Mia und Milli: Band 1: Kommt Mia an? - Angelika Kreidler - E-Book

Mia und Milli: Band 1: Kommt Mia an? E-Book

Angelika Kreidler

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Beschreibung

Die achtjährige Mia zieht Anfang der 80er Jahre in den Sommerferien mit ihren Eltern und ihrer vierzehnjährigen Schwester Klara von einem Dorf in der Nähe Rottweils weg. Mit Hilfe ihrer neuen Freundin Milli entdeckt sie Oberschwaben, ihre neue Heimat und ist fasziniert davon. Nicht alles, was die Freundinnen unternehmen, geht gut aus und so manche Mutprobe will bestanden werden. Am Ende des Schuljahres merkt Mia, dass sie nicht mehr an Früher denkt. Sie ist in der neuen Heimat angekommen. Das Buch zeigt, welche besonderen Freundschaften sich zwischen zwei starken Mädchen entwickeln können. Die Freundschaft zwischen Mia und Milli macht Freude und lässt an die zeitlose Qualität von Kinderbeziehungen glauben. Die Leserinnen und Leser erfahren durch die spielerisch angelegte Wochenaufgabe des Vaters viel Wissenswertes über Oberschwaben, eine Region Süddeutschlands, die bisher in deutschen Kinderbüchern wenig Beachtung findet. Das, was die Kinder dort unternehmen, ist auf heute übertragbar. So werden Jungen und Mädchen angespornt, rauszugehen und sich in der Natur Erlebnisse zu holen, die ihnen Medien nicht bieten können. Ein Stück Bullerbü in Oberschwaben, wie die Schwäbische Zeitung titulierte.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhaltsverzeichnis

1 Mia trifft Milli

2 Erster Schultag

3 Mia belauscht Klara

4 Klara lüftet ihr Geheimnis

5 Ausflug zum Holzmühleweiher

6 Mia übt pfeifen

7 Auch Mädchen können Rasen mähen!

8 Mia muss schaukeln!

9 Uschis 5000-Meter-Lauf

10 Erntedank mit Missgeschick

11 Zum Fest ins Kloster

12 Was ist ein Rosenkranz?

13 Mutige Pilzsammlerinnen

14 Mia sieht weiße Berge

15 Rüebägoischder-Schreck

16 Allerheiligen mit Semmelbröselkönigin

17

Weihnachtseinkäufe in Ravensburg

18 Schlittern und Schlittschuhlaufen

19 Mias 9. Geburtstag

20 Umzug am Rosenmontag

21 Funken

22 Osterferien bei Uschi

23 Toms Trick beim Fußballspiel

24 Namenstage

25 Mit Milli im Moor

26 Der entflogene Wellensittich

27 Millis Missgeschick

28 Wieder ein Abschied!

Danksagung

Die Autorin

Leseprobe zu „Mia und Milli: Band 2 – Mia mittendrin!

1

Sparkys Edition

Für Christa

Impressum

Alle Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen oder Institutionen sind reiner Zufall.

Alle Rechte unterliegen dem Urheberrecht.

Verwendung und Vervielfältigung von Text und Bild nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Autorin und des Verlages.

E-Mail: [email protected]

Lektorat: Karen-Susan Fessel

Korrektorat: Regina Nössler

Umschlaggestaltung: Fred Münzmaier

© 2024 Sparkys Edition

Herstellung und Verlag: Sparkys Edition,

Zu den Schafhofäckern 134, 73230 Kirchheim/Teck

Druck: Stückle Druck Ettenheim

ISBN: 978-3-949768-29-3

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

1 Mia trifft Milli

Es klingelt. Mia ist in ihrem Zimmer. Das ist bestimmt nicht für mich, denkt sie, denn hier kenne ich ja noch niemanden. Sie ist erst vor Kurzem mit Mama, Papa und ihrer großen Schwester Klara in das neue Dorf gezogen. Doch plötzlich ruft ihre Mutter ihren Namen. Mia geht verwundert zur Haustür, wo Mama, eine fremde Frau und ein Mädchen stehen.

„Mia, das ist Milli Klinke, deine neue Schulkameradin in der vierten Klasse“, sagt Mias Mutter. „Sie will sich vorstellen. Du weißt doch, dass ich an der Schule nachgefragt habe, wer aus diesem Dorf zu dir in die Klasse kommen würde. Vielleicht könnt ihr Freundinnen werden.“

Mia betrachtet die große Frau und das lange, dünne, sommersprossige Mädchen daneben genau und denkt: Das wird nicht klappen. Mit ihr kann ich nichts anfangen. Die trägt ja einen Rock!

Das letzte Mal, dass Mia selbst einen Rock getragen hatte, war bei ihrer Erstkommunion im Frühjahr gewesen. Das musste erst mal für ein paar Jahre reichen, hatte Mia gefunden. „Hallo Milli“, sagt sie höflich. „Hallo Frau Klinke!“

Milli schaut Mia neugierig an und fragt: „Willst du mal zu uns kommen? Ich wohne nur zwei Straßen weiter. Wir könnten Federball spielen.“

Das klingt eigentlich schon mal gut, deshalb sagt Mia: „Ja, gerne.“

Sie verabreden sich für den nächsten Tag.

Mia folgt Millis Wegbeschreibung genau. Sie muss um die Kurve laufen und dann ein bisschen die Straße bergab. Die Hecke, die sie dann sähe, gehöre schon zu Klinkes Grundstück. Als Mia dort ankommt, ist Milli nicht allein vor dem Haus. „Hallo Mia“, begrüßt sie Milli. Sie freut sich, das kann Mia sehen. Neben Milli steht ein kleines Mädchen.

„Hallo, ich bin Mona, Millis Schwester“, sagt das kleine, blonde Mädchen und streckt ihr eine klebrige Hand zur Begrüßung hin. „Milli hat gesagt, dass ich mitspielen darf, wenn ich Ballmädchen mache.“ Irgendetwas stimmt nicht mit dem Kind.

„Hallo, ich bin Mia. Hast du Zahnschmerzen?“ Mia kann sich Monas dicke Backe anders nicht erklären. Sie hat nur schwer verstanden, was sie eben gesagt hat.

Mona trägt einen kurzen, grünen Rock und eine braune Langstrumpfhose darunter. Sie schaut Mia erstaunt an. „Nein! Wieso denn?“

„Mona, ich habe dir schon hundertmal gesagt, du sollst die Leckmuschel aus dem Mund nehmen, wenn du mit Leuten sprichst“, schaltet Milli sich ein. „Man versteht dich sonst nicht.“

Schuldbewusst fischt Mona sich das kleine, weiße Plastikteil, das aussieht wie eine Muschel und mit einer grünen Bonbonmasse gefüllt ist, aus dem Mund.

„Ach, stimmt ja. Hab ich ganz vergessen. Darf ich nun mitspielen oder nicht?“, fragt die Muschel-Mona und sieht bettelnd zuerst zu Milli und dann zu Mia.

„Gerne.“ Mia freut sich sehr über eine weitere Spielkameradin.

Sie spielen zwei Stunden lang auf der Straße vor Millis Haus Federball, was viel Spaß macht. Immer wenn der Federball aus Versehen über die Hecke in Klinkes Garten oder in die Büsche gegenüber fliegt, läuft Mona los und holt ihn. Da sie nicht sehr schnell rennt und manchmal den Federball in der Hecke oder im Gebüsch suchen muss, gibt es mehrere Pausen.

Nach dem Spiel verabreden sich Mia und Milli für den ersten Schultag.

2 Erster Schultag

Diesmal klingelt Mia an Millis Haustür. Sie ist sehr aufgeregt. Schon steht Milli in der Tür.

„Hallo Mia! Toll, dass du schon da bist.“ Milli strahlt sie aus ihren grau-blauen Augen an und fügt hinzu: „Lass uns gleich losgehen, damit wir den Schulbus nicht verpassen.“

„Das wäre ganz schön doof an meinem ersten Schultag an der neuen Schule!“

Die beiden Mädchen laufen die Hecke entlang, die das Grundstück von Klinkes begrenzt. „Ich freue mich so darüber, dass ich jetzt jemanden habe, der mich runter ins Dorf zur Bushaltestelle begleitet“, sagt Milli vergnügt.

„Wie lange müssen wir denn laufen?“, fragt Mia.

„So fünf Minuten.“

Milli geht mit großen Schritten neben Mia. Sie trägt heute keinen Rock, sondern eine hellblaue Jeans, die ganz neu aussieht. Da es Anfang September morgens schon kalt ist, haben beide Mädchen ihre Jacken zugemacht. Mia betrachtet gerade Millis rote Jacke, als sie hört, wie Milli ein Lied durch die Zähne zu pfeifen beginnt.

„Das würde ich auch gern können!“ Sehnsüchtig schaut Mia zu Milli hoch, die doch ein ganzes Stück größer ist als sie.

„Ich bringe es dir bei. Wenn wir jeden Tag zum Bus und wieder nach Hause laufen, haben wir genug Zeit, um zu üben.“ Milli lächelt.

„Tolle Idee! Danke! Lass uns aber erst morgen damit beginnen. Heute bin ich zu aufgeregt vor der neuen Schule und der neuen Klasse.“ Außerdem sind sie an der Bushaltestelle angekommen, wo bereits mehrere andere Kinder auf den Bus warten. Dieser kommt kurz darauf.

Im Bus lehnt Milli sich vor: „Oh, die sind alle ganz nett in meiner Klasse. Auch mein Klassenlehrer Herr Brändle ist prima! Du musst gar nicht aufgeregt sein.“

Mia stutzt: „Ich habe aber eine Klassenlehrerin. Sie heißt Frau Mahler. Bist du nicht in der 4a?“

„Nein.“ Auch Milli klingt verwundert. „Ich bin in der 4b.“

„Verflixt, Milli! Dann kommen wir ja gar nicht in dieselbe Klasse!“

Enttäuscht über diese Entdeckung stehen die beiden eng beieinander im Bus, der sie von ihrem kleinen Dorf zur Grundschule in die nahegelegene Kleinstadt bringt. Für einen Sitzplatz sind sie zu spät dran gewesen.

Milli begleitet Mia noch bis vor die Klassenzimmertür der 4a. Dann muss sie weiter. Das Klassenzimmer der 4b liegt am Ende des Flures. Mia holt tief Luft und tritt ein.

Viele Kinder sind bereits in dem buntgeschmückten Raum und laufen geschäftig hin und her. Auch die Lehrerin steht schon vorne am Pult. Nach einer Weile versteht Mia, was da passiert, und staunt. Unter der Tafel bilden die Kinder mit ihren Stühlen im vorderen Teil des Klassenzimmers einen Kreis. Das hat sie noch nie gesehen. In ihrer alten Klasse waren vierzig Kinder gewesen, da hatte es keinen Platz für einen Stuhlkreis im Klassenzimmer gegeben. Die braungelockte Lehrerin trägt neben einer Jeans einen Pulli mit einer großen Sonnenblume vorne drauf. Das sieht nett aus. Sie winkt Mia zu sich.

„Hallo Mia! Wie geht es dir?“, fragt sie freundlich.

„Ich bin aufgeregt. Es geht so“, antwortet Mia ehrlich.

„Wir beginnen wie jeden Montag mit einem Stuhlkreis. Da erzählt jeder ein bisschen, was er oder sie in den Ferien erlebt hat. Das ist nicht schwierig. Das bekommst du bestimmt hin. Setz dich doch neben Frank, der wohnt auch in deinem Dorf.“ Sie bittet einen schlanken, dunkelhaarigen Jungen, noch einen Stuhl neben sich zu stellen. Dann wünscht die Lehrerin den Kindern ein schönes und erfolgreiches Schuljahr. Das letzte Jahr an der Grundschule!

Und für mich das erste und letzte Schuljahr an dieser Schule, denkt Mia. Das tut irgendwie weh. Kaum würde sie sich eingelebt haben, müsste sie schon wieder wechseln. Und wechseln ist so anstrengend, denkt Mia.

Die Lehrerin reißt sie aus ihren Gedanken: „Mia, möchtest du uns ein bisschen von dir und von deinen Sommerferien erzählen?“

Siebenundzwanzig neugierige Kinderaugenpaare und zwei interessierte Lehrerinnenaugen schauen auf sie.

„Ich heiße Mia Simmern und bin acht Jahre alt“, beginnt Mia nervös. „Das Wichtigste in meinen Sommerferien war unser Umzug. Meine Eltern, meine große Schwester und ich sind Ende Juli aus Rottweil hierhergezogen. Ich wollte eigentlich nicht von meinen Freundinnen und Schulkameraden wegziehen müssen, mit denen ich gerne draußen gespielt habe. Aber mein Vater hat eine neue Arbeitsstelle angenommen an einer neuen Schule, deshalb mussten wir umziehen. Mein Vater sagt, dass wir vom Unterland ins Oberland gezogen sind. Das verstehe ich aber nicht, weil sich mein neues Dorf gar nicht so anfühlt, als ob das oben liegt. Und mein Dorf in der Nähe von Rottweil, wo ich vorher gewohnt hab, war auch nirgends unten.“ Mia stockt. Vielleicht finden sie alle anderen Kinder jetzt komisch.

Hätte ich doch Milli vorher gefragt, was das mit dem Oberland bedeutet!, ärgert sie sich. Vielleicht hat Oberland etwas damit zu tun, dass man über den anderen stand, also irgendwie besser war als andere. Bestimmt hat sie lauter stolze oberländische Jungen und Mädchen um sich rum.

Sie blickt zu Frank. Er und viele andere Kinder schauen ratlos zuerst auf Mia und dann zur Lehrerin. Die verstehen auch nicht mehr als ich!, stellt Mia erleichtert fest.

„Ich kenne nur ‚Lummerland‘ aus Jim Knopf“, überlegt ein Mädchen laut und viele Kinder beginnen zu lachen. „Das klingt doch so ähnlich“, verteidigt sie sich.

„Da hast du recht, Susi, aber du weißt ja, dass es Lummerland nur in einem Kinderbuch gibt. Mia kommt aber aus einer Gegend, die es wirklich gibt.“ Und an Mia gewandt, fährt die Lehrerin fort: „Ich kann gut verstehen, dass dich die beiden Wörter verwirren. Es sind alte Gebietsbezeichnungen, die heute eigentlich nur noch selten verwendet werden. Die Stadt Rottweil, wo du gewohnt hast, liegt am Neckar. Manche bezeichnen das Neckarland als Unterland, weil der Fluss sich tief in die Landschaft eingegraben hat, bevor dort Orte entstanden sind. Diese liegen also tiefer als andere. Oberland wird das Gebiet genannt, das wir auch ‚Oberschwaben‘ nennen. Kann jemand von euch etwas mit dem Wort ‚Oberschwaben‘ anfangen?“, fragt sie in die Runde.

„Oberschwabenschau!“, ruft ein Junge.

„Andreas, melde dich bitte beim nächsten Mal. Aber ja, das passt. Du meinst die große Messe in Ravensburg. Uschi!“

„‚Oberschwäbische Barockstraße‘ steht auf manchen Schildern, auf denen wir auf meinem Schulweg vorbeifahren“, sagt ein Mädchen mit langen, braunen Zöpfen.

„Sehr gut. Ja, auch die gehört zu Oberschwaben.“

Für Mia klingt das alles sehr fremd. Deshalb ist sie froh, als die Lehrerin fortfährt: „Oberschwaben ist die Gegend zwischen Bodensee, Schwäbischer Alb und dem Fluss Iller. Wir können das Thema mal genauer in einer Schulstunde aufgreifen, wenn ihr wollt. Danke, Mia, für diese Idee und willkommen in Oberschwaben!“

„Danke!“, gibt Mia lächelnd zurück. Danach lauscht sie gespannt den Erzählungen der anderen Kinder, deren Namen sie sich aber noch nicht merken kann. Außer den Namen von Frank und Uschi, dem Mädchen mit den Zöpfen und einem freundlichen Blick. Sie kommt von einem Bauernhof und erzählt vom Grünfutterholen für die Kühe am Morgen und wie sie dabei auf dem Traktor hat mitfahren dürfen. Von Spaziergängen im Wald mit ihrem Vater und ihrem großen Bruder erzählt sie auch. Andere Kinder waren mit ihren Eltern zum Schwimmen an den Bodensee gefahren oder in die Berge zum Wandern.

Mia erfährt, dass die beiden Ferienziele gar nicht weit weg sind. Man muss nur ungefähr eine Stunde mit dem Auto fahren. Näher als nach Rottweil, denkt Mia. Das findet sie gar nicht so schlecht. Sie war mit ihrer Familie schon mal am Bodensee und die Größe des Sees und das gekieste Ufer, an dem sie schöne, kleine, bunte Steine gesammelt hatte, hatten ihr sehr gut gefallen.

Vielleicht ist der Umzug doch gar nicht so übel, wenn wir nun näher am Bodensee wohnen, überlegt Mia.

Auf der Rückfahrt sitzt sie im Bus neben Milli und freut sich, dass sie diesmal einen Sitzplatz bekommen haben.

„Das liegt nur daran, dass nicht alle zur gleichen Zeit Schule aus haben. Normalerweise ist der Bus auch auf der Heimfahrt immer überfüllt“, meint Milli.

Zu meiner vorherigen Schule konnte ich immer laufen. An die vollen Busse muss ich mich erst noch gewöhnen, denkt Mia. Sie schaut sich um und sieht, dass neben Frank noch ein anderer Junge aus ihrer Klasse sitzt. „Milli, kennst du die beiden Jungen, die da vorne sitzen?“

„Klar, die waren mit mir im Kindergarten. Der eine heißt Frank und spielt super Fußball. Seine Mutter trägt unsere Post aus. Der andere ist Marco.“ Mia betrachtet den Jungen mit dem modischen Kurzhaarschnitt in seiner schicken Jeansjacke. „Seine Eltern führen das Gasthaus oder wie er sagt: ‚Das Hotel!‘“, fügt Milli hinzu. Sie verzieht dabei den Mund und rollt die Augen.

Belustigt sagt Mia: „Ihr seid wohl nicht beste Freunde im Kindergarten geworden.“

Von Milli kommt nur ein „Pfff!“.

Den Rest der Fahrt schweigen sie und Mia betrachtet die hohen Maisfelder, an denen sie gerade vorbeifahren. Daran schließen sich weite, grüne Wiesen an, auf denen vereinzelt braun-weiße Kühe weiden. Danach gibt es am Horizont nur Himmel und Wolken. Mitten in der Landschaft steht manchmal ein Bauernhof. Immer wieder hält der Bus, um Kinder aussteigen zu lassen.

„Danke, dass du mir heute alles gezeigt hast!“ Mia verabschiedet sich. Sie sind von der Haltestelle hoch bis zur Hecke vor Millis Haus gelaufen, wo sich ihre Wege trennen.

„Ist doch klar! Bis morgen! Wieder um zehn nach sieben?“

„Ja, bis morgen!“

Bis auf Mama haben alle beim Mittagessen einen ersten Schultag hinter sich. Mia erzählt vom Stuhlkreis und der Fahrt im überfüllten Bus.

Klara, ihre ältere Schwester, brummt nur ein „Ganz okay!“, als ihre Mutter fragt, wie es in der neuen Realschule gewesen sei. Sie ist vierzehn Jahre alt und in die achte Klasse gekommen. Mia kennt das schon. Ihre große Schwester hasst es, früh aufzustehen, deshalb ist sie beim Mittagessen an Schultagen immer etwas muffelig. Unwirsch streicht Klara sich eine Strähne ihres Ponys aus dem Gesicht, die ihr vor die Augen gerutscht ist. Ihre langen, braunen Haare wirken wie ein Schleier, den sie auf dem Kopf trägt, denkt Mia, als sie ihre Schwester betrachtet. Mia selbst hat kurze braune Haare. An ihrer alten Schule ist sie oft mit einem Jungen verwechselt worden. Das hat sie immer etwas genervt. Nun schaut sie zu ihrem Vater, der bei bester Laune ist. Hinter seiner runden Brille blitzen seine dunklen Augen vergnügt.

B5

„Ich muss euch erzählen, was mir heute in der großen Pause passiert ist! Ich sitze im Lehrerzimmer und ärgere mich darüber, dass ich vor lauter Aufregung vergessen habe, mir ein Pausenbrot einzupacken. Mein Tischnachbar, sein Name fällt mir gerade nicht mehr ein, steht auf und fragt, ob er jemandem am Tisch etwas vom Bäcker mitbringen soll. Zu mir gewandt, fragte er: ‚Möchten Sie vielleicht auch eine halbe belegte Seele? Unser Schulbäcker macht die besten!‘ Was soll denn eine ‚belegte Seele‘ sein?“, frage ich nach und muss wohl ganz blass geworden sein, denn der Kollege lacht laut los. Dann antwortet er amüsiert: ‚Ach, ich vergaß, Sie sind ja nicht von hier. Lassen Sie sich überraschen. Ich bringe Ihnen zum Einstand einfach eine mit. Lieber mit Käse oder Salami?‘ Stellt euch mal vor“, Papa legt sein Messer, mit dem er die Pizzaschnitte auf seinem Teller zerkleinert hat, hin. „Eine Seele mit Salami! Das versteht doch wirklich niemand!“

„Was ist denn das nun?“ Mama ist ungeduldig geworden. Sie schöpft sich noch eine Portion Salat auf den Teller. Jetzt freut sich Papa über seinen Wissensvorsprung, das kann man ihm ansehen.

„Das ist ein dünnes, langes Gebäck, etwas schmaler und kürzer als ein Baguette. Seine rissige Oberseite ist mit Kümmel und Salz bestreut. Ich würde vorschlagen, das gönnen wir uns zum langen Frühstück am Samstag.“

„Und wieso heißt das so?“ Papa hat es geschafft, Klaras Aufmerksamkeit zu gewinnen.

„Das würde ich auch gerne wissen. Wir machen das zu unserer Wochenaufgabe: Alle versuchen, es bis Samstag rauszufinden. Einverstanden?“ Papa ist immer ganz begeistert von den „Wochenaufgaben“, die er sich manchmal für die Familie ausdenkt. Ihm zuliebe machen meistens alle mit.

„Eigentlich hätte ich auch gleich nachfragen können. Ich hatte heute viel Zeit. Am ersten Schultag findet noch kein Sportunterricht statt, deshalb saß ich die eine Stunde nur rum und in der anderen, in der ich kein Französisch unterrichtete, schaute ich mir die Schule an und lernte den Hausmeister und die Sekretärin kennen.“

„Du Armer, hast du heute gar nicht viel arbeiten müssen?!“ Mama stupst Papa freundlich in die Seite. „Dann bin ich dafür, dass du abräumst, den Abwasch erledigst und die Küche sauber machst.“ Sie steht auf.

„Wird gemacht! Aber erst nach unserem Mittagsschlaf!“ Papa gibt Mama einen Kuss und verschwindet in Richtung Wohnzimmer. Klara bringt ihren Teller, Besteck und ihr Glas noch in die Küche und verkrümelt sich dann in ihr Zimmer. Mia tut es ihr gleich, geht in die Küche und danach raus in den Garten.

Sie setzt sich auf die Schaukel, die an einem der Äste eines großen Baumes hängt, der im Garten der Familie Simmern steht. Dort gibt es noch viele andere große Bäume. Anders als in unserem vorherigen Garten, denkt Mia. Da sind die frisch gepflanzten Bäumchen zu klein gewesen, um eine Schaukel zu tragen. Mama hat ihr die Schaukel aufgehängt und ganz zufrieden ausgesehen: „Wie bei uns früher. Deine Oma und ich haben auch immer sehr gerne geschaukelt.“ Mia muss lachen bei dem Gedanken an ihre Oma auf einer Schaukel. Zuzutrauen ist es ihr.

Mia wird ein bisschen traurig, weil sie daran denkt, dass ihre Großmutter wegen eines Bruchs momentan im Rollstuhl sitzt. Irgendein Hals ist gebrochen. Da Omas Kopf aber noch ganz normal auf ihrem Omahals sitzt, hat Mia nicht genau verstanden, was passiert ist. Hoffentlich würde es ihrer Großmutter bald wieder besser gehen.

Mias Gedanken kehren noch mal zur großen Pause zurück, in der Milli schon an Mias Klassentür auf sie gewartet hatte. Sie zeigte ihr, wo der Bäcker die Schokokuss-Brötchen verkauft, von denen Milli eines genüsslich in der Pause verschlang. Oder wo verschiedene Hüpfspiele auf dem Boden eingezeichnet sind. Bald würden viele Kinder daneben Gummihüpfen, hat Milli gesagt und sich schon darauf gefreut.

Mal sehen, ob sie die gleichen Abfolgen hüpfen wie wir in Rottweil, überlegt Mia. Wer würde wohl mit Milli und ihr springen? Ich könnte Uschi fragen. Aber vielleicht haben alle Kinder schon feste Gruppen, in denen sie zu dritt springen würden. Bestimmt lässt mich irgendjemand mitmachen, denkt Mia und schaukelt noch eine Weile zufrieden vor sich hin.

Am nächsten Tag ist Milli am Nachmittag gerade dabei, ihr Fahrrad aufzupumpen, als Mia mit ihrem Rad bei ihr ankommt. Sie wollen ein bisschen die Umgebung mit dem Fahrrad erkunden.

„Milli, weißt du, was eine Seele ist und warum sie so heißt?“ Mia ergreift die Gelegenheit, bei ihrer neuen, einheimischen Freundin nachzufragen.

„Du fragst aber komische Sachen!“ Erstaunt unterbricht Milli das Pumpen. „Ich weiß nur, dass die Seele rein bleiben muss, das sagt meine Mutter immer. Das heißt, man soll keine Sünden begehen wie lügen oder etwas klauen. Dann kommt man in den Himmel. Aber wie die Seele aussieht oder warum sie so heißt? Keine Ahnung!“

„Ich meine doch nicht die Seele mit Gott. Ich meinte die vom Bäcker.“

Milli lacht schallend los. „Ach so! Mia, sag das doch gleich! Seelen sind flach und lang. Warum sie so heißen, weiß ich auch nicht. Darüber habe ich noch nie nachgedacht.“

3 Mia belauscht Klara

Am Ende der ersten Schulwoche sind Mias Eltern am Abend bei den neuen Nachbarn auf ein Glas Wein eingeladen. Mama trinkt zwar lieber Bier, aber das würde es bestimmt auch geben, hat Papa beim Frühstück vorausgesagt. Er hat als Einziger die Wochenaufgabe gelöst und Mia weiß nun, warum das leckere Gebäck, das es zum Samstagmorgenfrühstück gegeben hat, „Seele“ heißt: Das hängt mit dem Feiertag „Allerseelen“ zusammen. Man hat früher mit einem Gebäck der Toten gedenken wollen. Weil aber Zopfbrot oder süßes Gebäck zu lecker war für diesen traurigen Anlass, erfand man das kleine Brot mit Salz und Kümmel.

Mia kennt Allerseelen. Sie weiß, dass zuerst Allerheiligen kommt. Das ist am 1. November und der Geburtstag ihrer Großmutter. Am Tag danach, also am 2. November, feiert man Allerseelen.

Jetzt sitzt Mia in ihrem Kinderzimmer und puzzelt. Dass auf der Schachtel in weißer Schrift „Ravensburger“ in einer blauen Ecke steht, fällt ihr erst heute auf. Dann wird das Spiel wohl ganz in der Nähe hergestellt. Mia kann gut puzzeln, deshalb macht es ihr Spaß.

Eigentlich ist die erste Schulwoche schön gewesen, denkt Mia. Nur in der Schulstunde über Oberschwaben habe ich mich ein bisschen geärgert.

Frau Mahler hat über Dialekte in Oberschwaben gesprochen und wollte wissen, wie Frank „ich habe“ sagen würde. Er sagte laut: „I hon“.

Die Lehrerin nickte. „Ich bin in Oberschwaben an der bayrischen Grenze an der Iller aufgewachsen in der Nähe von Ochsenhausen. Meine Mutter lebt immer noch dort. Sie sagt: ‚I hau‘“, erzählte sie und fuhr fort: „So gibt es in der gleichen Region unterschiedliche Ausdrucksweisen.“ Dann hatte sie sich Mia zugewandt und gefragt: „Und Mia, wie hat man denn in Rottweil zu ‚ich habe‘ gesagt?“

Mia zögerte nicht und antwortete: „I henn.“

Auf einmal lachten einige Kinder los! Marco rief: „Und ich Gockel!“, und klatschte sich dabei vor Vergnügen auf die Schenkel. Erst jetzt verstand Mia, dass manche Kinder „Ich Henne!“ verstanden hatten. Hilflos schaute sie zu Uschi mit den netten Augen und dann zu Frau Mahler. Schließlich musste sie selbst lachen. „Bei uns in Rottweil hat niemand an Hühner gedacht!

---ENDE DER LESEPROBE---