Melira & Dellwyn - Lars A. Cramer - E-Book

Melira & Dellwyn E-Book

Lars A. Cramer

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Beschreibung

Dellwyn der alte Erzmagier sucht seit langem einen Lehrling und durch Zufall gelangt er an einen Besonderen. Es handelt sich dabei um Melira die Sonderbar-Maus. Zusammen erleben Sie allerlei Abenteuer im Königreich Sonderbar, in welchem es Post-Füchse, Schreitwampsler, gefiederte Hosengummischweine und vieles mehr gibt.

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Seitenzahl: 205

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Für alle, die sich in ihren Gedanken nach ihrem inneren Kind sehnen.

Im Speziellen jedoch für meine Tochter Eliana

Inhalt

Wie Dellwyn seinen Schüler fand

Der Zauberstab

Die Blume der Nacht

Der Duft der Sonderbar-Tulpen

Von Rohrdöpflern und dem Buch des Nebels

Abendrot und Waldtrolle

Besuch aus der Stadt

Kampf den Coroniten

Das Rotsüppchen

Melira und das Geheimnis der Pömpel

Melira und der musische Keller

Die Expedition

Die Expedition – Die Rattur

Die Expedition – Im Palast

Die Expedition – Die Prophezeiung

Die Expedition - Heimkehr

Lauter komische Vögel

Neue gefiederte Freunde

Am Meer

Schreitwampsler-Blues

Eine Schatzjagd

Wahre Freundschaft

Wie Dellwyn seinen Schüler fand

Erzmagier Dellwyn sah aus dem Fenster am frühen Morgen und die ersten Sonnenstrahlen tanzten über die Bergspitzen, an diesem Dienstag im Königreich Sonderbar.

„Dienstag, was war denn noch mal Dienstag?“, fragte er sich, leise vor sich her murmelnd, während sein Blick in den Vorgarten glitt und er die langsam aufblühende Tulpe bemerkte. Das war die erste Blume in diesem Jahr, die zu blühen begann und er freute sich schon darüber, sie in voller Pracht sehen zu können.

Das tiefrote Blümchen streckte seinen Hals in Richtung des Himmels und wenn die Sonne weiterhin so strahlend scheinen würde, wäre es bald soweit, dass sich der Kelch der Sonderbar-Tulpe öffnete.

„Hoffentlich nicht so schnell, denn dann rette sich wer kann!“, dachte Dellwyn mit schreckgeweiteten Augen.

Geehrter Leser, Sie wundern sich über den Gedanken von Dellwyn? Nun, die Sonderbar-Tulpe hatte eine ganz besondere Eigenart. Ihr Duft war nicht immer der einer lieblichen Blume, sondern war sonderbarerweise immer anders. Einmal, da roch sie nach alten Stinkesocken, Harzer Käse oder einer Katzen-Toilette, die man schon zu lange nicht mehr sauber gemacht hatte und dann, wenn man Glück hatte, nach dem sanften Duft von Apfelsaft oder Kirschblüten…

Daher, lieber Leser, ist es verständlich, dass man beim morgendlichen Erblicken einer Sonderbar-Tulpe im Garten, sich starken und unaufhörlichen Wind wünschte, anstatt ein laues Lüftchen, das den Duft womöglich auch noch ins Haus trug.

Der Erzmagier richtete seinen Blick zum Himmel und der Sonnenaufgang wurde durch dunkle Wolken schon verdunkelt, so dass er erleichtert ausatmete.

„Na zumindest heißt das schon mal, dass die verdammte Sonderbar-Tulpe heute nicht erblüht!“, stellte er erleichtert fest, während er seine Tasse mit schwarzem Morgentee in die Hand nahm und einen Schluck trank.

Dellwyn machte sich innerlich schon mal darauf gefasst, dass er beim Verlassen des Hauses, wohl einen Regenschirm brauchen werde. Ja auch wenn heute Dienstag war….

„Ach herrje, heute ist Dienstag!“ Er schlug sich mit der flachen Hand auf die Stirn, während sein Blick auf den Kalender an der Wand fiel. Danach sah er auf seinen grünen Regenschirm, dessen Farbe, doch so wie sie war, doch außerordentlich schön war, oder?

Nun fragen Sie sich als der Lesende sicherlich, was denn die Farbe mit dem Wochentag zu tun hat, oder? Nun das, mein lieber Freund, ist ganz einfach erklärt. Jeder Wochentag brachte eine Farbe mit sich mit. Montags, wenn es regnete, die Farbe Rot. Also gab es roten Regen, wenn es regnete. Dienstags Gelb, am Mittwoch Lila, am Donnerstag Braun, Freitag war es Blau und sonntags Gold. Da fehlt doch was, denken Sie? Ja, das ist nun kein Wunder, denn am Samstag regnete es nie im Königreich Sonderbar. Das hatte König Eldren I. vor vielen Jahrhunderten so verfügt und sonderbarerweise war das auch so akzeptiert worden durch die Wolken, welche ja sonst eher flüchtiger Natur waren, wie jeder weiß.

Dellwyn ging mit der Tasse Tee in der Hand in sein Arbeitszimmer. Sein weißer Bart wippte am Kinn hin und her und sein Magier Hut hing recht schief auf dem Kopf, als er am Spiegel vorbeilief. Er blieb auch hier wieder stehen, schaute fragend sein Spiegelbild an, das die Schultern zuckte und sich den Hut zurechtrückte. Beide lächelten sich an und er stellte seine Teetasse am Schreibtisch neben einem Stapel Papiere ab.

„Wo ist er denn jetzt schon wieder hin?“, fragte er leise in seinen Bart hinein und begann seinen Zauberstab zu suchen. Immer wieder lag er mal woanders, ständig schien das kleine hölzerne Gerät sich an einem anderen Ort aufzuhalten, als wolle es Verstecken mit seinem Herrn zu spielen. Dellwyn war sich sicher, dass er ihn gestern am späten Abend auf dem Kaminsims abgelegt hatte, doch da lag er nicht mehr.

Sicher hatte er Sonderbar-Mäuse im Haus. Diese Mäuse waren eigentlich keine Mäuse, wie Sie sie vielleicht kennen. Die Sonderbar-Mäuse gingen auf Ihren Hinterpfoten, trugen dazu passende Kleidung wie ein Mensch und nutzten wohl auch ihre Pfoten, so wie Sie, lieber Leser, Ihre Hände benutzen. Im Grunde genommen waren sich da die Forscher recht einig, dass sich diese als sehr scheue Spezies bekannte Gattung der „Mus Novis Huminibus“ nicht groß von den Menschen unterschied. Die Sonderbar-Mäuse lebten den Forschungsergebnissen nach in Kellerstädten oder Wanddörfern, so dass manch ein Bewohner dieser Häuser oder Anwesen Musik hörte. Und er war sich sicher, vor einiger Zeit Musik am Abend vernommen zu haben. Oder war es am frühen Nachmittag? Er hatte das der falschen Teemischung zugeschrieben, welche wohl eindeutig Schlaftee und falsch beschriftet war. Daher waren es für ihn irgendwelche Traumgespenster gewesen, die da bereits im Dämmerschlaf nach ihm griffen.

Er lächelte bei dem Gedanken, dass vielleicht eine Sonderbar-Maus so dreist sein könnte und seinen Zauberstab nutzte. Er erschrak, als er im Regal hinter den bunten Glaskolben ein flackerndes Licht erblickte. Dellwyn näherte sich leise dem Regal und, hörte nun auch ein leises Murmeln, welches seinen eigenen Zaubersprüchen gar nicht so unähnlich schien.

Er bewegte einen Glaskolben, gefüllt mit einer blaugrünen Flüssigkeit, langsam zur Seite und sah dort eine kleine Sonderbar-Maus-Magierin vor einem grünen Kristall stehen, während sie mit einem kleinen Zauberstab umherfuchtelte. Ein wahrlich schönes Stück aus schwarzem Ebenholz, umwunden mit einem silbernen Draht und mit einem roten Rubin an der Spitze. So klein und zierlich wie ein Zahnstocher und dennoch gut zu erkennen war dieser Stab und sah haargenau so aus wie sein Stab.

Dellwyn räusperte sich und sagte dann in freundlichem Ton:

„Moment einmal, ihr nutzt da, glaube ich, meinen Zauberstab, wenn ich mich nicht irre. Was zum einen sehr unschicklich ist und zum anderen auch sehr sonderbar, da er eigentlich nicht funktionieren sollte in den Händen einer anderen Person.“ Er schaute die Sonderbar-Maus erwartungsvoll an.

Diese zuckte unter der, wenn auch sanften Stimme zusammen. Das magische Flackern und Leuchten, das im Inneren des Kristalls eben noch brannte, verlosch mit einem Mal. Der Stab fiel ihr vor Schreck aus der Hand und rollte in Richtung des Erzmagiers Dellwyn. Große braun-schwarze Augen schauten nun in seine Richtung und eine dünne leise Stimme antwortete ihm schüchtern:

„Entschuldigt, großer Meister der Magie der Menschen, aber ich dachte, ihr würdet noch schlafen. Ist es etwa schon wieder Morgen?“ Sie klopfte ihre türkisblaue Robe spielerisch ab, auf der viele kleine Sterne leuchteten. „Wisst ihr, ich dachte in der Nacht liegt euer Stab ungenutzt und verwaist in der Schublade oder auf dem Kaminsims und, wenn ich ihn mir leihe und damit arbeite, stört es niemanden.“

Dellwyn lächelte nachsichtig. „Nun dann, geehrte Magierin, so schleicht man hier als ein Schatten von Lehrling umher? Man achtet doch auf die regulären Umgangsformen, oder? Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal Sonderbar-Mäuse in meinem zu Hause haben werde. Bist du allein oder haben wir schon eine kleine Sonderbar-Maus-Stadt im Keller?“

Die kleine Sonderbar-Maus-Magierin stemmte ihre Hände in die Hüften und schnaubte: „Was glaubt ihr denn? Ich komme doch nicht mit der gesamten Verwandtschaft in euer Haus! Mal davon ab, dass ich keine Familie habe, ist das schon ganz schön gemein von euch. Ich bin allein hier. Was da unten eventuell im Keller vor sich geht, kann ich nicht sagen, denn da war ich noch nie.“

Dellwyn sah sie verdutzt an, denn mit so einer ehrlichen und wirklich wahren Antwort hätte er nicht gerechnet. Seine Hand glitt an seinen Bart und er strich durch diesen hindurch.

„Ja, wenn du allein bist, zaubern und meinen Zauberstab handhaben kannst, außerdem fähig bist zu lernen und offenbar über alle Maßen Talent besitzt, warum, bei der Göttin der Magie, sagst du denn nichts? Ich suche seit Jahrzehnten einen Lehrling und es traut sich keiner, auch nur daran zu denken, dem Erzmagier zur Hand zu gehen!“

Die kleine Sonderbar-Maus lächelte und kräuselte ihre Schnurrhaare.

„Dann bin ich, Melira die Sonderbar-Maus, sehr erfreut, Euch hiermit meine Aufwartung machen zu dürfen! Es wäre mir eine Ehre, bei einem derart weisen und mächtigen Mann zu lernen.“

Sie streckte ihm ihre kleine weiße Pfote entgegen. Dellwyn legte daraufhin seinen Zeigefinger an Ihre Pfote und besiegelte damit den Lehrlingspakt.

„Ich hoffe, Melira, ihr Sonderbar-Mäuse habt Regenschirme. Denn heute ist Dienstag und sollte es regnen, wird deine schöne Freitagsrobe zu einer Dienstagsrobe werden!“ Er zwinkerte ihr zu.

Es war Dienstag, im Übrigen ein regenfreier Tag, als Dellwyn, der große Erzmagier, seinen Lehrling kennenlernte. Zudem war es auch der Tag, an dem Sonderbar sich langsam darauf vorbereitete, ans Meer zu wandern. Das tat das Königreich jedes Frühjahr, auch wenn keiner wusste, wann dies genau geschehen würde. Das war wohl auf einen der alten Könige zurückzuführen, denn da….

Ach, aber das kommt ein anderes Mal dran, denn hier endet die Geschichte nun.

Der Zauberstab

Heute war Freitag und der Freitag war für gewöhnlich der Tag, an dem Dellwyn in den Wald ging, um dort Kräuter zu sammeln, den Wipfelzäunlern beim Bauen ihrer WipfelZäune zuzusehen und frische Luft zu schnappen. Noch aber lag er in seinem Bett. Einem alten Himmelbett im Übrigen, das einen echten Himmel beherbergte. Zum Glück war er jedoch nicht so verzaubert, dass er auch das tat, was der Himmel sonst so tat. Denn wenn es mal regnen sollte aus dem Himmelbett, wäre das nicht sehr erfreulich gewesen. Gerade am Freitag würde da alles nicht nur nass, sondern auch noch blau werden.

Dellwyns rechtes Auge öffnete sich langsam. Er sah dunkle, schwere Wolken über sich am Himmel, aus denen weiße kleine Schneeflocken herabrieselten. Schon fröstelte es ihn und er war froh, dass es nur der Himmel aus dem letzten Winter war, der ihn da anlächelte.

„Eigentlich muss ich doch nicht aufstehen!“, brummte er in seinen weißen Bart hinein, während er sich nach rechts drehte, um auf seinen Wecker zu sehen. Anstatt seines Weckers erblickte er jedoch Melira. Sie lächelte ihn von seinem Nachttisch aus an. Sie trug auch heute ihre blaue Robe mit den von sich aus schimmernden Sternen. Neben ihr stand eine dampfende Tasse. Er schnupperte schwarzen Tee, Waldblütenhonig und eine Prise Schnellaufwachwurz.

„Guten Morgen, Meister Dellwyn, Herr der Kissen und Träume!“ Die kleine Sonderbar-Maus lächelte ihn verschmitzt an und kräuselte die Schnurrhaare dabei.

„Wisst ihr, ihr als Mensch solltet doch eigentlich nicht so viel schlafen, oder? Überlasst das doch den Faultieren, die heißen ja nicht umsonst so! Habt ihr eventuell einen Traumbaum umarmt in den letzten Tagen? Ihr wisst doch, dass das gefährlich ist.“

Dellwyn brummelte etwas sehr Unverständliches und griff nach der Tasse.

„Ja, so ist es gut!“ Melira kicherte, fühlte sie sich doch an ihre Mutter erinnert, die sie so ähnlich behandelt hatte als kleine Sonderbar-Maus.

„Und trinkt es schön aus, ja? Damit wir dann an die Arbeit gehen können! Heute müssen wir als Maus und Mensch zusammenarbeiten geehrter Meister.“ Sie stellte sich gerade hin und schaute ihn ernst an.

„Denn heute machen wir meinen Zauberstab! Und das ist ein ganz besonderer Tag. Sogar die Sonne hat sich dafür heute Zeit genommen und scheint. Also, Meister Dellwyn, raus aus den Federn!“

Dellwyn schlürfte seinen Tee und ließ seine linke Augenbraue unter der Ermahnung seines Lehrlings langsam nach oben gehen.

„Es ist aber schon richtig, dass ich eigentlich dein Lehrer bin, oder? Ich frage nur aus simpler Neugier, da ich mich gerade wieder wie ein junger Mann und an meine Mutter erinnert fühle!“ Er grinste in seinen Bart und schaute dabei über seine Tasse zur kleinen Sonderbar-Maus. Diese blickte verlegen und etwas beschämt zu Boden.

„Oh, ähm, ja, entschuldigt…, aber es ist doch heute ein so aufregender und wichtiger Tag…“

„Ach Melira, ich war auch einmal ein Lehrling, jung und ungestüm. Ich kann mich noch dunkel an diese Zeit erinnern und wie aufgeregt ich war, als ich meinen Zauberstab fand.“ Der alte Magier seufzte und schaute in Richtung des Fensters.

„Wie? Ich dachte, wir zaubern den Stab? Ich muss den Stab finden?“ Die kleine Sonderbar-Maus schaute den Erzmagier verdutzt an.

„Natürlich! Sonderbarerweise kann man aus Magie keine Magie schöpfen. Man muss sich also in die Welt begeben. Und dann, wenn man Glück hat, findet man das, was man benötigt.“ Der alte Erzmagier grinste die junge Maus an.

„In meinem Fall war es jedoch nicht so einfach. Den Stab selbst nun den habe ich schnell gefunden. Er war eine Strebe in dem Stuhl meines Schreibtisches. Den Silberdraht habe ich freundlicherweise von einer Silberweberspinne bekommen, die auf dem Dachboden wohnte. Und, naja, den Rubin habe ich von einer Waldhexe aus dem Wald.“

Die Sonderbar-Maus stand mit offenem Mund vor dem Erzmagier und ihre Schnurrhaare zuckten.

„Weißt du, Melira, das Holz steht für die Natur als Verbindung zu den Elementen. Der Silberdraht symbolisiert die Magie. Und der Rubin steht als Fokus für die magische Energie. Im Eigentlichen ist es ganz einfach.“

Die Schnurrbarthaare der Sonderbar-Maus zuckten nun etwas langsamer und sie begann leise zu sprechen.

„Ja, das ist also ganz einfach…“, sie schluckte. „Und da soll ich heute, an einem Tag, das alles irgendwoher bekommen?“ Sie legte den Kopf nachdenklich in ihre kleine Pfote und begann zu grübeln.

Der alte Magier lächelte und schlürfte den letzten Schluck Tee aus seiner Tasse.

„Ein köstlicher Tee! Und die Idee mit der Schnellaufwachwurz war eine grandiose Ergänzung! Warum ist mir das noch nie eingefallen? Ach, und was deinen Zauberstab angeht: Mach dir da mal keine Sorgen.“

Während sich der alte Erzmagier unter die magische Dusche begab, ging die kleine Sonderbar-Maus in eine kleine Tür in der Wand. Dort ging sie an einigen anderen Türen vorbei, auch an einer Wendeltreppe, die ins nichts zu führen schien. Dann stand sie vor einer kleinen Tür. Rechts daneben war ein blauer Knopf, welchen sie drückte und mit einem Ping ging die Tür auf und sie war im Wohnzimmer auf der Anrichte. Sie trat durch die Tür hindurch und diese schloss sich mit einem leisen Zischen wieder hinter ihr.

Melira grübelte vor sich her: „Was soll das denn nun werden? Ich kann doch nicht in den Wald zu einer Waldhexe gehen! Was denkt denn der alte Zausel? Und eine Silberweberspinne habe ich hier im Haus auch noch nicht gesehen.“

Auf einmal klopfte es an der Tür. Melira nahm es zuerst nicht wahr, sie war noch zu sehr mit den Aufgaben, die sich ihr stellten, beschäftigt und lief auf der Anrichte hin und her.

Dellwyn kam die Treppe heruntergetrampelt. Etwas zu schnell war er unterwegs, so dass er ins Schwanken kam. Er versuchte sich am Sessel, der seinen Weg kreuzte, festzuhalten, stolperte über den bunten Läufer davor, machte eine Rolle auf dem Boden und landete auf dem Hinterteil sitzend vor der Tür. Seine Mütze lag nun, man mag es kaum glauben, auf dem Kronleuchter. Seine Haare waren zerzaust und sein Bart völlig verwuschelt. Er räusperte sich und sagte förmlich: „Herein, die Tür ist auf!“

Die Tür öffnete sich und ein leichter Duft von süßen Kirschen wurde durch ein leichtes Lüftchen hineingetragen. Im Sonnenlicht sah man einen Fuchs in der Tür stehen. Er stand auf seinen vier Pfoten, so wie es sich für einen Fuchs auch gehörte. Sein rotbraunes Fell schimmerte im Sonnenlicht, als wäre es mit Goldstaub verziert. Auf seinen Rücken war eine Tasche geschnallt und darauf ein gelb-schwarzes Horn abgebildet.

„Ah, der Post-Fuchs! Melira ich glaube das ist für dich!“, sagte Dellwyn und stand langsam auf.

Der Fuchs sah in Richtung der Sonderbar-Maus und nickte ihr zu. Dellwyn lächelte, ging an die Tasche auf dem Rücken des Fuchses, öffnete sie und zog ein kleines Paket heraus. Es erklang ein leises Glockenklirren und eine Stimme aus der Tasche verkündete: „Danke, dass sie den Sonderbar-Post-Fuchs-Service nutzen! Das Paket für Melira Sonderbar-Maus, Magierin in Ausbildung, wurde erfolgreich zugestellt.“

Als Anmerkung möchte ich dir, lieber Leser, den Sonderbar-Post-Fuchs-Service nur empfehlen. Denn kein anderes Tier ist derart schlau, seinen Weg zum Ziel zu finden, sowie der Sonderbar-Fuchs. Brieftauben denkt ihr? Die einfältigen Dinger lassen sich immer von irgendetwas ablenken und sehen auf alles von oben herab. Mal ganz zu schweigen davon, dass sie keine Toiletten benutzen. Der Sonderbar-Fuchs stellte sich als die ideale Lösung für den Brief- und Pakettransport heraus. Es ist doch bekannt, dass der Fuchs eines der schlauesten Tiere ist, oder? Seit mehreren Jahrhunderten ist daher bekannt: Wer seine Post will bringen sicher von Ort zu Ort, der sollte ohne Jux vertrauen auf den Post-Fuchs! Wer auch immer diesen Werbetext ursprünglich verfasst hat, war ein Vertreter der alten Generation und nach heutigen Gesichtspunkten wäre ein kürzerer Werbespruch, wie „Füchse an ihrem Haus und die Post ist da!“ oder „Fuchs ist kein Luchs, daher ist die Post da!“ Nun ich bin kein Werbetexter, aber gut. Aber genug davon, zurück zu unseren Freunden im Wohnzimmer.

Der Fuchs nickte Dellwyn zu, drehte sich um und lief in den Tag hinein, aus dem er gekommen war.

Dellwyn hingegen lächelte, hielt das kleine Paket in der Hand und schaute zu Melira hinüber. „Na bist du neugierig, was da Schönes drin ist?“

Melira guckte immer noch verdutzt in Richtung des alten Magiers, als sie zu reden begann.

„Ja natürlich! Ich möchte wissen, was das ist und woher es kommt!“

Dellwyn ging zur Anrichte und legte das Paket neben dieser ab. Es war unscheinbar, in etwa so groß wie eine Schuhschachtel, umwickelt mit braunem Papier und mit Paketband verschnürt. Die Maus schnupperte vorsichtig, aber bis auf den Duft von süßen Kirschen war nichts zu erschnuppern. Sie sah auf den Absender des Pakets.

Aldolinisches Fernhandels Kontor – Magisches Allerlei und Quacksalber-Gedöns

„Meister, das kommt aus der Hauptstadt!“ Sie schaute zu ihrem Meister, welcher in der Tür stand und bedächtig den Duft von draußen einatmete. „Herrlich nicht? Zum Glück haben wir eine Sonderbar-Tulpe erwischt, die nicht nach Stinkesocken duftet!“ Melira konnte deutlich ein Grinsen an seinen Mundwinkeln sehen und sah wieder auf das Paket.

Langsam begann sie den Knoten zu lösen und das Papier zu entfernen. Darunter kam eine Schatulle zum Vorschein. Diese war schwarz und mit vielen wunderschönen Schnitzereien versehen worden. Man sah eine Reihe von Mäusen, nein Sonderbar-Mäusen, die alle mit Zauberstäben bewaffnet waren und irgendwelche Zauber ausübten, sowie Blütenranken, die sich hin und her bewegten. Sie öffnete die Schatulle langsam und sah darin einen weißen Stab aus Bergahorn liegen. Daneben zur Rechten lag ein blau schimmernder Saphir und zur Linken eine Garnrolle mit Golddraht.

Melira begann zu weinen und schluchzte leise:

„Meister, ihr habt das extra für mich besorgt? Ihr wolltet nicht, dass ich zu einer Meereshexe gehe? Dass ich eine Goldeschenspinne finde und in den Bergen den Bergahorn suche?“ Sie drehte sich mit Tränen in den Augen und im Fell zu ihm um. Er stand nun schon neben der Anrichte und bewunderte die Schatulle.

„Nein, natürlich nicht! Ich bin keine 110 mehr und könnte daher nicht gerade viel zu deiner Hilfe beitragen. Und du als Lehrling brauchst ja nun mal auch einen Stab, der dir entspricht. Mal davon ab, dass ich dich, während du auf der Reise bist, vermissen würde und deine leckeren Tees!“ Er lächelte sie an und reichte ihr die Hand. Sie sprang auf die Hand und lief über den Arm auf seine Schulter und kuschelte sich an seine Wange.

„Danke, Meister Dellwyn, ihr seid der beste Erzmagier, den das Königreich Sonderbar jemals hatte!“

Dellwyn lief rot an und räusperte sich etwas.

„Danke Melira und du bist die beste Magie-Auszubildende, die ich jemals hatte! Ist dir aufgefallen, dass wir noch ein paar mehr Sonderbar-Tulpen im Vorgarten haben? Die sind im Übrigen noch zu und bei den Göttern, ich hoffe, dass sie auch nach süßen Kirschen duften…“

Melira lächelte und schmiegte sich nochmal an den Bart des Erzmagiers. Sie war zu Hause, dachte sie sich. Das hier war das Beste, das einer Sonderbar-Maus passieren konnte.

Die Blume der Nacht

Es war dunkel im Haus. Man hörte hier und da ein Rascheln oder ein Knistern und gelegentlich ein Knarren der alten Balken des Hauses, in dem Dellwyn, der Erzmagier und Melira, die Sonderbar-Maus lebten. Eine Glanzdicht-Motte saß in der Ecke und glänzte mit ihren Flügeln, während sie an einem Putzlumpen genüsslich ein Nachtmahl zu sich nahm. Eine Silberflor-Mücke summte und surrte umher und landete gerade auf dem Teppich, um diesen auszusaugen und nur silberne Fäden zu hinterlassen.

Meliras Schnurrhaare zuckten umher. Sie konnte nicht schlafen und war sich sicher, heute wäre auch nicht die Nacht zum Schlafen. Sie hatte da was in dem Buch über magische Blumen gelesen. Darin gab es einen Abschnitt über die „Blume der Nacht“. Diese Blume erscheint nur in der Nacht und bei Vollmondschein. Sie sah in Richtung des Fensters, das sie von ihrem Bettchen, das ihr Dellwyn gezaubert hatte, in die Nacht hinaus. Die Sterne funkelten am Himmel und der Mond strahlte in seiner ganzen weißen Schönheit am nächtlichen Himmel.

„Hmmm, wenn ich doch nicht schlafen kann und hier nur herumliege und grüble, da kann ich doch auch ein wenig rausgehen und mich mal umsehen!“

Kaum vor sich hin gewispert, stand die kleine Sonderbar-Maus auf und schnappte sich ihre blaue Robe mit den ebenso schön funkelnden Sternen, wie diese, die da oben am Himmel strahlten. Ein Griff und sie hatte zudem ihren Zauberstab eingesteckt, ein wunderschönes Stück, das ihr Meister ihr besorgt hatte. Aus weißem Bergahorn, umwoben von goldenem Draht und an der Spitze, in einer Astgabel, steckte ein blauer Saphir. Sie lächelte und war dankbar für dieses so schöne Geschenk, was sie nun eindeutig als Magierin auswies. Lediglich auf einen Zauberhut verzichtete sie erstmal, auch wenn Dellwyn das gern gesehen hätte.

„Wir Magierinnen haben sowas nicht nötig!“,dachte die kleine Sonderbar-Maus im Stillen. Sie ging zu einer der kleinen Türen in der Wand, drückte auf den blauen Knopf an der Seite und ging in die Wand hinein. Ein sanftes gelbes Licht leuchtete hier und ein leichter Duft nach Käsefondue hing in der Luft…. Der Duft schien wohl aus dem Keller zu kommen.

„Oh nein, also noch mehr Sonderbar-Mäuse im Haus?“, seufzte Melira.

„Das muss ich morgen Dellwyn sagen. Da müssen wir wohl eine Expedition in den Keller machen und die Kellerstadt finden.“ Sie lächelte und sah sich mit Dellwyn inmitten der Sonderbar-Mäusestadt stehen. Aber das war ja noch ein anderes Abenteuer. Jetzt musste sie erst einmal in die Nacht hinaus und hoffte darauf, dass in der heutigen Nacht die „Blume der Nacht“ auch erschien. Zielstrebig ging sie auf eine Tür zu, die sich von allein öffnete und die kühle Nachtluft in den Gang fließen ließ.

„Oh, das ist ja etwas kühler, als gedacht heute Nacht, aber ha! Das hält mich nicht auf!“ Fest entschlossen trat die kleine Sonderbar-Maus vor die Tür und schaute in die Nacht hinein.

Es sah alles so anders aus. Der Vorgarten mit den nun farblosen Sonderbar-Tulpen, die in diesem silbernen Licht leicht farblos aussahen, so als wenn sie Geister wären. Auch die anderen Blumen und Sträucher waren eher gräulich bzw. silbern. Ihr Blick richtete sich in Richtung des Waldes und Melira umgriff ihren Zauberstab etwas fester.

„Nun denn, auf in den Wald!“ Die kleine Sonderbar-Maus lief also den kleinen Weg durch den Garten hindurch. Außer ihr waren noch einige andere Tiere unterwegs. Sie konnte eine Felsmaus erkennen, die gerade einen Kieselstein inmitten der Kürbisse aß. Hier und da ein paar Glühwürmchen, die umhertanzten und ein Schreitwampsler hatte gerade am Teich angehalten und ließ seinen Rüssel in das Wasser gleiten.

Ja was ist ein Schreitwampsler, fragt ihr euch? Nun diese nachtaktiven Tiere sehen aus wie, hmmm… ein sehr zotteliger Hund auf vier Stelzenbeinen, mit einer schuppigen Unterseite, großen schwarzen Kulleraugen und einem Rüssel, ähnlich dem von einem Ameisenbären. Sie waren in etwa drei Meter hoch, von den Zehenspitzen bis zum Scheitel. Melira hatte gelesen, dass die Schreitwampsler exzellente Trompetenspieler waren, was, lieber Leser, bedauerlicherweise stimmt. Erst vor kurzem, in einem Vorort von der Hauptstadt des Königreiches Unfassbar, soll es ein Konzert der Schreitwampsler gegeben haben. Dabei sollen jedoch alle Anwesenden unfassbar dumme Dinge getan haben, sodass im Königreich Unfassbar das Trompetenspiel der Schreitwampsler verboten wurde. Was die Bewohner des Königreiches Unfassbar jedoch unfassbares getan haben, konnte keiner so wirklich sagen.