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Meine lieben begrenzt Denkenden! Hättet ihr gedacht, dass italienische Meisterköche irrsinnig gefährliche und gefährlich irrsinnige Pläne entwickeln können, um die Hellen zu stärken? Gustavo Gallo zeigt jedenfalls, dass er mehr draufhat, als die Soßen von Pasta exzellent zu würzen, nein, er wird der Hölle die Suppe versalzen – und zwar ziemlich und gründlich! Ich drücke ihm jedenfalls meine beiden himmlischen Daumen und meine großen Zehen dazu! Was oder wen ich sonst noch drücke, geht euch nichts an! Ja, meine feurige Fay – wen sonst? Klingt schräg – ist schräg! Euer Samuel, der Erste Gärtner Gottes
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Seitenzahl: 192
Veröffentlichungsjahr: 2025
Sabine und Thomas Benda
Mercy, die Straßenritze – Buch 13 – Der Koch und die Hure
Ein 25-teiliges Serien-Genre-Crossover – ein himmlisch-höllisches Epos – eine unvergessliche Geschichte
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel
1. Ein einziges Leben im Schnelldurchlauf
2. Geopfert
3. Auf den Hund gekommen
4. Ein Tier ist kein Ding
5. Ganz eigene Ziele
6. Wie ein Dunkler
7. Täubisch
8. Ein Österreicher und eine Italienerin
9. Sodom und Gomorra
10. Fladenbrot und Plappermäulchen
11. Markttag
12. Die Sache mit der Ziege
13. Shayna
14. Hundertfach
15. Stallmeister und Stallbursche
16. Verwischte Grenzen
17. Nur einer
18. Handlungsspielräume
19. Die Menschen machen lassen
20. Wenn ein Orakel auf eine Büromaus trifft
21. Greta, die Gedankenstütze
22. Damals ein Duttel, heute eine Abenteuer-Lady
23. Was man verdient hat
24. Eine perverse Gottheit des Bösen
25. Wenn es eng wird
26. Ein Orakel, zwei Tiere und Gottes Wille
27. Die Kinder der Venoma
28. Reue
29. Von der Vertrauensseligkeit
30. Herausgeplatzt
31. Neue Wege
32. Eine Kerze der Hoffnung
Über die Autoren:
Impressum neobooks
»Es ist so angenehm warm und dunkel. Der gleichmäßige Herzschlag meiner Mama beruhigt mich. Na ja, es ist nicht viel los, dann kann ich auch noch eine Runde schlafen. Scheinbar geht es noch nicht rund! Die liebliche Stimme in meinem kleinen Kopf beruhigt mich, wie ein Freund es tut.«
»Langsam wird es enger, und Mamas Herzschlag klingt ziemlich aufgeregt. Si, Signor! Es kommt Bewegung in die Bude! Eindeutig! Bald muss es so weit sein! Das große Ereignis naht! Ganz gewiss!«
»Grande merda! Jetzt wird’s hektisch! Mamas Herz wummert um die Wette mit meinem!
Oha, der Rutsch geht los! Was für ein Stress und Druck! Uuuund ... endlich bin ich draußen! Voll hell, voll kalt – na, dann schreie ich mal! Und alle sind zufrieden! Oh ja, Mama fühlt sich von außen auch toll an!«
»Wie fies ist das denn? Der Mann in dem Gewand klatscht mir Wasser auf den Kopf! Die Orgel erschreckt mich, und wieder schreie ich, um auf mich aufmerksam zu machen. Na ja, wenigstens weiß ich nun meinen Namen: Gustavo. Der gefällt mir sehr!«
»Die Sache mit dem Laufen funktioniert so langsam. Selten falle ich auf meinen Hintern. Ich bin oft in der Küche, hocke unterm Tisch und schaue Mama zu. Der Geruch in der Küche ist herrlich! Das findet auch Luca, unser Hauskater. Wir sind gute Freunde geworden! Ich mag sein Schnurren!«
»Kindergartenzeit. Wunderbar! Mit Silvio sause ich durch die Büsche und spiele Dschungelabenteuer. Die niedliche Nicolina ist sooo lieb! Mit ihr teile ich immer meine leckeren Pausenbrote – und sie gibt mir Schokolade ab!«
»Ich hasse Schule! Viel Lernzeit, wenig Freizeit! Mathe ist die Hölle für mich! Hoffentlich geht dieser Unsinn bald vorbei! Mittags helfe ich Mama beim Kochen, am Nachmittag kicke ich mit den Jungs in unserem Viertel Fußball. Ich bin ein guter Torjäger, obwohl man mir das nicht ansieht. Papa sagt, dass ich abnehmen müsse. Er hat gewiss recht. Papa hat immer recht! Er ist selten da, aber er hat immer recht.«
»Ich bin zwölf Jahre alt. Papa hat Mama im Suff grün und blau geschlagen. Wir sind jetzt vorübergehend in einem Frauenhaus untergekommen. Papa ist ein Arschloch! Er hat zu viele Spielschulden. Der Alkohol hat ihn verändert. Manchmal träume ich davon, dass er einfach sterben würde. Wäre besser für uns!«
»Mama hat Papa absichtlich mit unserem Auto überfahren. Sie kommt nun in den Knast. Ich muss zu Oma und Opa. Meine Welt ist tot. Gott ist tot! Nein, Gott ist Scheiße!«
»Ich bin 16. Auf dem Land ist es anders als in Rom. Viel ruhiger. Mir gefällt die Natur. Oma ist heute im Schlaf von uns gegangen. Opa ist stark. Ja, ich bewundere ihn sehr! Wir schaffen das!«
»Opa hat mir eine Ausbildungsstelle in einem Restaurant in der Nachbarstadt verschafft. Er kennt den Chef persönlich. Mein Opa ist klasse! Er ist der Letzte, der mir von meiner Familie geblieben ist. Mama hat sich vor drei Wochen im Gefängnis umgebracht. Sie war zuletzt wohl irre und hat Stimmen gehört. Sie hat sich die Zunge selbst herausgerissen und ist verblutet! Jetzt habe ich von der Familie nur noch Opa.«
»Ich mache eine Ausbildung zum Koch. Ja, das passt! Francesca habe ich bei der Arbeit in der Küche kennengelernt. Sie sieht fantastisch aus! Neulich hat sie mir meinen Schwanz geblasen, und dann kam eines zum anderen. Wir sind nun fest zusammen! Fühlt sich gut an! Ich bin nun 19 – und mich kann nichts aufhalten!«
»Opa ist tot. Das Herz. Er wurde heute beerdigt. Ich habe ihm viel zu verdanken. Um ihn zu ehren, werde ich nun regelmäßiger die Gottesdienste besuchen. Francesca hat sich mit meinem Kumpel Pablo verlobt. Sie ist wohl zweigleisig gefahren. Ich bin völlig am Ende. Ich verbringe viel Zeit beim Wichsen mit Internetpornos. Aber das bringt auch nichts. Scheiße!«
»Ich bin heute 25 geworden. Seit einem Jahr lebe ich wieder in Rom und arbeite in einer Großküche in der Stadtmitte. Mein Leben ist wieder bunt. Ich habe Kumpels ohne Ende. Das lockere Stadtleben gefällt mir sehr! Verliebt bin ich auch wieder. Doch ich bin vorsichtiger geworden. Mal sehen.«
»Seit fünf Jahren bin ich mit Greta zusammen. Jetzt, mit 30, bin ich Chefkoch geworden! Im Sommer wird geheiratet! Greta ist schwanger. Wir haben noch niemand davon erzählt. Als Gläubige müssen wir uns beeilen! Ein uneheliches Kind wollen wir nicht! Außerdem lieben wir uns wie in unserer Anfangszeit. Ich verdiene sehr gut! Wir sind in ein besseres Stadtviertel gezogen. Eine Erdgeschosswohnung mit Garten. Nur die Krähen nerven, die immer mal wieder auf einem Ahorn hocken und durch die Fenster glotzen. Komisch. Sie sind immer zu dritt.«
»Wir müssen Ihnen mitteilen, dass Ihre Ehefrau und Ihre Tochter einen schweren Verkehrsunfall hatten. Leider kam für beide jede Hilfe zu spät.«
»Ich sehe die beiden Polizisten fassungslos an. Alles wird schwarz um mich herum, dann stürze ich in eine tiefe Ohnmacht. Dummerweise erwache ich wieder daraus. Warum nur?«
»Meine Welt ist wieder mal ... kaputt! Völlig zerstört. Wenn ich meinen Glauben nicht hätte, dann ...«
»Ich saufe maßlos, und habe meinen Job verloren. Nur mein Glaube hindert mich daran, meinem Leben ein Ende zu setzen. Denn ich glaube an die Hölle. Ja, und wer da freiwillig hin will, hat keinen Verstand! Oder ... er muss gute Gründe dafür haben! Die habe ich nicht! Ich will leben, ich will überleben, ich werde es schaffen!«
»Die Sitzungen bei den Anonymen Alkoholikern tun mir gut. Ich bin pleite, arbeitslos, manchmal halte ich mich mit illegalen Jobs über Wasser. Opa Alfredo erscheint mir oft im Traum. Du bist Koch, Gustavo! Denke immer daran! Ja, das sagt er zu mir! Ich habe eine Nutte kennengelernt, die es mir ohne Geld macht, weil sie mich mag. Sie ist aber nicht mein Typ. Ich muss raus aus Rom! Aber wie? Ich brauche einen Neuanfang, sonst gehe ich vor die Hunde. Immer wieder flattern Krähen in meiner Umgebung umher. Wirklich. Das ist unheimlich, als würden sie mich belauern.«
»Lorenzo, einer meiner letzten Freunde, hat eine Bewerbung für mich verfasst. Eine Agentur sucht einen Küchenchef. Die Stelle würde mich nach Norditalien führen. Die Bezahlung ist verlockend. Doch ... wer will mich schon? Ach ja, die Krähen sind verschwunden! Aber nun sehe ich weiße Tauben, wo ich gehe und stehe! Das ist kein Witz! Manchmal habe ich das Gefühl, sie schützen mich! Ob ich die Stelle bekomme?«
»Es geht aufwärts! Alles ist geheimnisvoll! Meine zukünftige Arbeitgeberin ist eine Contessa. Sie lebt in einem Barockschloss. Das Schloss ist auf keiner Karte eingezeichnet. Echt wahr! Die Vermittlung der Stelle lief über eine Agentur, die wohl besonderen Wert auf Datenschutz legt. Ich kenne nicht mal den Namen dieser Contessa. Die Vertragsbedingungen sind ziemlich streng und eindeutig. Scheinbar muss ich dauerhaft auf dem Schloss bleiben. Mir ist das egal. Ich habe alles verloren. Mich will keiner. Mich vermisst keiner. Lorenzo, mein letzter Freund, starb vor drei Tagen an einer Hirnblutung ... beim Kacken! Nein, das ist kein doofer Witz! Er starb wirklich daran! Ich fasse das nicht! Die Stelle als Koch auf dem Schloss ist meine letzte Möglichkeit, dass ich an das Leben glauben kann. Ja, und ich will an das Leben glauben! Trotz alledem!«
»20 Jahre bin ich nun der Koch der Contessa Gina di Stefano – und ich bin sehr glücklich! Wir leben hier in einer geheimen Gemeinschaft. Kontakt zur Außenwelt läuft nur über bestimmte Personen. Die Menschen auf dem Schloss haben alle den gleichen sozialen Hintergrund. Wir waren Verlorene, nun haben wir uns! Und wir dienen unserer Gina! Ja, unsere Gina ist das Beste, was uns passieren konnte! Sie sorgt für uns, und wir sorgen mit Treue für sie! Auf unsere Gina lassen wir nichts kommen! Wir werden auf diesem Schloss arbeiten, leben ... und eines Tages sterben. Und wir führen ein gutes Leben, in dem der Glaube eine wichtige Rolle spielt. Gina ist unsterblich! Nein, das ist kein Scherz! Sie ist eine Art Trainerin für ein Spiel, bei dem es um die Verteilung der Seelen geht. Sie übt mit Menschen, macht sie zu Meistern. Gina gehört zu den Hellen! Ja, wir alle gehören zu den Hellen! Das verdanken wir ihr ... unserer Gina!«
»Weihnachtszeit, im Jahre 2016. Im Fernsehen bringen sie schreckliche Bilder aus New York beziehungsweise Manhattan. Dort tobt ein Krieg zwischen Hell und Dunkel, zwischen Gut und Böse! Leibhaftige Dämonen zeigen sich – und natürlich die Krähen! Ich habe es immer gewusst. Krähen sind unheilige Vögel! Und es zeigt sich, dass sie zum Werkzeug der Dunklen werden können! Diese Estelle Brukner scheint mir eine interessante Person zu sein. Vico, der Butler der Contessa, mein bester und einziger Freund auf dem Schloss, und die beiden Küchenhilfen Mali und Filippa sitzen vor der Glotze – und können nicht fassen, was da in den Staaten vor sich geht! Doch ... der Dienst ruft! Ich muss das Abendessen vorbereiten. Gina hat ja diesen neuen Schüler. Er heißt Arthur McFadden und kommt aus den Sümpfen Floridas. Er sieht aus, als ob ihm mein Essen sehr schmeckt!«
»Es ist Nacht. Das Schloss wird wieder mal von Krähen angegriffen. Mali, Filippa und ich sind in der Schlossküche. Gina und Vico werden das regeln. Ist ja nicht zum ersten Mal, dass uns diese Vögel angreifen. Gina hat ja ihre magische Flöte und ihre Schar Tauben, die für sie kämpfen können wie Raubvögel.«
»Die Krähen wurden vernichtet. Durch die Fenster der Schlossküche können wir ihre zerfetzten Leiber sehen. Der Schnee rund ums Schloss ist blutrot. Vico geht in den Salon und serviert Gina und diesem Arthur Getränke. Ich werde mit den beiden Mädchen noch die Küche aufräumen und schlafen gehen. Doch ... was war das? Hat da eine Fensterscheibe geklirrt? Ich ahne Schlimmes und habe recht! Eine einzelne Krähe flattert plötzlich auf mich zu! Ich versuche sie abzuwehren – und berühre ihre verfluchten Federn! Nein! Nun bin ich durch und durch böse! Ein Besessener, eine Marionette der Dunklen! Und ich kann nicht anders! Mit der schweren Suppenkelle stürze ich auf die beiden Mädchen und erschlage sie in purer Mordlust! Das viele Blut erregt mich! Jetzt warte ich auf Vico, um ihn ebenfalls zu töten! Dann fällt das Licht aus! Ja, in der Dunkelheit kann uns keiner sehen! Uns ... mich und die Krähe!«
»Der Tod der Mädchen und das spritzende Blut von Vico, als ich ihn erschlagen habe, machen meinen Schwanz hart! Triebhaftes, Dunkles treibt mich voran! Ich möchte, nein, ich muss Gina schänden! Mein Verstand sagt mir, dass sie eine Fotze ist, die das will! Diese gläubige Fotze muss leiden, wenn ich sie ficke! Und dann drücke ich ihr den Hals zu, wenn ich komme! Doch ich muss auf der Hut sein! Dieser Arthur McFadden schleicht in den Korridoren umher. Der Fettwanst scheint mir ein Jäger und Kämpfer zu sein!«
»Dieser Arthur reißt mich von Gina herunter, gerade als ich abspritzen will! Er verdrischt mich nach Strich und Faden! Das Helle ist stark in ihm! Seine mächtige Faust saust schwer in mein Gesicht. Dann wird mein böser Geist betäubt, und ich stürze in eine schwarze Besinnungslosigkeit, in der die Dämonen zu mir flüstern. Ich will ihnen nicht zuhören! Hört auf mit mir zu sprechen!«
»Ein altes Ritual der Hellen, das mit einer weißen Taubenfeder durchgeführt wurde, hat mich vom Dunklen befreit. Ich bin nun nicht mehr besessen und verflucht! Aber ich muss mit der Schuld leben, drei Menschen getötet zu haben! Gina will mich nicht der Justiz der Außenwelt übergeben. Sie will das Schlimme auf ihre Art regeln! In ihrem Schloss gelten ihre Gesetze! Ich fühle mich so unendlich schuldig! Auch ... wenn mir jeder versichert, dass ich unter dem Einfluss der Krähenfeder gestanden habe! Es ist so verdammt schwer! Ich habe die Mädchen umgebracht! Ich habe Vico, meinen besten und einzigen Freund, in mörderischer Besessenheit erschlagen … und wollte Gina vergewaltigen und töten! Unsere Gina! Wieder denke ich an Selbstmord. Mein Glaube und die Angst vor der Hölle halten mich zurück! Alle Menschen in der Schlossgemeinschaft versuchen mit mir und meinen Taten zu leben. Das ist schwer, sehr schwer – für uns alle! Ich tue mein Bestes wie jeder andere hier auch! Vielleicht schaffen wir es, vielleicht schaffe ich es!«
»Jahre sind vergangen. Und alle haben es irgendwie gemeistert, mit der schlimmen Vergangenheit zu leben. Oberflächlich wirke ich ebenfalls so. In meiner Freizeit lese ich viel. Ich habe mir eine FISH-Bibel kommen lassen, obwohl ich Christ bin. Vielleicht finde ich irgendwelche Antworten auf Fragen, die ich nicht mal stellen kann! Ich bin verzweifelt. Die Bürde ist so schwer. Die Schuld zerreißt meine Seele … jeden Tag aufs Neue. Wie wird Gott über mich richten, wenn ich tot bin?«
»In mir ist ein Plan gereift! Ich habe über Johannes Buttmanner und seine Taten in der FISH-Bibel gelesen. Der war einst ein sündiger Pfarrer in der Vorhölle. Er wurde Doppelagent für die Hellen! Ist das die Möglichkeit für mich, eine Art Ausgleich zu schaffen ... für das Schreckliche, das ich getan habe? Ich muss gründlich darüber nachdenken. Sehr gründlich!«
»Mein Entschluss steht fest! Ich werde mich umbringen! Ich bete, dass ich das Richtige tue! Ich vertraue darauf, dass ich den Hellen dienen kann, wenn ich dort angekommen bin, ... wenn ich in die Hölle gefahren bin!«
Der nackte Männerkörper klatschte in einen tiefroten See. Blut und Gedärme spritzten in die Höhe.
»Da ist wieder ein Neuer in der Brühe!«, meinte Borgius, ein fetter Leichenarbeiter. Er und sein Kumpel, ein hagerer Typ namens Vanza, waren für die Neuzugänge in der Vorhölle zuständig.
Gemeinsam hievten sie den Neuen auf einen hölzernen Tisch und rasierten ihm Haupt-, Achsel- und Schamhaare. Haarlos ... so mussten die Neuen vor der Registrierung aussehen.
Ihr Chef Marlonus, ein einbeiniger Gewaltverbrecher, checkte die Körper der Neuzugänge immer besonders gründlich mit seiner spitzen Zunge. Kein Haar durfte zu finden sein. Nicht ein Anushärchen, nichts!
Nach getaner Arbeit warfen die beiden Leichenarbeiter den neu angekommenen bewusstlosen Leib in eine Schubkarre und transportierten ihn zur Verwaltungsstelle.
Ja, Gustavo, der Koch, war in der Vorhölle angekommen.
Noch war er orientierungslos, hilflos und alleine.
Aber … er würde in die Geschichte eingehen.
Das war seine Bestimmung.
Ganz gewiss.
In naher Zukunft: Norditalien, in einem dichten Waldgebiet, das niemand ohne die Erlaubnis der Bäume betreten durfte.
»Es geht nun flott auf das Herbstende zu«, sagte die Contessa Gina di Stefano und blickte zum Erkerfenster auf die bunten Wälder hinaus. Margarete Gräfin von Weystedt, die in einem Ohrensessel vor einem offenen Kamin eine Tasse Tee genoss, lächelte, war kurz in Gedanken an ferne Zeiten.
»Ich finde die farbigen Tupfer inmitten deiner Nadelwälder recht ansprechend. Es erinnert mich an so manches Gemälde von Künstlern, die ich in der Vergangenheit näher kennenlernen durfte.«
»So, so ... du hast also Maler näher kennengelernt?«, fragte Gina mit einem amüsierten Lächeln im Mundwinkel, das ihr hübsches Gesicht noch anziehender und liebreizender machte.
»Es ist nicht so gewesen, wie du mir in deiner frivolen Gedankenwelt unterstellst«, winkte Margarete ab. »Für eine Unsterbliche hatte ich bisher wirklich wenig Sexgeschichten.« Mürrisch atmete sie aus. »Das liegt nicht zuletzt daran, dass der Herr gewartet hat, bis ich Mitte 60 war, als er mir die Unsterblichkeit und den Job, der damit verbunden ist, aufs Auge gedrückt hat.«
»Ach, gräme dich nicht, Margarete. Du siehst sehr attraktiv aus.«
»Na ja, du hast gut reden, Gina-Mädchen. Du wurdest mit Anfang 20 unsterblich – und wirst immer so aussehen. In meinem Alter sind die Mannsbilder nicht mehr so herdenmäßig vertreten.«
»Mannsbilder?«, hakte die Italienerin nach, die mit dem Begriff nichts anzufangen wusste.
»Eine deutsche Bezeichnung für Männer – oder so, wie sie sich gerne sehen und fühlen.«
»Du jammerst auf hohem Niveau, meine Gute! Ich vermute, du hast sicherlich Chancen ohne Ende«, meinte die Contessa. »Du legst es nur nicht darauf an. Das ist alles! Du bist zu arbeitswütig, Margarete!«
Margarete spielte ein wenig verträumt mit der Spitze ihres geflochtenen Weißhaarzopfes. Ihr Blick wurde kurzzeitig traurig, und es stach ihr unvermittelt ins Herz.
»Meine einzig wahre Liebe ist nun ... ebenfalls gestorben.«
Gina di Stefano lächelte sanft und tätschelte den Handrücken ihrer Freundin.
»Leo hatte noch ein paar sehr gute Jahre mit dir. Du warst bis zuletzt bei ihm.«
»Ja«, sagte die deutsche Gräfin und streichelte nun Ginas Hand. »Es war schön mit ihm. Und ich kannte ihn ja schon, als er ein kleiner Bub gewesen war.«
Kurz war Margarete gedanklich in der Nazi-Zeit und erinnerte sich an diese schlimmen Jahre. Ein brutaler deutscher Offizier hatte Leopold Goldstein, damals ein hilfloses jüdisches Kind, mit einem Genickschuss getötet. Margarete hatte diesen Soldaten, einen Mann namens Horst Wagner, mit seiner eigenen Todesangst hingerichtet. Horst Wagner war daraufhin in die Hölle gefahren und wurde zu Jeff Benston, der heute Sektionschef der Dunklen war. Die Gräfin durfte den erschossenen Leopold ins Leben zurückholen.
Der Rest wurde eine ganz besondere Liebesgeschichte ... bis zu Leopold Goldsteins natürlichem Tod. Vor fünf Wochen war er friedlich in New York City entschlafen.
»Er ruht auf dem Friedhof«, sagte Margarete, »auf dem auch Thomas Bendermann begraben liegt. Es ist tröstlich für mich. Sie waren zu Lebzeiten sehr gute Freunde.«
»Aber Bendermann war doch Christ?«, hakte Gina nach.
»Es ist ein städtischer Friedhof, der jeder Konfession ihren eigenen Ruhebereich bietet«, antwortete Margarete und nippte an ihrer Teetasse.
»Sieh an, sieh an!«, stellte Gina fest. »Es geschehen noch Zeichen und Wunder!«
Margarete von Weystedt sah sie an.
»In Wien gibt es solch einen besonderen Friedhof schon seit 1870, nein ... 1874.«
Gina di Stefano warf noch ein weiteres Stück Buchenholz in den offenen Kamin. »Du scheinst dich bei diesem Thema gut auszukennen, oder täusche ich mich?«
»Friedhöfe gehören zu meinem Geschäft«, erwiderte Margarete fröhlich. »Ich bin eine Vollstreckerin des Herrn. Obwohl ... meine hingerichteten Todsünder finden wohl nie den Weg in geweihte Erde.«
Beim Wort Todsünder zuckte Ginas Gesicht. Margarete fiel dies sogleich auf. »Entschuldige, Kleines. Ich wollte nicht so prompt das Thema wechseln.«
»Nein, schon gut, Margarete. Deswegen habe ich dich doch kommen lassen. Ich brauche deinen Rat hinsichtlich Gustavos Selbstmord.«
Eine kurze Stille entstand, in der nur das Knacken und Knistern des brennenden Kaminholzes zu hören war.
Ginas Augen begannen traurig zu glänzen.
»Lass dir Zeit, Kleines«, flüsterte Margarete. »Ich habe alle Zeit der Welt mitgebracht.«
»Es geht mir so verdammt nahe«, hauchte Gina und wischte sich die Tränen aus den schönen Augen. »Ich dachte, wir hätten ihn vollständig in unsere Schlossgemeinschaft integriert ... trotz seiner Taten.« Die Contessa schüttelte fassungslos ihren Kopf. »Und nach fast sechs Jahren hat mein Koch sich doch noch umgebracht.«
»Das ist sehr traurig, Gina. Doch die Sterblichen reagieren nicht immer so, wie wir Unsterblichen das gerne hätten. Und mit dem Tod von drei Unschuldigen leben zu müssen, war für ihn eine zu schwere Bürde.«
»Aber«, flüsterte Gina und rang mit ihren Gefühlen. »Er trug doch gar nicht wirklich die Schuld. Die verfluchte Krähenfeder hat ihn dazu gebracht, die grausamen Morde zu begehen. Und wir haben ihn danach vollständig geheilt – und wir alle hier im Schloss haben uns sehr bemüht ... das Leben normal weiterzuleben und es ihm erträglich zu machen. Trotz alledem.«
»Ja«, sagte die Gräfin. »Und trotz alledem hat sich Gustavo … umgebracht.«
Gina nickte.
»Ja, er hat sich von der höchsten Schlossmauer in den Tod gestürzt. Grauenhaft. Es war nicht abzusehen, dass er ...« Die Contessa verstummte, und Margarete nahm ihre Freundin in die Arme.
»Was hat er in seinem Abschiedsbrief an dich genau geschrieben, Gina? Du hast da etwas angedeutet ...!«
»Ich lese ihn dir vor, Margarete.«
»Liebste Contessa, grämt Euch nicht. Die Entscheidung, die ich getroffen habe, musste ich tun, um für mich das Gleichgewicht wiederherzustellen. Ich habe vor sechs Jahren Unrechtes getan. Und es ist mir klar, dass ich das Entsetzliche nicht aus freiem Willen getan habe und eine Marionette der Dunklen gewesen bin. Doch das Blut der Unschuldigen klebt noch immer an meinen Händen ... und nichts auf der Welt kann mich reinwaschen! Gina, Ihr und auch die anderen unserer Gesellschaft habt alles Erdenkliche getan, um mir mein Leben auf dem Schloss erträglich zu machen. Das war mehr als andere vollbringen würden oder könnten. Nicht unter diesen tragischen Umständen. Dennoch spüre ich die Schuld in mir, die nie abgeklungen ist. Und ich muss etwas tun, dass mich von der Last, von der Bürde befreit. Ich werde nun etwas Gutes tun! Ich muss den Weg von Johannes gehen! Für die Hellen! In ewiger Dankbarkeit. Euer Gustavo.«
Gina di Stefano legte den Brief auf ihren Schoss und wischte sich ein Tränchen aus dem Auge.
»Sag mir, werte Freundin«, fragte sie und sah die Gräfin von Weystedt an. »Was meint Gustavo damit? Warum wählt er den Weg von Johannes? Johannes war doch ein Evangelist und Gustavo war ein Koch!«
»War Gustavo ein Katholik?«, fragte Margarete.
»So katholisch, wie ich es bin. Allerdings weiß ich, dass er sich in den letzten Monaten vor seinem Freitod mit Estelle Brukners Lehre beschäftigt hat.«
»Hat er die FISH-Bibel gelesen?«
»Das weiß ich nicht. Kann sein. Warum fragst du?«
»Hast du je Estelles Heilige Schrift gelesen, Gina?«
Die Contessa kniff empört ihre Augen zusammen.
»Nur weil die Prophetin und ich im gleichen Team der Hellen spielen, bedeutet es noch lange nicht, dass ich mich mit ihrer neuen Religion auseinandergesetzt habe, meine Liebe! Ich bin Christin!«
»Fühle dich nicht angegriffen«, lenkte die bezopfte Gräfin ein. »Dir ist gewiss, dass ich von Religionen nichts halte. Und ich diene dem Herrn sehr direkt mit meiner Aufgabe und mit meiner Unsterblichkeit. In meinen Augen sind Religionen menschengemacht. Der Glaube an den Herrn funktioniert auch ohne das. Meine Meinung ... und nicht die eines anderen!«
»Manchmal klingst du wie eine Gottlose«, sagte Gina schroff. »Doch dieses Thema hatten wir bereits.«
»Ja, alle paar Jahrzehnte«, entgegnete die Gräfin mit einem offensiven Lächeln. »Glücklicherweise sind wir unsterblich, Gina-Mädchen! Da machen ein paar Jährchen dazwischen nichts aus!« Augenzwinkernd schob sie nach: »Und vielleicht ringe ich mich ja in ein paar Jahrhunderten noch dazu durch und trete dann einer Glaubensgemeinschaft bei.« Zynisch und mit einer humorvollen Note ergänzte sie: »Wenn es dann noch Religionen oder uns Menschen geben sollte!«