Meistens kommt es anders, wenn man denkt - Petra Hülsmann - E-Book
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Meistens kommt es anders, wenn man denkt E-Book

Petra Hülsmann

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Beschreibung

So’n Herz hält ganz schön viel aus. Das ist zäh.

Nele hat von der Liebe die Nase gestrichen voll. Ihr neuer Job bei einer angesagten Hamburger PR-Agentur soll ab jetzt an erster Stelle stehen. Inhaber Claas betraut sie mit der Imagekampagne für den Politiker Rüdiger Hofmann-Klasing, dessen Umfragewerte tief im Keller sind - aus gutem Grund, wie sie bald herausfindet. Darüber hinaus beschließt ihr kleiner Bruder Lenny, der das Down-Syndrom hat, sich eine eigene Wohnung zu suchen. Ausgerechnet Nele soll ihn im Kampf mit den besorgten Eltern unterstützen, dabei ist sie doch insgeheim die größte Glucke von allen. Um das Chaos perfekt zu machen, stellt Nele fest, dass Claas mehr als nur ein netter Chef für sie ist und dass er ihr Herz ganz schön zum Stolpern bringt. Aber soll sie sich von der Liebe etwa schon wieder einen Strich durch die Rechnung machen lassen?

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Seitenzahl: 661

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Inhalt

CoverÜber dieses BuchÜber die AutorinTitelImpressumWidmungKennen wir uns nicht?ÜberraschungenTeam RHKDie KrawattenfrageWahnsinn (… Hölle, Hölle, Hölle)Sally kann Sitz!Ein (fast) perfekter AuftrittHaarnarchieAlter Schwede!Das Leben ist keine HüpfburgNeles derbe Heide-JamExklusiv, edel, exquisitBürgermeister-BullshitAlso vergessen wir das GanzeVerhaltensregelnSehr romantischEhrenhafte AbsichtenWin-winDie Schlimmste von allenMeistens kommt es anders, wenn man denktMit mir nicht!Wird schonNeles derbe Heide-Jam(influenced by Claas)

Über dieses Buch

Pechvogel Nele hat von der Liebe die Nase gestrichen voll. Ihr neuer Job bei einer angesagten PR-Agentur soll ab jetzt an erster Stelle stehen. Inhaber Claas betraut sie mit der Imagekampagne für den Politiker Hofmann-Klasing, dessen Umfragewerte tief im Keller sind – aus gutem Grund, wie Nele bald herausfindet. Ausgerechnet jetzt beschließt ihr kleiner Bruder Lenny, der das Down-Syndrom hat, sich eine eigene Wohnung zu suchen. In dieser turbulenten Zeit stellt sich gerade Claas als große Hilfe heraus. Aber soll Nele sich wirklich von der Liebe einen Strich durch ihre Pläne machen lassen?

Über die Autorin

Petra Hülsmann, Jahrgang 1976, wuchs in einer niedersächsischen Kleinstadt auf. Nach einem erfolgreich abgebrochenen Studium der Germanistik und Kulturwissenschaft arbeitete sie in Anwaltskanzleien und reiste sechs Monate mit dem Rucksack durch Südostasien, bevor sie mit ihren Romanen die Beststellerliste eroberte. Petra Hülsmann lebt mit ihrem Mann in Hamburg.

Petra Hülsmann

Meistens kommt es anders, wenn man denkt

Roman

Vollständige E-Book-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Digitale Originalausgabe

Dieses Werk wurde vermittelt durch dieLiterarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30131 Hannover

Copyright © 2019/2023 by Bastei Lübbe AG, Köln

Lektorat: Stefanie Kruschandl, Hamburg

Titelgestaltung: Christin Wilhelm, www.grafic4u.de unter Verwendung von Motiven von © Olga_Angelloz/Shutterstock; Piyapong89/Shutterstock;

eBook-Erstellung: hanseatenSatz-bremen, Bremen

ISBN 978-3-7325-7211-3

luebbe.de

lesejury.de

Für alle, die in ihrem Leben nicht der kürzesten oder praktischsten, sondern der landschaftlich schönsten Route folgen

Kennen wir uns nicht?

Tage, die um sieben Uhr morgens mit einem Anruf meiner Mutter begannen, versprachen meist, keine guten Tage zu werden. Nichts gegen meine Mutter, ich hatte sie sehr lieb, aber ein Anruf um diese frühe Uhrzeit konnte nur zwei Gründe haben: schlechte Nachrichten oder ganz schlechte Nachrichten. Ich putzte mir gerade die Zähne, als mein Handy die Guten-Morgen-Playlist abrupt unterbrach und anfing zu klingeln und zu brummen. Vor Schreck hätte ich fast die Zahnbürste fallen lassen, und als ich sah, dass es meine Mutter war, fing mein Herz an zu rasen. Hastig spuckte ich die Zahnpasta aus und ging ran. »Mama? Ist was passiert?« In Gedanken sah ich mich schon zu meinem jüngeren Bruder Lenny ins Krankenhaus eilen, weil sein Herz nun doch wieder schlappgemacht hatte.

»Hallo, Nele«, erwiderte meine Mutter so gut gelaunt, wie nur sie es morgens um sieben Uhr sein konnte. »Nein, alles in Ordnung. Hast du gut geschlafen?«

»Äh, ja, danke. Ist wirklich alles okay bei euch? Geht es Lenny gut?«

»Ja, natürlich. Uns allen geht es gut.«

Meine Knie zitterten so sehr, dass ich mich auf den Rand der Badewanne sinken ließ. »Mann, Mama. Wie kannst du mich so erschrecken?«

»Was? Wieso habe ich dich denn erschreckt?«

»Na, weil Anrufe zwischen 22 und 8 Uhr normalerweise nichts Gutes bedeuten!«

»Ach, Nele-Schätzchen«, rief meine Mutter bestürzt. »Das tut mir leid, ich habe gar nicht darüber nachgedacht. Ich wollte dich nur unbedingt noch erreichen, bevor du ins Büro gehst. Bei der Arbeit wollte ich dich lieber nicht stören. Du bist ja noch neu da, und die sollen doch nicht denken, dass du den ganzen Tag von deiner Mutter am Telefon terrorisiert wirst.«

»Wenn du mich einmal anrufst?«, fragte ich ungläubig. »Das wäre schon klargegangen, denke ich. Außerdem hättest du mir ja auch eine Nachricht schreiben können.«

»Das dauert doch immer so lange.«

Meine Mutter war tatsächlich eine grauenhafte Nachrichten-Schreiberin. Ein Text von ihr sah etwa so aus: Jallo Nwle ewie gegts lommst du motgen nit zu Oma wit fshrem un drei tsxhüs mama hab dick lien grüsse aucj von papa und lemmy. An ihrem Online-Status konnte ich dann sehen, dass sie weiterhin schrieb, also wartete ich, und wartete und wartete, nur um drei Minuten später folgende Nachricht zu erhalten: Lenny. Meine Mutter behauptete immer, ihre Finger seien zu dick fürs Display, sodass sie nie die richtigen ›Knöppe‹ träfe. Groß- und Kleinschreibung oder Korrekturen waren ihr zu nervig. Also durchaus verständlich, dass die Option ›Nachricht schreiben‹ für sie heute Morgen nicht infrage gekommen war. »Na gut. Aber worum geht es denn nun eigentlich?«

»Es gibt fantastische Neuigkeiten! Großartige, wunderbare Neuigkeiten. Papa und ich möchten es dir und Lenny gern zusammen sagen, deswegen laden wir euch morgen zum Frühstück ein. Ich weiß, dass das sehr kurzfristig ist, aber ich hoffe, du hast Zeit?«

»Ja, habe ich. Habt ihr im Lotto gewonnen?«

»Nein, besser.«

»Habt ihr …«

»Ich verrate nichts, Nele«, fiel meine Mutter mir lachend ins Wort. »Bis morgen früh dauert es ja nicht mehr lang. Also dann um zehn im Entenwerder 1?«

»Alles klar.« Ich war furchtbar neugierig, aber ich wusste, dass es zwecklos war. Wenn meine Mutter nichts verraten wollte, würde sie auch nichts verraten. »Wie geht’s Lenny?«, erkundigte ich mich.

»Bestens. Er hat auch Neuigkeiten für dich. Wird er dir bestimmt morgen erzählen.«

»Weißt du eigentlich, wie fies es ist, mich erst anzutrailern und mir dann den Film nicht zu zeigen?«

»Ja, weiß ich«, erwiderte meine Mutter vergnügt. »Jetzt erzähl doch mal: Wie ist es in der neuen Agentur?«

Apropos Agentur. Allmählich musste ich mich beeilen, um nicht zu spät zu kommen. Die Arbeitszeiten waren zwar flexibel, aber ich war erst seit zwei Wochen da und wollte auf keinen Fall für faul gehalten werden. Also erhob ich mich vom Badewannenrand und ging zum Waschbecken. Das Handy stellte ich auf Lautsprecher, um beide Hände zum Schminken frei zu haben. »Der neue Job ist toll«, fing ich an zu schwärmen, während ich Make-up im Gesicht verteilte. »Meine Kollegen und Olli, einer der beiden Chefs, sind supernett. Heute lerne ich auch endlich den zweiten Inhaber kennen, bislang war der im Urlaub. Die Agentur hat extrem interessante Kunden, und die Kampagnen sind genial. Kennst du zum Beispiel diese Dating-App Searchlove?«

»Nein, leider nicht. Oder zum Glück nicht, wie man es nimmt.«

Ich legte einen dezenten Lidschatten auf. »Na, jedenfalls war die App so gut wie am Ende, weil alle zu Findlove gewechselt sind. Aber dann hat die Agentur Searchlove ein völlig neues Image verpasst, und die Firma hat seitdem einen Zuwachs von zweiunddreißig Prozent verzeichnet. Zweiunddreißig Prozent! Ist das nicht der Hammer?« Ich konnte mein Glück noch immer kaum fassen, seit zwei Wochen Mitarbeiterin der PR-Agentur M&T zu sein. Der Name stand für die beiden Agenturinhaber Claas Maurien und Oliver Thevs, die die Agentur vor fünf Jahren gegründet hatten. Mit ihren innovativen Ideen und genialen Konzepten waren sie innerhalb kürzester Zeit zu einer der angesagtesten Agenturen in der Branche geworden. Schon viermal hatte ich mich dort beworben. Alle Versuche waren erfolglos geblieben, doch dann hatte es endlich geklappt – ausgerechnet, als ich mich am absoluten Tiefpunkt meines Lebens befunden hatte. Ich war unglaublich froh darüber, endlich meine Chance bekommen zu haben, und hundertprozentig entschlossen, alles zu geben, um bei M&T die Karriereleiter hinaufzuklettern. Jeden einzelnen Schritt hatte ich bereits geplant, und langfristig war es mein Ziel, in die Geschäftsführung aufzusteigen. Schließlich brauchte jeder Mensch eine Vision, und das war meine.

»Ich freu mich so für dich, Nele«, sagte meine Mutter und riss mich damit aus meinen Karriereträumen. »Du hast dir diesen Job wirklich verdient, ich weiß doch, wie hart du dafür gearbeitet hast. Na gut, dann will ich dich mal nicht länger aufhalten. Ich wünsch dir einen schönen Tag, und benimm dich, wenn du heute den anderen Chef kennenlernst.«

»Natürlich benehme ich mich, Mama.«

»Ach, das weiß ich doch, meine Große. Also dann, bis morgen im Entenwerder.«

»Ja, bis morgen. Was feiern wir noch mal? Euer neues Haus?«

Meine Mutter lachte nur. »Vergiss es, Nele.«

Nachdem ich mich fertig geschminkt hatte und im Ergebnis absolut natürlich und nicht geschminkt aussah, tüdelte ich mir eine Kombination aus Flechtfrisur und lockerem Knoten ins Haar. Ich schlüpfte in mein dunkelblaues Lieblingskleid, das mit winzig kleinen Kirschen bedruckt war. Ich hatte es mir zur Belohnung genäht, nachdem Lenny seine letzte Herz-OP überstanden hatte und die lange Zeit des Bangens endlich vorbei war. Tobi, mein Ex, hatte das Kleid gehasst und viel zu unsexy gefunden, sodass ich es während unserer Beziehung kaum getragen hatte. Aber zum Glück war mir seit zwei Monaten komplett egal, was Tobi von meinen Klamotten oder mir hielt. Ich betrachtete mich kritisch im Spiegel meines Kleiderschranks und drehte mich hin und her. Dabei fiel mein Blick auf den Plan, den ich nach der Trennung von Tobi verfasst und dorthin gehängt hatte, um ihn mir täglich vor Augen zu führen. Er war an der Ostsee entstanden, wohin ich mich nach zwei Wochen intensiven Selbstmitleids verzogen hatte, um den Kopf frei zu kriegen. Nach einem endlos langen Spaziergang am Strand hatte ich mich in den Sand gesetzt und den Wellen zugeschaut. Der Wind war mir durchs Haar gestrichen, die Sonne hatte mich gewärmt und die Möwen hatten mir zugerufen: »Jetzt sieh doch nur, wie schön die Welt ist. Das ist deine Zeit, lass sie dir nicht von irgendwelchen beknackten Typen versauen.« Ich fand die Ostsee-Möwen sehr klug, also holte ich umgehend mein Notizbuch aus der Tasche und erstellte einen Zukunftsplan. Als Erstes verordnete ich mir einen absoluten Männerstopp. Nach etlichen Beziehungspleiten musste ich mir wohl endlich eingestehen, dass ich für die Liebe nicht geschaffen war und die Liebe nicht für mich. Ich hatte es immer wieder versucht, und immer wieder war ich gescheitert. Mein lädiertes Herz benötigte dringend eine Pause. Außerdem konnte ich mich durch den Männerstopp voll und ganz auf meinen Job konzentrieren. Ich liebte meine Arbeit und wollte meine Karriere endlich anpacken, statt immer nur darüber zu reden. Und zu guter Letzt wollte ich endlich mal wieder Zeit für mich haben und tun und lassen, was ich wollte. In den letzten Jahren hatte ich immer wieder den Fehler gemacht, mich selbst in Beziehungen zu verlieren. Der Typ war Stand-up-Paddler? Dann ging ich halt zum Stand-up-Paddeln. Er interessierte sich für Fußball? Dann fand ich mich alle zwei Wochen am Samstagnachmittag im Stadion wieder. Er hasste ›Heimchen am Herd‹? Dann tat ich eben so, als könnte ich nicht mal Wasser kochen. Aber darauf hatte ich keine Lust mehr, jetzt war ich wieder ich. Nele Wilkens. Jetzt ging es um mich, um mein Leben. Und das tat mir verdammt gut.

»So«, sagte ich schließlich zu meinem Spiegelbild. »Ich geh jetzt Karriere machen und beim neuen Chef einen guten Eindruck hinterlassen.«

Auf dem Weg zur Tür schaute ich kurz in der Küche nach, ob Anni, meine beste Freundin und Mitbewohnerin, noch da war. War sie allerdings nicht. Vermutlich hatte sie bei Sebastian geschlafen, unserem Nachbarn, mit dem sie seit zwei Monaten zusammen war. Die beiden waren noch immer frisch verliebt. Also wirklich äußerst frisch verliebt. Ich freute mich für sie, denn Anni hatte sich schwer damit getan, ihr Glück zuzulassen. Allerdings war ich auch immer ganz froh, wenn die beiden nicht in Annis Zimmer, sondern bei Sebastian ihre Freizeit gestalteten, um es mal vorsichtig auszudrücken. Das allerdings geschah dann zum Leidwesen von Kai, Sebastians Mitbewohner. Kai und ich waren in den letzten Monaten jedenfalls oft zum jeweils anderen geflüchtet, um gemeinsam eine Folge Doctor Who nach der anderen zu schauen. Und den Ton dabei sehr laut zu drehen.

Eine halbe Stunde später stieg ich an der U-Bahn-Haltestelle Christuskirche aus und ging durch die sommerliche Morgenluft zum Büro. Die Agentur lag am Rand des szenigen Schanzenviertels in einer ruhigen Straße mit hohen Linden und wunderschönen Jugendstilreihenhäusern. Ringsum gab es ein paar nette Restaurants, Bars und portugiesische Cafés sowie einen kleinen Wochenmarkt, der einmal in der Woche stattfand. Heute war Markttag, also kaufte ich am Fleischerstand geräucherten Schinken und ließ mir außerdem noch Leberwurst zum Probieren andrehen. Vom Bäcker holte ich mir ein frisches Brötchen und legte schließlich die restlichen paar Meter zur Agentur zurück.

Es war kurz nach acht, und wie üblich war um diese frühe Zeit noch niemand da. Erst zwischen neun und halb zehn trudelten die anderen ein. Ich mochte diese friedliche Stunde, wenn ich den Raum, den ich mir mit Julius, Linda und Britt teilte, ganz für mich allein hatte. Mit den dreien hatte ich mich zwar auf Anhieb gut verstanden, aber ich liebte es auch, in aller Ruhe am Platz zu frühstücken, während ich mir Ideen für die Projekte notierte, an denen ich mitwirkte.

Ich öffnete weit das Fenster, um die Morgenluft hereinzulassen, die noch kühl war, aber bereits wunderbar nach Sommer und Wärme duftete. Dann kickte ich meine Schuhe unter den Schreibtisch, fuhr meinen Rechner hoch und kramte meine Einkäufe aus der Tasche, um barfuß über den Parkettboden im Flur in die Küche zu tapsen. Noch etwas, das ich liebte, wenn ich morgens ganz allein in der Agentur war. Ich konnte tun und lassen, was ich wollte, als würde das alles hier mir gehören. Es wäre schon toll, in einer Wohnung wie dieser zu wohnen, mit hohen Stuckdecken, glänzendem Parkett und einer Mischung aus modernen Möbeln und ein paar Highlights aus den Fünfzigern, Sechzigern und Siebzigern. Der Kaffeevollautomat in der Küche stammte wahrscheinlich aus den Achtzigern. Er hatte seine besten Tage eindeutig hinter sich, und Julius behauptete steif und fest, Claas Maurien hätte ihn in Neapel einer siebenundsechzigjährigen einäugigen Prostituierten abgekauft. Ob das stimmte, konnte ich nicht beurteilen, aber der Kaffee schmeckte großartig. Ich musste an das Gespräch mit meiner Mutter denken und fragte mich, was sie wohl zu verkünden hatte. Oder was Lennys Neuigkeiten waren. Unwillkürlich fing ich an, eins der Lieder vor mich hin zu singen, das sich auf der Mix-CD befand, die Lenny für mich aufgenommen und mir mit folgenden Worten überreicht hatte: »Hier, mein Nele-Herz, damit du nicht mehr so traurig bist.« Das war kurz nach der Trennung von Tobi gewesen, als ich versehentlich vor meiner Familie in Tränen ausgebrochen war. Normalerweise hatte ich mich vor ihnen gut im Griff, aber in dem Moment war es einfach so aus mir herausgeplatzt. Lenny hatte es noch nie ertragen können, wenn ich traurig war, und gleich mitgeweint. Wie viele Menschen mit Down-Syndrom war er sehr emotional, besonders wenn es um seine Liebsten ging. Das erste Lied auf der CD war von Vicky Leandros, denn Lenny war ein großer Schlager-Fan, und dieser Song war sein »absoluter Lieblingssong«, wie er sagte.

»Nein, sorg dich nicht um mich. Du weißt, ich liiiiebe das Leeeben«, trällerte ich vor mich hin, während ich mein Brötchen aufschnitt. »Und weine ich manchmal noch um dich, das geht vorüber sicherlich.« Ich belegte eine Hälfte mit dem köstlichen Schinken. Dem Fleischer zuliebe beschmierte ich die andere mit der Leberwurst. Bestimmt würde es ihn traurig machen, wenn ich sie nicht probierte. »Vielleicht gefällt’s mir wieder frei zu sein, vielleicht verlieb ich miiiiiich auf’s Neu’«, stieß ich allmählich in die höchsten Töne des Liedes vor und war froh, dass ich allein war. »Man wird ja sehen, die Welt ist schön. Wie’s kommt ist einerlei, dadadadaAAAHHH«, schrie ich mitten im Lied auf, als mich etwas Kaltes, Nasses am nackten Unterschenkel berührte. Ich fuhr herum und entdeckte hinter mir einen mittelgroßen blonden Hund mit rotem Halsband und lustigen Schlappohren. Offensichtlich hatte er an meinem Bein geschnuppert, und nun sah er zu mir auf, um mich freundlich anzulächeln. Auch wenn Hunde wahrscheinlich gar nicht lächeln konnten – dieser tat es definitiv. »Du hast mich ganz schön erschreckt«, sagte ich vorwurfsvoll. »Soll ich aufhören zu singen? Hast ja recht, das war furchtbar.«

Der Hund lächelte und hechelte mich unverändert freundlich an. Falls er meinen Gesang scheußlich gefunden hatte, ließ er es sich zumindest nicht anmerken.

»Du musst Sally sein«, meinte ich, als mir einfiel, was meine Kollegen mir erzählt hatten: Claas Maurien besaß einen Hund namens Sally, den er mit ins Büro brachte.

Offenbar lag ich richtig, denn als ich »Sally« sagte, fing der Hund an, mit dem Schwanz zu wedeln. Ich musste lachen, weil der ganze Körper sich dabei mitbewegte. Und dann noch dieses breite Hunde-Grinsen … Mein Herz schmolz nur so dahin. Ich hielt Sally meine Hand hin, damit sie ausgiebig daran schnuppern konnte. »Hallo, ich bin Nele«, stellte ich mich vor. Sie schien mich okay zu finden, denn sie schleckte zärtlich über meine Hand und schmiegte sich dann an meine Beine. »Ach Herrje, bist du süß«, sagte ich in dieser albernen hohen Stimme, in der Menschen oft mit Tieren oder Kindern sprachen. »Warum hat mir denn keiner gesagt, wie süß du bist?« Ich beugte mich zu Sally runter, um sie hinter dem Ohr zu kraulen, was ihr offenbar gut gefiel, denn sie schmiegte entzückt ihren Kopf in meine Hand. »So eine Hübsche bist du. Sieh dir doch nur dein wunderschönes blondes Fell an«, schmeichelte ich, während ich sie kraulte. »Und ich wette, du musstest nicht zwei Stunden beim Frisör sitzen, um dir karamell- und honigfarbene Strähnchen machen zu lassen.«

Sally sah mich mitleidig an, nur um dann weiterhin meine Streicheleinheiten zu genießen. Meine Komplimente schien sie auch ganz gern zu hören.

»Hey, magst du eigentlich Leberwurst?«

Bei dem letzten Wort hob sie den Kopf und reckte schnüffelnd ihre Nase in die Luft, was wohl so viel wie ›Ja, aber hallo‹ hieß.

»Wobei … darfst du überhaupt Leberwurst essen? Ich meine, vielleicht bist du ja Vegetarierin oder so was. Oder Leberwurst ist schlecht für Hunde.«

Sallys Blick wurde tieftraurig. Sie wirkte auf einmal völlig ausgehungert auf mich. Die Arme. Sie sah so unglücklich aus, und ich allein war ihre Rettung.

»Machen wir es doch so: Du bekommst ein Stück Leberwurstbrötchen ab, aber du darfst es niemandem petzen. Okay?«

Von Sally kam kein Widerspruch, also riss ich eine Ecke meines Brötchens ab und hielt es ihr hin. Statt mir die Beute gierig aus der Hand zu schnappen, sah sie mich fragend an und schien auf meine Erlaubnis zu warten, woraufhin ich mich nur noch mehr in sie verknallte. Höflich war sie auch noch! »Bitte schön.« Sie nahm mir das Stück Brötchen vorsichtig ab, nur um es innerhalb von Sekundenbruchteilen zu verschlingen und sich begeistert das Maul zu schlecken. »Davon kannst du doch gar nichts geschmeckt haben«, lachte ich und hockte mich hin, um sie ausgiebig zu kraulen. »Dinge, die du richtig gern magst, solltest du unbedingt genießen, verstehst du? Du weißt ja nie, wann du sie das nächste Mal bekommst. Also schließ die Augen und koste den Moment so lang wie möglich aus.«

Sally legte sich halb auf meinen Schoß und kuschelte sich so eng und vertrauensvoll an mich, dass mein Herz förmlich überquoll. »Oh Mann, du bist wirklich unfassbar niedlich.«

Sie grinste mich an, als wollte sie sagen: ›Weiß ich doch.‹

Lachend zog ich sie noch näher an mich. »Ja, das weißt du, oder? Das weißt du ganz genau, du süßes Hundemädchen. Und so höflich und klug bist du, du hübsche, bildschöne …«

»Mach ihr besser nicht zu viele Komplimente. Das steigt ihr immer furchtbar zu Kopf«, ertönte eine tiefe Stimme von der Tür.

Ich zuckte erschrocken zusammen, während Sally den Kopf hob und fröhlich mit dem Schwanz wedelte. Verdammt noch mal, wieso hatte ich mich derart von diesem Hund um die Pfote wickeln lassen? Ich hatte überhaupt keinen Gedanken darauf verschwendet, dass das dazugehörige Herrchen ganz in der Nähe sein musste. Das dazugehörige Herrchen, auf das ich unbedingt einen sehr kompetenten und professionellen Eindruck machen wollte. Als ich mich umdrehte, entdeckte ich einen hochgewachsenen dunkelhaarigen Mann in der Tür, der Sally und mich amüsiert beobachtete. Ich erkannte Claas Maurien sofort, immerhin waren wir einander im letzten Jahr auf einer Marketingtagung vorgestellt worden. Aber daran konnte er sich garantiert nicht erinnern. Außerdem hatte ich sein Bild etliche Male im Internet und in Branchenmagazinen gesehen. Bei meinen Bewerbungsgesprächen war er unterwegs gewesen, sodass ich ihm jetzt zum ersten Mal als seine neue Mitarbeiterin gegenüberstand, oder genauer gesagt gegenüberhockte. Fast fühlte ich mich eingeschüchtert. Er war eine echte Größe in der Branche, und ich konnte und wollte eine Menge von ihm lernen.

Unvermittelt kniff er die braunen Augen zusammen, um mich eingehend zu mustern. »Wir kennen uns doch von dieser Tagung in Berlin.«

Das wusste er noch?! Ich musste mich schwer zusammenreißen, um ihn nicht anzustarren, als würde ihm ein Leberwurstbrötchen aus dem Ohr wachsen. Schnell schob ich Sally von meinem Schoß, rappelte mich vom Boden auf und ging mit ausgestreckter Hand auf ihn zu. »Äh, ja. Stimmt. Ich bin die Neue. Nele …«

»Wilkens, ich weiß«, sagte er und ergriff meine Hand, um sie zu schütteln. »Claas …«

»Maurien, ich weiß. Und das mit der Tagung wissen Sie auch noch?«

»Du«, korrigierte er. »Ja, das weiß ich noch. Wieso, sollte ich nicht?«

»Nein, ich meine, doch. Ich hätte nur nicht gedacht, dass du dich daran erinnern kannst, das ist alles.«

Er lächelte mich so nett an, dass es ansteckend war. »Ach, ich habe ein Elefantengedächtnis. Also dann … herzlich willkommen.«

»Danke.« Mir wurde bewusst, dass wir einander immer noch die Hand schüttelten, also zog ich meine schnell zurück.

»Und du und Sally seid bereits die besten Freundinnen?«, fragte er und wandte sich von mir ab, um sich eine Tasse aus dem Schrank zu holen.

Ich beugte mich wieder zu Sally, um sie zu kraulen, was sie mit einem verzückten Blick quittierte. »Definitiv BFFs. Auf mich wirkt sie übrigens total bescheiden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie von ein paar Komplimenten gleich abhebt.«

»Oh doch. Von Komplimenten und Leberwurst.«

Ich wich seinem Blick aus. »Leberwurst?«

»Du willst doch wohl nicht leugnen, dass du ihr was von deinem Brötchen abgegeben hast.«

»Na ja. Ein bisschen. Tut mir leid, ich hoffe, ich hab sie nicht vergiftet oder so. Aber das war Bio-Leberwurst. Ganz frisch.«

Das amüsierte Funkeln in seinen Augen schien sich noch zu verstärken. »Ach so. Na wenn’s bio war, ist das natürlich etwas völlig anderes.«

Ich wollte gerade zu einer längeren Erklärung ausholen, als er abwinkte. »Ist doch okay, wenn sie ab und zu mal was zugesteckt bekommt. Für Leberwurst würde sie übrigens töten.«

»Na, dann hab ich ja ins Schwarze getroffen, was?« Ich fühlte mich beobachtet und sah runter zu Sally, die mich intensiv anstarrte. »Was ist denn los, Süße?«

Sie äußerte sich nicht dazu, sondern versuchte weiterhin, mich mit ihrem Blick zu hypnotisieren.

»Sie antwortet leider nur sehr selten«, meinte Claas grinsend, woraufhin ich ebenfalls lachen musste. »Aber ich vermute, sie überlegt, wie sie dich zu noch mehr Leberwurst überreden kann oder ob ihr karamell- und honigfarbene Strähnchen stehen würden.«

Vor Schreck blieb mir das Lachen im Hals stecken. »Dann standst du also die ganze Zeit in der Tür?«

»Nein, am Anfang stand ich im Flur. Ich war mir nicht sicher, ob ich euch beide stören darf.« Er stellte die Tasse unter die Kaffeemaschine und ließ sich einen doppelten Espresso machen. »Und, hast du dich gut eingelebt?« Sein Tonfall war genauso freundlich wie vorher, aber das war eine klare Chef-Frage. Also sollte ich mal dringend etwas Jobbezogenes von mir geben.

»Ja, habe ich. Ich find’s toll, hier zu arbeiten. Ich hab mich schon mehrmals beworben, und bin froh, dass es endlich geklappt hat.«

»Tja, ich sag’s ja immer wieder: Hartnäckigkeit zahlt sich irgendwann aus.«

»Ich bin übrigens absolut begeistert von der Searchlove-Kampagne. Als ich das Video gesehen habe, war ich kurz davor, mich da anzumelden.«

»Vielen Dank.« Er rührte unfassbare drei Löffel Zucker in seinen Espresso und trank ihn in zwei großen Schlucken aus. »Also, ich nehme an, wir sehen uns nachher in der Besprechung?«

»Klar.«

»Schön.« Er stellte seine Tasse in die Spüle und ging zur Tür. Dort drehte er sich zu mir um. »Dann nochmals herzlich willkommen bei M&T, Nele Wilkens.« Er wandte sich an seinen Hund und machte einen Schnalzlaut. »Na komm.«

Sally ging zu ihm, doch auf halbem Weg drehte sie sich zu mir um, als wollte sie schauen, ob ich mitkam. Als ich mich nicht rührte, blieb sie stehen und blickte verwirrt zwischen mir und ihrem Herrchen hin und her.

»Äh, hallo? Mylady? Wenn ich bitten dürfte?«, fragte Claas kopfschüttelnd.

Sally schaute mich beinahe entschuldigend an und lief zu ihm.

»Hat sie sich gewundert, wieso ich nicht auf dein Schnalzen reagiere?«, überlegte ich.

Er lachte. »Manchmal weiß man einfach nicht, was in ihr vorgeht. Also, bis später.« Er nickte mir noch mal zu, und dann waren er und Sally verschwunden.

Das war also Claas Maurien. Ich hatte ihn bei unserem kurzen Treffen in Berlin schon nett und gar nicht mal so unattraktiv gefunden, und heute war er echt … auch nett gewesen. Es war doch gut, einen netten Chef zu haben. Ich konnte nur hoffen, dass er keinen schlechten Eindruck von mir gewonnen hatte, schließlich hatte ich mich nicht übermäßig fleißig und kompetent präsentiert, sondern vor allem mit seinem Hund geflirtet. Aber ich würde ihn schon noch von meiner Kompetenz überzeugen. Ich schüttete meinen inzwischen kalten Cappuccino in die Spüle, um mir einen neuen zu machen. Dabei fiel mein Blick auf meine Füße. Meine nackten Füße. So viel also zum professionellen ersten Auftritt. Mist.

Ab neun Uhr trudelten nach und nach meine Kollegen Julius, Linda und Britt ein. Linda kam aus Rotterdam, wohnte aber schon seit mehr als zehn Jahren in Hamburg. Sie sprach perfektes Deutsch, aber mit diesem süßen holländischen Akzent, der leider so süß war, dass niemand es ihr abkaufte, wenn sie böse war oder sich aufregte. Im Moment empörte sie sich über ihren Nachbarn, der zu ihrem Leidwesen angefangen hatte, Trompete zu spielen. »Könnt ihr euch vorstellen, wie es klingt, wenn einer Trompete spielt, der das gar nicht kann?«

»Nein«, antwortete Julius. »Aber schön wird’s nicht sein.« Julius war der klassische Hipster, nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich. Er war ständig auf dem Swutsch, und eigentlich hatte er für die Arbeit gar keine Zeit. In den zwei Wochen, seit ich bei M&T angefangen hatte, war Julius dreimal erst mittags aufgetaucht und gegen fünf Uhr schon wieder verschwunden. Ich hätte mich das nie getraut.

»Sei froh, dass er nicht Schlagzeug lernt«, meinte Britt und rollte mit ihrem Stuhl zum Drucker, um ein paar Seiten herauszuholen. Sie war die Dienstälteste in unserer Runde und schon seit der Agenturgründung mit an Bord. Über ihr Privatleben sprach sie nie, weswegen alle die Vermutung hatten, sie wäre eine Geheimagentin. Aber Geheimagentin hin oder her, ich mochte sie und arbeitete gern mit ihr zusammen.

Linda seufzte schwer. »Ihr habt ja keine Ahnung, was ich durchmache.«

»Ein bisschen kann ich es mir schon vorstellen«, sagte ich, während ich ein paar ausgedruckte E-Mails auf meinem Schreibtisch sortierte und fein säuberlich abheftete. »Meine beste Freundin und Mitbewohnerin Anni spielt Klavier. Sie spielt zwar wirklich gut und ich höre ihr gern zu, aber manchmal übt sie ein und dieselbe Stelle wieder und wieder. Zwei Takte, stundenlang. Da könnte ich echt ausflippen.«

»Ach ja?«, fragte Julius. »Du kannst ausflippen? Bislang kommst du eher so welpenmäßig rüber.«

»Sie hat gesagt sie könnte ausflippen«, meinte Linda grinsend. »Aber egal, ich muss allmählich mal was tun.«

Daraufhin kehrte Ruhe ein, und wir machten uns konzentriert an die Arbeit. In der Mittagspause holten wir uns Currywurst und setzten uns damit auf eine Bank unter einer riesigen Eiche. Der Sommer gab in diesem Jahr wirklich alles, und ganz Hamburg konnte sein Glück kaum fassen. Niemand wagte es allerdings, laut darüber zu sprechen, aus Angst, die Sonne damit zu verjagen. Und obwohl ich eigentlich sehr gern arbeitete, fiel es mir bei dem schönen Wetter gar nicht so leicht, ins Büro zurückzukehren. Linda, Britt und Julius ging es ebenso, und so fragten wir uns den ganzen Nachmittag ständig, wieso wir keinen Job hatten, bei dem es hieß: »Freitag ab eins macht jeder seins.«

Irgendwann warf ich einen Blick auf meine Uhr. »Es ist kurz vor vier. Das Meeting geht gleich los.« Ich raffte Notizblock, Kuli und Kaffeetasse zusammen und war schon auf dem Weg zur Tür.

»Sie ist eine ziemliche Streberin, oder?«, fragte Julius in Britts Richtung.

Doch sie hob nur die Schultern und folgte mir.

Freitags und montags fanden immer Agenturmeetings statt, denn die Philosophie bei M&T lautete, dass man die Woche im Team begann und beendete. Im Konferenzraum waren schon viele Stühle, Fensterbänke und Sitzbälle mit meinen Kolleginnen und Kollegen besetzt. Die Fenster standen weit offen, um die sommerliche Luft hereinzulassen, und vom Bäcker nebenan zog der Duft von frisch gebackenen Franzbrötchen zu uns empor. Mir lief das Wasser im Mund zusammen, doch es war keine Zeit mehr, um mir eins zu holen. Linda, Julius und ich nahmen am Konferenztisch Platz, während Britt sich zu Oliver Thevs, der von allen nur Olli genannt wurde, auf eine Fensterbank gesellte. Er hatte die Vorstellungsgespräche mit mir geführt und mich an meinem ersten Arbeitstag in Empfang genommen. Olli war immer im Stress, immer auf dem Sprung, furchtbar chaotisch, aber auch verdammt gut in seinem Job.

Als einer der Letzten betrat Claas den Raum, dicht gefolgt von Sally. Er hatte zwei große Tüten vom Bäcker dabei, aus denen dieser unverwechselbar verführerische zimtig-süße Duft nach Franzbrötchen strömte.

Linda reckte die Nase. »Sind das etwa Franzbrötchen, Claas? Es ist so schön, dass du aus dem Urlaub zurück bist.«

Er nickte. »Franzbrötchen für alle als Dankeschön dafür, dass ihr in der nächsten Zeit so viele Überstunden machen werdet.«

»Werden wir das?«, fragte Julius.

»Oh ja. Das werdet ihr.«

»Na dann.« Julius zog ein Franzbrötchen aus einer der Tüten und reichte sie weiter an mich.

Mein Blick fiel auf Sally, die eine Runde durch den Konferenzraum drehte und sich von jedem Einzelnen streicheln ließ. Nicht nur einmal wurde ihr verstohlen ein Häppchen zugesteckt, und ich vermutete, dass jeder in seinem Schreibtisch eine Tüte Leckerlis versteckt hielt. Als Sally mich entdeckte, wedelte sie begeistert mit dem Schwanz und begrüßte mich so überschwänglich, als hätte sie sich ewig nach mir verzehrt. Lachend streichelte ich sie. »Ich hab dich auch vermisst. Ja, das habe ich«, versicherte ich ihr in meiner bescheuerten Hundestimme, die Sally dazu brachte, sich noch mehr zu freuen. »Ich hab dich so doll vermisst, du süße, kleine …«

»Ihr kennt euch bereits?«, erkundigte Julius sich interessiert.

»Ja, Nele und Sally sind sich heute Morgen in der Küche begegnet«, erwiderte Claas an meiner Stelle. »Da hat das mit den beiden angefangen.«

Linda grinste. »Scheint ja ’ne dicke Sache zu sein.«

»Das Gefühl habe ich allerdings auch«, meinte er.

Ich räusperte mich und schob Sallys Vorderpfoten von meinem Schoß, streichelte sie allerdings weiter, da ich ihr nicht das Gefühl geben wollte, ich hätte sie nicht mehr lieb. »Ich hatte Leberwurst«, erklärte ich Linda.

In dem Moment rief Olli: »Okay Leute, dann können wir ja anfangen.«

Ich riss mich von Sally los, setzte mich aufrecht hin und schlug mein Notizbuch auf. Jetzt war es auch mal gut mit Hundekuscheln. Claas musste ja denken, ich würde das Ganze hier für einen Streichelzoo halten.

Olli sprang von der Fensterbank und kam an den Konferenztisch. »Also, wie Claas schon angedroht hat, wird es hier in den nächsten Monaten rundgehen. Von Sommerloch kann bei uns keine Rede sein, denn wir haben zwei richtig schöne Aufträge an Land gezogen.«

Ich wollte schon mit den Knöcheln auf die Tischplatte klopfen, doch dann fiel mir die zurückhaltende Reaktion meiner Kollegen auf. »Heißt das, der Sommerurlaub ist gestrichen?«, fragte Linda besorgt.

Claas schüttelte den Kopf. »Nein, jeder, der bereits Urlaub eingereicht hat, kann ihn auch nehmen. Aber wer jetzt noch für den Sommer freinehmen will, hat Pech gehabt. Tut mir leid.«

Ein paar der Mitarbeiter stöhnten auf, und alle redeten darüber, wer schon Urlaub geplant hatte und wer sich nun seinen spontanen Kurztrip nach London abschminken konnte. Nur Julius und ich beteiligten uns nicht an den Gesprächen. Stattdessen reichte er mir die Bäckertüte. »Hier, du hattest noch keins.«

Ich holte mir ein wunderbar fetttriefendes Franzbrötchen heraus. »Mmmh, Wahnsinn, die sind ja noch warm«, murmelte ich. Beim Klang meiner Stimme klopfte Sally, die auf meinen Füßen lag, zweimal mit dem Schwanz auf den Boden, rührte sich ansonsten jedoch nicht. Ich riss ein Stück Franzbrötchen ab und steckte es mir in den Mund. Es schmeckte herrlich sabschig, süß und zimtig – genauso, wie Franzbrötchen sein sollten.

»Hey, Leute, können wir uns bitte alle mal wieder beruhigen?«, rief Olli. Das Stimmengewirr ebbte allmählich ab. »Also, wie ich schon sagte, sind das wirklich sehr schöne Aufträge. Projekt Nummer eins lautet …« Er legte eine Kunstpause ein und rief schließlich: »Wir machen die Heide sexy! Also, die Lüneburger Heide. Wie ihr ja alle wisst, steht die Heideblüte vor der Tür.«

Ich nickte, doch die meisten anderen hoben nur ratlos die Schultern. »Meistens fängt sie im August an und zieht sich bis in den September«, sagte ich und fügte dann erklärend hinzu: »Meine Mutter stammt aus Undeloh, und wir besuchen oft unsere Verwandten. Ist sehr schön da.«

»Das findet die Tourismuszentrale der Lüneburger Heide auch«, erklärte Olli. »Daher wollen sie die Besucherzahlen für die anstehende Heideblüte noch mal ordentlich in die Höhe schrauben.«

»Sorry, aber niemand, der was auf sich hält, fährt am Wochenende zu Kaffee und Kuchen in die Heide«, meinte Julius. »Damit outet man sich doch als Oberspießer. Anwesende natürlich ausgenommen.« Er tätschelte mir den Unterarm.

Julius ließ öfter mal diese kleinen Spitzen ab. Ich wusste nicht so recht, warum er das tat, so gut kannte ich ihn noch nicht. Wahrscheinlich war es einfach seine Art von Humor, die ich nur nicht verstand. Ich hob die Schultern. »Kein Problem. Mir ist klar, dass die Heide nicht hip ist. Schön ist sie trotzdem. Und einzigartig.«

»Genau«, stimmte Olli zu. »Und unsere Aufgabe ist es, diese Tatsache noch bekannter zu machen. Wir werden dafür sorgen, dass jeder, der was auf sich hält, dorthin will, Julius.«

Was für ein tolles Projekt! Ich hatte schon mindestens fünf Ansätze, wie ich Mamas alte Heimat für geplagte Großstädter sexy machen konnte. Die Leute würden sich darum reißen, dorthin zu fahren, jawohl.

»Ich verstehe es nicht«, meinte Julius. »Wieso karrt man nicht einfach Horst Lichter an, dann rennen die Rentner den Heidjern doch die Türen ein.«

»Super Idee«, meinte Olli. »Allerdings ist es unser Ziel, die Heide für ein jüngeres Publikum sexy zu machen.«

»Okay, das war Projekt Nummer eins«, brachte Claas das Ganze zum Abschluss. »Kommen wir nun zu Projekt Nummer zwei. Das ist nicht ganz so … nun ja, sexy.« Ein Grinsen huschte über sein Gesicht, dann fuhr er fort: »Uns hat ein Hilferuf der Durchschnittspartei erreicht.« Claas holte ein zusammengerolltes Poster neben seinem Stuhl hervor. Er ging zum Whiteboard, wo er das Poster entrollte und mit Klebestreifen befestigte. »Konkret geht es um diesen Mann.«

Es war ein klassisches Wahlkampfposter, auf dem ein Typ undefinierbaren Alters abgebildet war. Er hatte schütteres graues Haar, das er zu einem Seitenscheitel gekämmt trug, ein schmales Gesicht und schmale Lippen. Auf seiner etwas zu langen Nase saß eine silberumrandete Brille, und sein Lächeln wirkte leicht gequält. Oben waren das Parteilogo und der Name des Mannes abgedruckt: Rüdiger Hofmann-Klasing. Unten stand der Slogan: Ehrlich. Zuverlässig. Kompetent. Für Hamburg. Ich hatte diesen Mann noch nie im Leben gesehen, nie etwas von ihm gehört. Und kaum hatte ich den Blick vom Poster abgewendet, hatte ich sein Gesicht auch schon wieder vergessen.

»Also?«, fragte Claas in die Runde. »Wer von euch kennt ihn?«

Keiner sagte etwas, alle hoben nur ratlos die Schultern.

»Und genau das ist das Problem. Rüdiger Hofmann-Klasing ist Spitzenkandidat und Zugpferd der Durchschnittspartei. Er soll unser neuer Bürgermeister werden. Am 20. Oktober ist die Bürgerschaftswahl, aber kein Schwein kennt ihn, und Umfragen zufolge liegen seine Sympathiewerte im Keller.«

»Verstehe ich gar nicht«, meinte Linda mit erhobenen Augenbrauen. »Er ist doch ehrlich und zuverlässig.«

»Und kompetent«, fügte ich hinzu.

»Auf jeden Fall ist er ein ziemlich lahmes Zugpferd was?«, meinte Julius. »Und darf man fragen, welche hirnverbrannte Agentur für dieses Plakat und diesen Slogan verantwortlich ist?«

»Die Damen und Herren von der Durchschnittspartei haben das bislang ohne Agentur gemacht«, meinte Claas.

Britt zog scharf die Luft ein. »Autsch. Das sieht man.«

»Das heißt, wir sollen deren Wahlkampf managen?«, fragte Julius.

»Nein, dafür wurden gerade erst die Kollegen von Rieger engagiert.«

Ich zuckte zusammen. Das war meine Ex-Agentur, bei der noch immer mein Ex-Freund Tobi arbeitete.

»Wir werden natürlich mit Rieger kooperieren, konzentrieren uns aber einzig und allein auf die Imagekampagne für Rüdiger Hofmann-Klasing«, fuhr Claas fort. »Langfristig sieht die Partei ihn sogar in der Bundespolitik, um mal deutlich zu machen, wie wichtig er ist.«

Nachdenklich betrachtete ich das Poster. »Was ist denn konkret das Problem mit diesem Typen? Kann man die Umfrageergebnisse mal sehen?«

»Ja, klar.« Claas gab einen Stapel DIN A4-Zettel rum. »Das Hauptproblem ist, dass er von 65 Prozent der Befragten als absolut farb- und profillos angesehen wird. Keiner weiß, wer er ist oder wofür er steht. Niemand hat das Gefühl, dass ihn die Belange der Bürger wirklich interessieren. Wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen ihn lieben.«

Es tat mir ja wirklich leid für den farb- und profillosen Rüdiger Hofmann-Klasing, aber mein Herz schlug für die Heide.

»Okay, das erwartet uns also in den nächsten Wochen«, sagte Olli. »Zusätzlich natürlich zu den anderen Projekten, die bereits laufen. Ich möchte für die Lüneburger Heide gern unser ehemaliges Harz-Team wieder zusammentrommeln, also Britt, Lukas, Carola und Boris.«

Schade. Also würde ich die Heide nicht sexy machen.

Nun ergriff Claas das Wort. »Bei der Imagekampagne würde ich gern mit Julius und Linda arbeiten.«

»Nele sollte auch dabei sein«, meinte Olli. »Sie kommt von Rieger und hat Erfahrung mit Imagekampagnen.«

Claas sah mich zweifelnd an. »Hast du denn auch schon einen Politiker betreut?«

Ich spürte, wie mein Körper sich versteifte. »Nein, mit Politikern hatte ich bislang noch nicht das Vergnügen. Aber ich mache diesen Job seit fast fünf Jahren und weiß durchaus, was ich tue.«

»Hm«, machte Claas, offenbar immer noch skeptisch.

Fast kam ich mir vor wie damals in der Grundschule, als ich im Sportunterricht bei der Mannschaftswahl immer als Letzte auf der Bank gesessen hatte. Dabei war ich gar nicht so schlecht im Brennball gewesen. Und in meinem Job war ich verdammt noch mal auch nicht schlecht! Ganz im Gegenteil, ich war gut, sehr gut sogar. Schnell nahm ich die Schultern zurück und reckte das Kinn. »Imagekampagne ist Imagekampagne, oder nicht? Ob der Kunde nun Politiker, Banker oder Sportler ist.« Dann trank ich einen Schluck von meinem inzwischen eiskalten Kaffee. ›Lass dir bloß nichts anmerken‹, ermahnte ich mich innerlich. Denn wenn ich eines in der Agentur-Welt gelernt hatte, war es das: Niederlagen musste man mit möglichst viel Würde wegstecken, und nie, niemals durfte man anderen seine Schwächen offenbaren.

Ich zuckte zusammen, als Claas mit den Händen leicht auf die Tischplatte schlug. »Im Grunde hast du ja recht, Nele. Imagekampagne ist Imagekampagne. Also dann, herzlich willkommen im Team Hofmann-Klasing.«

Erleichtert atmete ich auf.

Olli nickte zufrieden. »Na gut, dann haben wir es. Am Montag setzen sich die beiden Teams zusammen. Dann könnt ihr eure Ideen für die Kampagnen präsentieren. Also, das war’s für heute. Schönes Wochenende allerseits.«

Nach und nach leerte sich der Raum, und von den Geräuschen wurde Sally wach. Sie erhob sich von meinen Füßen und schüttelte sich ausgiebig. Dann ging sie rüber zu Claas, der aufgestanden war, um das Hofmann-Klasing-Poster abzunehmen. »Hey, Sally«, sagte er und strich ihr über den Kopf. »Harter Tag, was?«

Ich sammelte Notizbuch, Kuli und Kaffeetasse ein, und war schon fast zur Tür hinaus, doch dann drehte ich mich noch mal zu Claas um. »Hör mal, du musst eins wissen: Dieser Job ist mir verdammt wichtig, und ich habe nicht vor, ihn zu versauen.«

Claas rollte das Poster ein und legte es auf den Tisch. »Ich gehe davon aus, dass du ihn nicht versauen wirst. Du hast diesen Job ja nicht ohne Grund bekommen.« Er sah mich ernst an. »Tut mir leid, dass ich dich vor allen angezweifelt habe. Normalerweise bin ich nicht so.«

Sally kam zu mir und stupste mit ihrer kalten, nassen Nase meine Hand an. Sie wedelte mit dem Schwanz und schenkte mir ein fröhliches Hundelächeln, als wollte sie die Behauptung ihres Herrchens bestätigen.

»Okay«, sagte ich. »Dann hätten wir das ja geklärt.«

Claas nickte. »Gut.«

»Also dann. Danke für die Franzbrötchen.«

»Gern geschehen.«

Ich verließ den Besprechungsraum und ging zurück an meinen Platz. In meinem Kopf drehte sich alles. Hoffentlich stimmte es, dass Claas nicht an meinen Fähigkeiten zweifelte. Am Montag würde ich ihn jedenfalls mit meinen genialen Ideen zu der Hofmann-Klasing-Kampagne umhauen. Gut, aktuell hatte ich noch keine einzige Idee, aber wozu waren Sonntage schließlich da? Jetzt hieß es erst mal: Wochenende.

Überraschungen

Am nächsten Morgen machte ich mich mit dem Fahrrad auf den Weg nach Entenwerder. Eine morgendlich kühle Brise blies mir ins Gesicht, doch die Sonne wärmte schon meine Haut und die Vögel zwitscherten munter vor sich hin. Es versprach, ein wunderbar heißer und sonniger Tag zu werden. Ich liebte es, an diesem Teil der Elbe entlangzuradeln. Hier war es längst nicht so überlaufen wie an den Landungsbrücken, denn an diesem Flussabschnitt gab es wenig, über das die Reiseführer berichten konnten: keinen Strand, keine Hafenrundfahrten, große Pötte oder imposante Konzerthallen. Stattdessen gab es viel Deich, einen schönen Park und auf der anderen Elbseite Industrieanlagen, die einen ganz besonderen Charme besaßen. Und es war herrlich grün. Das Entenwerder 1 war schon seit ein paar Jahren das Lieblingsfrühstückslokal meiner Familie – zumindest im Sommer, denn es befand sich auf einem Ponton auf der Elbe. Ich schloss mein Fahrrad ab und ging über die lange Brücke zum Café. Die Möbel im Außenbereich wirkten ein bisschen zusammengesucht und in die Jahre gekommen, aber genau das machte den Reiz aus. Es gab alte bunt angestrichene Holzstühle, Strand-Liegestühle, Blumen und Lichterketten. Der Kaffee kam aus der kleinen Kaffeerösterei direkt gegenüber und die Kräuter aus dem Kübel neben der Küche. Der Elbwind wehte mir um die Nase und im Näherkommen hörte ich schon die leise Café del Mar-Musik.

Es war Punkt 10 Uhr, trotzdem war ich mir sicher, dass meine Eltern und Lenny schon da waren. Lenny hasste es nämlich, sich zu verspäten. Aus diesem Grund wollte er immer viel zu früh los, worunter wir alle zu leiden hatten. Beziehungsweise jetzt nur noch meine Eltern, denn ich war im März letzten Jahres von zu Hause ausgezogen. Es war mir nicht leichtgefallen, denn Lenny war furchtbar traurig darüber gewesen. Noch heute fragte er manchmal, ob ich nicht wieder zurückkommen wollte. Aber ich wusste, dass er mich nicht mehr so sehr brauchte wie früher. Als ich ausgezogen war, hatte er die letzte Herz-OP überstanden gehabt und war für mehrere Monate in die Reha gegangen. Und ich hatte das Gefühl gehabt, dass es mit sechsundzwanzig Zeit für mich wurde, auf eigenen Füßen zu stehen. Lenny ging es inzwischen viel besser, er genoss sein Leben in vollen Zügen und holte alles nach, was er in seiner Kindheit und Jugend durch die vielen Krankenhausaufenthalte verpasst hatte.

Ich schob mich vorbei an Tischen, Stühlen und Bänken und entdeckte meine Familie an einem Vierertisch direkt am Wasser. »Hey!«, rief ich und winkte ihnen zu.

Meine Mutter blickte von ihrem Kaffee auf. Sie winkte eifrig zurück und lachte, wobei sich ihre Nase kräuselte. Mein Vater, der ihr gegenüber saß, drehte sich zu mir um und stand auf, um mich mit wilden Handzeichen in die richtige Richtung zu lenken – was überflüssig war, da ich die drei ja schon entdeckt hatte und auf dem Weg zu ihnen war.

Dann fiel mein Blick auf Lenny, und Lennys Blick fiel auf mich. Ein breites Strahlen erschien auf seinem Gesicht. »Nele!« Er sprang von seinem Stuhl auf, um mit ausgebreiteten Armen auf mich zuzulaufen. »Mein Nele-Herz!«

»Mein Lenny-Herz«, rief ich lachend, als er bei mir angekommen war und mich stürmisch umarmte. Lenny war ein großer Freund von Umarmungen, er zelebrierte sie geradezu. Und wie jedes Mal, wenn ich ihn sah, wurde mein ganzer Körper von Wärme erfüllt. Es war, als würde er die Sonne in mir anknipsen. Von Anfang an hatte er diese Macht über mich gehabt, seit ich ihn zum ersten Mal gesehen hatte, damals vor zwanzig Jahren. Ich wusste es noch genau. Ich war eigentlich nicht gerade begeistert darüber gewesen, nach acht Jahren Alleinherrschaft von einem Geschwisterchen vom Thron gestoßen zu werden. Und dann fuhren meine Eltern auch noch ohne mich ins Krankenhaus, als Lenny sich auf den Weg machte. Ich musste bei Oma bleiben, und damals empfand ich das als totale Frechheit. Als Papa am nächsten Morgen aus dem Krankenhaus kam, machte er ein ganz ernstes Gesicht. Oma und er redeten leise miteinander, aber ich verstand nicht, worüber. Dann nahm er mich auf den Schoß und sagte: »Dein kleiner Bruder Lennart ist da. Aber du musst etwas über ihn wissen: Er hat das Down-Syndrom. Das heißt, er ist anders als die anderen Kinder, und wird es wahrscheinlich immer schwerer haben. Und sein Herz funktioniert nicht richtig.« Und dann weinte er.

Sofort bekam ich es mit der Angst zu tun und malte mir die schlimmsten Dinge aus. Mein Bruder hatte ein Syndrom, ich wusste nicht, was das war, aber es klang gruselig. War er ein Monster? Später fuhren wir ins Krankenhaus, und dort weinte auch Mama und nahm mich ganz fest in den Arm. Dann weinten Mama und Papa zusammen, und mir machte das noch mehr Angst, also zog ich mich zurück. Ich entdeckte das kleine Bettchen neben dem meine Mutter saß und wollte nun endlich wissen, was mit diesem Monster-Baby los war. Also nahm ich all meinen Mut zusammen und trat an das Bettchen heran, fest entschlossen, diesen kleinen Bruder, der meine Eltern zum Weinen brachte, zu hassen. Doch dann sah ich Lenny. Er lag da ganz allein, so winzig und zart, und da waren überall Schläuche an ihm dran. Seine Augen waren geöffnet, und irgendetwas war komisch mit seinen Augen, aber ich konnte nicht sagen, was. Nur, dass er gar nicht aussah wie ein Monster, das konnte ich sicher sagen. Ich zögerte kurz, doch dann streichelte ich mit meinem Zeigefinger ganz vorsichtig sein winzig kleines Händchen. Da griff er nach meinem Finger und hielt ihn ganz fest, und von diesem Moment an war es um mich geschehen. Mir wurde warm ums Herz und im Bauch, und ich wusste, dass ich meinen kleinen Bruder wahnsinnig lieb hatte. »Ich pass auf dich auf, versprochen. Für immer«, flüsterte ich ihm zu. Dann drehte ich mich zu meinen Eltern um. »Ich finde es nicht schlimm, dass Lennart nicht so ist wie andere Kinder. Ich mag ihn sogar noch viel lieber deswegen. Und ihr sollt nicht wegen ihm weinen. Wenn ihr ihn zum Weinen findet, dann hole ich ihn und lauf mit ihm weg.« Meine Eltern weinten daraufhin nur noch mehr und nahmen mich wieder ganz fest in den Arm. Ich verstand immer noch nicht, was eigentlich los war, aber irgendwie war von da an alles anders. Wir scharten uns um Lennys Bett, und ich durfte ihn in meinen Armen halten, trotz all der Schläuche erlaubte Mama es mir. Von da an waren wir eine Familie, und ich stieg freiwillig von meinem Thron im Hause Wilkens und beförderte meinen kleinen Bruder hinauf.

Heute wusste ich, dass meine Eltern damals nicht geweint hatten, weil sie Lenny für ein Monster hielten oder weil sie ihn nicht liebhatten. Sie waren nur nicht darauf vorbereitet gewesen, ein Kind mit Trisomie 21 zu bekommen, denn bei den Voruntersuchungen hatte nichts darauf hingedeutet. Im Kreißsaal zog es meinen Eltern dann den Boden unter den Füßen weg, als man Lenny nicht gleich meiner Mutter in die Arme legte, sondern ihn zu Untersuchungen wegbrachte mit dem Hinweis, dass da »etwas nicht in Ordnung« sei. Irgendwann hatte man ihnen Lenny dann übergeben und gesagt, dass er das Down-Syndrom hätte und, wie viele Kinder mit Down-Syndrom, auch einen Herzfehler. Der Arzt meinte, es wäre nicht auszuschließen, dass Lenny nur ein paar Tage, Monate oder Jahre alt werden würde. »So ist das eben, wenn man mit achtunddreißig keine vernünftige Pränataldiagnostik macht«, hatte er gesagt. »Man hätte ja noch abtreiben können. Dann wäre so etwas nicht passiert.«

Also kein Wunder, dass meine Eltern völlig verzweifelt waren und nicht wussten, wie es weitergehen sollte. Aber es ging weiter, Schritt für Schritt, von Tag zu Tag. Lenny eroberte unsere Herzen im Sturm, und das obwohl – oder gerade weil – sein Herz nicht richtig funktionierte. Die allermeisten Herzfehler von Säuglingen mit Down-Syndrom konnten frühzeitig mit einer OP behoben werden. Doch Lennys Herzfehler stellte sich als extrem selten heraus, sodass es nicht mit einer Operation kurz nach der Geburt getan war. Er musste mehrmals operiert werden und seine ganze Kindheit und Jugend über wegen der Herzinsuffizienz kürzer treten. Im März letzten Jahres hatte der Herzfehler dann endlich endgültig korrigiert werden können.

Trotz der schweren Momente war Lenny ein unglaublich süßes Kind gewesen. Niemand lachte so laut wie er, niemand freute sich so sehr über einen Schmetterling, ein Stück Kuchen oder einen Bagger. Lenny lernte krabbeln und laufen, sprechen, lesen, schreiben und rechnen – zwar alles ein bisschen später, und es fiel ihm schwerer als mir. Aber er lernte es. Mein Vater sagte immer, Lenny würde für viele Dinge in seinem Leben nicht die kürzeste oder praktischste Route nehmen, sondern die landschaftlich schönste, auf der man am meisten zu sehen bekam. Und er knipste die Sonne in meinem Herzen an, damals wie heute.

Als die Erinnerungen in mir hochkamen, drückte ich Lenny nur noch fester an mich. Er machte absichtlich Röchellaute, als würde ich ihn zum Ersticken bringen, und kämpfte sich aus meinem Klammergriff. »Mann, Nele, willst du mich kaputtdrücken?«

»Ja, will ich«, erwiderte ich lachend und legte ihm einen Arm um die Schulter. Zusammen gingen wir zu Mama und Papa an den Tisch. Lenny war einen Kopf kleiner als ich, und er hatte immer noch seinen Babyspeck. So wie ich hatte er blonde Haare, die er relativ lang trug. Seine strahlend blauen Augen waren hinter einer Nickelbrille verborgen, die ich furchtbar fand, die er sich jedoch selbst ausgesucht hatte. »Ich hab Neuigkeiten, Nele«, erzählte er, als wir am Tisch angekommen waren. »Willste hören?«

»Ja klar, sofort«, erwiderte ich und umarmte meine Mutter zur Begrüßung.

»Mensch Nele-Schätzchen, wir haben uns ja schon ewig nicht mehr gesehen«, behauptete sie.

»Aber ich war doch gerade erst letzte Woche bei euch.«

»Willste hören, Nele?«, bohrte Lenny nach.

»Ja, sofort, Lenny. Lass mich doch erst mal Hallo sagen.« Ich umarmte meinen Vater, der wie immer meine Haare verwuschelte und mir auf den Rücken klopfte, als wäre ich ein alter Bernhardiner. »Du wirst immer hübscher, Nele«, behauptete er, so wie jedes Mal, wenn wir uns sahen.

»Ich würde lieber immer klüger werden«, antwortete ich, ebenfalls wie jedes Mal und setzte mich.

Lenny klopfte mit der Hand auf den Tisch. »Nele! Ich hab Neuigkeiten, das errätst du nie!«

»Also gut. Dann lass hören. Ich hänge an deinen Lippen.«

Lenny wippte aufgeregt mit dem Bein. »Rat mal.«

»Aber ich errate es doch sowieso nicht.«

»Bitte, rat mal, Nele.«

»Na schön. Ähm …«

»Ich hab eine Freundin!«, platzte es aus ihm heraus, und er strahlte mit der Sonne um die Wette. Wobei er gewann.

Für einen Moment verschlug es mir die Sprache. Lenny hatte eine Freundin? Mein kleiner Bruder? Er war doch fast noch ein Kind! »Äh … das ist ja … Wie heißt sie denn? Und wie alt ist sie, was macht sie, was machen ihre Eltern, ich meine …« Hilflos brach ich ab. »Du bist doch noch ein Baby, Lenny. Darfst du überhaupt schon eine Freundin haben?«

»So ähnlich hab ich auch reagiert«, raunte meine Mutter mir zu.

Lenny lachte. »Na klar, Mann, ich bin zwanzig! Sie heißt Mia, und sie ist auch zwanzig, und ich bin mega verliebt. Ich kenn sie aus der Werkstatt, aber sie …« Wie immer, wenn Lenny ganz besonders aufgeregt war, wurde seine Sprache undeutlicher. Für Außenstehende war er dann kaum noch zu verstehen, und obwohl wir als seine Familie ihn natürlich sehr gut verstanden, fanden wir es wichtig, dass er sich auch Fremden gegenüber verständlich machen konnte. Vor allem, wenn er aufgeregt war.

»Ruhig, Lenny«, sagte ich. »Tief durchatmen. Also, du kennst sie aus der Werkstatt. Und weiter?«

Er atmete tief durch und fuhr dann ruhiger fort: »Sie arbeitet eigentlich in einer Schulkantine. In einer ganz normalen Schule. Sie ist sehr hübsch. Und sehr nett.«

Wenn ich mir so seine strahlenden Augen ansah und hörte, wie er über sie schwärmte … Ach, eigentlich war es doch süß. »Ja, davon gehe ich aus, wenn du in sie verliebt bist. Das ist toll, Lenny. Ich freu mich für dich.« Ich beugte mich über den Tisch, um ihn in den Arm zu nehmen. Also so etwas … Nicht nur, dass er seinen Schulabschluss in der Tasche hatte und nun in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung arbeitete – jetzt war er auch noch verliebt. Es war so schön, dass er endlich sein Leben voll auskosten konnte.

»Und weißt du was, Nele?«, fragte Lenny, als ich ihn losgelassen und mich wieder gesetzt hatte. »Mia ist echt cool. Deswegen will ich mit dir einkaufen gehen, damit du mir Klamotten aussuchst. Und du musst auch mit mir zum Frisör gehen und eine Brille kaufen. Damit ich schick aussehe für Mia.«

Lenny setzte seinen feinsten Hundeblick auf, aber das war gar nicht nötig. Ich hätte es so oder so gemacht. Mein Vater ging nämlich immer mit ihm einkaufen, und das sah man leider auch, denn Lenny war quasi eine Miniaturausgabe von ihm. Heute trugen sie beide sommerliche Stoffbuntfaltenhosen, kurzärmlige Hemden und Segelschuhe. Selbst ihre Brillen und Frisuren waren ähnlich. Der Look war ja okay für einen Sechzigjährigen, aber an meinem zwanzig Jahre alten Bruder wirkte er doch ein bisschen absurd. »Ja, natürlich gehe ich mit dir einkaufen. Warum holst du mich nächste Woche nicht mal nach Feierabend von der Agentur ab? In der Gegend gibt es viele coole Läden, Frisöre und Optiker.«

Lenny hielt die Hand hoch, damit ich einschlagen konnte. »Abgemacht.«

»Wie schön, dann wäre das ja geklärt«, sagte meine Mutter. »Wollen wir bestellen? Ich habe allmählich Hunger.«

Wir gaben unsere Bestellungen auf, und als wir unsere Getränke bekommen hatten, holte meine Mutter tief Luft. »Also gut, dann komme ich jetzt zu unseren Neuigkeiten.« Sie machte eine Kunstpause, in der sie Lenny und mich feierlich ansah. »Euer Vater …«

»Nele, du musst noch was machen!«, fiel Lenny ihr ins Wort.

»Ja, aber jetzt wollte Mama doch …«

»Nein, erst ich«, beharrte er.

Meine Eltern und ich tauschten einen kurzen Blick, und schließlich sagte ich: »Na schön, Lenny. Was muss ich machen?« Wenn mein kleiner Bruder sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, war es sinnlos, ihn davon abbringen zu wollen.

»Du musst mit Mia und mir zum Schlagermove gehen.«

Wieder hatte er es geschafft, mich völlig zu verblüffen. »Ich muss was?«

»Ja, weil ich doch Schlager so gern mag und immer schon mal hinwollte. Mia ist eigentlich Rockerin und hört nur Heavy Metal, aber da kann sie ja nichts für. Ich hab sie trotzdem lieb. Sie hat gesagt, dann geht sie halt mit mir zum Schlagermove, und ich geh mit ihr nach Wacken. Dahin musst du aber nicht mitkommen, da fahren wir mit Mias Vater hin.«

»Äh … okay.« Fieberhaft durchforstete ich mein Hirn nach einer Ausrede. Auch wenn ich freundlicherweise nicht mit nach Wacken kommen musste – ich hatte auch noch nie das Bedürfnis gehabt, auf den Schlagermove zu gehen. Zum einen war das nicht gerade meine Lieblingsmusik, und zum anderen jagten mir Menschenmengen und Paraden meist Angst ein. »Es ist nur so, dass ich eigentlich nicht so der Schlagerfan bin.«

»Aber die CD von mir findest du gut, oder?«

Automatisch schoss mir ›Neeeiiin, sorg dich nicht um mich. Du weißt, ich liiiebe das Leeeben‹ durch den Kopf. Seit zwei Monaten wurde ich diesen Ohrwurm nicht mehr los. »Ja, klar«, erwiderte ich zögerlich. »Aber ich finde die CD vor allem deshalb gut, weil sie von dir ist und du dir so viele Gedanken über mich gemacht hast.«

»Aber du findest auch die Lieder gut«, behauptete er. »Und außerdem musst du mit mir dahin gehen, weil Mama und Papa sagen, dass ich lieber nicht alleine gehen soll. Obwohl ich das echt albern finde. Du durftest mit zwanzig auch überall allein hin.«

Eigentlich wollte ich nicht auf den Schlagermove. Echt nicht. Aber wie konnte ich da Nein sagen? »Also gut. Ich komme mit.«

Lenny fiel mir so heftig um den Hals, dass mir der Löffel mit Milchschaum, den ich mir gerade in den Mund schaufeln wollte, aus der Hand fiel. »Cool! Das wird richtig cool! Kann ich dann bei dir in der WG schlafen?«

»Ja klar. Und ich frage Anni mal, ob sie mitkommt zum Schlagermove. Vielleicht haben Kai und Sebastian ja auch Lust.«

»Ja, die dürfen alle mitkommen«, gestattete Lenny gnädigerweise.

In dem Moment kam unser Essen. Es fiel mir verdammt schwer, mich nicht augenblicklich auf mein Porridge mit frischen Heidelbeeren zu stürzen, doch nun waren erst mal die Neuigkeiten meiner Mutter dran.

Sie legte die Hand auf den Arm meines Vaters, wodurch sie seinen Versuch vereitelte, vom Rührei zu naschen. Dabei strahlte sie ihn jedoch so sehr an, dass er ihr das bestimmt nicht übelnahm. Dann wandte sie sich mit leuchtenden Augen an Lenny und mich. »Euer Vater und ich … werden heiraten!«

Für einen Moment war ich vollkommen baff. Doch dann fragte Lenny »Wen denn?«, und ich fing heftig an zu kichern.

»Na, uns«, erklärte mein Vater grinsend. »Gegenseitig.«

»Hä?« Lenny sah die beiden verständnislos an. »Warum?«

»Weil wir finden, dass es nach dreißig gemeinsamen Jahren ein schönes Zeichen ist«, meinte meine Mutter. Sie und Papa lachten einander an wie frisch Verliebte.

Mir ging das Herz auf, als ich meine Eltern so sah. Dass sie nicht verheiratet waren, war zwar nie ein großes Thema gewesen, und bei Lenny konnte ich nicht mal sagen, ob es ihm überhaupt bewusst gewesen war. Aber offensichtlich machte die Tatsache, dass sie nun doch heiraten würden, meine Eltern sehr glücklich. »Das sind ja mal geniale Neuigkeiten«, rief ich und stand auf, um sie zu umarmen. »Herzlichen Glückwunsch. Ich fasse es nicht, meine Eltern heiraten! Nach dreißig Jahren wilder Ehe. Seid ihr euch denn auch wirklich sicher, dass ihr die Richtigen füreinander seid? Habt ihr euch das gut überlegt?«

»Wir riskieren es einfach. Entweder es klappt oder es klappt nicht«, erwiderte mein Vater lachend.

Auch bei Lenny war die Neuigkeit inzwischen angekommen, und er fiel unseren Eltern um den Hals. »Du wirst bestimmt sehr schön aussehen, Mama. Ziehst du dann ein weißes Kleid an wie die im Fernsehen?«

Sie winkte ab. »Ach, das weiß ich noch nicht so genau, Lenny. Für ein Sahnebaiser-Brautkleid fühle ich mich zu alt, glaube ich.«

Lenny zog eine enttäuschte Miene.

»Wann soll die Hochzeit überhaupt stattfinden?«, wollte ich wissen.

»Am 19. Oktober.«

»Oh, einen Tag vor der Bürgerschaftswahl«, entfuhr es mir, was mein Vater mit einem befremdeten Blick quittierte. »Ist das ein Problem für dich? Musst du dich da intensiv auf die Wahl vorbereiten und hast keine Zeit?«

»Nein, aber …« Ich unterbrach mich mitten im Satz, denn die Imagekampagne für Rüdiger Hofmann-Klasing war natürlich vertraulich zu behandeln. »Das ist mir nur so eingefallen. Bis zum 19. Oktober sind es nur noch drei Monate. Ihr habt’s ja auf einmal sehr eilig, was?«

Meine Mutter nickte. »Es ist ganz schön knapp, ja. Aber das ist eben unser dreißigster Jahrestag.«

»Übrigens haben wir noch einen Angriff auf dich und Lenny vor«, sagte Papa. »Wir hätten euch gern als unsere Trauzeugen. Wenn ihr wollt.«

»Ja, klar will ich«, rief ich. »Wow, was für eine Ehre!«

»Wenn Nele will, will ich auch«, verkündete Lenny entschieden.

Wir saßen noch ein paar Stunden zusammen, genossen das herrliche Sommerwetter und den Blick auf die Elbe. Dabei schmiedeten wir eifrig Hochzeitspläne. Ich fand es einfach nur toll, meine Eltern so glücklich zu sehen. Und wer konnte schon von sich behaupten, mit achtundzwanzig Jahren Trauzeugin bei der Hochzeit der eigenen Eltern zu sein?