Meine Schuld 8 – Romanzeitschrift -  - E-Book

Meine Schuld 8 – Romanzeitschrift E-Book

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Beschreibung

Meine Schuld Nr. 8 Alle 14 Tage neu! Diese Storys gehen wirklich jedem unter die Haut! Viele packende Erlebnisse und berührende Familiendramen, spannend von der ersten bis zur letzten Seite. Menschen wie du und ich berichten schonungslos offen und direkt aus ihrem Alltag. Kein Thema ist tabu! Geschichte 1: Verzweifelt Mein Mann erpresste mich jahrelang mit dem Ehevertrag." Meine Ehe ist seit Jahren am Ende. Tyrannei, Schläge und Demütigungen sind mein Alltag. Doch wenn ich Friedhelm verlasse, stehe ich vor dem Nichts. Ganz genau das steht in meinem Ehevertrag. Bis nachher, Christina", drückte mich meine Kollegin kurz an sich. "Florian und ich holen euch dann ab." Durch den offenen Herbstmantel spürte ich Nadines Babybauch warm an meinem Körper. Dann sahen wir auf die kleine, schwarz gekleidete Gesellschaft, die beim Blumenladen vor dem Tor auf den Sarg wartete. "Du musst los", sagte sie. Ich nickte: "Hanne braucht mich jetzt." "So ist es. Ich glaube zwar, dass es für ihren Mann eine Erlösung war, aber es ist trotzdem ein schwerer Tag für sie. Da braucht man Freundinnen." Ich sah Friedhelm in seinem neuen Kaschmiranzug mit verkniffenem Mund auf mich zukommen. Bevor mein Mann mich vor meiner Kollegin bloßstellen konnte, ging ich ihm entgegen, auf die Trauergesellschaft zu.

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Inhalt

Geschichte 1

Geschichte 2

Geschichte 3

Geschichte 4

Geschichte 5

Geschichte 6

Geschichte 7

Geschichte 8

Geschichte 9

Geschichte 10

Geschichte 11

Meine Schuld –8–

Was Frauen Berichten: Schonungslos - Indiskret

Roman von Diverse Autoren

Geschichte 1

Verzweifelt

Roman von Christina S. (50)

»Mein Mann erpresste mich jahrelang mit dem Ehevertrag.«

Meine Ehe ist seit Jahren am Ende. Tyrannei, Schläge und Demütigungen sind mein Alltag. Doch wenn ich Friedhelm verlasse, stehe ich vor dem Nichts. Ganz genau das steht in meinem Ehevertrag.

Bis nachher, Christina«, drückte mich meine Kollegin kurz an sich. »Florian und ich holen euch dann ab.«

Durch den offenen Herbstmantel spürte ich Nadines Babybauch warm an meinem Körper. Dann sahen wir auf die kleine, schwarz gekleidete Gesellschaft, die beim Blumenladen vor dem Tor auf den Sarg wartete.

»Du musst los«, sagte sie.

Ich nickte: »Hanne braucht mich jetzt.«

»So ist es. Ich glaube zwar, dass es für ihren Mann eine Erlösung war, aber es ist trotzdem ein schwerer Tag für sie. Da braucht man Freundinnen.«

Ich sah Friedhelm in seinem neuen Kaschmiranzug mit verkniffenem Mund auf mich zukommen. Bevor mein Mann mich vor meiner Kollegin bloßstellen konnte, ging ich ihm entgegen, auf die Trauergesellschaft zu.

»Taktlos, ausgerechnet jetzt mit deiner hochschwangeren Kollegin Kaffeeklatsch zu halten. Da merkt man mal wieder, wo du herkommst«, zischte mein Mann verächtlich.

In diesem Moment wünschte ich mir von ganzem Herzen, an der Stelle meiner Freundin zu sein. Es wäre nicht für meinen Mann, aber für mich eine Erlösung, wenn ich ihn jetzt und hier zu Grabe tragen dürfte.

Stattdessen lag Hannes Mann in dem Sarg, der jetzt aus der Trauerhalle gerollt wurde. Er war lange schwer krank gewesen und mit achtundsechzig Jahren schließlich gestorben. Hanne war zwölf Jahre jünger als er. So hatte sie die Kraft gehabt, ihn bis zuletzt zu pflegen. Kinder waren den beiden nicht vergönnt gewesen.

Deshalb hakte ich sie als ihre älteste Freundin unter und stützte sie, während wir dem Sarg bis zum Grab folgten. Hanne weinte kurz. Alle sahen ihre Tränen. Doch nur ich wusste, dass sie mit sehr gemischten Gefühlen neben der ausgehobenen Grube stand.

Mein Mann gab selbstverständlich wie immer den perfekten Gesellschafter. Stocksteif stand er mit starrer Mine in der Trauergesellschaft. Doch kaum hatte der Pfarrer die letzen Worte gesprochen, sah er zum ersten Mal auf die Uhr. Bei den Beleidsbekundungen war er der Erste, der vor meiner Freundin stand. Sofort nach dem kurzen Händedruck verschwand er eilig zu einem Geschäftstermin.

»Seine Hand war eiskalt«, flüsterte Hanne, als die letzten Hände gedrückt waren.

»Das ist nicht nur bei seinen Händen so«, stellte ich fest.

Ihr gegenüber konnte ich offen sein. Sie wusste um die Schwierigkeiten in meiner Ehe. Langsam schritten wir über den feinen Kies auf dem Weg.

»Wo treffen wir deine Kollegin?«, fragte sie.

»Am Seitenausgang. Ihr Mann fährt uns zur Gaststätte und bringt danach Nadine zur Arbeit. Er hat sie gerade zur Vorsorgeuntersuchung begleitet.«

»Tja, so ist das«, seufzte meine Freundin nachdenklich mit einem Blick zurück auf das Grab. »Der eine geht, neues Leben entsteht.«

»Es war besser so«, drückte ich ihre Schulter tröstend.

»Das allemal!«, stimmte sie mir zu. »Aber es ist schon komisch. Jetzt, wo alles vorbei ist. Niemand meckert mehr morgens, wenn ich früh aufstehe und die Tür vom Bad zu laut knarrt. Niemand mehr da, dem ich ständig helfen muss.«

»Und niemand mehr, der dich fertigmacht, weil er schlechte Laune hat«, erinnerte ich sie.

»Das stimmt schon.«

Am Seitenausgang wartete der blaue Kleinwagen von Florian und Nadine auf uns.

»Mein Beileid«, sagten beide und drückten Hannes Hand.

»Danke. Und danke dafür, dass ihr so nett seid und uns fahrt«, antwortete sie.

»Kein Problem«, hörten wir Florian. »Es passte doch perfekt mit dem Vorsorgetermin.«

Sofort biss er sich auf die Lippen. Nadine guckte verlegen auf ihren kugeligen Bauch.

Hanne begann, freundlich zu lächeln. »Stimmt. Es passt perfekt. Und es muss euch nicht peinlich sein, bloß weil ich gerade meinen Mann beerdigt habe. Seid lieber froh, dass ihr erst Ende dreißig seid und es auf Anhieb geklappt hat mit dem Baby. Viele andere warten zu lange mit der Familienplanung.«

Erleichtert lächelten die beiden zurück.

Florian hielt uns die Autotür auf. »Ja, wir sind auch sehr glücklich. Wir haben auch das Kinderzimmer fast fertig eingerichtet. Übermorgen…«

Hanne und ich sahen uns vielsagend an, während er von dem Baby redete und redete. Endlich kamen wir bei der Gaststätte an. Der Leichenschmaus dauerte etwa zwei Stunden. Danach begleitete ich meine Freundin zur Bushaltestelle.

»Danke, dass du heute da warst«, nahm sie mich in den Arm.

*

Vier Minuten später waren wir beide in verschiedenen Bussen unterwegs nach Hause. Als ich in unserer Straße um die Ecke bog, sah ich sofort, dass Friedhelms Mercedes vor der Garage stand. Ich hoffte inständig, dass sein Geschäftstermin gut gewesen war. Doch kaum hatte ich die Tür hinter mir geschlossen, stand er schon vor mir und ich spürte den harten Schlag seiner flachen Hand in meinem Gesicht.

»Bist du eigentlich nur blöd? Wie kann man denn die Leute bei einer Beerdigung warten lassen und mit einer schwangeren Kollegin rumstehen! Da war auch der Geschäftsführer von Klingelheim dabei! Ich mache mit denen Geschäfte! Wie sieht das denn aus, wenn meine Frau bei einer Beerdigung nicht neben mir steht?«

Noch einmal schlug er mich.

»Blöde Kuh!«, fluchte er und ließ dann von mir ab. »Wo ist das Essen?«

»Ich mach dir sofort etwas.« Ich beeilte mich, in die Küche zu kommen.

Wenn er so angespannt war, war es besser, sich nicht zu wehren.

Am Abend hatte sich seine Laune nicht gebessert. Der Geschäftstermin musste für ihn sehr schlecht gelaufen sein. Der Abend lief wie jeder solcher Abende, an denen er abgrundtief frustriert war.

Als der Fernseher nach den Spätnachrichten ausging, legte ich mich ins Bett. Mein Mann legte sich neben mich und schlug meine Decke zurück. Er fragte nicht einmal. Er packte einfach nach meinen Brüsten, drängte sich zwischen meine Beine und befriedigte sich an mir. Auf meine Gefühle nahm er schon seit über fünf Jahren keine Rücksicht mehr.

Seit ich ihn damals in flagranti mit einer seiner Sekretärinnen erwischt hatte, ließ er keinen Zweifel mehr daran, dass er meinen alten Körper verachtete. Er bediente sich an mir als seiner Frau nur dann, wenn er frustriert war und nichts anderes bekommen konnte.

Anfangs war ich verzweifelt gewesen und hatte viel geweint. Ich hatte versucht, mit ihm zu reden. Doch der Mann, den ich vor über fünfundzwanzig Jahren geliebt und geheiratet hatte, war zum Monster geworden. Eiskalt ließ er mich spüren, dass ich aus einfachen Verhältnissen kam, und dass ich in seinen Augen ein Nichts war.

»Was willst du eigentlich?«, hatte er mich damals mit kalt klirrender Stimme gemustert. »Guck dich doch an! Vierundvierzig, faltig. Nicht mal Niveau hast du. Was soll ich mit dir denn anderes machen? Du putzt hier die Bude und ab und zu machst du mal die Beine breit. Immerhin lebst du doch dafür gut! Freu dich doch. Ist doch für dich ein guter Deal.«

Auch heute hatte er keinen Zweifel daran gelassen, welche Position ich für ihn einnahm. Ich, seine Frau, war für ihn nichts anderes als eine Haushälterin mit Halbtagsjob und ehelicher Verpflichtung zu sexuellen Diensten, wenn keine seiner Blondinen greifbar war. Sonst nichts.

*

Sag mal, hast du nicht in zwei Monaten Geburtstag?« Mit diesen Worten riss mich Nadine am nächsten Tag aus meiner düsteren Erinnerung an den vorangegangenen Abend.

»Ja, einen runden.« Ich lächelte mühsam.

Ich wusste, dass mein Mann an diesem Geburtstag anwesend sein würde. Egal, wie ich es drehen und wenden würde, er würde mir jede kleine Freude an diesem Tag gründlich ruinieren. Ich trauerte schon bei dem Gedanken daran um den Tag in meinem Leben, an dem ich fünfzig Jahre alt werden würde.

»Hey, das ist doch ein Grund zur Freude«, versuchte sie mich aufzuheitern, besann sich dann aber: »Liegt dir die Beerdigung noch auf der Seele?«

»Ein bisschen«, lenkte ich vom Thema ab. »Ich werde nach der Arbeit zu Hanne fahren und nach ihr sehen.«

»Übrigens wird im Archiv demnächst eine Halbtagsstelle frei. Wäre das nicht etwas für deine Freundin?«, fragte sie. »Jetzt, wo bei ihr niemand mehr zu pflegen ist, vereinsamt sie sonst nachher noch.«

Verwundert sah ich sie an. »Auf die Idee bin ich noch gar nicht gekommen. Aber du hast recht. Ich werde sie nachher fragen.«

*

Hanne freute sich über die Anregung. »Das ist aber nett von ihr, dass sie an mich gedacht hat. Das wäre vielleicht sogar eine gute Idee. Aber du siehst heute nicht besonders gut aus, wenn ich das mal so sagen darf. War wieder etwas mit Friedhelm?«

Ich senkte den Kopf. Sie war meine beste Freundin. Doch selbst ihr gegenüber schämte ich mich manchmal für das, was ich ertragen musste.

»Das Übliche. Gestern Abend eben. Du weißt schon.«

Hanne runzelte die Stirn. »Als du mir das zum ersten Mal erzählt hast, habe ich gedacht, das wäre nur die Midlife-Crisis bei ihm. Aber das geht ja schon so lange so.«

»Über fünf Jahre. Und vorher war er auch schon nicht mehr besonders nett«, umschrieb ich Friedhelms Angriffe und Rücksichtslosigkeiten beschönigend.

»Ich weiß, du hast damals gesagt, es geht nicht. Aber denk doch noch einmal darüber nach, wozu ich dir geraten habe«, bat sie mich.

Ich schüttelte den Kopf: »Scheidung? Das wäre vor fünf Jahren schon schlimm gewesen, aber jetzt geht das erst recht nicht mehr. Jetzt bin ich fast fünfzig. Meine Stelle ist auf halbe Tage begrenzt. Einen neuen Job bekommt man in meinem Alter nicht mehr so schnell. Und außerdem ist da noch der Ehevertrag.«

»Was genau hast du da damals eigentlich unterschrieben?«

»Ich habe auf alle Rechte, Unterhaltszahlungen, Rentenausgleich, Vermögensteilung und so weiter im Falle einer Scheidung verzichtet«, erklärte ich.

»Und so etwas hast du unterschrieben?« Sie schüttelte den Kopf. »Du musst wirklich blind gewesen sein vor Liebe.«

Ich nickte: »Das war ich leider. Er hat damals behauptet, sein Vater verlange den Vertrag, weil seine Familie reich war und ich eine arme Kirchenmaus. Ich habe ihm geglaubt. Ich hätte alles unterschrieben, was er von mir verlangt hätte.«

»Aber das heißt ja, wenn du dich scheiden lässt, stehst du quasi auf der Straße?«, folgerte sie.

»Richtig.«

Mitleidig sah sie mich an und nahm mich in den Arm. »Wenn du es nicht mehr aushältst, kommst du zu mir. In Ordnung?«

»In Ordnung«, versprach ich.

Sie legte einen Moment lang den Kopf schief und fragte dann: »Sag mal, würdest du mir bei der Bewerbung helfen? Ich habe so lange keine mehr geschrieben.«

»Klar. Schalt den Computer ein, dann geht’s sofort los.« Ich freute mich darauf, etwas Sinnvolles tun zu können.

Die Bewerbung legte ich gleich am nächsten Tag zum Arbeitsbeginn in der Personalabteilung vor. Man versprach, sich zu melden, sobald man Genaueres wüsste.

Zufrieden ging ich in mein Büro. Schon als ich die Tür öffnete, hörte ich Nadines aufgeregte Stimme.

»Dann lass ihn das doch versuchen! Das kann er gar nicht! Solche Verträge sind null und nichtig!«, regte sie sich auf. Sie telefonierte.

Leise setzte ich mich an meinen Schreibtisch und schaltete meinen Computer ein. Am anderen Ende der Leitung wurde aufgeregt gesprochen. Nadine hatte den Kopf in die freie Hand gestützt und hörte zu. Schließlich sprach sie wieder.

»Das kann ja alles sein. Aber glaub mir, solche Sachen hat man früher gemacht! Und sogar die werden heute teilweise für ungültig erklärt. Bitte, Schwesterherz, beruhig dich jetzt erst mal.«

Wieder wurde am anderen Ende gesprochen.

Dann hörte ich Nadines Stimme beschwörend: »Gut. Du machst es so: Gleich morgen früh gehst du dir beim Amtsgericht so einen Schein holen, weil du im Moment ja keinen Job hast. Ich glaube, Beratungshilfeschein heißt das. Damit gehst du zu diesem Anwalt, Jelden heißt der. Und den lässt den Vertrag prüfen.«

Wieder gab es eine Pause.

Endlich klang Nadine wieder entspannter: »In Ordnung. Und steck den Kopf nicht in den Sand! Ich gebe dir Brief und Siegel, dass er damit nicht durchkommt.«

Sie legte auf und zuckte zusammen, als sie mich sah. »Christina, ich habe dich gar nicht kommen gehört.«

»Ich war leise, weil ich dich nicht beim Telefonieren stören wollte«, erklärte ich und fragte besorgt: »Ist alles in Ordnung? Geht’s dir gut?«

»Mir schon. Aber meiner Schwester nicht. Sie hat vor drei Monaten das dritte Baby bekommen. Und ihr Mann hat sich eine andere angelacht.«

»Ach, du lieber Himmel!«

»Genau«, nickte sie. »Und jetzt hat sie Angst, dass sie wegen des Ehevertrags und des neuen Unterhaltsgesetzes vor dem Nichts steht, wenn er sich jetzt scheiden lässt.«

»Nun ja, das ist ja nicht ganz abwegig«, versuchte ich ihren Kampfgeist ein wenig zu dämpfen.

»Doch, ist es. Erstens hat sie drei Kinder zu versorgen. Und der Kleinste ist erst drei Monate alt. Zweitens bekommt sie dadurch automatisch Unterhalt für die Kinder und auch für sich selbst. Und drittens werden seit einigen Jahren Eheverträge mit bestimmten Klauseln von Gerichten für nichtig erklärt, weil sie die Frauen entrechten und in die Altersarmut treiben.«

»Ist das so?«, ließ ich baff vor Staunen meinen Stift mitten im geschriebenen Wort sinken.

»Jawoll!« Sie nickte heftig. »Genauso ist das. Und wenn dieser Heini meint, meine Schwester muss sich von ihm alles bieten lassen, und er kann sie mit seinen Drohungen erpressen, dann hat er sich geschnitten. Nicht, solange ich ihr irgendwie helfen kann und es gute Anwälte gibt.«

Völlig platt sah ich, wie Nadine mit der Faust auf den Tisch schlug, als wolle sie einen Schlusspunkt setzen. Meine Kollegin war sonst eine ruhige Vertreterin. Aber wenn es um ihre Schwester ging, entwickelte sie offenbar ungeahnte Energien.

Ich mischte mich nicht in das Problem ein und erledigte meine Arbeit. Am Mittag jedoch, auf dem Weg zur Bushaltestelle, hallten ihre Worte in meinem Ohr nach. Null und nichtig sollten solche Verträge sein? Als mein Bus kam, ließ ich ihn vorbeifahren. Stattdessen nahm ich den Nächsten, der in die entgegengesetzte Richtung fuhr, zu Hanne.

*

Nanu? Alles in Ordnung? Du hattest gar nicht gesagt, dass du heute vorbeikommst«, wunderte sie sich, als ich vor der Tür stand.

»Ja, entschuldige. Das war so eine spontane Idee. Ich wollte dich um etwas bitten. Es ist eine ziemlich große Bitte.«

»Kein Problem«, winkte sie mich herein und verschwand in Richtung Küche. »Ich schalte schon mal die Kaffeemaschine ein.«

Dankbar folgte ich ihr und half ihr mit den Tassen. Während der Kaffee in die Kanne tröpfelte, nahmen wir am Küchentisch Platz. Nervös strich ich mir immer wieder eine Strähne aus dem Gesicht.

»Nun sag schon! Was ist los? So aufgewühlt hab‘ ich dich ja ewig nicht gesehen!«

Ich fasste mir ein Herz und erklärte ihr, was seit einer Stunde in meinem Kopf herumspukte. »Nadine hat erzählt, dass auch alte Verträge teilweise oder ganz ungültig sind«, schloss ich meinen Bericht.

»Ich verstehe«, nickte Hanne vorsichtig optimistisch. »Wie kann ich dabei helfen?«

»Nun, das ist ganz einfach. Ich werde meinen Ehevertrag prüfen lassen. Und wenn das wirklich so ist, wie Nadine sagt, dann stelle ich Friedhelm vor die Wahl.«

»Welche Wahl?«

»Entweder er geht anständig mit mir um oder ich lasse mich scheiden.«

»Gut, und wo komme ich ins Spiel?«

»Nun ja, er wird manchmal handgreiflich. Und wenn es schlimm wird, würde ich gern zu dir flüchten dürfen.«

»Klar«, hörte ich wie aus der Pistole geschossen. »Und damit es gar nicht erst eskaliert, warte ich draußen vor der Tür auf dich.«

Dankbar nickte ich: »Das ist eine gute Idee.«

*

Bereits am selben Abend kopierte ich in Friedhelms Arbeitszimmer den Vertrag. Ich konnte ihn am nächsten Tag bei einer Scheidungsanwältin abgeben. In den nachfolgenden zwei Tagen saß ich wie auf heißen Kohlen. Immer, wenn das Telefon klingelte, schoss ich auf und sah nach, ob die Nummer der Kanzlei angezeigt wurde.

Endlich erhielt ich eine Nachricht. Ich hatte einen Termin für den dritten Tag, nachdem ich die Papiere abgegeben hatte. Angespannt saß ich auf dem Stuhl vor Frau Constant.

»Frau Schaat, ich möchte Ihnen nicht zu viel versprechen. Aber es sieht ganz gut aus. Ihr Ehevertrag widerspricht einem neueren Urteil des Bundesgerichtshofs. Der hat nämlich die deutliche einseitige Benachteiligung eines Ehepartners per Ehevertrag für nichtig erklärt.«

Vor lauter Glück fehlten mir die Worte.

Die Anwältin lächelte. »Da in dem Vertrag noch einige andere Punkte zu beanstanden sind, ist davon auszugehen, dass der zuständige Familienrichter ihn für vollständig nichtig erklären wird.«

»Und ich habe alle die Jahre…« Ich schlug die Hände vors Gesicht, bei dem Gedanken, was ich all die Jahre ertragen hatte.

Die Anwältin nickte verständnisvoll: »Das haben viele Frauen mitgemacht. Jetzt steht nur noch die Frage im Raum: Soll ich die Scheidung für Sie einreichen?«

Einen Moment lang dachte ich nach. Dann besann ich mich. »Wäre es Ihnen recht, wenn ich auf diese Frage erst morgen antworte? Ich möchte heute Abend mit meinem Mann reden. Ich will mir nicht später vorwerfen lassen, dass ich ihm keine Chance gegeben hätte.«

Frau Constant nickte und klappte die Akte zu: »Kein Problem.«

Hanne freute sich mit mir: »Das ist ja super! Aber bist du sicher, dass du überhaupt noch mit ihm reden willst?«

»Ich finde, man muss fair bleiben. Deshalb will ich ihm eine Chance geben.«

»Hat er dir in den letzten Jahren denn eine Chance auf ein menschliches Dasein gegeben? Der hat dich doch benutzt wie ein Werkzeug!«, empörte sie sich.

»Vielleicht bin ich da altmodisch. Aber ich will es trotzdem versuchen.«

»In Ordnung, ich fahre mit zu euch«, lenkte sie ein.

Friedhelm war noch nicht zu Hause, als wir ankamen. Hanne half mir, vorsorglich zwei große Koffer mit Kleidung und meinen wichtigsten persönlichen Sachen zu packen. Wir stellten sie in den Geräteschuppen im Garten und gingen wieder ins Haus.

Fünf Minuten später legte sich der lange Schatten des Mercedes auf die Einfahrt.

Hanne stand auf und nahm ihr Wasserglas mit, das auf dem Wohnzimmertisch neben meinem gestanden hatte. »Ich geh dann mal in die Küche. Wenn etwas ist, bin ich sofort da«, sagte sie besorgt.

»Danke.« Ich nahm sie kurz in den Arm.

Schon drehte sich der Schlüssel im Haustürschloss. Hanne verschwand aus dem Wohnzimmer.

Friedhelm machte einen gut gelaunten Eindruck. Ich war erleichtert, weil ich hoffte, dass seine gute Laune das Gespräch einfacher machen würde.

»Wir müssen miteinander reden«, begann ich vorsichtig.

Er würdigte mich nicht einmal eines Blickes. »Ich wüsste nicht worüber. Was gibt’s zu essen?«, hörte ich.

Ich atmete tief durch und fasste mir ein Herz. »Aber ich weiß, worüber wir reden müssen. So, wie wir zusammenleben, will ich das nicht mehr«, erklärte ich entschlossen. »Ich will eine ganz normale Ehe, in der wir anständig miteinander umgehen.«

Nun straffte er sich und wandte sich mir zu. Eiskalt musterte er mich von oben bis unten, bevor er verächtlich schnaubte.

»Ich weiß gar nicht, was du willst. Ich gehe doch hervorragend mit dir um!« Er lachte hämisch. »Sogar im Bett kriegst du hin und wieder noch, was du brauchst. Obwohl ich das, wie du weißt, gar nicht nötig hätte.«

In diesem Moment war meine Entscheidung gefallen. »Ich weiß«, antwortete ich. »Dafür gibt es ja gefügige Sekretärinnen. Ich denke, unter diesen Umständen trennen sich unsere Wege.«

»Was soll das heißen?«

Ich drehte mich um: »Das heißt, ich gehe.«

Als ich die Wohnzimmertür öffnen wollte, war er mit zwei Schritten neben mir und drückte sie zu.

Wütend zischte er in mein Gesicht: »Vergiss es! Du gehst nirgendwo hin. Und wenn, dann gehst du nackt! Alles was du hast, hab ich bezahlt. Du kriegst keinen Cent.« Dann grinste er sadistisch: »Du willst doch nicht unter der Brücke schlafen und dann jeden Penner ranlassen müssen, damit du was zu fressen kriegst, oder?«

Mein Magen krampfte sich zusammen. Ich wusste, er würde gleich zuschlagen.

Plötzlich hörte ich Hannes Stimme hinter der Tür: »Kommst du, Christina? Wir sind spät dran!«

Überrumpelt gab Friedhelm die Tür frei und ließ mich gehen. Ich habe das Haus nie wieder betreten. Friedhelm habe ich nur noch ein einziges Mal sehen müssen, nämlich vor Gericht. Der Ehevertrag wurde für nichtig erklärt. Mit meinem Gehalt und dem nachehelichen Unterhalt komme ich gut zurecht.

– ENDE –

Geschichte 2

Aus meinem Tagebuch

Roman von Birgit D. (59)

»Meine Flucht vor dem Weihnachtsfest bereute ich sehr.«