Millionaire`s Rock - Sein geheimes Leben - Karin Koenicke - E-Book
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Millionaire`s Rock - Sein geheimes Leben E-Book

Karin Koenicke

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Beschreibung

Er ist reich, er ist bekannt - und er hat eine geheime Leidenschaft, die ihn alles kosten kann!
Scott Kerrington hat mächtigen Ärger am Hals. Der Deal, mit dem er seinen Konzern retten will, steht vorm Platzen und der Aufsichtsrat droht mit Konsequenzen. Um Druck abzulassen nimmt Scott sich gern eine Frau mit ins Schlafzimmer oder eine Gitarre zur Hand – nach fünf Whiskys ausnahmsweise auf der Bühne einer Bar. Journalistin Allyson hasst drei Dinge: Lakritzbonbons, die Firma des arroganten Scott Kerrington und neuerdings die Boston New Gazette, denn dort hat man ihr gekündigt. Ihre einzige Chance wäre, eine Knallerstory aufzutreiben. Doch wo findet man die? Der Auftritt einer Rockband in Jimmy's Musicbar lässt sie eine äußerst heiße Fährte aufnehmen.
Ein rasanter Liebesroman mit Humor und viel Musik - let's rock!

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1. Zoe-Maus
2. Der Deal
3. Jimmy's Musicbar
4. Fender Strat
5. Sharp
6. Tattoo
7. Dessous
8. Black Podium
9. Das Groupie
10. Der Morgen
11. Fotos
12. Schlaf
13. Besuch
14. Überraschung
15. Recherche
16. Fotoshooting
17. Stairway to heaven
18. Decaf
19. Entscheidung
20. Nishimura
21. Schlagzeilen
22. Sturm
23. Standpauke
24. Pressekonferenz
25. The Story behind
26. Saturday Night Show
27. Schlussakkord
Undercover Rock
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Millionaire's Rock

Sein geheimes Leben

 

Roman

 

von

Karin Koenicke

 

 

Erstausgabe in 2017

 

 

 

Alle Rechte bei der Autorin

 

Copyright © 2017

by Karin Koenicke

Primelstr. 9

85386 Eching

Coverdesign Rebecca Russ, Sturmmöwenwww.karinkoenicke.de

Kontakt: [email protected]

 

 

 

 

1. Zoe-Maus

 

Allyson

 

Diese Frau konnte nicht mal anständig tippen! Und das als Journalistin. Wieder einmal beobachtete ich fasziniert die geballte Inkompetenz, die auf dem Platz saß, an den eigentlich ich gehörte.

Sie sah auf, unsere Blicke trafen sich. „Allyson, sorgst du endlich dafür, dass dein Foto gegen meines ausgetauscht wird?“, herrschte sie mich an.

„Klar, ich kümmere mich darum“, rang ich mir ab.

Zoé Hawler war die Tochter des Big Bosses. Also nicht nur des Chefredakteurs, sondern des Inhabers der Boston New Gazette, und deshalb hatte sie freie Auswahl gehabt, in welchem Ressort sie arbeiten wollte. Wie sollte es anders sein, Miss „Was kostet die Welt“ hatte sich ausgerechnet für meine Rubrik The Story behind entschieden. Das war mein Herzensprojekt gewesen, denn ich liebte es, hinter die Kulissen zu schauen, echte Menschen zu portraitieren, das ganz Besondere an ihnen herauszufinden und den Lesern nahe zu bringen. Zoé hingegen suchte sich im Internet irgendwelchen Trash zusammen und machte aus meiner Rubrik ein Sammelsurium langweiliger Artikel über Promis. Tja, nun drückte sie ihren Dior-gekleideten dürren Hintern in meinen Stuhl und tat so, als würde sie tippen. Dabei wusste doch jeder, dass sie von Journalismus keinen Schimmer hatte und eine richtig gute Story nicht mal erkennen würde, wenn sie ihr wie eine Kokosnuss vor die Füße fiel.

Ich seufzte tief und widmete mich wieder der Computertastatur auf meinem Schreibtisch, allerdings in deutlich höherer Geschwindigkeit als Zoé. Seit sie meinen Job übernommen hatte, durfte ich mich mit Wirtschaft und Finanzen herumschlagen. Etwas Langweiligeres konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Ich hasse nichts mehr als Bilanzzahlen und Börsenkurse. Was ein Optionsgeschäft ist, wird mir immer ein Rätsel bleiben, und mit Gesetzestexten könnte man mich normalerweise über den Charles River jagen. Aber es half nichts, ich setzte mich natürlich brav mit all diesen Dingen auseinander, das war eben jetzt mein Job. Das mit ihrem Foto über The Story behind würde ich klären, wenn ich hier fertig wäre.

„Allyson“, dröhnte die Stimme von Zach aus seinem rauchgeschwängerten Büro. „Ist der Artikel über die Umgestaltung der Smithson Company fertig?“

Ich hatte die Seiten gerade ausgedruckt und durchgesehen, also sprang ich auf und marschierte zu seinem Glaskasten.

„Hier ist er.“ Ich legte die beiden Blätter auf seinen Schreibtisch, der vor alten Ausgaben unserer Zeitung, Artikeln für den kommenden Tag und zwei Tellern mit Donuts überquoll.

„Okay. Ich knöpfe ihn mir gleich vor. Und komm heute Abend nach Dienstschluss zu mir.“ Er blickte nicht auf, sondern hielt den Kopf gesenkt.

„Wenn du meinst, ich quetsche mich Lewinsky-mäßig unter deinen Schreibtisch, bist du bei mir falsch. Das gehört zum anderen Ressort, du kannst ja Zoé fragen.“ Ich grinste, weil ich wusste, dass er von der Kuh genauso wenig hielt wie ich.

„Wir reden später“, erwiderte er nur und vergaß zu lachen.

Gosh, das klang ganz schön sachlich. Seit wann hatte Zach keine schlagfertige Antwort parat? Nun ja, er war offenbar gerade im Stress und deshalb nicht weiter auf meinen Joke eingegangen, das war kein Problem für mich.

Außerdem konnte ich mir gut vorstellen, was er mir zu sagen hatte. Nicht nur den Redakteuren, sondern sicher auch den Lesern war inzwischen aufgefallen, dass Zoé-Maus eine taube Nuss war. Klar, man konnte sie nicht einfach vor die Tür setzen, aber Zach würde bestimmt wollen, dass ich den einen oder anderen Artikel zusätzlich zu ihrem Zeug beisteuerte. Sollte sie ruhig weiter Kleinkram aus dem Internet zusammensuchen und sich wichtig fühlen, ich konnte regelmäßig einen größeren Hintergrundbericht liefern. Und zwar einen richtig guten, mit Wortwitz, Struktur, Spannung. Unsere Leser liebten so etwas und vermissten meine Beiträge garantiert schon schmerzlich.

 

Als die meisten Kollegen sich auf den Heimweg gemacht hatten, atmete ich ein paar Mal tief durch, um meine Lunge mit Sauerstoffvorrat zu versorgen, und betrat dann Zachs Glaskasten von Neuem.

Ich ließ mich ihm gegenüber auf den Stuhl fallen. „Hier bin ich. Worüber willst du mit mir reden?“

Sein graues Gesicht sah heute noch faltiger aus als sonst. Ganz offensichtlich bereitete ihm die Sache Zoé ordentliches Kopfzerbrechen.

„Weißt du, das Blatt verkauft sich die letzten Wochen nicht mehr so gut wie früher“, begann er.

Ich zog die Augenbrauen hoch. Dass sich Zoés Murkserei sogar auf den Absatz unserer Zeitung auswirkte, hätte ich nicht gedacht. Aber egal, es war ja eine Lösung in Sicht. Ich straffte die Schultern und wartete auf seine frohe Botschaft für mich.

Er nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette. Blies den Rauch langsam nach oben, als müsse er nachdenken. „Du hast ja sicher auch schon gehört, wie andere Zeitungen mit so etwas umgehen“, sagte er schließlich. „Man muss Maßnahmen ergreifen. Daran kommt man nicht vorbei.“

„Klar, Zach“, erwiderte ich in ruhigem Ton. „Man kann die Dinge nicht einfach so weiterlaufen lassen.“ Er wollte bestimmt, dass meine Hilfeleistung für Zoé unter uns blieb. Das war verständlich und stellte keine Schwierigkeit dar, ich konnte schweigen wie ein Grab.

Zach stieß einen erleichterten Seufzer aus. „Gott, ich bin so froh, dass du Verständnis dafür hast! Ich hatte echt Angst, dass es dir zusetzt. Du bist echt klasse, Allyson.“

Ich lachte. „Ach komm schon, alter Mann. Was soll mir so schrecklich zusetzen? Ist doch keine große Sache.“

Okay, ich würde sicher nicht offiziell wieder zum Gesellschaftsteil wechseln, sondern nach außen hin weiter im Wirtschaftsressort arbeiten. Und Zoé würde quasi meine Chefin sein. Aber das war egal. Ich war heilfroh, endlich keine langweiligen Zahlen mehr recherchieren zu müssen, sondern mich wieder Menschen und ihren Geschichten zuwenden zu dürfen.

„Gut.“ Er wirkte mit einem Schlag viel munterer, zog ein Stück Papier aus einem Stapel und legte es mir vor die Nase. „Du machst morgen noch die Pressekonferenz von KeBoPharm und ab dem 15. nimmst du deinen restlichen Urlaub. Und wenn die Zeiten besser werden, rufe ich dich an.“

„Urlaub?“ Meine Stimme schraubte sich in luftige Höhen. Ich warf einen schnellen Blick auf das Dokument.

„Aufhebungsvertrag?“ Das kam noch eine Oktave schriller. „Sag mal, hast du einen totalen Vogel?“

Zachs Blick war das reine Erstaunen. „Wieso? Du hast doch gerade eben gesagt, dass du Verständnis dafür hättest!“

„Was? Doch nicht dafür! Ich dachte … Ich bin davon ausgegangen, dass du mich Zoé zur Seite … Verdammte Scheiße, Zach!“

Das musste ein Witz sein. Ja, genau. Jeden Moment würden all meine Kollegen aus den Schränken springen, laut „Überraschung!“ rufen und mir zu meiner langverdienten Beförderung gratulieren. Ich drehte mich erwartungsvoll herum. Leider war da gähnende Leere. Keine einzige Luftschlange in Sicht.

„Zoé kriegt das alleine gar nicht hin“, stieß ich angewidert hervor.

Zach hatte immer noch diesen schrecklich ernsten Blick. „Die Sachen, die sie abliefert, sind doch halbwegs okay. Und sie können wir nicht entlassen.“

„Aber mich schon oder wie?“, fuhr ich ihn an. Was zum Teufel dachte sich der Kerl nur?

„Na ja, du weißt doch. Sozialplan und so“, nuschelte er. „Du bist die Jüngste und noch nicht so lang dabei.“

Fantastisch. Jetzt wurden mir meine 27 Jahre auch noch zum Verhängnis. War es denn meine Schuld, dass die Redaktion nur aus alten Knackern bestand?

„Wenn es um soziale Belange geht …“, startete ich einen Rettungsversuch, „… du weißt doch, was mit meiner Mom los ist. Verdammt, Zach, ich bin auf das Geld angewiesen!“

Er klappte den Deckel seiner Zigarettenschachtel auf und wieder zu, um mich nicht anschauen zu müssen.

„Das ist mir schon klar. Aber was soll ich machen? Jeder hier braucht das Gehalt. Und ich kann ja wohl kaum Jonathan mit seinen fast sechzig Jahren rauswerfen. Der findet nie mehr was. Du schon.“

Leider hatte er recht. Außer Zoé waren wir alle arme Schlucker und viele hatten Kinder zu ernähren. Ich allerdings auch jemanden, meine Mutter, die schwerkrank und auf teure Behandlungen angewiesen war.

Ich sank auf dem Stuhl zusammen, als hätte mir jemand die Luft ausgelassen.

„Keine Chance mehr, Zach?“

Ein trauriger Zug lag auf seinem zerfurchten Gesicht. „Tut mir echt leid, Allyson. Da müsstest du schon mit einer totalen Knallerstory kommen, dann könnte ich beim Big Boss vielleicht noch was machen. Allerdings ist selbst das nicht sicher.“

Sein Schulterzucken unterstrich die Aussage und nahm mir den letzten Hoffnungsschimmer.

Was für ein gottverdammter Mist!

2. Der Deal

 

Scott

 

„Wir werden über Ihr äußerst freundliches Angebot gerne nachdenken, Mister Kerrington“, behauptete der Vorsitzende der japanischen Delegation und deutete eine Verbeugung an. Dabei saß er am Verhandlungstisch und stand nicht auf einer Opernbühne.

Oh Mann, diese zwanghafte Höflichkeit ging mir auf den Sack. Und natürlich musste ich jetzt auch freundlich reagieren, den Mann anlächeln und ihm großzügige Bedenkzeit einräumen. Dabei war ich, als ich vor zwei Stunden den nobelsten meiner Besprechungsräume betreten hatte, sicher gewesen, den Deal heute endlich fix machen zu können! Wir brauchten den asiatischen Markt unbedingt, wenn wir weiter global mitspielen wollten. Sonst sah es für die Zukunft des Konzerns deutlich schlechter aus.

Dreißig Prozent unter dem normalen Preis wollten diese Halsabschneider nur zahlen, außerdem den Vertrag auf lediglich zwei Jahre befristen.

Hielten die Japaner KeBoPharm für ein Kleinunternehmen, das man nach Belieben herunterhandeln konnte? Wir waren nicht umsonst Marktführer in Nordamerika, was Blutdrucksenker und Medikamente für die üblichen Wohlstandskrankheiten betraf, und lagen auch in allen anderen Bereichen hervorragend im Rennen. Selbst nach Europa exportierten wir ganze Serien, aber Asien stand eben noch aus.

Ich setzte mich aufrecht hin, um ihn allein schon mit meiner Größe zu beeindrucken, und sah ihm direkt in die Augen.

„Eine Ausweitung unseres Geschäftsbereichs in den asiatischen Raum wäre natürlich begrüßenswert“, bestätigte ich erneut. „Selbstverständlich müssen wir trotzdem unsere Kostenkalkulation berücksichtigen.“

„Das ist uns bewusst, Mister Kerrington.“ Wieder dieses joviale Lächeln, das ich ihm am liebsten aus dem Gesicht poliert hätte. „Wir melden uns in den nächsten Tagen telefonisch bei Ihnen. Vielen Dank für Ihre Zeit, es war uns eine Ehre, mit Ihnen sprechen zu dürfen.“

Dämliches Gesülze! Ich wollte endlich die Verträge unter Dach und Fach bringen, nicht schon wieder die Unterzeichnung vertagen. Keinen Schritt waren wir vorangekommen und das gefiel mir ganz und gar nicht.

Wir standen vom glänzenden Tisch auf. Phyllis, meine persönliche Assistentin, und der Leiter unserer Auslandsabteilung geleiteten die Japaner hinaus. Als sie mir die Hand schüttelten, musste ich nach unten greifen, denn ich überragte die beiden um einen halben Kopf.

Das war längst nicht so glatt gelaufen, wie ich geplant hatte. Und so etwas hasste ich wie die Pest. Ich hatte wochenlang alles vorbereitet für diese Verhandlungen, mir fast jeden Abend um die Ohren geschlagen, wie verrückt gearbeitet – und nun zögerten die Asiaten ständig. Geduld gehörte leider nicht zu meinen Stärken und normalerweise bekam ich, was ich wollte.

Schlecht gelaunt marschierte ich zurück in mein Büro. Für das fantastische Panorama über Boston hatte ich kein Auge. Von den Büroräumen der Firma aus sah man bis zum Meer und unser Gebäude spiegelte sich wie ein ebenbürtiger Gegner in der Fassade des funkelnden John Hancock Tower. Nicht von allen Räumen natürlich, ich als CEO des Pharmakonzerns hatte logischerweise das eindrucksvollste Büro.

Dafür war meine Assistentin ein eher unauffälliges Modell, was mir recht war. Phyllis war schlau, fleißig und fast doppelt so alt wie ich, also perfekt, um mich nicht von meinen Aufgaben abzulenken.

„Wenn die den Preis so drücken wollen, kommen wir wohl nicht ins Geschäft“, stellte sie stirnrunzelnd fest, als sie kurze Zeit später mein Büro betrat.

„Abwarten.“

So schnell gab ich nicht auf. Ich würde mir noch irgendein Angebot überlegen, um den Japanern den Deal schmackhaft zu machen wie ein Nigiri-Sushi mit ordentlich Wasabi. Wir brauchten den Markt in Asien dringend, um unsere neuen Produktionsstätten voll auszunutzen. Und ich saß schließlich nicht nur auf diesem Ledersessel, weil mein Großvater KeBoPharm gegründet hatte, sondern auch, weil ich wusste, was ich tat, und extrem hart schuftete.

„Dann bleibt der Termin für die Pressekonferenz übermorgen bestehen?“ Phyllis schob ihre Brille zurecht und hielt einen Schreibblock bereit. Sie war ein wahres Juwel unter den Assistentinnen.

„Natürlich. Wir werden wie geplant unsere Quartalszahlen präsentieren. Den Deal erwähne ich dann eben nur andeutungsweise.“

Was Bockmist war. Ich hatte vorgehabt, die versammelte Presse mit der Erschließung eines neuen Marktes zu beeindrucken und die Zukunft des Konzerns in schillerndsten Farben zu präsentieren. Jetzt musste ich sie mit Gerüchten abspeisen und mit langweiligen Bilanzzahlen bei Laune halten.

„In Ordnung. Ich bereite alles vor und drucke Ihnen die abgeänderten Eckpunkte für Ihre Rede aus. Brauchen Sie sonst noch etwas, Scott?“

„Nein. Fahren Sie heim und machen Sie sich einen schönen Abend“, entließ ich sie.

Es war spät geworden, halb acht. Die Sonne war dabei, den Skyscrapern einen rötlichen Anstrich zu verleihen, was irgendwelche Romantiker bestimmt entzückt seufzen ließ. Sicher waren die Gehwege hier im Finanzdistrikt der City nicht mehr so belebt. Die Menschen saßen zu Hause, aßen gemeinsam Hackbraten oder gingen zu einem Baseballspiel in den Fenway Park, um ein paar Bällen hinterherzujubeln.

Ich wandte mich meinem PC zu, rief die letzte Kalkulation auf und rechnete noch eine Stunde herum. Diese verfluchten Japaner mussten doch irgendwie zu knacken sein!

Zu Hause wartete niemand auf mich, also musste ich mich nicht beeilen. Trevor war seit Jahren daran gewöhnt, mein Essen vorzubereiten und erst dann in den Ofen zu schieben, wenn ich die Limousine bestellte.

Irgendwann wurde es mir zu dumm. Ich schaltete den Computer aus, legte die Hände an meinen Nacken und massierte mit beiden Händen die schmerzenden Muskeln. Vielleicht würde ich mir später noch zum Spannungsabbau eine Frau kommen lassen. Ich hatte ein Zimmer im „Hotel Imperial“ dauergemietet, dort konnte ich zwischendurch Druck loswerden, wenn mir danach war. Trevor hatte eine absolut verschwiegene Agentur aufgetan, die hübsche Girls zur Verfügung stellte. Da mein Trinkgeld auch nicht gerade gering ausfiel, hatte ich freie Auswahl in ihrer Liste. Oft jedoch hatte ich keine Lust wegzugehen, dann verkroch ich mich für eine Stunde in meinem Fitnessraum oder im schallisolierten Musikzimmer, wo ich mit meinem Baby herumspielte, einer herrlichen Gibson SG.

Aber heute stand mir der Sinn nicht nach Gitarre, ich wollte eine Frau, sie greifen und unter mich bringen und stoßen, bis ich alles um mich herum vergaß. Wenn schon der Tag so miserabel gelaufen war, sollte ich mir zumindest einen befriedigenden Ausgang gönnen, das hatte ich mir verdient.

3. Jimmy's Musicbar

 

Allyson

 

Es war mindestens zwei Jahre her, seit ich zum letzten Mal in diese Musikkneipe marschiert war. Linda hatte ihren Junggesellinnenabschied gefeiert und uns alle hierher geschleppt, weil ihr der Drummer von irgend so einer dahergelaufenen Metalband gut gefallen hatte. Und das ein paar Tage vor der Hochzeit! Na ja, sie war an dem Abend brav geblieben, abgesehen von einigen Whiskycola zu viel, die dann jenseits von Mitternacht auf dem Parkplatz in ein paar Büschen gelandet waren.

Auf meine gestrige panische Rundmail an alle Freunde, Bekannte und sonstigen Adressen in meiner Liste hatte sich immerhin ergeben, dass Jimmy‘s Musicbar dringend eine Bedienung suchte.

Das war weiß Gott kein Traumjob, aber ich durfte nicht wählerisch sein. Die Boston New Gazette würde mir nur noch ein einziges Mal Gehalt überweisen, also sollte ich besser in Gang kommen. Wenn ich etwas Richtiges gefunden hätte, würde ich hier wieder kündigen, das stand fest. Es ging jetzt einfach mal darum, Zeit zu überbrücken.

Als ich die Tür öffnete und die Kneipe betrat, schlug mir der bekannte Geruch nach verschüttetem Bier, billigem Whisky und verschwitzten Jeanshemden entgegen. Es war erst kurz nach sieben und die Band – drei langzottelige Althippies – baute gerade ihre Instrumente auf.

Ein paar Gestalten, die offenbar zur Inneneinrichtung gehörten, zumindest sahen sie so aus, lungerten an der Theke herum. Genau auf diese steuerte ich zu, weil sich hinter ihnen eine dralle Blondine an der Kasse herumdrückte. Bei einem Dolly Parton Look-alike Wettbewerb hätte sie den ersten Platz belegt. Ihr Dekolleté war üppig, die Lippen knallrosa, aber das Lächeln, mit dem sie mich begrüßte, von echter Freundlichkeit.

„Bist du Allyson?“, fragte sie mich, während die Kasse ratterte und einen langen Streifen ausspuckte.

„Ja genau, ich habe angerufen. Wegen des Jobs.“

„Okay. Ich bin Suzie, mir gehört der Laden. Ursprünglich hieß er tatsächlich Suzie‘s Bar, nur gingen die Leute dann immer davon aus, dass es nur Cocktails und so Mädchengesöff gibt. Also hab ich mich für einen Männernamen entschieden.“

Wie zum Beweis, dass harter Alkohol nicht nur was für toughe Kerle war, schenkte sie sich einen Bourbon ein und kippte ihn gleich auf einen Satz hinunter. Ihre Stimme klang so, als würde sie das nicht zum ersten Mal tun, und erinnerte mich an einen alten Blecheimer, über den John Wayne auf dem Weg in den Saloon stolperte.

„Hast du schon mal bedient?“, fragte sie mich.

„Ist ne Weile her“, gab ich zu. „An der Uni habe ich mir was dazuverdient und dort im Café ausgeholfen.“

Sie sah mich mit zusammengezogenen Brauen an. „Du bist aber nicht eine von diesen Harvard-Tussis? Mit denen habe ich nur schlechte Erfahrungen gemacht.“

Schnell winkte ich ab. „Gosh, nein! Ich hatte weder das Geld für Harvard, noch war ich so ein Überflieger in der Highschool, dass es für ein Stipendium gereicht hätte.“

„Gut so“, lobte sie. „Ich zeig dir, wo alles ist, komm mit!“

Allem Anschein nach hatte ich die Prüfung bestanden und war angestellt – zumindest für eine Probeschicht.

Suzie erklärte mir, wie die Kasse funktionierte, wo die schmutzigen Gläser hingehörten und wie viel ich einschenken sollte. Nebenbei steckte sie sich eine dicke Zigarre an, wie es sonst nur Mafiabosse im Kino taten. Ich nahm an, die Cops tranken hier umsonst und drückten deshalb beim Rauchverbot ein Auge zu.

Die Theke in Jimmy‘s Musicbar war etliche Meter lang und machte einen Bogen. Ich bekam die hintere Hälfte zugeteilt, während Suzie die vordere übernahm. Zwei Bedienungen würden später ebenfalls noch kommen und im großen Raum zwischen Theke und Bühne herumwuseln. Es gab ein paar Tische außen herum, doch wenn die Band gut war, spielte sich bestimmt das meiste in dem Freiraum direkt vor der Bühne ab.

Mit jeder Minute füllte sich die Bar mehr und mehr. Ich hatte alle Hände voll zu tun. Bier zapfen, Geld kassieren, alte Gläser in den Gastro-Geschirrspüler räumen und später wieder herausholen, mich der Anmachversuche von Altrockern und Pickelknaben erwehren.

Rund um die Bühne, wo die Band inzwischen Reggae-Klassiker spielte, waren die Wände mit Postern vollgepflastert. Eine der Bands kannte ich, sie waren die angesagten Newcomer! Evil Medicine nannten sie sich und die erste Single-Auskopplung ihres Albums wurde in jeder Radiostation rauf- und runtergespielt. Bisher war mir noch kein Foto der Band untergekommen, also musterte ich die Poster. Die fünf Jungs mit ihren Gitarren und Lederjacken sahen zugegebenermaßen nicht schlecht aus und die Musik klang auch okay. Ich mochte bodenständigen Rock. Kannte mich zwar nicht besonders gut aus, aber die Hits von den Chili Peppers, Guns N‘ Roses oder Green Day konnte ich natürlich mitgrölen.

„Die treten regelmäßig hier auf, was echt ne Sensation ist.“ Suzie hatte meinen Blick auf die Poster bemerkt. „Bin total stolz, dass die Jungs immer noch hierher kommen. Sie sind richtig im Kommen, spielen eigentlich schon in den großen Hallen. Doch hier haben sie ihre ersten Schritte gemacht, deshalb halten sie mir noch die Treue. Der Laden ist dann immer rammelvoll.“

Sie stellte vier Gläser eng nebeneinander auf und goss mit einer einzigen Bewegung Wodka in alle, schob sie den wartenden Gästen hin und sammelte die Dollarnoten ein, während sie mir gleichzeitig zuzwinkerte.

Ich war langsamer als sie, hatte jedoch gigantischen Ehrgeiz. Außerdem durfte ich mein Trinkgeld behalten. Deshalb zapfte ich mit beiden Händen synchron, nahm schon die nächsten Bestellungen entgegen und ließ die Kerle das Geld auf den Tresen legen.

„Das machst du gut“, lobte mich Suzie. „Wenn du willst, kannst du jeden Abend kommen. Mach dich allerdings am Mittwoch auf was gefasst, da spielen Evil Medicine und da flippen hier alle aus.“

„Ich bin bereit für alles“, antwortete ich. Wie genial, ich hatte einen Job! Zumindest bis ich in einer anderen Redaktion untergekommen war, würde mich das hier über Wasser halten. Da ertrug ich zur Not auch den Biergestank und die plumpen Finger der Biker, die versuchten, mich anzutatschen. Für eine begrenzte Zeit konnte man das aushalten.

 

*

 

Als mich der Wecker am nächsten Morgen wach klingelte, hätte ich ihn am liebsten aus dem Fenster meiner mickrigen Bude geworfen. Verdammt, ich war doch gerade erst ins Bett gefallen! So fühlte es sich zumindest an. Mein Kopf brummte und meine Füße taten weh von der stundenlangen Thekensteherei gestern Nacht. Doch ich hatte einige Scheinchen geerntet, das war das einzig Wichtige.

Halb benommen tappte ich in Richtung Badezimmer und stellte mich erst mal unter die Dusche, um überhaupt in die Gänge zu kommen. Wie jeden Tag föhnte ich mir meine schreckliche Naturkrause glatt, damit ich unter die Leute gehen konnte. Ich war auf diesem Planeten die einzige Rotblonde – außer Nicole Kidman in jungen Jahren – , die sich tagtäglich mit einem Afrolook herumschlug. Bei Rihanna sah so eine Frisur super aus, bei mir nicht. Also rückte ich meinen schwer zu bändigenden Locken jeden Morgen mit Föhn und Glätteisen zu Leibe, bis sie sich brav zu einer glatten Banane am Hinterkopf einschlagen ließen.

Heute stand immerhin der letzte Termin meines Lebens bei der Boston New Gazette an, da wollte ich wie eine seriöse Journalistin daherkommen, nicht wie eine Popqueen aus Barbados.

Als ich eine Stunde später den Saal betrat, in dem die Pressekonferenz stattfand, verstärkte sich mein Kopfschmerz. KeBoPharm war für mich ein rotes Tuch. Die Firma hatte die Gesundheit meiner Mom ruiniert, aber sich natürlich nie etwas nachweisen lassen. Dabei waren es auf den ersten Blick nur harmlose Kreislauftropfen gewesen, die sie gegen ihre seltenen Schwindelanfälle verschrieben bekommen hatte. Doch nach dreimaliger Einnahme war sie plötzlich mit einem Schlaganfall zusammengebrochen und hatte sich nie wieder richtig erholt. Kein Mensch konnte den Zusammenhang nachweisen. Klar, bei den unerwünschten Nebenwirkungen des Billigpräparats stand was von leicht erhöhtem Thrombose-Risiko und ein paar Monate später flog das Medikament seltsamerweise aus dem Sortiment von KeBoPharm. Aber das half meiner Mom logischerweise nichts mehr, sie ist seither ein Pflegefall und hat nie einen Dollar erstattet bekommen, obwohl sich damals im Internet die Berichte über solche Nebenwirkungen gehäuft hatten.

Und nun saß ich also in der zweiten Reihe einer Blenderveranstaltung, in der man uns Presseleuten wieder mal beschönigte Zahlen und einen so hellen Ausblick auf die Unternehmenszukunft bieten würde, dass wir sicher Sonnenbrillen auf unseren Nasen benötigten.

Ich hasste solche Präsentationen.

Um mich herum tummelten sich Fotografen und ernst dreinblickende Männer in billigen Anzügen und Spießerfrisuren, die Blöcke in der Hand hielten. Genau wie ich. Wie Kinder im Puppentheater starrten wir nach vorne, als die Show begann. Hereinmarschiert kamen die Pressesprecherin des Konzerns, eine kühle Blonde mit dünnen Augenbrauen, der dickliche Leiter der Finanzabteilung – und Scott Kerrington. Ich hatte sein Foto schon damals auf der Homepage der Firma gesehen, als ich wegen Moms Sache recherchiert hatte. Und in der Zeitung war auch mehrfach über ihn berichtet worden, er war schließlich einer der jüngsten CEOs der Stadt, dazu noch einer der begehrtesten Junggesellen. Bei seinem Aussehen war das kein Wunder. Er war groß und trainierte offenbar regelmäßig, denn unter seinem gut sitzenden Anzug zeichneten sich deutlich seine Brustmuskeln ab. Sein markantes Gesicht hätte man locker auch in einer Anzeige für Angeber-Chronographen oder überteuerte Füller verwenden können. Womöglich hatte er sogar einen Werbevertrag mit einem Hersteller von Frisiercreme, denn sein braunes Haar war an den Seiten nach hinten gegelt und ordentlich in Form gebracht worden. So glattgebügelte Typen hatte ich noch nie leiden können, da halfen auch seine Augen nichts, die von seltener, hellbrauner Farbe waren.

Nein, ich fand alles an ihm abstoßend. Die gewollt geschmeidige Art, mit der er sich bewegte. Den abschätzigen Blick, den er durch die Reihen von uns Journalisten schweifen ließ. Den goldenen Siegelring, der seinen kleinen Finger zierte. War das jetzt Mode? Konnte ich mir nicht vorstellen. Wäre mir jedenfalls neu gewesen, dass der Boss eines Pharmakonzerns die Einladungen zur Hauptversammlung eigenhändig mit Wachs verschloss und über eine Handbewegung sein Siegel eindrückte.

Nach den einleitenden Worten der Pressetante war nun er an der Reihe. Gespannt verharrten eine ganze Reihe Stifte über den Blöcken, bereit, jeden seiner Sätze zu notieren, damit der Wirtschaftsteil der jeweiligen Zeitung voll wurde.

„Wir stehen vor großen Veränderungen“, begann er zu sprechen und unwillkürlich stellten sich mir alle Nackenhaare auf. Falls Scott Kerrington einen Redetrainer beschäftigte, der ihn für solche Auftritte fit machte, war dieser Mann jeden Cent wert. Seine Stimme klang voll und dunkel, verfügte über einen geheimnisvoll rauen Touch und hätte den gesamten Raum wohl auch ohne Mikrofon durchdrungen.

Trotzdem war er natürlich ein arroganter Mistkerl, der damals null Anstalten unternommen hatte, sich um die gefährlichen Nebenwirkungen dieses Medikaments zu kümmern.

„Stillstand ist der Untergang jedes Unternehmens, deshalb setzen wir mit aller Kraft auf Expansion“, fuhr er fort und erläuterte den Neubau gleich mehrerer Produktionsstätten.

Ich kritzelte ein paar Zeilen auf meinen Block. Was ich persönlich davon hielt, dass KeBoPharm sich ausbreitete wie Läuse in einem Kindergarten, konnte ich natürlich nicht verwenden. Immer schön sachlich bleiben, war die Devise.

Zu den Bilanzzahlen gab es natürlich ein Handout, die musste ich nicht notieren. Unauffällig schaute ich dem Kerl neben mir über die Schulter, um ein paar schlaue Sprüche für meinen Artikel aufzuschnappen, aber viel war da nicht zu holen.

Nach einer Stunde ging der Auftritt der drei Geschäftsleute zu Ende, sie verabschiedeten sich und standen auf. Was umgehend zu Protest in den Reihen führte.

„Was ist mit dem Japandeal?“, rief der Mann von der Financial Post in der ersten Reihe.

„Keine Fragen heute, tut mir leid“, wiegelte die Pressesprecherin schnell ab und eilte den beiden Männern hinterher.

„Der Deal ist doch nicht etwa geplatzt?“, rief ein anderer.

Scott Kerrington blieb stehen und drehte sich um. Sofort erstarben sämtliche Geräusche, alle Augen waren auf ihn gerichtet.

„Wir stehen mitten in den Verhandlungen“, erklärte er und, wie erwartet, durchdrang seine Stimme den Saal bis in den letzten Winkel. „Sie werden sicher Verständnis dafür haben, dass es unseren japanischen Geschäftspartnern gegenüber nicht fair wäre, wenn ich jetzt Details bekannt geben würde. Ich versichere Ihnen selbstverständlich, dass Sie umgehend informiert werden – sobald ich das für richtig erachte.“

Sein Blick huschte noch einmal über jeden einzelnen von uns, dann machte er auf dem Absatz kehrt und ging hinaus.

Die Journalistin in mir war jedoch hellhörig geworden.

„Was ist mit Japan?“, fragte ich den Grauhaarigen neben mir.

„Sie wollen groß in den Asienmarkt einsteigen, haben extra dafür neue Fabriken gebaut“, erklärte er. „Aber es scheint wohl Probleme mit dem Abschluss zu geben.“

„Ach stimmt, der Deal. Ja, das habe ich auch mitbekommen“, log ich, um nicht ganz dumm dazustehen.

Innerlich jubilierte ich. Geschah diesem selbstverliebten Kerl recht, dass sein Plan komplett in die Hose ging. Ich packte meine Tasche, warf Block und Stift hinein und machte mich auf den Weg zurück in die Redaktion.

Es war ein komisches Gefühl, mich an meinen Schreibtisch zu setzen und die Computer-Maske aufzurufen, in die ich meine Artikel tippte. Mein allerletzter würde das sein, zumindest für die Boston New Gazette. Ich seufzte tief. Das Team hier war nett, die Bezahlung okay und selbst in den Wirtschaftsbereich hätte ich mich allmählich eingearbeitet. Aber egal, es war nun einmal so. Nur noch das Ding hier fertig machen, dann war dieser Abschnitt meines Lebens Geschichte. Nie mehr würde ich Zachs Räucherkammer betreten, mit Nancy und Kevin lachen, mir mit Claire drüben beim Italiener eine Pizza Quattro Stagioni teilen. Mist, ich musste echt aufpassen, dass ich nicht vor Rührung feuchte Augen bekam.

„Hat er wieder Armani getragen?“, platzte eine schrille Stimme in meine frisch aufblühende Sentimentalität.

„Wie bitte?“ Ich sah auf und landete mit dem Blick in einer fliederfarbenen Seidenbluse, in die sich Zoé heute gewandet hatte.

„Du warst doch bei der Pressekonferenz von KeBoPharm“, sagte sie. „Und hast nur ein paar Meter von Scott entfernt gesessen.“ Ihre Augen verschleierten sich träumerisch. Meine Schulfreundin Carrie-Anne hatte so ausgesehen, wenn ein neuer Song von Boys II Men rausgekommen war. Sie war da dreizehn gewesen.

„Stimmt, der gute Scott war zufällig anwesend.“

Ironie war wie immer verschwendet an Zoé. Wobei ich mich ja durchaus fragte, ob sie tatsächlich auf einer first-name-Basis mit dem CEO war oder nur so tat. Das würde sie mir garantiert in den nächsten Minuten alles erzählen. Ich lehnte mich entspannt zurück und trank einen Schluck Kaffee.

„Wir waren mal gemeinsam bei einem Charity-Event“, blubberte sie auch umgehend los. „Doch leider saß ich an einem anderen Tisch. Seine Ausstrahlung nahm ich aber trotzdem wahr, er ist ein Traummann, findest du nicht, Allyson?“

Wenn man auf selbstherrliche Ken-Ankleidepuppen mit Weichei-Charme stand, war Scott Kerrington in der Tat ein Volltreffer. Das sprach ich allerdings nicht laut aus.

„Ich mag‘s eher kernig“, sagte ich stattdessen. „In Jeans und gel-freien Haaren.“

Sie konnte ihr Naserümpfen nicht ganz unterdrücken, aber das war mir egal.

„Nun ja, da gehen die Geschmäcker ganz offensichtlich auseinander“, rang sie sich ab. „Gut, was kann man von jemand mit deiner Bildung auch erwarten. Du warst ja nur an einem einfachen College. Scott war wie ich in Harvard. Eine Schande bleibt es trotzdem, dass über sein Privatleben absolut nichts nach außen dringt.“

Sieh an!

Ich setzte die Tasse ab, überhörte die Spitze gegen mich und schenkte Zoé ein Lächeln. „Das kann doch gar nicht sein. Du bist unsere klasse Society-Reporterin und hast tolle Kontakte. Hast nicht mal du herausbekommen, was er so treibt?“

Sie strich eine Strähne ihrer schwarzen Mähne zurück und steckte sich ein farblich passendes Lakritzbonbon in den Mund, kalorienfrei natürlich. Ich hasste schon allein den Geruch dieser Süßigkeit. „Das ist leider völlig unmöglich. All meine Kolleginnen haben es schon versucht, aber an Scott Kerrington kommt man einfach nicht heran. Und bei gesellschaftlichen Anlässen tritt er immer alleine auf. Es ist wirklich zum Mäusemelken, ein wahres Drama!“

Zoé gab einen entsprechend theatralischen Gesichtsausdruck zum Besten. Falls ihre Journalistenkarriere wider Erwarten im Sande verlaufen sollte, konnte sie immer noch beim Boston Opera House anfangen. Statistinnen, die überzeugend eine Mäusemelkerin spielen konnten, wurden doch immer gesucht.

„Ich muss jetzt leider weiterschreiben“, behauptete ich, um sie mitsamt ihrem Süßholzgeruch loszuwerden.

Sie nickte freundlich. „Kommt ein Bild neben deinem Text? Von Scott? Ich kann dir gerne helfen, eine sexy Aufnahme aus der Datenbank herauszusuchen.“

„Echt lieb von dir. Ich werde Zach fragen und dann auf dein Angebot zurückkommen.“

Ja, das würde ich auf jeden Fall tun – zumindest falls Zach es für sinnvoll hielt, im Wirtschaftsteil der Gazette ein Foto von einem CEO mit Sonnenbrille und in knackiger Badehose auf seiner Privatjacht abzudrucken.

Zoé trollte sich endlich zu ihren Promi-Tweets und ich beugte mich über die Quartalszahlen. Auf keinen Fall wollte ich mich mit einem schlecht recherchierten Artikel aus der Redaktion verabschieden, ich würde mich voll ins Zeug legen. Selbst wenn es sich um die Firma von diesem schrecklichen Scott Kerrington handelte.

4. Fender Strat

 

Scott

 

Natürlich hielten sich diese Aasgeier von der Presse nicht daran, dass man keine Fragen stellen sollte. Hätte mich auch gewundert. Es hieß, Politiker hätten keine Skrupel, was sicher nicht gelogen war. Aber die Presseleute standen dem in Nichts nach. Wenn ich nur daran denke, wie sie sich damals auf jedes blutige Detail gestürzt hatten, ohne einen Hauch Anstand oder Pietät …

Instinktiv ballte ich die Hände zu Fäusten. Nein, ich musste die Erinnerungen vertreiben. Schluss damit! Lieber grübelte ich noch ein wenig über den Japandeal nach.

„Ist es gut gelaufen?“, wollte Phyllis wissen, als ich auf dem Weg zu meinem Büro das Vorzimmer durchquerte.

„Wie man es nimmt. Ich habe die Presse damit abgespeist, dass wir mitten in Verhandlungen stecken. Aber die erkennen, dass das eine Floskel ist. Wir sollten längst den Vertragsabschluss verkünden und das wissen die.“

Einige von denen hatten durchaus einen Riecher für so etwas. Ich hatte die üblichen Gesichter erkannt, die immer gleichen speckigen Sakkos und lauernden Blicke. Ein paar Neuzugänge waren dabei gewesen, eine junge Frau im üblichen Business-Look, ich hatte sie kaum wahrgenommen.

„Scott?“ Phyllis sah aus, als hätte sie Zahnschmerzen. „Da ist noch was“, schob sie nach.

„Raus mit der Sprache.“

„Zoltan Nemeth will Sie sprechen. Heute Nachmittag um fünf Uhr.“

Das fehlte noch zu meinem Glück. Der Vorsitzende des Aufsichtsrats war ein gemeiner Napoléon-Verschnitt und betrachtete mich als seine persönliche Nemesis. Mit meinem Vater war er halbwegs gut ausgekommen, aber dass ein Jungspund wie ich den Thron bestiegen hatte, verkraftete er nicht. Seither lagen wir im Dauerclinch. Und der fast geplatzte Deal mit den Japanern war natürlich Wasser auf seinen Mühlen.

 

„Schön, Sie zu sehen, Scott“, begann er das Gespräch dann auch mit einer klaren Lüge. Er schüttelte mir extra fest die Hand und bot mir anschließend großzügig einen Platz an.

„Lassen Sie uns gleich zur Sache kommen, ich habe nicht viel Zeit“, setzte er hinterher.

Was zum Teufel hatte der schon anderes zu tun? Das war doch ebenfalls nur ein Trick, um sich wichtig erscheinen zu lassen. Ich wartete schon fast darauf, dass er die Hand in die Knopfleiste seiner Weste steckte und nach einem dreieckigen Hut Ausschau hielt.

„Sehr gerne, Zoltan.“ Natürlich ließ ich mich nicht aus der Ruhe bringen. Zumindest äußerlich nicht. Das beherrschte ich ganz hervorragend.

„Wie steht es um unsere Neubauten? Liegen wir bei beiden Werken im Zeitplan?“ Zoltan Nemeth hatte die hellsten Augen, die ich jemals bei einem Menschen gesehen habe, und sie bohrten sich wie Pfeile in mein Gesicht.

„Absolut. Wir konnten die kleine Verzögerung bei dem Werk an der Küste wieder aufholen. Alles läuft perfekt nach Plan.“

„Soso, tut es das.“ Ich wusste, worauf er hinauswollte, dieser Mistkerl. Und er würde es mir im nächsten Augenblick hinreiben, das spürte ich.

„Ja, ich bin sehr zufrieden mit dem Baufortschritt.“

Seine wasserblauen Augen wurden schmal. „Mit dem Voranschreiten der Verhandlungen mit unseren Geschäftspartnern aus Japan aber nicht, nehme ich an?“

Da war er schon, sein Dolchstoß.

„Sie haben sich noch etwas Bedenkzeit gewünscht“, musste ich zugeben.

„Was für ein Schrott!“, platzte er laut heraus. „Verflucht nochmal, Scott, Sie haben uns versichert, dass sie den Deal unter Dach und Fach bekommen. Und zwar problemlos! Nur deshalb haben wir zugestimmt zum Bau der neuen Werke.“

Meine Finger krallten sich um die Stuhllehne.

„Das werde ich auch! Ich lege dem Aufsichtsrat den Vertrag bald vor, da können Sie sicher sein.“

„Und wenn nicht?“ Er war immer noch laut. „Dann steht KeBoPharm mit zwei kaum ausgelasteten neuen Werken da? Die Aktionäre werden unsere Papiere abstoßen und Sie sind Ihren Job los, das garantiere ich Ihnen. Ich lasse nicht zu, dass jemand wie Sie die Firma ruiniert!“

Mein Puls raste. Am liebsten hätte ich ihn mit meiner Faust zum Schweigen gebracht, diesen miesen, alten Besserwisser. Er hatte doch gar keine Ahnung vom heutigen globalen Geschäft! Als er in Harvard gewesen war, hatte man dort noch auf Schiefertafeln geschrieben, während ich dort eine Summa cum laude-Auszeichnung erhalten hatte, und zwar mit dem Computer gedruckt.

„Man kann einen Konzern heutzutage nicht mehr führen wie früher. Nur mit Besitzwahrung und gutem Namen“, erklärte ich ihm hitzig. „Wir müssen auf dem Weltmarkt mitspielen, wenn wir nicht untergehen wollen! Ohne Expansion haben wir keine Chance.“

„Humbug!“ Er sprang auf. „Ich habe mir diesen Unsinn länger als genug von Ihnen angehört. Bringen Sie mir den Japanvertrag oder schauen Sie sich nach einem neuen Job um!“

Ohne sich zu verabschieden, stürmte er nach draußen.

Fuck!

Er wagte es tatsächlich, mir das Messer auf die Brust zu setzen. Wollte mich rauswerfen aus der Firma, die mein eigener Vater aufgebaut und an die Börse gebracht hatte! Es war einfach nur zum Kotzen.

Aber mehr noch: Von jeher hatte ich alles, was ich tat, perfektioniert. Bei mir gab es keine halben Sachen, ich war gern der Beste. Zu versagen gehörte nicht zu meinem Lebensplan. Jetzt von Zoltan wie ein unfähiger Angestellter behandelt zu werden, ließ mich die Kiefer aufeinanderpressen. Ich würde ihm zeigen, dass ein Scott Kerrington immer als Sieger hervorging!

Ich ging zurück an meinen Schreibtisch, rief zum xten Mal die Kalkulation auf, setzte hier eine Marge runter, verkürzte dort eine Laufzeit – es half alles nicht.

---ENDE DER LESEPROBE---