Mit Schere und Klebstoff - Walter Brendel - E-Book

Mit Schere und Klebstoff E-Book

Walter Brendel

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Beschreibung

Mitte der 80er Jahre ist die Fa. Balsam AG aus dem westfälischen Steinhagen bei Bielefeld weltbekannt: als weltweit führender Sportbodenhersteller ("Wir bereiten dem Sport den Boden"). Sport ist ›in‹ und viele geben dafür viel Geld aus, weshalb sich an dieser profitablen Branche auch die deutschen Großbanken als stille Teilhaber an der Balsam AG beteiligt haben. Was nur wenige wissen: Die Firma ist eigentlich längst bankrott. Dass alles noch weiter funktioniert, also rund 1.600 Mitarbeiter regelmäßig Lohn und Gehalt beziehen, hängt damit zusammen, dass Balsam nicht nur Sportböden herstellt, sondern vor allem eine ausgeklügelte Fälscherwerkstatt ist. Das, was man hingegen in der Wirtschaftspresse und in den regionalen Zeitungen liest, ist Fiktion. Tatsächlich funktioniert das Geschäft so: Um kleine Aufträge in gigantische Großaufträge umzumünzen und Umsatz und Gewinn aufzublähen, werden Luftgeschäfte fingiert. Die Differenz wird in Spekulationsgeschäfte ›investiert‹, und zwar in gigantischer Größenordnung.

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Seitenzahl: 64

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Walter Brendel

Mit Schere und Klebstoff

Mit Schere und Klebstoff

Der tiefe Fall der Balsam AG

Walter Brendel

Impressum

Texte: © Copyright by Walter Brendel

Umschlag:© Copyright by Walter Brendel

Verlag:Das historische Buch, 2023

Mail: [email protected]

Druck:epubli - ein Service der neopubli GmbH,

Berlin

Inhalt

Einführung

Der Weg des Betruges

Der Ermittler

Wie ging es im Betrugsfall weiter?

Prozess und Urteil

Die letzte Jagd

Zusammenfassung

Fazit

Unternehmenszusammenbrüche in Deutschland

Quellen

Einführung

Herbst 1998: Mit einem Abschiedsbrief kündigt der Hauptangeklagte in einem der größten Wirtschaftsstrafprozesse seinen Freitod an und verschwindet. Doch ein Ermittler hat Zweifel an der Selbstmordtheorie. Der Kripobeamte Karl-Heinz Wallmeier ist überzeugt: Das ist nicht das Ende, sondern der skurrile Höhepunkt in diesem Finanzkrimi.

Am Anfang steht eine Erfolgsgeschichte. Die "Balsam AG" ist in den frühen 90er-Jahren Weltmarktführer im Bereich Sportbodenbau. Rund 1.500 Menschen arbeiten für Balsam, örtliche Handwerksbetriebe und Sportvereine profitieren von dem westfälischen Unternehmen. Welchen Stellenwert und welchen Einfluss die Balsam AG damals hat, davon berichten in der Doku unter anderem die Lokaljournalistin Nicole Donath und der ehemalige Steinhagener Bürgermeister Klaus Besser. Was beide damals nicht ahnen: Die Firma ist längst bankrott.

Eine anonyme Anzeige bringt die Geschichte schließlich ins Rollen: Angeblich soll die Balsam AG in Milliardenhöhe betrogen haben. Doch der zuständige Staatsanwalt legt den Fall zu den Akten. Nicht nachvollziehbar für Karl-Heinz Wallmeier. Der ehemalige Kripobeamte erinnert sich in dieser Doku an den Fall, der zum spektakulärsten seiner Karriere werden sollte. Wallmeier geht den anonymen Hinweisen nach, legt sich mit der Staatsanwaltschaft an und ermittelt schließlich auf eigene Faust – auch in Frankreich, wo er auf entscheidende Hinweise stößt.

Ex-Kriminalpolizist Karl-Heinz Wallmeier hat den Milliardenbetrug erst aufgedeckt und den Betrüger Jahre später rund um den Erdball gesucht

Nach monatelanger Ermittlung steht fest: Der Finanzchef der Balsam AG hat mit einfachen Bastelmethoden 1,5 Milliarden DM ergaunert.

Als die Schuldigen Jahre später vor Gericht stehen, steht ein Mammutprozess bevor, an den sich unter anderem einer der beteiligten Verteidiger und eine Prozessbeobachterin erinnern. Ermittler Wallmeier wähnt sich zu Prozessbeginn am Ende der Geschichte. Doch plötzlich taucht der Abschiedsbrief des Hauptangeklagten auf. Es beginnt eine Suche rund um die Erde. Die Suche führt durch Deutschland, Frankreich und Südostasien. Es ist die Geschichte eines Wirtschaftskrimis, der in der Geschichte der Bundesrepublik einmalig ist.

Die Balsam AG wurde 1965 von Friedel Balsam begründet. Balsam startete unternehmerisch mit einem geliehenen Kapital von 7000 DM. In der Folgezeit entstand ein florierendes mittelständisches Unternehmen, das mit über 1000 Mitarbeitern für dreistellige Millionenumsätze sorgte und zum weltgrößten Sportbodenhersteller avancierte. Die Balsam AG konzentrierte sich auf die Ausstattung von Stadien, Tennisplätzen, Turnhallen und Laufparcours mit Böden und Kunstrasen. Die Firma war bei den Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften vertreten. Der Erfolg gipfelte letztlich in der Weltmarktführerschaft Mitte der 1980er Jahre. Dieser Erfolg resultierte aus einer aggressiven und von der Konkurrenz gefürchteten Dumpingpreis-Politik des Unternehmens. Mitstreiter des Branchenfeldes wurden sukzessive aufgekauft oder vom Markt verdrängt.

Innerhalb von zehn Jahren kaufte die Balsam AG zwei Dutzend Konkurrenten auf. Die Aufkäufe der Wettbewerber verliefen außerhalb jeder ordnungsgemäßen finanziellen Kontrolle. Dies führte dazu, dass Friedel Balsam – nach seinen eigenen Aussagen im Prozess – die eigenen Kosten „völlig aus dem Auge“ verlor. Die Geschäftszahlen waren negativ und im Firmenhaushalt klafften Löcher. Die Balsam AG vernachlässigte sowohl die Rentabilität der Zukäufe als auch die eigene Liquidität.

Der durch die zweite Strafanzeige gegen die Firma mit den Ermittlungen betraute Kriminalhauptkommissar Karl-Hein Wallmeier nahm die Balsam AG ins Visier und stellte dabei auch die Unterlassungen der Staatsanwaltschaft fest. Er entlarvte letztlich den Betrugsfall, wobei er sogar Urlaubstage für seine Recherche opferte.

Der Skandal um die Balsam AG war symptomatisch für eine Mehrzahl von Fällen der 1990er Jahre, die eindeutiges Fehlverhalten von Aufsichtsräten gegenüber den Unternehmensvorständen offenbarten. Der Schwachpunkt lag darin, dass völlig unzureichend kontrolliert wurde, obwohl eine effiziente Unternehmensverfassung bestand. Verbesserungsvorschläge aus der Literatur der Wirtschafts- und Rechtswissenschaft richteten sich insbesondere an die Aufsichtsräte und Wirtschaftsprüfer. Gemäß § 124 Abs. 3 AktG waren Abschlussprüfer vom Aufsichtsrat zu bestellen, anstatt vom Vorstand. Die Berichtspflichten gegenüber dem Aufsichtsrat wurden deutlich ausgeweitet.

Das Konkursverfahren über das Vermögen der Balsam AG wurde 2009 eröffnet und 2014 aufgehoben. Forderungen in Höhe von 1,98 Milliarden DM standen etwa 10 Millionen DM Firmenvermögen gegenüber.

Der ehemalige Balsam-Finanzchef Klaus Schlienkamp (r.) macht eine abwehrende Geste zu den Journalisten, als er Ende März 2000 bei einer Pressekonferenz in Manila erscheint. Kurze Zeit später wurde Schlienkamp nach Deutschland abgeschoben

Der Sportbodenhersteller Balsam AG galt eigentlich als Vorzeigeunternehmen. Doch der vermeintliche Erfolg des Unternehmens beruhte auf einem ausgeklügelten Betrugssystem

Kurz vor seiner Verhaftung im Juni 1994 will der Finanzvorstand der Balsam AG, Klaus Schlienkamp, wenigstens einen Teil des Vermögens retten: Er überweist seiner Exfrau 740.000 Mark. Er selbst sei bettelarm, behauptet er später vor Gericht, obwohl sein Jahreseinkommen zuletzt bei 7 Mio. Mark lag.

Unschuldig sei er außerdem, beteuerte der Manager. Er habe nämlich die letzten sechs Jahre täglich ab 11 Uhr in seinem Büro zwei Liter Wein sowie Schnaps getrunken. Nur deshalb habe sich der Angeklagte „hinreißen lassen, die Fälschungen und Manipulationen vorzunehmen“, argumentieren seine Anwälte. Doch es zeigt sich: Für den ausgeklügelten Betrug, den Schlienkamp mit dem Vorstand der Balsam AG, Friedel Balsam, erdacht hatte, brauchte es einen klaren Kopf – und viel kriminelle Planung.

Dabei hatte die Balsam AG lange als vorbildliches Unternehmen gegolten: Die Firma in Steinhagen bei Gütersloh produzierte Beläge und Kunstrasen für Stadien und Turnhallen. Mit Dumpingpreisen entwickelte sich die Balsam AG in den Achtzigern zum Weltmarktführer.

Friedel Balsam glänzte als Unternehmer, Sportmäzen und Besitzer eines privaten Reiterguts am Teutoburger Wald. Er stattete Weltmeisterschaften und Olympische Spiele aus. Bloß: Geld verdiente sein Unternehmen nicht. So erfanden die Manager Balsam und Schlienkamp eine sprudelnde Einnahmequelle: Sie ließen sich über einen Finanzanbieter künftige Auslandsprojekte von Banken vorfinanzieren. Die Finanzvolumen waren übertrieben, oft sogar erfunden. Mit den Millionen spekulierten die Manager in Devisengeschäften. Deren Erträge sollten wiederum die Verluste der Balsam AG ausgleichen – ein Betrugssystem auf wackeligen Füßen.

Man hätte glauben können, die Banken hätten aus dem Fall des Bauunternehmers Schneider etwas gelernt. Aber Gott bewahre, sie fielen wieder auf den simplen Trick herein, gaben Kredite, ohne nachzuprüfen, man hatte ja schließlich genug mit den kleinen Sparer zu tun, dass dieser seinen Kreditrahmen nicht überzog.

Doch der Reihe nach.

Der Weg des Betruges

Der Angeklagte in einem Milliardenprozess hat sich schuldig bekannt. Doch nun sorgt ein Schreiben von ihm für Verwirrung. „Wenn Sie diesen Brief erhalten, werde ich nicht mehr am Leben sein. Vor viereinhalb Jahren dachte ich, ich könnte einen Schlussstrich über die Vergangenheit ziehen. Doch das scheint wohl nicht möglich zu sein. Ich will nicht mehr, für mich ist alles zu Ende.“ So der Brief an das Landgericht Bielefeld.

In den 1990iger Jahren macht einer der größten Wirtschaftsskandal um die Firma Balsam Schlagzeilen.

Die Parallelen zum Fall Wirecard sind frappierend. Heute geht es um die Frage, hätte man daraus nicht Lehren ziehen können? Mitangeklagt Friedel Balsam, Chef einer Sportbodenfirma, weltweit vertreten in Breiten- und Spitzensport. Finanzchef Klaus-Detlev Schlienkamp soll mit gefälschten Aufträgen und Datenspekulationen fast 50 Banken um eine Milliardensumme betrogen haben.

„Das Geld liegt draußen auf der Straße und ein Schild dabei auf dem steht bitte bedienen sich. So komme ich mir ungefähr vor.“

Finanzchef Klaus-Detlev Schlienkamp

Es geht um Wirtschaftskriminalität, die Schadenssumme ist gewaltig, 1,3 Milliarden DM.

Noch vor Urteilsverkündung verschwindet der angeklagte Finanzchef und hinterlässt nur den Abschiedsbrief. Die Spur des Gesuchten verliert sich in Cuxhaven, wo sein Auto gefunden wurde. Nun beginnt eine Jagd, die um die ganze Welt führt, denn es gibt keinen Beweis, dass er Selbstmord begangen hat. Irgendwo muss er ja sein.

***