiner Hand in kleinen Kreisen. Vermutlich will er, dass ich schneller spreche, doch nun war meine Stunde gekommen. Denn wenn er neben Fremdwörtern noch etwas liebte, war es, wenn ich ihm Honig um den Mund schmiere, ihm schmeichele und ihn als Chef in die Höhe hebe. Vermutlich der einzige Grund, wieso ich noch nicht rausgeflogen bin. Dass ich darin gut bin, habe ich meinem Leben als Model zu verdanken.

„Herr Starke, meine Antworten zu dem Problem waren mir noch zu oberflächlich und ich möchte Ihnen doch nicht Ihre kostbare Zeit mit Unzulänglichkeiten rauben.“. Damit hatte ich alles gesagt. Sofort beginnt er leicht dümmlich zu lächeln und nimmt einen Schluck aus dem Whiskyglas auf seinem Tisch. Wenn es der Firma angeblich so schlecht gehen soll, wundert es mich, dass er schon morgens um zehn sich den teuersten Single Malt leisten kann.

„Ja, Sie haben recht, meine Zeit ist wirklich sehr rar. Ich will Ihre Antwort nächste Woche auf dem Tisch. Und zwar am Montag spätestens um neun Uhr, dass Sie mich verstehen.“

Ohne ein weiteres Wort erhebt er sich und ich weiß, ich bin erst einmal gerettet.

 

2. Kapitel

 

Was für ein Horrortag. Wenn der Starke dachte, es würde leichter sein, seine verdammten Quartalszahlen zu lesen, wenn er mir noch zusätzlich fünfundzwanzig E-Mails sendet, dann hat er weit gefehlt. Am Nachmittag fiel die verdammte Telefonanlage aus und über eine Stunde konnten die Callcenteragenten nicht telefonieren und folglich konnten in dieser Zeit keine Verträge über das Telefon abgeschlossen werden. Für mich bedeutete es wiederum, dass der Chef mich neben den E-Mails auch an die hundert Mal in der Stunde auf meinem privaten Handy angerufen hatte. Wie er das geschafft hat, weiß ich bis jetzt nicht. Meine Ohren sind kochend heiß und meine Kündigung habe ich im Geiste auch schon viermal geschrieben. Der Einzige, der mich heute aufmuntern konnte, war Frank. Er ist ein herzensguter Mensch. Seit neun Jahren im Betrieb ist er die gute Seele des Vereins. Er und Michel sind das Paar des Betriebes. Die beiden sind total vernarrt ineinander und ihnen ist es immens wichtig, dass es allen gut geht. Dafür leben beide und würden auch alles dafür tun. Frank hat mich über den ganzen Tag mit gefühlt hundert Litern Kaffee versorgt. Als die Kopfschmerzen einsetzten, die ich oft bekomme, war er der Erste, der es bemerkte und mir eine Aspirin brachte. Alleine dafür hätte ich ihn küssen können.

Ich blicke auf die Uhr. Verdammt, wenn die nicht wieder falsch geht, bin ich viel zu spät dran. Heute ist der Abend, auf den ich mich seit Wochen freue. Natalia ist in der Stadt und ich will mich mit meiner liebsten und ältesten Freundin treffen.

Während ich alles in die Schränke zurücklege und den PC herunterfahre, fällt mir der Brief von meinem heimlichen Verehrer in die Hand. Den ganzen Tag hatte ich keine Sekunde Zeit darüber nachzudenken, wer es sein könnte.

Aber Natalia wird mir mit Sicherheit beim Herausfinden des Schreibers helfen können. Im Affentempo renne ich von der Alten Holstenstraße zur Vierlandenstraße, wo ich im Schweinske mit ihr verabredet bin.

„Ahhh, Schatzilein. Da bist du ja.“ Natalias harter russischer Akzent schallt durch das ganze Restaurant. Während ich mich am liebsten in eine Ecke verzogen hätte, um in Ruhe mit ihr zu reden, hat sich Natalia direkt an den Tresen gesetzt. So muss jeder, der rein oder raus möchte, an uns vorbei. Natalia sagt sich bestimmt, wenn wir schon in so eine einfache Gaststätte gehen müssen, dann muss sie wenigstens im Mittelpunkt stehen. Sie geht sonst nur in In-Clubs, in denen die Devise lautet: Sehen und gesehen werden. Sie kann es nicht nachvollziehen, dass ich meine Modelkarriere auf ihrem Höhepunkt einfach an den Nagel gehängt hatte, um zu studieren und nun in einem unterbezahlten Job mit einem Chef, den man auch Choleriker nennen kann, aufzugehen.

Jeder Modedesigner der Welt wollte mich haben, die meisten konnten meiner Agentur nicht das Geld zahlen, was sie verlangte, so dass ich wirklich nur für die Crème de la Crème lief. Die teuersten Autos und die besten Penthouses der Welt konnte ich mir leisten. Aber am Ende des Ganzen fiel es mir so leicht, all das aufzugeben. Wie oft war ich eingeschränkt in dem Leben eines Models. Endlich essen wann und was ich wollte. Na ja, wenn die Zeit es mir zuließ. Wenn ich Lust habe, kann ich immer noch den ein oder anderen kleinen Auftrag annehmen. Aber ohne jemanden, der die Kleinen aussiebt, und so kann ich auch meine Bedingungen stellen. Natalia ist immer noch im Business. Nicht so erfolgreich wie ich, obwohl sie auch wunderschön ist. Aber dunkle Haare in der Kombination mit braunen Augen sind nicht so gerne gesehen wie meine blonden Haare, die schon fast weiß sind, mit den braunen Augen. Wenn ich ihr Glauben schenken darf, dann ist ihr Oberkörper auch angeblich zu klein. Dafür hat sie aber endlos lange Beine, das fehlt mir.