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Alle 14 Tage neu! Hier sind die dramatischen Geschichten aus dem wahren Leben, authentisch und voller Emotionen! Jede Menge ergreifende Schicksale und aufregende Bekenntnisse – aktuell, ehrlich und persönlich. Jetzt wird endlich mal deutlich Klartext geredet! Geschichte 1: Verzweifelte Frauen "Er ist der Nachbarstochter hörig! Ich kann nichts dagegen tun!" Dreißig Jahre waren Volker und ich verheiratet. Ich dachte, nichts und niemand könnte je zwischen uns stehen. Als Nina nebenan einzog, ahnte ich lange nichts. Frau Kurz, können Sie morgen zwei Stunden länger arbeiten? Wir haben zwei Ausfälle in der Chirurgie auf Station acht", bat mich meine Chefin. "Kein Problem", antwortete ich. Ich kannte das: Kaum hatte die Erkältungswelle ihren ersten Höhepunkt erreicht, mussten quer über die Stationen die Krankenschwestern umverteilt werden. "Sag mal, Jenna, bist du eigentlich überhaupt irgendwann einmal krank?", fragte Lernschwester Sina. Ich lächelte: "Nein, fast nie." Das war auch der Grund, aus dem meine Chefin mich meist zuerst fragte, ob ich einspringen könnte. Seit unsere Kinder aus dem Haus waren, ging das fast immer. Auf dem Heimweg schickte ich meiner besten Freundin Barbara eine SMS. Komme morgen etwas später dazu, muss länger arbeiten, informierte ich sie. Am frühen Nachmittag fuhr ich mit meinem kleinen Wagen in unsere Einfahrt. Bei meiner Nachbarin Heidi, die zwei Häuser weiter wohnte, stand ein kleiner Leihtransporter vor der Garage. Ihr Enkel Niklas lief durch den Garten zum Sandkasten, den seine Mutter Nina im letzten Jahr für ihn dort neu aufgefüllt hatte. "Hallo!", rief die junge Frau jetzt über den Zaun.
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Seitenzahl: 170
Veröffentlichungsjahr: 2017
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Geschichte 1
Geschichte 2
Geschichte 3
Geschichte 4
Geschichte 5
Geschichte 6
Geschichte 7
Geschichte 8
Geschichte 9
Geschichte 10
Geschichte 11
Geschichte 12
»Er ist der Nachbarstochter hörig! Ich kann nichts
dagegen tun!«
Dreißig Jahre waren Volker und ich verheiratet. Ich dachte, nichts und niemand könnte je zwischen uns stehen. Als Nina nebenan einzog, ahnte ich lange nichts.
Frau Kurz, können Sie morgen zwei Stunden länger arbeiten? Wir haben zwei Ausfälle in der Chirurgie auf Station acht«, bat mich meine Chefin.
»Kein Problem«, antwortete ich.
Ich kannte das: Kaum hatte die Erkältungswelle ihren ersten Höhepunkt erreicht, mussten quer über die Stationen die Krankenschwestern umverteilt werden.
»Sag mal, Jenna, bist du eigentlich überhaupt irgendwann einmal krank?«, fragte Lernschwester Sina.
Ich lächelte: »Nein, fast nie.«
Das war auch der Grund, aus dem meine Chefin mich meist zuerst fragte, ob ich einspringen könnte. Seit unsere Kinder aus dem Haus waren, ging das fast immer.
Auf dem Heimweg schickte ich meiner besten Freundin Barbara eine SMS. Komme morgen etwas später dazu, muss länger arbeiten, informierte ich sie.
Am frühen Nachmittag fuhr ich mit meinem kleinen Wagen in unsere Einfahrt. Bei meiner Nachbarin Heidi, die zwei Häuser weiter wohnte, stand ein kleiner Leihtransporter vor der Garage. Ihr Enkel Niklas lief durch den Garten zum Sandkasten, den seine Mutter Nina im letzten Jahr für ihn dort neu aufgefüllt hatte.
»Hallo!«, rief die junge Frau jetzt über den Zaun.
Sie trug einen Umzugskarton in das Haus ihrer Mutter. Heidi hob eben einen weiteren Karton aus dem Transporter. Offenbar zog Nina wieder zu ihrer Mutter.
»Hallo«, grüßte ich zurück. Macht ihr das da allein?« Ich nickte in Richtung Kleinbus.
»So ist es«, bestätigte Heidi.
Bei allem Respekt für Heidi und ihre Tatkraft fand ich, dass man mit dreiundsechzig Jahren nicht mehr halbe Umzüge allein bewältigen müsste. Deshalb holte ich in der Garage meine Handschuhe, ging zu meinen Nachbarn und packte mit an.
»Das ist aber nett«, bedankte sich Nina für meinen Einsatz.
»Kein Problem«, antwortete ich. »Das ist hier eben so in der Nachbarschaft. Man hilft einander.«
Ich war mit vier Schwestern in einem großen Haus aufgewachsen. Unsere Mutter hatte uns nach dem frühen Tod des Vaters allein groß gezogen. Ich war es gewohnt, einfach mit anzupacken, wenn es etwas zu tun gab.
Als mein Mann Volker nach Hause kam, legte ich gerade die Handschuhe wieder zurück in die Garage, und Heidi, Nina und Niklas rollten mit dem Transporter vom Grundstück der Nachbarin.
»Was ist denn bei Heidi los?«, wunderte sich mein Mann.
»Nina zieht wieder bei ihr ein. Ihr Mann hat sie verlassen. Ihm ist eingefallen, dass das Leben mit Kind wohl doch eher nichts für ihn ist.«
»Das kann doch wohl nicht wahr sein!«, rief Volker.
»Doch. Ist es. Er hat ihr erklärt, dass er eine andere Frau kennen gelernt hat und sein Leben jetzt eine andere Richtung nehmen wird«, erzählte ich von den Ereignissen, die Heidi und Nina mir während der Schlepperei berichtet hatten. »Wir sind heute Abend übrigens auf ein Glas Wein eingeladen.«
»Na, das ist ja mal eine Überraschung.«
Da konnte ich ihm nur beipflichten. Heidi lebte sonst eher zurückgezogen. Selbst beim jährlichen Nachbarschaftsgrillen ließ sie sich immer nur kurz blicken, obwohl sie wie alle einen Kuchen- und Salatbeitrag leistete.
Aber trotz Einladung blieb sich unsere Nachbarin auch am heutigen Abend treu. Schon nach einer Stunde sahen wir, dass Heidi erschöpft war.
»War ein langer Tag heute, nicht wahr?«, fragte ich sie.
Sie nickte. »Ja, ich bin so viel körperliche Arbeit einfach nicht mehr gewohnt.«
Nina nahm ihre Mutter in den Arm. »Keine Sorge, Mama. Morgen wird alles wieder seinen gewohnten Gang gehen. Dann wird es wieder ruhiger.«
Dann stand sie auf und nahm das leere Crackerschälchen vom Tisch, um es in der Küche aufzufüllen.
Ich verzog keine Miene, als ich Volkers Blick sah, der Ninas Hintern bis zum Türrahmen folgte. Als ich meinen Mann vor dreißig Jahren kennen gelernt hatte, war ich rasend eifersüchtig gewesen, wenn er so etwas machte. Doch im Laufe der Jahre hatte ich begriffen, dass er eben einfach so war. Er guckte gern, wenn es etwas zu gucken gab, was Männer gern sehen. Aber das war auch alles. Er hatte nie versucht, sich einem der jungen Dinger, denen er nachsah, zu nähern. Ich hatte mich daran gewöhnt.
*
Lass mich raten, Volker hat ihr nachgegafft«, mokierte sich Barbara am nächsten Tag in der Stadt.
Wir hatten uns dort getroffen, um nach einer passenden Jacke für sie zu schauen. Dabei hatte ich ihr von Ninas überraschendem Einzug erzählt. Barbara hatte Nina bei einem Besuch bei uns getroffen und seinerzeit schon bemerkt, dass mein Mann ihr hinterhergesehen hatte.
»Und du regst dich wie immer darüber auf«, konterte ich grinsend.
»Ja, das tue ich! Aber nicht ich, sondern du solltest dich darüber aufregen. Und das werde ich nie verstehen!«, gab sie zu. »Er hat sie doch garantiert mit den Blicken ausgezogen, oder?«
»Na, na«, sagte ich und mahnte gespielt mit hochgehobenem Zeigefinger. »So schlimm ist er nun auch nicht. Er war immer da und er hat immer zu mir gestanden.«
»Das stimmt«, gab sie nachdenklich zu.
Barbara hatte schlechte Erfahrungen mit Männern gemacht. Sie war als junge Frau schwanger geworden. Der Mann des Kindes hatte sie verlassen, kaum dass sie das Wort Baby ausgesprochen hatte. Bald darauf hatte sie eine Fehlgeburt erlitten. Danach hatte sie nie mehr einem Mann vertraut. Lieber war sie allein geblieben
Zu Hause fand ich den Laufzettel im Briefkasten, der das Nachbarschaftsgrillen für die übernächste Woche ankündigte. Ich trug für uns einen Apfelkuchen und einen Schichtsalat als Beitrag ein und warf den Zettel am nächsten Morgen bei Frau Schneider ein, die wie jedes Jahr die Organisation übernahm.
»Heidi hat mich gefragt, ob ich für Nina Gardinenstangen aufhängen kann. Sie hat keine Bohrmaschine«, erzählte Volker.
Ich amüsierte mich. »Selbst wenn sie eine hätte, würde sie sich damit wahrscheinlich eher selbst verletzen als die Wand.«
Auch mein Mann schmunzelte. »Kann schon sein. Aber ihre Babysöckchen sind schon niedlich.«
Heidi strickte leidenschaftlich gern und verkaufte ihre Babysöckchen auf Flohmärkten und bei Kaffeekränzchen für die Enkel anderer Frauen. Es war wirklich sagenhaft, was sie produzierte. Doch im handwerklichen Bereich hatte sie zwei linke Hände.
So war es mein Mann, der in den nächsten zwei Wochen nach Feierabend Gardinenstangen aufhängte, das Hochbett für Niklas an der Wand fixierte, ein neues Waschbecken montierte und den großen Haselnussstrauch vor Ninas Schlafzimmerfenster fällte, weil sie allergisch gegen Haselnusspollen war.
Volker erzählte dann immer wieder von Nina, ihrer Ehe und dem Mann, der sie verlassen hatte. Irgendwie schien er sich sehr für das Schicksal der jungen Frau zu interessieren.
»Das muss ja ein furchtbarer Kerl gewesen sein, mit dem Nina da noch verheiratet ist. Sie will so bald wie möglich die Scheidung einreichen.«
»Kann ich verstehen. Wenn man mich mit Kind sitzengelassen hätte, würde ich das auch tun. Aber aus diesem Alter sind wir beide ja glücklicherweise heraus.«
Volker sah mich merkwürdig an, stimmte dann schließlich zu. »Ja, aus diesem Alter sind wir wohl heraus.«
Ich wunderte mich. Warum hatte er mich so angesehen? Stimmte es ihn nachdenklich, dass wir unweigerlich älter wurden, während die Tochter unserer Nachbarin mitten in ihrem jungen Leben stand?
Als ich mich am Abend ins Bett legte, spürte ich, wie sich Volkers Hand auf meine Betthälfte schlich. Sanft legte sie sich auf meinen Rücken und begann, mich zu streicheln. Wir kannten uns seit dreißig Jahren. Es gab keinen Quadratzentimeter Haut, den wir nicht voneinander kannten. Trotzdem genoss ich seine Zärtlichkeiten und die körperliche Vereinigung, die folgte. Es war selten geworden, dass wir Sex miteinander hatten, aber es war schön.
*
Zwei Tage später überraschte mich Volker abends in der Küche. Er nahm mich von hinten in den Arm und strich zärtlich über meine Hüften. Wie gern hätte ich seine Berührungen weiter genossen. Doch vor mir stand der halb fertige Kuchenteig, der für das morgige Nachbarschaftsfest verarbeitet werden musste. Ich drehte mich zu ihm um und küsste ihn.
»Tut mir leid, aber wenn du morgen etwas essen möchtest, müssen wir weitere Aktivitäten auf später verschieben«, sagte ich lächelnd.
»Schade«, hörte ich ihn enttäuscht seufzen.
Er ließ mich los und ging in die Garage. Während ich den Teig rührte und in die Form goss, klang hin und wieder Werkzeugklappern in die Küche. Die Ofentür quietschte ein wenig, als ich die Klappe schloss und den Regler einstellte. Müde setzte ich mich auf einen der Küchenstühle. Erst jetzt spürte ich die Erschöpfung.
Bis auf einen Tag hatte ich wegen der Krankheitswelle zwei Wochen durchgearbeitet und oft auch noch Überstunden gemacht. Dazu hatte ich selbstverständlich den Haushalt gemanagt, Heidi hier und da geholfen, mich mit meiner Freundin Barbara getroffen, und so weiter. Aktiv war ich immer gewesen. Aber heute spürte ich, dass mein Körper mir mit zunehmendem Alter Grenzen setzte. Ich erledigte noch einen kurzen Schriftwechsel mit unserer Hausratversicherung, dann holte ich den Kuchen aus dem Ofen und ging ins Bett.
Innerhalb von Sekunden war ich in einen steinschweren Schlaf gefallen. Dass Volker noch versucht hatte, zärtlich zu werden, hatte ich kaum noch wahrgenommen.
Am nächsten Morgen stand ich um vier Uhr dreißig auf, um rechtzeitig zum Frühdienst zu erscheinen. Ich wollte mittags noch eine Stunde schlafen, damit ich für das Nachbarschaftsgrillen fit war. Doch kaum war ich halb eingeschlafen, riss mich die Haustürklingel aus dem Schlaf.
»Ich habe hier ein Paket für Frau Schneider. Können Sie das annehmen?«, fragte mich der Bote freundlich.
Selbstverständlich nahm ich den Karton für unsere Nachbarin an. Einmal aus dem Schlummer gerissen, war an Schlafen nun nicht mehr zu denken. Stattdessen tat ich, woran ich gewohnt war: Anpacken. Der Kuchen war rasch dekoriert, der Schichtsalat frisch angerichtet und kalt gestellt, die Treppe geputzt, das Paket zu Frau Schneider gebracht, die Zimmerpalme umgetopft. Wie schnell die Zeit verging, bis ich Volkers Schlüssel an der Haustür hörte, merkte ich kaum.
»Du bist noch nicht fertig?«, wunderte er sich mit einem Blick auf die Uhr. »Ich dachte schon, ich wäre spät dran.«
Tatsächlich wollten wir uns schon in einer Viertelstunde zum Buffetaufbau treffen! Schnell zog ich die Handschuhe aus, stellte die Palme an ihren Platz und machte mich frisch.
*
Eine Stunde später war alles aufgebaut, und die ersten Nachbarn trafen ein. »Hallo, Jenna, alles in Ordnung?«, lachte Nina offen.
»Klar, alles bestens«, log ich.
Schon seit einer halben Stunde spürte ich, dass etwas nicht stimmte. Ich ahnte und fürchtete, dass sich anbahnte, womit ich schon lange keine Probleme mehr gehabt hatte: eine Migräneattacke. Es war so ein unbestimmt flaues Gefühl, das sich immer zuerst in meinem Kopf breitmachte. Über wenige Stunden hinweg überschwemmte dieses Gefühl bald nicht mehr nur meinen Kopf, sondern ich hatte den Eindruck, dass ich alles um mich herum durch einen dünnen Schleier wahrnahm.
Ich wusste, dass die Attacke jetzt nicht mehr aufzuhalten war. Kaum mehr hatte ich mitbekommen, dass die Gesellschaft mittlerweile vollständig war und man sich prächtig amüsierte. Auch, dass Frau Schneider flüsternd einen dezenten Hinweis darauf gegeben hatte, dass Nina meinen Mann in einer auffälligen Art anlächelte, drang nicht mehr in mein Bewusstsein. Ich spürte nur noch diesen grausamen Schmerz in meinem Kopf wachsen und spürte die Übelkeit aufkommen. Ich legte kurz meine Hand auf Volkers Rücken und sprach ihn an.
»Ich habe Kopfweh, ich muss ins Bett«, erklärte ich ihm leise.
»O je, soll ich mit rüberkommen?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, du kannst da ohnehin nichts machen.«
Nichts, aber auch gar nichts bemerkte ich von dem, was dort zwischen Nina und meinem Mann vor sich ging.
*
Eine Nachbarin arbeitete im gleichen Unternehmen wie Barbara. So habe ich viel später auf Umwegen erfahren, dass die junge Frau meinem Mann ungeniert schöne Augen gemacht hatte. Was anschließend an das Grillen geschehen war, hat Volker mir viel später selbst gebeichtet. Doch bis dahin vergingen noch Wochen.
In diesen Wochen bemerkte ich, wie mein Mann sich veränderte. Nachdem ich mich von meinem Migräneanfall erholt hatte, kehrte für mich wieder der Alltag zurück. Ich fühlte mich wohl in meinem Job, in meinem Freundeskreis, in meinem Leben.
Doch ich sah, dass es Volker zunehmend anders ging. Mein sonst so ruhiger, besonnener Ehemann kam plötzlich mit einem neuen Jackett nach Hause.
»Sieht schick aus, oder?«, wollte er wissen.
Ich runzelte die Stirn. Wie sollte ich ihm jetzt schonend beibringen, dass er einen solchen Schnitt vor zwanzig Jahren gut hätte tragen können, aber nicht mehr in seinem Alter?
»Etwas gewagt. Ein sehr moderner Schnitt«, versuchte ich es diplomatisch.
»Macht doch nichts. Zum alten Eisen gehöre ich ja wohl noch nicht«, konterte er.
Barbara prustete, als ich ihr am nächsten Tag davon erzählte: »Oh, oh, nicht, dass er jetzt doch noch in eine verspätete Midlife-Crisis gerät«, lachte sie.
Auch ich grinste. »Dafür ist Volker nicht der Typ.«
Da lag ich nicht falsch. Mein Mann erkannte vor dem heimischen Spiegel schnell, dass er mit der Wahl tatsächlich etwas daneben gelegen hatte. Was ihn aber bewegte, sich neuerdings merkwürdig zu benehmen, ahnte ich nicht. Ahnte nicht, was er tat, wenn ich in den Spätdienst ging und Heidi bei ihrer ehrenamtlichen Arbeit im Sozialdienst der Caritas war. Ahnte nicht, warum er plötzlich auf seine Figur achtete.
Als Frau Schneider mich die ersten Male verhalten und unsicher gegrüßt hatte, kam ich zum ersten Mal auf den Gedanken, dass es etwas geben könnte, was ich wissen sollte.
Doch mein Alltag ließ kaum Zeit dafür, solche abwegigen Gedanken zu verfolgen. Die nächste Erkältungswelle im Krankenhaus war da, und damit gab es für mich Überstunden und Zusatzschichten.
Irgendwann hatte meine Chefin im Dienstplan einen Fehler gemacht. Es war ein einfaches Missverständnis. Eine Kollegin war gleichzeitig mit mir zur Vertretung eingeteilt worden.
»In Ordnung, wir werfen eine Münze. Die entscheidet, wer von uns beiden wieder nach Hause geht«, lachte ich.
Ich lachte auch noch mit der Kollegin zusammen, als ich mich verabschiedete, weil die Münze mir Glück gebracht hatte. Ob es aber wirklich Glück war, was sie mir gebracht hatte, weiß ich bis heute nicht. Vielleicht wäre ich glücklicher, wenn ich nichts von alledem erfahren hätte, was hinter meinem Rücken geschah.
So aber fuhr ich kurz in den Supermarkt, um für Volker und mich einen Wein zu kaufen, den er besonders gern trank. Ich wollte, dass wir den unverhofft freien gemeinsamen Abend ein wenig genießen könnten.
Der Wagen rollte leise in der Einfahrt aus. Das Licht hatte ich schon ausgeschaltet. Ich wollte meinen Mann überraschen. Leise betrat ich das Haus. Noch im Schließen der Haustür hörte ich das charakteristische Schleifen der Schiebetür an der Terrasse. Gerade wollte ich mich bemerkbar machen, als ich sah, wie Volker sich im dunklen Garten kurz umsah und dann vorsichtig über den ersten niedrigen Jägerzaun stieg, der die Grundstücke hier trennte.
Verwirrt folgte ich ihm mit meinen Blicken. Er hatte mich nicht bemerkt und stieg nun über den zweiten Jägerzaun auf Heidis Grundstück hinüber. Drüben wurde die Terrassentür geöffnet, und mein Mann ging ins Haus.
Was war denn hier los? Wie magisch angezogen folgte ich dem Weg meines Mannes bis auf die Terrasse der Nachbarin. Jemand hatte die Vorhänge bis auf einen Spalt zugezogen. Was ich durch diesen Spalt sah, ließ mich erstarren.
Volker tanzte mit Nina dicht aneinandergepresst. Nicht einmal ein Blatt Papier hätte zwischen die beiden gepasst. Während ich hier draußen stocksteif im Dunkeln stand, drehten die beiden sich langsam im Tanz.
Ich sah, wie Volkers Hände verlangend über Ninas Körper strichen. Er packte ihren Po und drückte sie an sich. Sie hob ein Bein ein Stück an, sodass sich ihr Becken noch dichter an meinen Mann drängen konnte. Sie tanzten jetzt nicht mehr. Stattdessen zerrte mein Mann der jungen Frau ungeduldig die Kleidung vom Leib. Wild übersäte er ihren Körper mit seinen Küssen, sie öffnete gekonnt Volkers Hose und zog ihn aus.
Was ich niemals zu glauben gewagt hätte, fand hier vor meinen Augen statt. Die junge Frau schob ihn spielerisch immer wieder weg, kokettierte und reizte Volker im Liebesspiel bis aufs Blut, sie liebkoste ihn mit dem Mund dort, wo ich es niemals über mich gebracht hätte. Schließlich fiel er wie ein Tier über sie her und vereinigte sich mit ihr. Ich konnte es nicht fassen. Erst, als die beiden völlig erschöpft auf dem Wohnzimmerboden nebeneinander lagen, bemerkten sie, dass jemand im Garten stand.
Erschrocken drehte ich mich um und verschwand in der Dunkelheit zu unserem Haus. Ich wusste nicht, ob sie mich erkannt hatten. Schon zehn Minuten später stand Volker schweigend in unserem Wohnzimmer und sah mich an.
Ebenso stocksteif, wie ich vorhin die Szene beobachtet hatte, saß ich nun auf dem Sofa. Ich fühlte mich wie vom Blitz getroffen. Da waren wir, standen einander gegenüber. Wir waren seit dreißig Jahren verheiratet und sahen uns nur an. Lange sagte keiner von uns ein Wort.
»Es tut mir so leid«, stammelte er irgendwann und sank in den Sessel gegenüber.
Ich sagte nichts, konnte nichts sagen, so getroffen war ich. Irgendwann begann er zu erzählen. Wie sehr sie ihm leid getan hatte, mit ihrem Trennungsschicksal. Und wie sehr sie sich offen über seine Hilfe bei den Reparaturen gefreut hatte. Und wie geschmeichelt er sich gefühlt hatte, als die junge Frau beim Nachbarschaftsgrillen hemmungslos mit ihm geflirtet und ihn später halb betrunken noch auf ein Glas Wein eingeladen hatte. Und wie sehr sie ihm das Gefühl von Männlichkeit gab, das er so noch nie gefühlt hatte.
»Ich weiß, wir haben auch Sex miteinander. Aber mit Nina ist es so anders. Ich weiß auch nicht, wie ich es erklären soll.«
»Das brauchst du nicht erklären, eure Vorstellung war sehr eindrucksvoll. Ich habe alles gesehen.«
»Alles?«
»Alles.«
Er schlug sich entsetzt die Hände vor das Gesicht.
»Ich will jetzt nur eins wissen«, sagte ich leise. »Ist es nur Sex, oder ist es etwas Ernstes?«
»Es ist Sex und es ist ernst«, antwortete er und gestand: »Ich liebe dich, ich würde dich niemals verlassen, aber ich kann auch nicht von Nina lassen.«
Ich schnaubte resigniert. »Und das soll ich hinnehmen?«
Mein Mann rieb mit den Händen sein Gesicht.
»Ich kann dich nur darum bitten. Ich weiß nicht, was ich tun soll, ich kann nicht anders, ich muss sie berühren, ich muss sie besitzen. Ich weiß keinen Ausweg«, hörte ich seine leise Stimme.
Ich wusste auch keinen. Wusste nicht einmal, was ich zu einem solchen Geständnis sagen sollte. Die Erkenntnis, dass mein Mann mit einer anderen Frau schlief, die noch dazu knapp zwanzig Jahre jünger war als wir beide, hatte mich tief erschüttert. Doch seine Worte waren es, die meinen ganzen Körper mit Hoffnungslosigkeit füllten. Ich kannte Volker so nicht. Das war nicht der Mann, den ich geheiratet hatte!
*
Volker und ich leben immer noch zusammen. Ich fühle mich so hilflos. Die Situation quält mich, doch ich habe keine Ahnung, wie ich sie ändern kann. Einen so jungen Körper kann ich meinem Mann nicht bieten. Und die Dinge, die dieses junge Ding an seinem Körper tut und die ihn offensichtlich in diesen Wahnsinn treiben, würde ich niemals tun können! Der Gedanke allein zermürbt mich so sehr, dass ich nun schon bei der kleinsten Erkältungswelle sofort krank werde.
Doch eines ist mir klar: Ich werde mich nicht von meinem Mann trennen. Er liebt mich, und ich liebe ihn. Und ich werde warten. Warten, bis er aus diesem Wahnsinn, diesem Rausch erwacht, in den er hineingezogen wurde.
Ich hoffe inständig, dass es dann immer noch eine gemeinsame Zukunft geben wird. Eine Zukunft mit Einsicht und Verzeihung – wenn ich so lange noch durchhalte.
– ENDE –
»Er ist zehn Jahre jünger! Das ist für viele ein Problem«
Dass ich mich noch einmal Hals über Kopf verlieben würde, hätte ich nicht zu träumen gewagt. Und schon gar nicht in einen so viel jüngeren Mann. Aber genau damit habe ich mir viele Probleme eingehandelt.
Ja, als alleinerziehende Mutter wusste ich immer sehr genau, was ich zu tun und zu lassen hatte. Jahrelang war es kein Problem für mich, nur für meinen Sohn da zu sein und eigene Bedürfnisse ganz hintanzustellen. Das Wort Leidenschaft hatte ich schon lange vergessen. Doch von einem Tag auf den anderen hat das Schicksal mein Gefühlsleben durcheinander gewirbelt und mir gezeigt, wie heftig die Liebe sein kann. Und damit kam leider auch eine Menge Probleme.