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Mika ist im Grunde ein ganz normaler Junge. Er geht zur Schule, wohnt mit seinen Eltern in einem kleinen Häuschen und ist fast immer gut gelaunt. Aber er ist auch ein absoluter Tüftler und hat außergewöhnliche Freunde. Was ihn aber ganz besonders ausmacht, ist sein gutes Herz. Gemeinsam mit seinen Freunden wie Heiko dem Regenbogen, dem Feuerdrachen Lui, Mone, Mo und Kati startet er von einem Abenteuer in das nächste – bis hoch ins Wolkenobergeschoss und zur Drachenhöhle … Mika und seine Freunde findest du auch online auf www.mika-buch.de. Hier darfst du dir sogar Vorlagen zum Ausmalen für zu Hause ausdrucken und erfährst einiges zum Buch.
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Seitenzahl: 320
Veröffentlichungsjahr: 2022
© MIKA VERLAG 2023
Über dieses Buch
Mika gibt es wirklich, er ist wahrhaftig und er gab dem Buch seinen Namen. Die Geschichten darin sind natürlich der Fantasie des Autors entsprungen und dennoch gibt es hier und da Parallelen zu dem Jungen namens Mika.
Während der Namensgeber in der heutigen Zeit groß wird, ist unser Titelheld ein paar Versionsnummern eines iPad der Zeit voraus. Was heute noch unmöglich erscheint, ist vielleicht schon bald ganz normaler Alltag.
Mika und seine Freunde erleben viele spannende Abenteuer und jeder von ihnen ist dabei etwas ganz besonderes.
Über den Autor
Stefan Peine ist gelernter Schriftsetzer und konnte schon immer ganz gut mit geschriebenen Worten. In einer Zeit der Neuorientierung setzte er sich an den Tisch und fing an, dieses Buch zu schreiben.
Er lebt und arbeitet in Magdeburg.
MIKA
& seine Freunde
Mika und seine Freunde findest du auch online auf www.mika-buch.de. Hier darfst du dir sogar Vorlagen zum Ausmalen für zu Hause ausdrucken und erfährst einiges zum Buch.
© MIKA VERLAG 2023
Cover
Titelblatt
TYPISCH EIERKUCHEN
FREIGÄNGERZOO
UI, UI, LUI
MONE
LUI IST WEG
DER NEUE STAR IM ZOO
HIP-HOP-MIKA
HEIKO HILFT
REGENBOGENHILFE
KATI
WOLKE 7
WOLKE 3 ¾
KAMPFSPORT-KATI
WOLKENOBERGESCHOSS
WOW
PFLANZENWANDLER
HEIKOS FARBEN
HITZE IN DER STADT
FREUDIGE NACHRICHTEN
DER WALD BRENNT
KATIS GEHEIMNIS
ZUFRIEDENHEIT
DIE SEIFENFLUGKISTE
SCHWARZER MOHN
TRAINING
KALLE
ES STINKT
ENTFÜHRT
FRANZ FRÖHLICH
DIE RETTUNG
ERÖFFNUNG
DAS BILD
DIE MIKASINE
DER AUSFLUG
LUIS SIGNAL
DRACHENWELT
WER IST DAS?
DANKE
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Titelblatt
TYPISCH EIERKUCHEN
DANKE
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Cover
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TYPISCH EIERKUCHEN
Mika hatte sich schon in die volle Montur geworfen und startete auf seinem Hyperboard in den Einsatz. Die Meldung über einen Wohnungsbrand in der 134. Etage des Wolkentowers war erst vor Sekunden eingetroffen, doch Heiko war wieder schneller.
Heiko ist Mikas bester Freund. Heiko ist ein Regenbogen. Heiko zeigte Mika wie fast immer den Weg zum Brandort und ließ ihn auf seinem Regenbogen direkt zum Einsatzort gleiten.
Mika wusste mittlerweile ganz genau, auf welchen Regenbogenfarben er am schnellsten zum Einsatzort gelangte. Die gelbe Spur ist superschnell, wenn die Sonne scheint, und die grüne Spur nimmt er gern bei Regen. Sie ist nicht so rutschig, wenn es nass wird. Zumindest dachte das Mika immer, obwohl er mit seinem Hyperboard ja sowieso darüber hinwegschwebte. Nur selten nahm er die orangene oder blaue Spur, die waren ihm auch schon zu sehr am äußeren Ende des Regenbogens. Abstürzen könnte Mika nicht, weil er ja sowieso schwebend unterwegs war, aber auf dem Regenbogen fühlte er sich immer wie auf einer Straße und da fährt man ja auch so, dass man nicht in Gefahr gerät.
Immer wenn Mika über Heikos bunte Farben unterwegs war, musste er daran denken, wie er Heiko kennengelernt hatte. Das war an einem schönen Sommertag gewesen, als sich plötzlich der Himmel verdunkelt hatte. Ein übler Schauer ging über die Stadt nieder, es war dabei so dunkel, dass es Mika etwas Angst machte. Doch so schnell wie der Schauer mit der dunklen Wolke kam, so zügig verzog sich das kleine Unwetter wieder und die Sonne schien wie gemalt. In diesem Übergang zeigte sich ein ganz wunderbarer Regenbogen. Er leuchtete mit all den schönsten Farben, die man sich bei einem Regenbogen vorstellen konnte.
Mika lief sofort los, er wollte das Ende vom Regenbogen finden. Warum, das wusste er selber nicht so genau und doch rannte er los, so schnell ihn seine Beine trugen. Und immer, wenn er dachte, dass er das Ende doch gleich erreicht haben müsste, schien es doch immer wieder weit weg. Also rannte er und rannte und wurde schneller und schneller und plötzlich war er mittendrin in diesem unglaublichen Farbspektrum, es fühlte sich fantastisch an. Ihm wurde irgendwie ganz warm, doch Mika wusste nicht, ob das vom Regenbogen kommt oder ob ihm einfach nur vom vielen Laufen warm war. Er drehte sich um, schaute in alle Richtungen, versuchte irgendwas zu entdecken. Und siehe da, war das ein Klingelschild? Tatsächlich. Ein Klingelschild direkt am Ende des Regenbogens. Mika ging näher und musste schmunzeln, als er HEIKO las. Echt jetzt, ein Regenbogen hat einen Namen? Oder wofür stand das Heiko? Sollte es vielleicht eine Abkürzung sein? Doch wofür?
Er drückte einfach auf den Klingelknopf neben dem Namensschild und war gespannt, was passierte. Im ersten Moment nichts. Doch gleich danach bemerkte er, wie der Regenbogen kleiner wurde, als würde er sich von einem Ende zum anderen zusammenziehen. Immer weniger von dem Regenbogen war nun am Himmel zu sehen, er wurde immer kleiner und schmaler und plötzlich stand Heiko, der Regenbogen vor ihm.
„Ja bitte, du hast bei mir geklingelt“, begrüßte ihn Heiko sehr freundlich. Heiko hatte in etwa dieselbe Größe wie Mika und war kunterbunt angezogen. Ringelsöckchen, gestreifter Pullover, die Haare waren bunt durch den Tuschkasten gezogen und überhaupt sah er aus, als ob er mit allen möglichen Faserstiften gebadet hätte. Mika war erst mal platt. Damit hatte er überhaupt nicht gerechnet.
Da stand nun ein kunterbunter Heiko-Regenbogen vor ihm, davon hatte er nicht einmal geträumt. Und Mika träumt viel. Doch niemals nicht hätte er je gedacht, vor einem Regenbogen zu stehen.
Mika stammelte: „Hallo Heiko, schön, dich kennenzulernen. Ich bin einfach losgerannt, ich dachte, ich meinte, ich weiß auch nicht.“
„Schon gut“, lächelte ihn Heiko an, „die allermeisten Menschen denken nicht im Entferntesten daran, dass Regenbogen unter ihnen wohnen. Du bist übrigens der Allererste überhaupt, der mein Klingelschild gefunden hat und auch noch den Klingelknopf drückte.“
Mika war immer noch platt und doch freute er sich so unglaublich, nicht nur das Ende des Regenbogens gefunden zu haben, nein, er hatte Heiko gefunden. Und Heiko war so freundlich zu ihm und er war so gut drauf, schien die gute Laune in jeder seiner Farben zu tragen. Da wunderte es Mika gar nicht, dass Heiko äußerst herzlich lachen konnte, und vor allem aber mochte Heiko Witze. Und er kannte so viele.
Seinen damals aktuellsten Lieblingswitz erzählte Heiko Mika gleich nach ihrem Kennenlernen. „Was liegt am Strand und ist schlecht zu verstehen? Eine Nuschel!“ Kaum hatte Heiko den Witz zu Ende erzählt, prustete er los und seine Farben schienen sich auf seinem Pullover zu kringeln. Erst nach fünf Minuten kam Heiko von seinem Lachflash wieder runter. Mika auch, denn Heikos Lachen war so ansteckend, dass dem sich niemand entziehen konnte. Die Tränen liefen vor Lachen, der Bauch tat schon weh und die beiden lagen sich in den Armen, um sich abzustützen. Von da an war ihre tiefe Freundschaft besiegelt, Mika und Heiko waren von da an die dicksten Freunde.
Heiko konnte sich auch ganz klein machen, da staunte Mika jedes Mal. Er sah dann aus wie ein kunterbunter Kugelschreiber und Mika konnte ihn so immer mit auf seine Abenteuer nehmen. Er steckte Heiko dann einfach in die Brusttasche von seinem Spezialanzug. Aber meistens war Heiko schneller und zeigte Mika den Weg zum Einsatz. Genau wie jetzt! Heiko zeigte Mika den Weg in die 134. Etage des Wolkentowers. Der Wolkentower war das größte Gebäude der Stadt. Mit über 250 Etagen ragte es so hoch hinaus, dass man den Kopf ganz schön weit in den Nacken packen musste, um hinaufsehen zu können. Gerade dann, wenn man direkt davorstand.
Schon ab der 60. Etage war der Tower oft in Wolken gehüllt und man konnte nur erahnen, wie hoch das Gebäude sein musste. Die Wohnungen zwischen der 60. und 100. Etage waren die günstigsten im ganzen Wolkentower, weil sie so oft in den Wolken hingen und man nicht viel sah, wenn man nach draußen schaute. Darunter war es anders, da konnte man schön über die Stadt gucken und darüber war es noch schöner, weil hier so oft die Sonne schien. Darunter sah man zwar nur Wolken, aber der Himmel war umso schöner und dunkelblauer als sonst.
Mika kämpfte sich auf seinem Hyperboard durch die Wolken, was oft tückisch war. Sein Hyperboard hatte er sich vor einiger Zeit selbst gebastelt. Im Spielzeugladen hatte er einen Bausatz mit Warpantrieb und Antimaterie gefunden. Das Warpzellengehäuse hatte er sich selbst aus einem alten Metallbaukasten von seinem Papa gebaut. Mika war echt gut im Dingebauen und anschließend mutig genug, um sie auch auszuprobieren. Gerade sein Hyperantrieb an einem ausrangierten Skateboard ließ seine Eltern erschaudern. Er würde doch wohl nicht wirklich … doch … er tat es.
Mika feilte viel an den Düsen herum, damit er das Hyperboard tatsächlich mit seinen Körperbewegungen perfekt steuern konnte. Nach vorn gelehnt sauste er mit dem Board nach vorn, nach links gelehnt bog er links ab, rechts eben andersrum. Und beim Bremsen schob er mit dem hinteren rechten Fuß das Board nach unten und schon sorgten die Düsen für einen unglaublichen Bremsschub. Schon nach einem Monat hatte Mika das Hyperboard perfekt beherrscht. Er war das schnellste Kind der ganzen Stadt auf seinem Board.
Auf diesem schwebte er nun zur 134. Etage des Wolkentowers. Wieder einmal hatte Mika heimlich den Funk der Feuerwehr abgehört und beschlossen, hier zu helfen. Die Schule war bereits vorbei und er hatte eh nichts Besseres vor an diesem Nachmittag, als die Brandmeldung eintraf. Mika wusste auch, dass die Feuerwehr in diesem hohen Gebäude immer sehr lange brauchen würde, ehe sie zum Brandherd gelangte. Für ihn jedoch war das ein Klacks.
Schon von Weitem roch er einen leichten Brandgeruch, hoffentlich war es kein größerer Brand. Mika tippte auf angebrannte Eierkuchen, der Klassiker unter den Küchenbränden. Sollte es jedoch ein richtiger Brand sein, dann sah sich Mika gut geschützt. Denn sein spezieller Spezialanzug war aus einer Spezialfaser hergestellt. Und an den wichtigsten Stellen hatte er sogar feuerfeste Schuppen von einem richtigen Feuerdrachen einarbeiten lassen. Lui, der Feuerdrache, war da sehr spendabel, doch dazu später mehr.
Mika sollte recht behalten, als er in der 134. Etage vom Wolkentower ankam. Es roch süßlich verbrannt, es sollte wohl wirklich Eierkuchen zum Nachmittag geben. Vielleicht mit einer Nuss-Nugat-Creme oder Marmelade – hmmm, lecker. Also an sich. Doch die hier waren wohl ungenießbar und der Rauch stand überall in der Luft.
Der Rauch war es wohl auch, der die Alarmanlage ausgelöst hatte. Jede Wohnung im Wolkentower verfügte über eine Brandmeldeanlage, da war das Gebäude technisch auf dem neuesten Stand. Und das war gut so, denn so wusste man bei der Feuerwehr sofort, in welcher Wohnung ein Problem war. Schließlich reden wir von über 1000 Wohnungen in nur einem Gebäude. Das muss man sich einmal vorstellen. Über 1000 Wohnungen!
Mika stand bereits mit seinem Hyperboard im Küchenfenster der 134. Etage und schaute durch den Rauch, ob er was erkennen konnte. Aber ja, ist das nicht Frau Schnickenfittich? Mika kannte Frau Schnickenfittich aus dem Spielzeugladen, wo er seinerzeit den Bausatz für seinen Hyperantrieb gekauft hatte. Die gute Frau war immer sehr freundlich zu allen Kindern und führte diesen riesigen Spielzeugladen.
Er sah, wie Frau Schnickenfittich heftig mit einem Handtuch wedelte, um den Rauch aus der Küche zu bekommen. Als sie Mika sah, erschrak sie heftig. Wer rechnet schon mit einem Jungen auf einem Hyperboard in seinem Küchenfenster in der 134. Etage des Wolkentowers?
Mika rief: „Ich will nur schnell helfen, Frau Schnickenfittich.“ Dabei holte er schon seinen ausklappbaren Ventilator aus seinem Rucksack. Dieser hatte einen von Mika umgebauten Antrieb und konnte sich nicht nur von circa zehn Zentimeter auf gut einen Meter Durchmesser auseinanderklappen, er hatte auch so viel Leistung, dass die Küche im Nullkommanix rauchfrei war. Und die Frisur von Frau Schnickenfittich war auch versaut.
Sie hatte Mika vor lauter Schreck nicht gleich erkannt, außerdem sah er mit seinem speziellen Spezialanzug auf seinem Hyperboard ganz anders aus. Doch jetzt bat sie Mika erst mal in die Küche und bedankte sich bei ihm für die superschnelle Hilfe. Außerdem war sie erleichtert, dass nun doch nicht mehr die Feuerwehr bis in die Wohnung kam. Die Brandmeldeanlage hatte bereits registriert, dass alles wieder in Ordnung war, und das der Feuerwehr gemeldet.
Nun stand Mika mit Frau Schnickenfittich in der Küche und kramte in seinem Rucksack. Wo hatte er doch bloß wieder … immer diese Unordnung … ach hier, nein, doch nicht … Es dauerte eine ganze Weile, bis er die Duftkerze fand. Mika hatte für genau solche Fälle immer eine dabei. Der Geruch von verbrannten Eierkuchen war nicht wirklich schön, eine Duftkerze könnte fürs Erste helfen. Frau Schnickenfittich musste laut lachen, als Mika ihr die Kerze gab, und nahm ihn fest in den Arm. Das war für Mika immer der schönste Lohn.
Und zack stand Mika schon wieder auf seinem Hyperboard im Küchenfenster, wünschte Frau Schnickenfittich alles Gute und surfte über Heikos Regenbogenfarben zurück. Heiko wurde auch wieder kleiner in derselben Geschwindigkeit, wie Mika über ihn hinweg schwebte. Als sie beide wieder am Boden waren, mussten sie erst mal lachen. Angebrannte Eierkuchen – schon wieder.
FREIGÄNGERZOO
Der Nachmittag war noch jung und das Wetter toll und so beschlossen die beiden besten Freunde, dass sie noch ihren Freund Lui besuchen. Lui wohnte im Zoo der Stadt. Sie wollten mal schauen, ob Lui zu Hause war, denn der Zoo war ein Zoo für Freigängertiere. Die Tiere konnten also im Zoo sein, aber sie mussten nicht. Gerade für Lui war das ideal. Er war ja ein Feuerdrache, der letzte seiner Art, und da Drachen sich sowieso nicht einsperren lassen, war der Freigänger-Zoo für ihn der ideale Ort.
Auf dem Weg dorthin fielen Mika und Heiko wie gewohnt auf. Mika hatte noch seine volle Montur an und Heiko war ja so kunterbunt, die beiden mussten Aufmerksamkeit erregen. Und als sich noch das Zebra aus dem Zoo zu ihnen gesellte, blieben die Leute auf der Straße stehen und schauten den Dreien staunend nach.
Das Zebra kam vom Freigang zurück und wollte ebenfalls in den Zoo. Als Heiko dem Zebra etwas länger ins Gesicht schaute, lachte er kurz laut los.
„Was ist denn?“, fragte Mika.
„Ach nichts“, entgegnete Heiko, „mir ist nur grad ein Witz eingefallen.“ Der Regenbogen grinste. Heiko und seine Witze.
„Na los, hau raus.“ Mika rempelte Heiko an.
Der schaute noch mal zum Zebra. „Kommt ein Pferd in eine Kneipe. Fragte der Wirt: Warum machst du denn so ein langes Gesicht?“ Selbst das Zebra wieherte brüllend laut los, während sich auf Heikos Pullover wieder die Streifen kringelten und Mika die Tränen an den Wangen hinunterliefen. Heiko und seine Witze.
So lachend kamen die außergewöhnlichen Drei am Zoo an. Ob Lui zu Hause war? Lui nannte den Zoo sein Zuhause. Hierher konnte er immer kommen, hier war er immer willkommen, hier hatte er einen vollen Kühlschrank und ein Dach über dem Kopf. Und hier warteten immer viele andere Tiere und Menschen. Das ist es dann wohl, was man Zuhause nennt.
Lui hatte die größte Unterkunft von allen Tieren im Zoo. Das musste er auch, denn Lui war riesig. Da er der letzte seiner Art war, wusste niemand, wie groß Feuerdrachen überhaupt werden. Und so musste Lui in den Zoo umziehen, weil er so schnell wuchs und immer größer wurde. Jetzt jedoch schien es, dass er ausgewachsen war.
Mika entdeckte Lui schon von Weitem. Lui hatte sich in voller Größe aufgerichtet, er überragte den ganzen Zoo. Die Sonne schien und Lui genoss offensichtlich jeden Sonnenstrahl und saugte förmlich die Wärme auf. Selbst Feuerdrachen liebten es, sich von der Sonne wärmen zu lassen. So aufgerichtet sah es aus, als ob Lui so um die 20 Meter hoch wäre. Doch das war ja noch nicht alles. Wenn Lui die Flügel ausbreitete, dann waren es locker um die 50 Meter, die er in der Breite für seine Körperteile beanspruchte. Der Zoo hatte damals extra eine große Unterkunft gebaut, damit Lui ein entsprechendes Zuhause hat.
Lui hatte Mika ebenfalls schon von Weitem entdeckt. Feuerdrachen haben superscharfe Augen und können sehr gut und sehr weit sehen. Lui wackelte vor Freude mit dem Schwanz und seine Augen glitzerten noch mehr, als sie das ohnehin schon taten.
Das Zebra bog links ab, als es sich verabschiedete, und Heiko und Mika machten sich einen kleinen Spaß. Heiko schlug kleine Regenbögen und Mika surfte auf seinem Hyperboard darüber in Richtung Lui. Der sah sich das kleine Spektakel wohlwollend an und rutschte vor zum Ende seines Geheges. Lui hätte auch einfach in die Luft steigen oder einen großen Schritt über die Begrenzungsmauer machen können, aber warum? Er genoss die Sonne und sah den beiden Schlawinern bei ihrem Treiben zu.
Mika nutzte die letzte Regenbogenwelle, um gleich Schwung mitzunehmen und Lui um den Hals zu fallen. Heiko tat es ihm gleich und so hingen die beiden in 15 Metern Höhe an Luis Hals, um langsam zu Boden zu rutschen. Lui freute sich wegen der dicken Umarmung, so etwas tut immer gut.
„Hallo, meine lieben Freunde“, begrüßte Lui die beiden und Mika erschrak etwas. Luis Stimme war noch dunkler und bassiger und lauter geworden. Heiko hatte das Gefühl, dass der ganze Zoo wackelte. „Hey Lui“, riefen die beiden, „wie geht es dir?“
Lui hatte bemerkt, dass der ganze Zoo zu ihm schaute, als er die beiden Freunde begrüßt hatte, und schickte sich an, sich ganz lang hinzulegen. So war er mit dem Kopf in etwa auf Augenhöhe mit Mika und Heiko und flüsterte, sodass nicht der ganze Zoo wackelte.
„Mir geht es sehr gut. Ich war heute in den Bergen unterwegs, besuchte Wolke Nummer 7 und machte mir ein schönes Feuerchen im Tal der Echsen. Und bei euch so?“
Mika und Heiko erzählten Lui von den verkohlten Eierkuchen im Wolkentower und alle grinsten, als Mika von der Duftkerze erzählte. Über den Namen von Frau Schnickenfittich musste Lui lachen. Schnickenfittich, er konnte das kaum aussprechen, schon gar nicht ganz schnell dreimal nacheinander. Schnickenfittich, Schnickenfittich, Schnickenfittich.
Die drei kicherten vor sich hin und Lui holte erst mal Limonade aus seinem riesigen Drachenkühlschrank. Dort musste er sich durch die Unmengen von Peperoni wühlen, um an die Limonade zu kommen. Peperoni ist nämlich das absolute Lieblingsgericht von Feuerdrachen. Und wenn sie kalt sind, dann erst recht.
Mit den beiden Limonaden für Mika und Heiko und einer kalten Peperoni für sich machten es sich die drei in der Sonne gemütlich. Die Besucher des Zoos blieben stehen und tuschelten und immer wieder fragte Mika Lui, was die denn erzählten. Feuerdrachen haben nicht nur sehr scharfe Augen, sie können auch sehr gut hören. Aber nur, wenn sie es wollen. Ab und zu spitzte Lui dann seine Ohren, um zu hören, was die Besucher tuschelten. Die meisten sprachen über Lui und seine schiere Größe und sein sanftes Wesen, nur wenige nahmen groß Notiz von Mika und Heiko. Die beiden waren sowieso stadtbekannt und deshalb war niemand groß verwundert, dass die beiden mit Lui in der Sonne abhingen. Mika lehnte sich gemütlich an Lui und genoss seine Wärme von hinten und die Wärme der Sonne von vorn und schon fielen ihm die Augen zu.
UI, UI, LUI
Mika wachte morgens auf und dachte noch, was für ein komischer Traum. Irgendein Geräusch hatte er doch im Traum immer gehört. Erst ein „U“, dann ein „I“, dann wieder und immer wieder. Nun war er wach oder doch nicht? Wieder hörte er ein „U“, dann ein „I“. Am Anfang war das eher dumpfer zu hören, dann wurde es immer klarer. Klar war auch, dass das von draußen kommen musste.
Also schlüpfte Mika in seine Jogginghose und blinzelte durch die Terrassentür in die Sonne. Mann, war das hell heute früh, seine Augen mussten sich an das Licht erst mal gewöhnen. Er öffnete die Tür und da war wieder dieses Geräusch. Erst ein „U“, dann ein „I“ – es war noch nicht ganz klar so vom Ton her, und irgendwas bewegte sich doch da hinten im Garten.
Man kennt das ja vom Frühling, dass die Erde plötzlich aufbricht, und dann stoßen die jungen Blümchen durch, so ähnlich sah das jetzt am Ende des Gartens aus. Nur eben, dass sich die Erde hob und wieder senkte. Und jedes Mal hob sich die Erde stärker an, wenn ein „U“ und ein „I“ erklang. Mika überlegte kurz, ob er seine Eltern holen sollte, weil ihm etwas unheimlich war, aber dann nahm er seinen ganzen Mut zusammen und ging die paar Schritte zum Ende des Gartens. Kurz bevor er dort ankam, hob sich die Erde wieder und jetzt hörte er es so richtig.
„Uuuuuiiiii“, drang es an sein Ohr und die Erde war schon fast aufgebrochen. Hui, jetzt wurde Mika doch etwas mulmig und er ging wieder drei Schritte zurück.
Dann passierte es. Unter einem lauten „Uuuuuiiiiii“ brach die Erde auf und heraus schaute ein kleiner Drachenkopf. Tatsächlich ein Drachenkopf, ein ganz süßer noch dazu. Doch wie kam ein Drachenkopf in Mikas Garten? Während er kurz darüber nachdachte, sah er, wie sich zu dem Drachenkopf noch ein ganzer Drachenkörper aus der Erde schälte, bis ein ganzer Drache im Garten stand. Na ja, mehr ein Drachenleinchen. Denn dieser da war nicht viel größer als ein Kaninchen. Der kleine Drachen schüttelte sich kräftig, ganz so, wie es ein Hund macht, wenn er aus dem Wasser kommt. Die ganze Erde an ihm flog durch die Gegend bis in Mikas Gesicht. Jetzt musste Mika sein Gesicht schütteln.
Mika hatte gar nicht mitbekommen, dass seine Eltern bereits hinter ihm standen. Er ahnte es erst, als der kleine Drache zuerst ihn aus seinen strahlenden Augen ansah, um dann den Kopf zu heben und über Mika hinweg zu sehen. Mika drehte sich um und schaute in die erstaunten Gesichter seiner Eltern. Die Münder standen offen und die Augen waren weit aufgerissen. Was, um Gottes Willen, ist das da in unserem Garten, schienen die Gesichter zu denken.
Der Drache schaute wieder zu Mika, blickte tief in Mikas dunkelbraune Augen und Mika konnte dem Blick nicht ausweichen. Wie an einem Band gezogen, tappelten beide aufeinander zu. Mika merkte noch Mamas Hand auf seiner Schulter, doch er ging schnurstracks auf den Drachen zu und dieser kam ihm etwas wackelig entgegen.
Als sie sich gegenüberstanden, beugte sich Mika wie selbstverständlich herunter, um den Drachen zu streicheln. Er hörte noch seine Mama rufen: „Nein, Mika“, aber da war es schon zu spät. Mikas Hand hatte den Kopf des kleinen Drachen erreicht. Seine Finger wanderten vom Kopf über den Hals und den Rücken hin und her und der kleine Drachen schien das sehr zu genießen. Er wedelte wie ein Hund mit dem Schwanz und stupste immer wieder mit dem Kopf Mikas Hand an, damit dieser nicht aufhörte. Mika kniete sich nieder und nahm den Kopf des Drachen in beide Hände. Jetzt sah er in die bernsteinfarbenen Augen des kleinen Drachen. Sie hatten so ein Leuchten, als ob da noch ganz viele Sterne funkelten.
Der kleine Drache schloss seine Augenlider, um diese danach noch weiter zu öffnen. Was für ein Glitzern, was für schöne Augen dieser kleine Drache hatte. Mika hatte ihn sofort in sein Herz geschlossen und er beschloss ganz tief in seinem Herzen, dass dieser kleine Drache jetzt bei ihm bleiben müsse.
Und so kam es auch, allerdings nicht für lange Zeit. Mikas Eltern waren natürlich komplett dagegen. Klar, wer hatte schon Erfahrung mit kleinen Drachen und wo kam dieser denn überhaupt her? Ganz zu schweigen von den offenen Fragen. Was fressen denn kleine Drachen? Wo soll er sein Geschäft machen? Und was soll werden, wenn er größer wird? Macht er Schaden im Haus? Und überhaupt – was ist das denn für ein Drachen? Keine Antwort auf viele Fragen, aber auf die letzte Frage sollte schon bald die Antwort folgen.
Mika setzte sein Bitte-Gesicht auf, das konnte er echt gut. Mit seinen dunkelbraunen Augen, seiner süßen Stupsnase und seinen liebevoll geformten Augenbrauen konnte er seine Eltern immer und immer wieder erweichen. Bitte, bitte, bitte. Kann ich den Drachen behalten, schien er aus jeder Pore seines Gesichts zu flehen.
Mikas Papa wollte davon nichts hören und griff sich erst einmal einen Spaten. Seine Arbeitssachen hatte er schon angezogen, er streifte die Arbeitshandschuhe über und ging zur Tat über. Mit dem Spaten grub er ein Loch, immer größer und immer tiefer, genau an der Stelle, wo der kleine Drache mit seinen „Us“ und „Is“ das Tageslicht erblickt hatte. Mikas Papa grub und grub und er fluchte und grub tiefer und tiefer. Er schwitze und fluchte wieder und grub trotzdem weiter. Etwa als Mikas Papa mit den Beinen bis zum Rumpf im Loch verschwunden war, klimperte der Spaten auf etwas Hartem rum.
Man hörte den Spaten kratzen und kurze Zeit, nachdem Mikas Papa komplett im Loch verschwunden war, kam er mit einer großen Eierschale in der Hand wieder ans Tageslicht. Eine Eierschale! Eine sehr alt aussehende Eierschale. Eine Eierschale, die sehr, sehr dick war. Nun war sie aufgebrochen und ganz offensichtlich ist der kleine Drache aus dieser Eierschale geschlüpft. Hmmm.
Mika hatte dafür keine Augen, er war nur noch mit dem kleinen Drachen beschäftigt. Er sah ihn an, musterte alle Körperteile, registrierte jede noch so kleine Bewegung und war gefesselt von dieser Augenfarbe. Für Mika war klar, dass der kleine Drache jetzt zu ihm gehörte, und offensichtlich dachte der Drache auch so. Er schmiegte sich an Mikas Bein, stromerte immer um ihn herum und genoss es sehr, wenn Mika ihn streichelte. Danach breitete er seine kleinen Flügel aus und schüttelte sich wie ein nasser Hund. Das sah so niedlich aus, auch Mikas Mama konnte ihre Augen nicht von dem keinen Drachen lassen.
Doch Mamas machen sich gleich ganz andere Sorgen. Wo soll dieser kleine Drache sein Geschäft machen, was frisst so ein Tier eigentlich und überhaupt, muss man einen Drachen irgendwo als sein Haustier anmelden? Keine Ahnung!
Das mit dem Essen war schnell geklärt. Drachen scheinen nicht wählerisch zu sein. Ob Aufschnitt oder Käse, flups war das Essen verschlungen. Nur bei rohen Eiern und vor allem bei Peperoni ließ er sich Zeit und genoss sie sichtlich. Das also müssen dann wohl die Delikatessen für Drachen sein. Nun ja, und das mit dem Stubenrein würden sie sicher auch hinbekommen, dachte sich Mikas Mama. Doch nun fragte sie Mika:„Wie soll denn der kleine Stubendrache heißen?“
Mikas Antwort war wie aus der Pistole geschossen gekommen: „Lui.“
MONE
Plötzlich ging Luis Kopf nach hinten, er hatte etwas gehört. Jemand näherte sich aus seiner großen Unterkunft hinaus auf die Freifläche. Wer da wohl kommen würde? Lui kniff die Augen zusammen, sah und hörte jedoch nichts. Es vergingen ein paar Sekunden und seine Mundwinkel gingen hoch, als er Mone entdeckte.
Mone war eine der Zoo-Mitarbeiterinnen, die sich um Lui kümmerte. Für Lui war Mone die allerbeste Zoo-Mitarbeiterin.
Mone kannte er schon fast sein ganzes Leben lang, nur Mika und dessen Eltern kannte er länger. Na ja, was heißt ein Leben lang, Lui hatte ja gerade erst seinen zweiten Geburtstag gefeiert, so alt war er also noch nicht.
Sobald Mika Mones leuchtend rote Haare sah, stand er auf, rannte zu ihr und schon lagen die beiden sich in den Armen. Aus Mika sprudelten sofort die Erlebnisse der ganzen letzten Tage heraus und Mone sah ihn dabei liebevoll an. Sie mochte es, wenn sich Mikas Stimme überschlug und er seine braunen Augen dabei aufriss. Geduldig hörte sie sich an, was Mika zu erzählen hatte, und streichelte ihm dabei über seine wilden Kiesel. Mika sieht irgendwie jeden Tag anders aus auf dem Kopf, dachte Mone und grinste.
Lui begrüßte Mone mit einem sanften Augenaufschlag. Heiko gab ihr ein buntes High Five und freute sich diebisch, dass Mone ein paar bunte Farbspritzer an der Hand hatte. Dieser Schlingel.
Mone hatte nicht nur leuchtend rote Haare, sie hatte dazu ein sehr hübsches Gesicht. Ihre Augen waren mandelförmig, die Nase schmal und die Lippen passten perfekt. Sie sah aus wie gemalt. Selbst in ihrem Zoo-Overall hatte sie eine tolle Figur und sie strahlte irgendwie etwas Mystisches aus. Sie ruhte in sich selbst, hatte immer ein offenes Ohr, war zu allen Lebewesen sehr freundlich und ihr Lächeln schien von einer anderen Welt.
Das alles wusste Lui nur zu gut. Er kannte das Geheimnis von Mone. Er hatte es entdeckt und ihr geschworen, es niemandem zu verraten.
Lui hatte sich schon immer gewundert, dass Mone einfach so auftauchen konnte. Wie aus dem Nichts war sie plötzlich da. Er sah, wie sich die anderen Tiere erschreckten, wenn Mone plötzlich neben ihnen stand, und er sah, dass sie sich quasi in Luft auflösen konnte. Aber Drachen sehen ja extrem scharf und ihnen scheint auch nichts zu entgehen. Am Anfang dachte er an eine Täuschung, eine komische Idee, einen Zufall, doch als er seine Sinne darauf konzentrierte, konnte es kein Zufall mehr sein.
Lui sah entweder eine Mohnblume oder Mone. Stand am Rand, im Gehege oder sonst wo eine Mohnblume, war Mone nicht zu sehen, und umgekehrt. War Mone mit ihren leuchtend roten Haaren zu sehen, konnte Lui keine Mohnblume im Zoo entdecken. So war er sich allmählich sicher, dass die Mohnblume Mone und Mone die Mohnblume sein musste. Sie musste eine Pflanzenwandlerin sein.
Eines Tages sah er diese eine Mohnblume im Zoo stehen und er schaute sich die Pflanze genauer an. Er beugte seinen riesigen Kopf über die Pflanze, neigte diesen und schaut mit einem Auge direkt in die offene Blüte. Drachenaugen haben so etwas wie einen eingebauten Zoom, können also mit einer Art Lupenfunktion die betrachteten Dinge noch vergrößern, und als er den kleinen Blütenkelch sah, zogen sich seine Mundwinkel nach oben. Das war kein gewöhnlicher Blütenkelch, er sah direkt in Mones Gesicht, kein Zweifel. Und als der obere rechte Blütenstängel auch noch zwinkerte, war alles klar. Mone hatte ihn in seiner Annahme bestätigt. Zuerst als Mohnblume und kurze Zeit später in seinem Gehege blinzelte sie ihn als Mone an und Lui blinzelte zurück. Die beiden hatten nun ein Geheimnis.
Mone saß oft und sehr lange bei Lui und die beiden unterhielten sich. Sie waren beide die Einzigen ihrer Art und fühlten sich deshalb so sehr miteinander verbunden. Sie fragten sich, ob es auf der Erde noch andere von ihrer Art geben würde, und gingen deshalb oft gemeinsam auf die Suche.
Lui, wie alle anderen Tiere im Zoo auch, war ja Freigänger, er konnte kommen und gehen, wie er wollte. Und ganz oft, wenn er seine Flügel ausbreitete, um mit einem großen heftigen Schwung in die Luft zu schießen, war eine kleine Mohnblume dabei. Sie befand sich dann direkt neben dem rechten Ohr von Lui unter einer Schuppe. Von hier aus konnte Mone am besten sehen, und wenn sie was sagte, konnte es Lui am besten hören. So erkundeten sie gemeinsam die Welt, flogen bis zur Wolke 7 und zurück oder suchten die Täler und Berge ab oder flogen über das Meer und fragten die Wale, ob sie vielleicht einen anderen Drachen und Pflanzenwandler gesehen hätten. Immer wenn sie weit genug weg von der Stadt waren, landete Lui, damit sich Mone, die Mohnblume, in Mone, den Menschen, verwandeln konnte. Dann setzte sie sich auf Luis unteren Hals, stützte die Füße gegen seine Flügel und ließ sich vom Wind die Haare zerzausen. Die beiden genossen diese Momente in vollen Zügen, fliegen ist einfach Freiheit.
Heute jedoch war Mone in Luis Freigehege gegangen, um ihren Pflichten als Zoo-Pflegerin nachzukommen. Sie kontrollierte die Fressvorräte, fragte Lui nach seinem Befinden und ob er irgendwas benötigen würde. Früher, als Lui noch kleiner war, da wog sie ihn noch und maß nach, ob er denn gewachsen sei. Das war heute schlicht und einfach nicht mehr möglich. Für Luis Ausmaße gab es keine geeignete Waage im Zoo und schon gar kein Maßband. Heute musste sie auch nicht mehr seine Häufchen wegmachen, was sie früher schubkarrenweise erledigt hatte. Lui hatte schnell gemerkt, dass das nicht grad die Lieblingsbeschäftigung von Mone war und ging dazu über, ein paar Flügelschläge weiter im Wald seine mittlerweile großen Haufen zu hinterlassen. Da traf es sich gut, dass der Wald nicht für Wanderer geeignet war und sich dort auch sonst niemand aufhielt. Drachen machen nämlich auch lieber ungestört ihr Geschäft.
Mone war zufrieden, weil Lui auch zufrieden war, denn der hatte es sich zwischenzeitlich schon gemütlich mit Mika und Heiko eingerichtet. Er bat Mone dazu, doch sie musste wohl noch zu den anderen Tieren schauen und war so schnell verschwunden, wie sie gekommen war.
Während Lui grinste, sagte Mika, dass er nun nach Hause müsse, die Hausaufgaben würden wohl noch warten. Heiko sprang daraufhin in seine Brusttasche, Mika gab Lui noch einen dicken Kuss auf den Bauch und sprang auf sein Hyperboard.
Während er schwebte, drehte er noch mal seinen Kopf zu Lui und sah unten im Gehege eine Mohnblume stehen. War die vorhin auch schon da gewesen, fragte er sich, winkte noch mal seinem Drachenfreund zu und schwebte schnell nach Hause.
Mama wartete schon auf Mika und Mika kannte diesen Blick. Er begrüßte sie fix mit einem Küsschen und huschte in sein Zimmer. Immer diese Hausaufgaben, dachte er, dabei gab es doch so viel anderes Schönes zu tun. Da erging es Mika wohl wie allen anderen Kindern. Obwohl – manche Kinder bevorzugen es ja, zu Hause am Rechner oder mit der Spielkonsole zu daddeln, das war Mika jedoch fremd. Er wusste, dass der beste Spielplatz die Natur war. Und um seine Freunde zu sehen, musste man halt Zeit investieren, was Mika sehr gern tat.
Nun aber waren die Hausaufgaben zu erledigen und Mika machte heimlich den Fernseher in seinem Zimmer an. Er stellte den Ton ganz leise, damit Mama das nicht hörte. Sie mochte es gar nicht, wenn der Fernseher lief und Mika sich doch lieber auf seine Aufgaben konzentrieren sollte.
Es liefen gerade Nachrichten, die von einem Waldbrand berichteten. Einem großen Waldbrand, ganz weit entfernt, und Tausende Feuerwehrmänner kämpften dort Tag und Nacht gegen die Flammen. Dann ging die Tür auf und Mama schaute herein. Oh nein. Mika machte wortlos den Fernseher wieder aus und setzte sich an seinen Schreibtisch. Mama sagte nur, dass in einer halben Stunde das Abendbrot fertig sei.
Mika erledigte seine Aufgaben, die Familie aß gemeinsam am Tisch und tauschte sich aus, was der Tag so gebracht hatte. Mika war erstaunlich ruhig dabei, ihm gingen die Bilder aus dem Fernsehen nicht aus dem Kopf. Wie gern wäre er doch gerade dabei, um den Feuerwehrmännern zu helfen. Er wusste zwar noch nicht, wie, weil er so einen gewaltigen Brand noch nie gesehen hatte, aber er hatte das starke Bedürfnis zu helfen.
Als seine Mama ihn ins Bett brachte, streichelte sie ihm über den Kopf. „Na, du kleiner Held, grübelst du schon wieder?“
„Ja, Mama. Ich möchte gerne bei dem Waldbrand helfen, den ich vorhin in den Nachrichten sah und weiß noch nicht, wie. Hast du eine Idee?“
Nein, das hatte sie auch nicht.
Als Mama raus war, zog er sich die Decke bis zur Nasenspitze und musste grinsen. Was war das wieder für ein Tag? Mit Heiko, Frau Schnickenfittich, Mone und natürlich mit Lui. Da erinnerte er sich an seine Gedanken und hing diesen weiter nach.
LUI IST WEG
Lui durfte nach seinem Auftauchen im Garten bei ihnen bleiben. Papa hatte sich gegen Mika und Mama nicht wehren können, die beiden waren so vernarrt in diesen kleinen Drachen gewesen. Sie hatten jetzt ein Haustier, und was für eins. Papa wollte eigentlich mit Lui zum Tierarzt, um diesen untersuchen zu lassen und mit ihm über den Drachen zu reden. Mikas Mama hielt das für keine gute Idee. Erstens schien Lui nicht krank zu sein und zweitens, was sollte bei so einem Gespräch herauskommen? Da würden wahrscheinlich alle Alarmglocken läuten und wer weiß, was die mit Lui gemacht hätten. Nein, kommt Zeit, kommt Rat, sagte Mama immer und so sollte es bei Lui auch sein.