Mit zitternden Händen - Malin Persson Giolito - E-Book

Mit zitternden Händen E-Book

Malin Persson Giolito

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Beschreibung

Ein Jugendlicher schießt in einem Stockholmer Vorort seinem besten Freund in den Hinterkopf. Wie konnte es dazu kommen?

Billy und Dogge sind seit Kindesbeinen eng befreundet. Dass sie aus sehr unterschiedlichen Elternhäusern kommen, hat sie nie gestört. Während Dogge meist von seinen wohlhabenden Eltern allein gelassen wurde, ist Billy, aus einer Einwandererfamilie stammend, umgeben von einer Bastion der Liebe aufgewachsen. Als kriminelle Banden Billys Wohnviertel mehr und mehr beherrschen, werden sowohl Dogge als auch Billy rekrutiert. Allzu gerne schließen sich die beiden an - angelockt durch schnelles Geld und leichten Zugang zu Drogen. Doch dann will Billy mit Hilfe seiner Mutter aussteigen ...

Der Nr. 1-Bestseller in Schweden

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Seitenzahl: 525

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Inhalt
CoverÜber dieses BuchÜber die AutorinTitelImpressumWidmungPsalmDie JungenDonnerstag, 6. Dezember1.2.Die JungenDonnerstag, 6. Dezember bis Freitag, 7. Dezember3.Freitag, 7. Dezember4.Die JungenFreitag, 7. Dezember5.6.Die JungenFreitag, 7. Dezember7.8.9.10.Die JungenFreitag, 7. Dezember11.12.Die JungenFreitag, 7. Dezember13.Samstag, 8. Dezember14.Die JungenSamstag, 8. Dezember15.16.Die JungenSamstag, 8. Dezember17.18.Die JungenSamstag, 8. Dezember19.20.Die JungenSonntag, 9. Dezember21.22.Die JungenSonntag, 9. Dezember23.Die JungenMontag, 10. Dezember24.25.26.Die JungenDienstag, 11. Dezember27.Mittwoch, 12. Dezember28.Die JungenMittwoch, 12. Dezember29.Die JungenMittwoch, 12. Dezember30.31.Die JungenDie Nacht zwischen Mittwoch, dem 12. Dezember, und Donnerstag, dem 13. Dezember32.Donnerstag, 13. Dezember33.Die JungenDonnerstag, 13. Dezember34.Die JungenDonnerstag, 13. Dezember35.Die JungenDonnerstag, 13. Dezember36.Freitag, 14. Dezember37.Die JungenFreitag, 14. Dezember38.Samstag, 15. Dezember39.40.Die JungenSamstag, 15. Dezember41.Die JungenSamstag, 15. Dezember42.43.Die JungenSamstag, 15. Dezember44.Sonntag, 16. Dezember, nach Mitternacht45.46.Die JungenSonntag, 16. Dezember, nach Mitternacht47.48.49.50.Montag, 17. Dezember51.52.Dienstag, 18. Dezember53.54.Die JungenMittwoch, 19. Dezember55.56.Donnerstag, 20. Dezember57.Freitag, 21. Dezember58.Samstag, 22. Dezember59.Sonntag 23. Dezember60.61.Montag, 24. Dezember62.Sechs Monate später63.64.Die JungenVielen Dank an

Über dieses Buch

Ein Jugendlicher schießt in einem Stockholmer Vorort seinem besten Freund in den Hinterkopf. Wie konnte es dazu kommen? – Billy und Dogge sind seit Kindesbeinen eng befreundet. Dass sie aus sehr unterschiedlichen Elternhäusern kommen, hat sie nie gestört. Während Dogge meist von seinen wohlhabenden Eltern allein gelassen wurde, ist Billy, aus einer Einwandererfamilie stammend, umgeben von einer Bastion der Liebe aufgewachsen. Als kriminelle Banden Billys Wohnviertel mehr und mehr beherrschen, werden sowohl Dogge als auch Billy rekrutiert. Allzu gerne schließen sich die beiden an – angelockt durch schnelles Geld und leichten Zugang zu Drogen. Doch dann will Billy mit Hilfe seiner Mutter aussteigen …

Über die Autorin

Malin Persson Giolito wuchs in Stockholm auf. Nach ihrem Jurastudium arbeitete sie bei der EU in Brüssel. Dort lebt sie heute mit ihrer Familie. Seit dem sensationellen Erfolg des Romans IM TRAUM KANNST DU NICHT LÜGEN (verfilmt von Netflix) widmet sie sich ganz dem Schreiben. Ihr neuer Roman MIT ZITTERNDEN HÄNDEN setzt die Erfolgsgeschichte in jeder Hinsicht fort: Nr-1-Bestseller, begeisterte Kritiken und erneut Vorlage für eine Netflix-Serie.

LÜBBE

Vollständige E-Book-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Titel der schwedischen Originalausgabe:

»I dina händer«

Für die Originalausgabe:

Copyright © 2022 Malin Persson Giolito

Published by arrangement with Ahlander Agency

Für die deutschsprachige Ausgabe:

Copyright © 2023 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Anja Lademacher, Bonn

Umschlaggestaltung: zero-media.net, München unter Verwendung vonIllustrationen von © Karina Vegas/Arcangel Images, FinePic®, München

eBook-Produktion: hanseatenSatz-bremen, Bremen

ISBN 978-3-7517-4193-4

luebbe.de

lesejury.de

Für meinen Vater

Meine Zeit steht in deinen Händen.Errette mich von der Hand meiner Feinde und von denen, die mich verfolgen.

Psalm 31

Die Jungen

Sie spielen an einem Hang, haben beinahe identische Jeans und kurzärmelige Hemden, abgewetzte Turnschuhe und aufgeweckte Augen. Der eine hat blondes Haar, das bis zu den Schultern reicht, der andere dunkle Locken, die ihm immer wieder in die Augen fallen. Zum Herbst werden sie eingeschult, aber die Beine sind noch rundlich, und sie laufen so schnell den Abhang hinunter, dass ihre Füße kaum hinterherkommen. Zuerst stürzt das eine Kind, kurz darauf das andere. Vielleicht lässt der Junge sich mit Absicht fallen, er will immer alles genauso machen wie sein mutiger Freund, genauso hoch klettern, genauso weit springen, genauso schnell laufen. Sie weinen nicht, nicht einmal derjenige von den beiden, der wegen jeder Kleinigkeit immer gleich losheult. Es sind keine Erwachsenen in der Nähe, die unbedingt nachsehen wollen, ob ihnen etwas wehtut. Stattdessen bleiben sie ein paar Sekunden sitzen, schauen sich an, atemlos, warm, voller Lachen. Wie auf ein Kommando stehen sie auf und laufen weiter. Die blauen Flecken und Schrammen werden sie erst viele Stunden später entdecken, im Moment aber gibt es noch so viel, was sie machen müssen.

In der einen Richtung liegt das Haus, in dem der langhaarige Junge wohnt, jenseits der Straße lebt der andere Junge mit seiner großen Familie. Ganz in der Nähe steht die Sonne über einer warmen Lichtung. Hinter dem Hügel gibt es die magischen Steinhaufen, verlassene Häuser und endlose Abenteuer.

Die Welt wartet auf sie beide.

Donnerstag, 6. Dezember

1.

Als die Schüsse fielen, zwei direkt hintereinander und anschließend zwei weitere, war es 22.55 Uhr am Donnerstag, den 6. Dezember. Der erste Schnee in diesem Winter fiel, zuerst ein wenig zögerlich, aber bald war der Boden wie von weißer Baumwolle überzogen.

Selbst um diese Uhrzeit hörte man im Hintergrund die achtspurige Zufahrtsstraße. Während der Nacht nahm der Lärm ein wenig ab, aber es wurde niemals völlig still.

Auf der einen Seite der Autobahn war alles betongrau oder braun. Dort befanden sich die Hochhäuser von Våringe, die Skateboard-Bahn, der Markt und die Kirche aus dem 18. Jahrhundert, die seinerzeit der Stolz der Gemeinde gewesen war. Die Scheinwerfer auf dem großen Sportplatz waren aus-, die Alarmanlage des Schulgebäudes eingeschaltet. Balkontüren waren abgeschlossen, Gardinen vorgezogen.

Auf der anderen Straßenseite schützte ein Grünstreifen Rönnvikens Wohnbebauung vor dem Motorenlärm. Es gab vier Kindergärten, ein Waldgebiet mit einer beleuchteten Laufstrecke, eine Grundschule und ein privates Gymnasium mit dem Schwerpunkt Internationale Wirtschaft. Und es gab dort einen Golfplatz mit achtzehn Löchern und vier Wasserhindernissen. Wer dort Mitglied werden wollte, musste sich auf eine Warteliste setzen lassen. An den Golfplatz schloss sich unmittelbar ein Kinderspielplatz an. Ein paar Kilometer weiter, wo das Gelände zur Ostsee hin abfiel, lagen die zitronengelben Gründerzeitvillen mit Seeblick. Das Meer war samtschwarz, und hinter allen Sprossenfenstern glomm der milde Schein der Adventsleuchter.

Unter der Autobahn hindurch, die zwischen Rönnviken und Våringe verlief, konnte man über einen schlecht beleuchteten Fußgängertunnel auf die andere Seite gelangen. Es stirbt sich leicht in Våringe, verkündete ein schlampiges Graffiti an der Tunnelwand. Jemand hatte einen halbherzigen Versuch unternommen, die Farbe zu entfernen, doch der Text war nachgezogen worden. Aber es lebt sich verdammt schwer dort, stand jetzt neben dem ersten Spruch. Der andere Graffitikünstler hatte sich mehr Zeit genommen, hatte die ordentlichen Linien sorgfältig ausgefüllt und eine Sprechblase um das Zitat gemalt, nicht mit einer Spraydose, sondern allem Anschein nach mit Pinsel und Wandfarbe. Ein dritter Sprayer hatte einen dicken Pfeil in einem schreienden Grün hinzugefügt: Dann zieh doch nach Rönnviken und mecker nicht rum!

In mehreren Stockholmer Vororten hatte man sich mittlerweile an Schusswechsel gewöhnt, in Rönnviken war es allerdings das erste Mal. Niemand reagierte auf die Geräusche, nicht einmal der Teenager, der dazu verdonnert worden war, mit dem Familienhund nach draußen zu gehen, um ihn pinkeln zu lassen, und sich nur knapp hundert Meter von dem Spielplatz entfernt befand, einen Steinwurf weit vom siebten Loch des Golfplatzes.

Die Schüsse knallten und verstummten wieder. Eine Handvoll Kies, der in ein stilles Wasser geworfen wurde. Und für eine Minute, oder vielleicht zwei, schien die Zeit die Luft anzuhalten.

Die Stille wurde von einem Jungen durchbrochen, der auf glatten Turnschuhen aus Rönnviken weglief. Er entfernte sich von dem Spielplatz über den kleinen Weg, der zum Fußgängertunnel führte. Dort lief er an den Graffitis vorbei, kam auf der anderen Seite wieder heraus und überquerte den unteren Teil des Schulhofs von Våringe. Es hatte den Anschein, als wäre er auf dem Weg zum Marktplatz. Aber dort war alles geschlossen, sogar das Lebensmittelgeschäft, das früher sieben Tage in der Woche bis spät in die Nacht geöffnet hatte.

Nicht weit von dem Ort entfernt, an dem der Junge stehen blieb, stieg ein Mann aus seinem Auto und versuchte, das Tor zu einer der privaten Tiefgaragen im Zentrum von Våringe zu öffnen, wo er einen Stellplatz gemietet hatte. Der Wind war schwach, beinahe mild in seinen Bewegungen, aber die Kälte gehörte zu der Sorte, die Gelenke knacken ließ und Wasserleitungen zum Explodieren brachte. Das Garagentor schien festgefroren zu sein, die Fernbedienung funktionierte nicht.

Während der Garagenbesitzer im Schneefall stand und irritiert die Fernbedienung schüttelte, zog der Junge sein Handy aus der Tasche. Zwei der neun Straßenlaternen, an denen er hinter dem Fußgängertunnel vorbeigekommen war, funktionierten. Eine von ihnen warf einen schwachen Lichtschein auf ihn. Abgesehen von den dünnen Schuhen trug der Junge steif gefrorene Jeans, eine halb zugeknöpfte Jacke mit einer Kapuze, die nachlässig über den Kopf gezogen war. Er war außer Atem, sein ganzer Körper zitterte und er hatte Probleme, sein Handy zu bedienen. Schließlich hob er das Gerät ans Ohr und begann hineinzusprechen. Während er sprach, trampelte er auf der Stelle herum, erzeugte einen dunklen Fleck im Neuschnee. Hin und wieder drehte er sich um, aber dort war immer noch niemand zu sehen. Seine Stimme schwebte im Wind davon. Als er das Gespräch beendet und das Handy am Hosenbein abgewischt hatte, sah er sich ein weiteres Mal um. Den Mann an der Garage bemerkte er nicht. Schließlich ging er weiter zur Bushaltestelle, die etwa dreißig Meter entfernt war.

Nur wenige Minuten später kam ein Bus. Kurz bevor der Junge einstieg, warf er alles, was er in den Taschen hatte, in den Papierkorb neben der Sitzbank. Als der Bus von der Haltestelle abfuhr, gelang es dem Mann endlich das Garagentor zu öffnen, er fuhr hinein und schloss es hinter sich.

Das Handy, mit dem der Junge gerade noch telefoniert hatte, war noch eingeschaltet. Es sendete ein schwaches Licht aus, das durch den Müll sickerte. Dreißig Sekunden später schaltete sich das Display aus.

2.

»Förschlevägen … Sösch… verdammt noch mal … Ich weiß es nicht, ich … ich glaube, die Straße heißt … Ich weiß den Namen nicht, das ist diese komische Stelle, Sie müssen kommen.«

Der Anrufer weinte heftig. Es dauerte ein paar Sekunden, bis er weitersprechen konnte.

»Sösch… Föschl… Beeilen Sie sich, verdammt noch mal … Er stirbt.«

Salwa hatte Dienst in der Leitstelle, die dem Sendemast am nächsten lag, über den der Notruf eingegangen war. Es war acht Minuten nach elf, und an diesem Abend waren viele Notrufe hereingekommen, gerade wurde es ein wenig ruhiger. Vor einer guten Stunde hatte AIK ein wichtiges Eishockeyspiel gegen einen der Spitzenreiter verloren, der Abend war turbulent gewesen. Ein Bus mit Anhängern der gegnerischen Mannschaft war auseinandergenommen worden, es gab heftige Auseinandersetzungen in zwei nahe gelegenen Sportbars und in der U-Bahn-Station an der Eishockeyarena.

»Sprechen Sie bitte deutlicher.«

»Es ist wahnsinnig viel los«, hatte sie ihrem Mann per SMS mitgeteilt. »Viele Leute rufen an, wir können reden, wenn ich zu Hause bin.« Salwas Mann war nervöser als sonst, er wollte nicht, dass sie zur Arbeit ging.

»Was soll mir denn dort passieren?«, hatte sie ihn gefragt. »Mir könnte ein Kabel auf den Kopf fallen …«

In der Theorie hatte sie bei der Arbeit in der Leitstelle nur mit Telefonen und Knöpfen, Lautsprechern, Karten und Bildschirmen zu tun. In der Theorie war sie weit von den Gerüchen, Körperflüssigkeiten und der Gewalt entfernt. Trotzdem passierte immer dasselbe, wenn sie einen Notruf entgegennahm und die panischen Stimmen hörte. Sie konnte sich nicht dagegen wehren. Der Gestank von Bierfahnen, selbst gedrehten Zigaretten und dem Schweiß einer ganzen Woche, heruntergekommene Treppenhäuser, dreckige Küchen, Schlafzimmer mit Laken, die nie gewechselt wurden, Kinder, die sich versteckten, aber niemals entkamen, die Bilder tauchten ebenso zuverlässig wie unmittelbar in ihrem Kopf auf. Ihr Mann wusste es, denn er lag in den Nächten neben ihr wach.

»Er stirbt.«

Der Anrufer war immer schlechter zu hören. Der Rest des Satzes war kaum noch zu verstehen. Salwa holte tief Luft und sprach mit fester Stimme. Es klang so, als würde irgendetwas die Übertragung behindern, als hielte der Anrufer die Hand vor das Mikrofon. Manchmal machten Menschen das, wenn sie nicht an der Stimme wiedererkannt werden wollten.

»Von wo rufen Sie an?«

Er keuchte schwer. Salwa wollte ihn zu Atem kommen lassen, aber er sprach einfach weiter.

»Wenn Sie nicht kommen, dann stirbt er. Er stirbt, verstehen Sie mich? Er stirbt.«

»Bleiben Sie ruhig, okay? Wir werden Ihnen helfen. Wo befinden Sie sich?«

»Förshle… Föshsle…«

Sie verstand immer noch nicht, was er zu sagen versuchte. Von ihrem Platz im Kontrollraum sah Salwa, dass es schneite. Es sah nicht nach sehr viel Wind aus, aber es klang, als würde sich der Anrufer draußen befinden.

»Wo blutet er denn?«

Ihre Ruhe schien zu helfen, der Anrufer hörte auf, in das Mikrofon zu keuchen. Jetzt konnte sie die helle Stimme besser hören. Und das Weinen, sie hörte deutlich, dass er nach wie vor weinte. Jetzt begriff sie es. Sie hatte ein Kind am Telefon.

»Ich weiß nicht, wo … Am Kopf, er ist, es ist am Kopf. Er ist angeschossen worden, und er stirbt, Sie müssen kommen. Ich … er … Er hat einen Schuss in den Kopf bekommen.«

Salwa schielte zu dem Kollegen hinüber, der neben ihr saß. Er erwiderte ihren Blick und runzelte die Stirn. Das war kein falscher Alarm. Sie nickte ihm zu, damit er sich in das Gespräch hineinschaltete.

»Hör mir zu«, sagte sie. »Bleib einfach ruhig. Wir werden euch helfen. Aber es ist wichtig, dass du ruhig bleibst. Verstehst du mich? Kannst du mir erzählen, wo du dich befindest?«

»Ich bin …« Er weinte wieder heftiger, war aber deutlicher zu verstehen. »Er ist oben auf dem Spielplatz neben dem Golfplatz von Rönnviken, ich weiß nicht, wie die Straße heißt, da ist auch ein Kindergarten. Vielleicht Förskolevägen? Er liegt bei den Schaukeln unterhalb des Vårstigen. Er saß auf der Schaukel, und dann … Jetzt liegt er auf dem Boden.«

Salwas Kollege hatte die Polizei hinzugezogen. Ohne dass der Anrufer es hörte, informierte er sie über das wenige, was sie wussten. Die regionale Einsatzzentrale der Polizei befand sich im selben Haus, nur zwei Stockwerke weiter unten. Salwa hatte versucht, ihrem Mann zu erklären, welche Maschinerie in Gang gesetzt wurde, wenn sie einen Anruf bekam, der höchste Alarmbereitschaft auslöste.

»Es ist wie in einem Ameisenhaufen. Staatsanwälte, Ermittler, Teams, die zusammengestellt werden, Zentralen, die sich miteinander verbinden. Ich spreche nur mit einer Person, aber währenddessen beginnen sich alle Räder zu drehen, eines nach dem anderen, ohne dass ich etwas dafür tun müsste.«

Er hatte sie aufgezogen.

»Bist du jetzt Teil eines Ameisenhaufens oder ein Zahnrad in einem Uhrwerk? Denn in einem Ameisenhaufen wird es wohl keine Zahnräder geben. Und wissen sie auch, dass du die Königin bist?«

Salwa kannte den Spielplatz von Rönnviken gut. Er lag kaum mehr als einen Kilometer von dem Mietshaus entfernt, in dem sie mit ihrem Mann und ihrer zweijährigen Tochter wohnte. Sie war schon mehrere Male dort gewesen. Salwa räusperte sich, es war wichtig, den Kontakt mit dem Anrufer aufrechtzuerhalten.

»Also. Ich brauche jetzt deine Hilfe. Atme ru…«

»Scheiße, jetzt halt doch die Klappe, ich habe keine Ahnung, ihr müsst dorthin fahren, ihr verdammten …« Jetzt schrie er wieder.

»Bist du weggegangen? Was meinst du, kannst du mir erzählen, was passiert ist?«

»Das kann dir doch scheißegal sein. Sei doch einfach … Halt einfach die Klappe.«

Die Hysterie war wieder zurück. Selbst wenn der Junge immer noch vor Ort war, konnte er keine Herzmassage durchführen, nicht in seinem Zustand. Salwa sprach so einfühlend, wie sie konnte.

»Wir werden dir und deinem Freund helfen. Er ist doch dein Freund?«

»Was? Was erzählst du denn da für einen Mist? Das geht dich doch gar nichts an. Ich bin nicht mehr dort. Er liegt da, mehr sage ich nicht. Kommt ihr jetzt, oder nicht?«

»Meinst du, dass du zu deinem Freund zurückgehen und nachsehen könntest, ob er noch atmet? Der Rettungswagen ist auf dem Weg, versprochen, aber bis dahin brauche ich noch deine Hilfe. Glaubst du, dass du …«

Der Junge legte auf. Das Gespräch war unterbrochen.

Salwa holte so tief Luft, wie sie konnte. Sie schloss die Augen, zählte leise bis vier und legte ihre Hand auf den Bauch. In einem Ohr hörte sie, wie die Leitstelle ihre Anweisungen weiterbeförderte. Sie zählte weiter. Fünf. Sechs. Sieben. Acht.

Der Bauch wuchs dieses Mal schneller. Sie trug die Jeans ihres Mannes, und wenn sie sich setzte, ließ sie sie unter dem Pullover aufgeknöpft. Aber wenn sie sich nicht zurücklehnte, drückte der Bauch gegen den Bügel des BHs. Sie hätte sich gewünscht, im Schlafanzug zur Arbeit gehen zu können. Neun. Zehn.

Sie massierte sich das Brustbein mit der einen Hand, damit der Druck etwas nachließ. Mit der anderen drückte sie auf die Tastatur, um sich anzeigen zu lassen, von welcher Nummer sie angerufen worden war. Sie war unterdrückt.

Notrufe aus Rönnviken waren ungewöhnlich, und wenn sie kamen, ging es meistens um Herzinfarkte, Jugendliche mit Alkoholvergiftung oder unter Drogeneinfluss, vielleicht noch Panikattacken, die für Herzinfarkte gehalten wurden. Sie konnte sich nicht erinnern, dass von dort jemals ein Notruf wegen einer Schussverletzung eingegangen war.

Wenn ein Junge aus Rönnviken erschossen wird, dachte sie, dann kommt bestimmt der Ministerpräsident und zündet eine Kerze an und hält eine Rede.

»Jetzt sind wir beim Lilla Gränsgärdet. Der Rettungswagen ist in einer Minute da.«

Salwa hörte der Leitstelle zu, bis sie ihr mitteilten, dass sie das Gespräch verlassen konnte. Als es still im Kopfhörer wurde, zog sie ihn vom Kopf und legte ihn vor sich auf die Schalttafel. Ihr Kollege beugte sich zu ihr hinüber und legte eine Hand auf ihren Arm.

»Hol dir eine Tasse Tee.«

Salwa schloss die Augen und nickte dankbar. Sie würde in die Toilette gehen und sich den BH ausziehen. Dann würde ihr das Atmen leichter fallen.

Draußen in der Personalküche stand eine halbe Kanne mit kaltem Kaffee. Sie füllte den Wasserkocher, schüttete das Wasser wieder aus, um die Kalkablagerungen loszuwerden, hatte aber keine Energie, ihn auszuwischen. Sie holte ihren Becher heraus, hängte einen Teebeutel hinein und lehnte sich an die Spüle, bis das Wasser kochte. Auf dem Tisch standen die Reste einer Marzipantorte, jemand hatte Geburtstag. Sie schluckte, um eine Welle der Übelkeit zu unterdrücken.

Als das Wasser kochte, füllte Salwa ihren Becher. Sie nahm ihn in die Hand und blieb stehen, pustete auf die Flüssigkeit, trank aber nichts.

Ihr Kollege kam in die Küche. Er sah besorgt aus.

»Sie haben ihn gefunden, er lag bei der Schaukel auf dem Bauch.«

Erschossen, als er schaukelte?

»Wie alt?«

»Ein jüngerer Teenager.«

»Tot?«

»Noch keine Mitteilung darüber.«

Ihr Kollege legte erneut seine Hand auf ihren Arm. Er blickte sie aus traurigen Augen an, als bräuchte sie sein Mitgefühl.

»Es muss sich schrecklich anfühlen«, sagte er. »Einfach nur schrecklich.«

Salwa nickte.

Es ist noch nicht einmal in Våringe passiert, hätte sie am liebsten gesagt. Und warum soll es für mich schlimmer sein als für dich?

»Ja«, sagte sie stattdessen. »Es ist schrecklich.«

Die Jungen

Sie lernten einander auf dem Spielplatz in Rönnviken kennen, wo es lustige Schaukeln in allen Farben des Regenbogens gab, eine Kletterwand und Sandkisten mit weißem, samtweichem Sand, aus dem man keine Sandburgen bauen konnte. Es gab auch Spielhäuser, eine ganze Reihe sogar, jede Menge Dreiräder, die man ausleihen konnte, ein Klettergerüst mit Lianen und dicken Seilen aus Stahl, auf denen man balancieren konnte.

Tagsüber standen glänzende Autos auf dem Parkplatz hinter den hohen Einfahrtstoren zur Golfanlage. In alle Richtungen erstreckten sich die unnatürlich perfekten Rasenflächen. Auf den Gehwegen spazierten schlanke Frauen mit runden Brüsten in Zweiergruppen, mit Schrittmessern an den Handgelenken und flauschigen Hunden an Lederleinen.

Leila, die Mutter des einen Jungen, ging zum Spielplatz, so oft sie konnte, obwohl er nicht in der Kommune lag, in der sie wohnte. Den Bus zu nehmen, dauerte ziemlich lange, man musste umsteigen. Stattdessen ging sie durch den Fußgängertunnel, die Steigung hinauf, zusammen mit ihren Freundinnen und deren Kindern, die Kinderwagen waren beladen mit Saft und Kuchen, vielleicht auch gegrilltem Hähnchen und zusätzlichen Feuchttüchern, wenn Sonntag war. Er war wie ein Vergnügungspark, nur gratis.

Der andere Junge wohnte nur wenige Hundert Meter entfernt, seine Eltern Jill und Teo ließen ihn oft allein dorthin gehen, obwohl er erst sechs Jahre alt war. Sie holten ihn ab, wenn er zu lange wegblieb, dann stellten sie sich an den Rand der Sandkiste und riefen ihm zu, dass er sofort kommen solle, ohne zu trödeln. Sie kamen nur selten mit, um die anderen Eltern zu grüßen, ihre Freunde waren ohnehin nie mit ihren Kindern dort.

Als sich die Jungen das erste Mal trafen, saß der eine auf der Schaukel und weigerte sich abzusteigen, als der andere fand, dass er jetzt an der Reihe wäre. Aber statt sich zu streiten, stellte sich der größere Junge auf die Schaukel und ließ den kleineren vor sich sitzen. Sie nahmen gemeinsam Fahrt auf und schaukelten höher als alle anderen. Das war erstaunlich, denn eigentlich waren sie Kinder, die sich schnell stritten.

Als sie sich ein paar Tage später wiedersahen, spielten sie wie beste Freunde. Und anschließend quengelten sie ununterbrochen, dass sie zum Spielplatz in Rönnviken wollten. Es war das Letzte, was sie vor dem Einschlafen sagten, und das Erste nach dem Aufwachen.

»Du musst ja richtig nett zu dem Jungen sein«, hatte Leila gescherzt. »Bald werden wir zu ihm nach Hause eingeladen und kriegen russischen Kaviar auf goldenem Toastbrot und alles andere, was Millionäre so essen.«

Jill und Teo sagten nichts über den neuen Freund ihres Sohns. Als sich die beiden Mütter zum ersten Mal begegneten, hatte Leila den Eindruck, dass Jill nicht einmal wusste, dass ihre beiden Kinder Freunde waren. Aber als ein paar Tage später plötzlich Teo an der Sandkiste auftauchte, kam er zu Leila und bat um ihre Telefonnummer. Er redete schnell und lange, hatte sehr weiße Zähne und dunkelblaue Augen. Er erinnerte an einen Verkäufer, fand Leila. Oder an jemanden, der seinem Sohn Freunde kaufen wollte.

Donnerstag, 6. Dezember bis Freitag, 7. Dezember

3.

Neunundzwanzig Minuten bevor der Donnerstag zum Freitag wurde, leuchtete Farid Ayads Handy auf. Nur wenige Stunden zuvor hatte er versucht, seine mittlere Tochter Natascha zu trösten, die nicht einschlafen konnte.

»Denk an deine schönsten Träume«, hatte er geflüstert und sie auf die Stirn geküsst, den Duft seiner dreizehnjährigen Tochter eingesaugt. »Denk an sie, wenn du einschläfst, dann werden sie wahr.«

Das sagte er immer wieder, denn er wollte seinen drei Töchtern das Gefühl geben, dass für sie alles möglich war. An guten Tagen glaubte er fast selbst daran. Wenn er an einem Frühsommertag auf seinem eigenen, sechshundertzwanzig Quadratmeter großen Grundstück stand und den Grill anzündete, oder wenn er von der Arbeit nach Hause kam und alle drei Kinder auf dem Sofa im Wohnzimmer lagen, jedes mit seinem Handy und eingeschaltetem Fernseher, wurde er von etwas gewärmt, das sich wie Stolz anfühlte.

Sobald Natascha eingeschlafen und er derjenige war, der sich auf dem Laken herumwälzte und dem sanften Schnarchen seiner Frau zuhörte, dachte er nicht an Träume über eine strahlende Zukunft, sondern an die Arbeit. Er sollte sich versetzen lassen, Karriere machen, irgendetwas anderes, weg aus Våringe. Er war schon vor fünf Jahren von dort weggezogen, und eigentlich sollte er jetzt auch aufhören, dort zu arbeiten.

Jeden Monat bekam er neue Angebote.

»Du kannst nicht dein ganzes Leben denselben Job machen. Wenn du Kommissar werden und deine eigenen Ermittlungen leiten willst, musst du auch woanders Erfahrungen sammeln, nicht nur in Våringe. Willst du diese Jugendlichen nicht irgendwann loslassen? Komm zu uns in die Nationale Operative Abteilung, komm in die NOA, komm zu uns in das Kommissariat für schwere Straftaten, komm zu uns nach Umeå, Sundsvall, Nyköping, Laholm.«

Es verursachte stets dieselben Gedanken. Und wenn er sie verdrängt hatte, kamen die Albträume, die gleich hinter der nächsten Ecke lauerten und sich nicht damit begnügten, nur im Schlaf aufzutauchen.

Der Vibrationsalarm des Handys sprang an, rhythmisch und ausdauernd. Farids Frau Nadja seufzte und zog das Kissen über den Kopf.

»Schreib mir eine SMS«, murmelte sie, »wenn du weißt, wann ich morgen mit dir rechnen kann.«

Es war nicht das Wochenende nach dem Zahltag, das Hockey-Derby hatte in ausreichender Entfernung stattgefunden und war damit das Problem eines anderen Polizeibezirks. Alles hatte darauf hingedeutet, dass Våringe eine ruhige Nacht verbringen würde. Aber dieser Anruf kam von einem alten Kollegen. Mittlerweile arbeitete er als Dienststellenleiter beim Kommissariat für Gewaltverbrechen.

»Was zum Teufel will der denn?«, murmelte Farid. Der Dienststellenleiter rief wohl kaum um diese Uhrzeit an, um ihm einen neuen Job anzubieten.

Er nahm das Handy vom Nachttisch, steckte sich die Kopfhörer in die Ohren und ging ins Badezimmer.

»Gunnar«, sagte er und schloss die Tür hinter sich. »Kannst du nicht einschlafen? Soll ich dir ein Nachtlied singen?«

Der Kollege ignorierte ihn.

»Wir haben einen Notruf aus Rönnviken reinbekommen, direkt vom Ende des Fußgängertunnels, der nach Våringe führt. Eine Schusswaffe wurde abgefeuert, vor wenigen Minuten erst. Es scheint sich um ein Kind zu handeln. Tut mir leid, wenn ich dich geweckt habe, aber könntest du vielleicht dorthin fahren? Vielleicht ist es ein lebensmüder Junge aus Rönnviken, der sich dort mit dem Elchstutzen des Vaters den Rest gegeben hat, aber der Notruf hörte sich anders an, und wenn es einer deiner Schützlinge aus Våringe ist, möchte ich es so früh wie möglich wissen, ich bin es nämlich leid, ständig einen Schritt hinterherzulaufen.«

»Natürlich.«

Farid hob die Jeans vom Badezimmerboden auf. Er zog sie sich an, während Gunnar ihm erklärte, wohin er fahren sollte. Den Reißverschluss seiner Hose zog er erst zu, nachdem er gepinkelt und sich die Hände gewaschen hatte.

»Ruf mich sofort an, wenn es jemand ist, den du kennst. Beeil dich. Sie sind noch dort.«

Farid war schon in der Garage, bevor sie das Gespräch beendeten.

Als er auf die Straße fuhr, stellte er die Scheibenwischer auf die höchste Geschwindigkeit und drehte die Heizung bis zum Anschlag auf. Es schneite, heftig, dicht. Er setzte sein eigenes Blaulicht aufs Dach und fuhr, viel zu schnell, nach Rönnviken hinauf. Er brauchte weniger als zehn Minuten, um sein Ziel zu erreichen. Dort parkte er neben einem der beiden Rettungswagen, die vor Ort waren. Weiter entfernt sah er zwei Streifenwagen. Erst als er aus dem Wagen stieg, bemerkte er, dass er seine Jacke zu Hause vergessen hatte. Er fluchte leise.

Die Rettungssanitäter hoben gerade die Trage in den Wagen.

»Kann ich das Opfer sehen?«, bat er. »Ich weiß vielleicht, wer es ist.«

Sie ignorierten ihn und schlossen die Türen, aber er hatte auch so genug gesehen.

Ein paar Schaulustige hatten sich versammelt; eine ältere Frau mit fußlangem Nerzmantel und zwei Hundebesitzer mit kugelrunden Daunenjacken und spitzen Mützen. Ein Kollege von der Polizeiwache in Våringe stand ein paar Meter entfernt, er hob die Hand zum Gruß und ging auf Farid zu. Bisher spürte er die Kälte nicht, das Adrenalin hielt ihn warm.

Er wartete ab, bis der Rettungswagen losgefahren war. Es dauerte ein paar Sekunden, dann wurden die Sirenen eingeschaltet. Er hatte den Körper und die Kleidung gesehen, sowohl das, was das Opfer nach wie vor trug, als auch das, was die Rettungssanitäter weggeschnitten hatten. Es hatte nicht mehr als diesen kurzen Blick gebraucht, um seine Befürchtungen bestätigt zu sehen.

Der Kollege aus Våringe legte eine Hand auf seine Schulter. Farid zuckte zusammen. Der Zorn flammte in seinem Inneren auf, mit einer solchen Kraft, dass er nicht mehr atmen konnte. Er schrie nicht. Er weinte auch nicht. Aber seine Knie gaben nach. Er zwang sich selbst dazu, so lange stehen zu bleiben, wie er die kreisenden Blaulichter noch sehen konnte. Dann zog er das Handy aus der Tasche und schrieb an seine Frau.

»Bringst du Ella zur Schule? Ich muss hierbleiben.«

Freitag, 7. Dezember

4.

»Leila?«, fragte die Polizistin, als sich die Tür zu einer Wohnung öffnete, die nur einen Häuserblock von Våringes Zentrum entfernt lag. Es war Viertel vor eins, die Klingel hatte Leila geweckt. Die Stimme der Polizistin klang so, als würden sie sich schon länger kennen, als würde deshalb der Vorname reichen. Aber Leila wollte sich nicht streiten, nicht an diesem Ort, nicht zu dieser Zeit, nicht mitten in der Nacht, wenn die Nachbarn aufwachen konnten, also nickte sie nur.

»Wir müssen ins Karolinska«, sagte die Polizistin. Sie sagte noch mehr, aber das verstand Leila nicht, es hatte mit dem Spielplatz in Rönnviken zu tun.

Sie wusste, dass das Karolinska ein Krankenhaus war, es klang zwar eher wie der Name eines Restaurants, aber das sagte sie nicht. Man sollte keine Scherze mit der Polizei machen, oder unnötige Dinge sagen. Nicht einmal bei denjenigen, die ihren Kopf zur Seite legten.

Die Polizistin sprach von Billy.

»Billy schläft«, erklärte Leila, so deutlich wie sie konnte. Alle vier Kinder waren zu Hause. Die Wohnung war klein, und sie hatte ihn selbst ins Bett gebracht, ihm einen Gutenachtkuss gegeben, obwohl er so tat, als würde er das idiotisch finden.

Aber die Polizistin schien nicht zu verstehen, was Leila ihr erklärte.

»Wir müssen ins Karolinska«, sagte sie erneut. Ihr glänzendes, gebleichtes Haar war hinten zu einem dünnen Zopf gebunden, die Uniform saß eng. Am Haaransatz wuchs die Farbe heraus, es sah aus, als trüge sie ein dunkles Haarband. Während sie weitersprach, ging sie breitbeinig in die Wohnung, ohne sich die Schuhe auszuziehen oder Leila um Erlaubnis zu bitten.

»Ist mein Mann im Krankenhaus?« Leila hatte die Hand auf den Arm der Polizistin gelegt. »Isak ist nicht mehr mein Mann.«

Sie hatten sich getrennt, aber Billys Vater geriet immer wieder in neue Probleme, in die sie auf die eine oder andere Weise auch hineingezogen wurde.

Ich hätte ihn niemals um Hilfe bitten sollen, dachte sie.

Die Polizistin schüttelte den Kopf.

»Es geht nicht um Isak, es geht um Billy.«

Leila zuckte resigniert mit den Schultern. Es war sinnlos. Es passierte immer wieder. Die Polizei und sie verstanden einander einfach nicht.

»Billy schläft.«

»Es ist eilig«, sagte die Polizistin und betrachtete Leilas Nachthemd.

Leila hatte genug, sie wollte sich das nicht länger anhören. Ihr blieb nichts anderes übrig, als die Polizistin zu bitten, sie in Billys Zimmer zu begleiten. Wenn sie es schon nicht erklären konnte, dann musste sie ihr eben zeigen, was sie meinte. So machte sie es meist, wenn jemand Schwierigkeiten hatte, sie zu verstehen.

Sie klopfte an Billys Tür, bevor sie sie öffnete. Er war das einzige ihrer Kinder, das ein eigenes Zimmer hatte. Leila schlief im Wohnzimmer zusammen mit ihrer ältesten Tochter, die anderen beiden teilten sich das einzige Schlafzimmer der Wohnung. Billys Zimmer war klein, nicht viel größer als eine Kleiderkammer. Die Lampe war ausgeschaltet, aber es drang genug Licht durch die Türöffnung. Sie sahen beide zum Bett. Dann schaltete die Polizistin das Licht an. Leila schloss kurz die Augen. Sie ging zum Bett und legte die Hand auf die Decke. Es war deutlich zu sehen, dass sich dort niemand befand. Trotzdem klopfte sie mit der Hand auf die Stelle, an der Billy eigentlich liegen sollte. Sie klopfte und streichelte, immer fester und schneller. Die Angst überfiel sie wie ein kalter Zug in einem Wohnzimmer mit offenem Kamin. Ein eiskalter, unbegreiflicher Schrecken.

»Verstehe ich nicht«, flüsterte sie.

»Es ist eilig«, sagte die Polizistin erneut. »Wir müssen fahren.«

Die Panik machte sich blitzschnell breit. Leilas trockene Zunge füllte ihren Mund aus. Sie stürmte aus dem Zimmer, stieß die Polizistin zur Seite, riss die anderen Türen auf, klopfte nicht an, schaltete das Licht an, ohne die anderen zu warnen. Ihre jüngste Tochter begann zu weinen. Ihre älteste Tochter schrie auf, ihr zweiter Sohn fluchte leise und zog die Decke über den Kopf. Leila rief Billys Namen, immer wieder. Sie riss die Toilettentür auf.

Dort war er auch nicht. Sie riss Kleidung aus dem Schrank, der im Wohnzimmer stand, eingeklemmt zwischen dem Fernseher und dem Bett. Die Polizistin stand daneben, während sie sich anzog. Sie sprach erneut vom Spielplatz in Rönnviken.

»Wissen Sie, wen Billy dort mitten in der Nacht treffen wollte?«

Leila schüttelte den Kopf.

»Nein, nein. Nicht.«

»Wir haben Informationen, dass Billy einen sehr guten Freund in …«

»Nein!« Leila ließ ihre Stimme so entschlossen klingen, wie sie konnte. »Er ist nicht mehr sein Freund. Er fährt nicht mehr zu dem Spielplatz. Nie mehr.«

Sie gingen in den Flur. Leila zwängte sich in die Schuhe hinein, versuchte, die Kinder beruhigend anzulächeln. Ihre älteste Tochter Aisha hielt die jüngere Schwester Rawdah an der Hand. Tusane drückte seine Schmusedecke an die Wange. Er war elf Jahre alt, aber die Schmusedecke hatte er immer noch. Sie sahen Leila mit runden Augen an, Rawdah war zwölf Jahre alt, sie hatte schon seit Jahren nicht mehr die die Hand ihrer Schwester halten wollen. Als die Polizistin die Wohnungstür öffnete, stand dort der Nachbar, wahrscheinlich war er aufgewacht, als Leila nach Billy gerufen hatte. Er trug nur einen Morgenrock und Pantoffeln und nickte ernst, als die Polizistin mit ihm redete.

»Keine Sorge, ich bin hier, falls Aisha Hilfe braucht, oder wenn … Machen Sie sich keine Sorgen.«

Es war unbegreiflich. Leila war es gewohnt, dass die Leute sie ansahen, als würde sie nichts verstehen, obwohl sie es tat. Aber jetzt schienen die Worte jeglichen Halt in der Wirklichkeit verloren zu haben.

»Es ist eilig. Wir müssen fahren. Wir haben noch keinen Dolmetscher gefunden.« Die Polizistin warf Leilas ältester Tochter einen fragenden Blick zu.

»Nein«, sagte Leila. »Ich brauche keinen Dolmetscher. Aisha bleibt hier.«

Die Polizistin nickte. Der Nachbar nickte, auch die Kinder, drei Vogeljunge in einer Reihe. Leila sah ein letztes Mal in das Wohnzimmer, aber Billy war nicht dort.

Dann schob die Polizistin sie aus der Wohnung.

Die Jungen

Es war niemals staubig zu Hause bei Leila und den Kindern, aber alles war ständig in Bewegung.

»Willkommen«, empfing sie den neuen Freund ihres Sohns, als er zum ersten Mal zu ihnen nach Hause kam, um zu spielen.

»Oh«, sagte er, als sie die Wohnungstür öffnete und er in den engen Flur sah. Bevor Leila antworten konnte, zog Billy ihn mit in die Abstellkammer, in die sie ein Bett gequetscht hatten, damit sie das Ganze sein Zimmer nennen konnten. Der kleine Bruder Tusane zappelte in Leilas Armen, er wollte seinem großen Bruder hinterherlaufen. Sie waren drei Jahre auseinander, aber Billy war sein großes Vorbild.

Sie wollte ihnen ebenfalls hinterhergehen. Sie verstand ganz genau, was dieser Junge gemeint hatte. Es gibt nichts, wofür ich mich schämen müsste, wollte sie ihm sagen. Was glaubst du eigentlich, wer du bist? Aber sie ließ ihn in Ruhe. Oh. Er hat nichts anderes gesagt als Oh.

»Natürlich«, hatte Teo, der Vater des Jungen geantwortet, als sie ihm eine SMS schickte und fragte, ob sein Sohn zu ihnen nach Hause zum Spielen kommen könnte. Ein Wort, sonst nichts. Kein »Wie schön« oder »Gute Idee« oder »Nächstes Mal dann bei uns«. Leila hatte mindestens eine halbe Stunde lang überlegt, wie sie ihre Nachricht formulieren sollte. Geschrieben, weggeklickt, von vorne angefangen. Die Rechtschreibung kontrolliert, Aisha die Nachricht gezeigt, damit sie sie berichtigen konnte. Aisha war zwei Jahre älter als Billy, acht Jahre alt und die Beste in ihrer Klasse. Teo, der Vater des Jungen, hatte nur eine Sekunde gebraucht, um zu antworten. Vollkommen unbekümmert. Aber er hatte nicht geschrieben, wann Dogge zu Hause sein musste, oder wann er kommen würde, um ihn abzuholen.

Sie zog einen Schnuller aus der Tasche und gab ihn Tusane.

»Du darfst mit Mama spielen«, schlug sie vor und setzte ihn auf den Boden. Dann stellte sie die Schuhe, die die Jungen ausgezogen hatten, ordentlich hin. Sie hängte die Jacken auf, die auf dem Boden lagen, und hob die Tasche der ältesten Tochter auf, sie fühlte sich so gut wie leer an. Sie legte sie auf die Hutablage. Es gibt nichts, wofür ich mich schämen müsste, dachte sie erneut. Gar nichts. Tusane dürfte einen Film sehen. Vielleicht würde sie ihm auch ein paar Schokoladenkekse geben, damit er die Jungen in Ruhe spielen ließe.

Man hörte sie durch die Wand. Sie lachten, ganz versunken ineinander. Aisha und Rawdah saßen am Küchentisch. Aisha hatte einen Turm aus Schulbüchern vor sich liegen. Rawdah zeichnete mit einem Wachsmalstift auf einem Werbeprospekt.

»Wir spielen Schule, Mama«, sagte sie. »Aisha bringt mir alles bei. Ich kann jetzt lesen und schreiben.«

»Nein, das kannst du nicht«, sagte Aisha.

»Kann ich wohl«, sagte Rawdah und zeichnete weiter.

Tusane war auf dem Sofa eingeschlafen, mit herausgestrecktem Po und dem Daumen im Mund. Leila war klar, dass sie ihn wecken müsste. Ansonsten würde er später zur Bettgehzeit nicht einschlafen.

Ich fange einfach mit dem Kochen an, dachte sie. Er hatte gestern Fieber, also ist es gut, dass er schläft.

Sie schaltete das Radio an, drehte die Lautstärke hinunter, um Aisha nicht zu stören. Die Radiostimmen waren nicht mehr als ein Rauschen, Wellen aus einem Land, das sie immer noch ihre Heimat nannte. Die Kinder wollten ihre Sprache nicht sprechen, aber sie verstanden alles. Leilas Akzent wurde mit jedem Jahr schwächer. Sie sang ihnen die Lieder ihrer eigenen Mutter vor, wenn sie nicht einschlafen konnten, und flüsterte die Kosenamen, die sie von ihrem Vater gelernt hatte. Wenn sie sich stritten, wählte sie Worte, die nicht auf halber Strecke stecken blieben, dann entschuldigten sich die Kinder immer sofort. Und das taten sie auf Schwedisch.

Zwei Hähnchen hatte sie gekauft, im Angebot. Sie hob den Deckel von dem Topf, der stets auf dem Herd stand, weil er zu groß war, um ihn in einem der Schränke unterbringen zu können. Aus der Speisekammer holte sie das Gemüse, sie zerstieß vier Knoblauchzehen mit dem Handballen auf der flachen Seite einer Messerklinge, zog die Schale ab und warf sie in den Topf. Heute Abend konnte sie sich Zeit lassen, sie und die Kinder waren alleine, sie hatte das Schloss in der Tür austauschen lassen, sie mussten sich keine Sorgen machen.

Billys neuer Freund aß drei Portionen, Billy nur zwei. Tusane wollte nicht wach werden, also hatte sie ihn mit einer Flasche warmem Brei in das Gitterbett gelegt. Er war nicht einmal aufgewacht, als sie ihm die Nachtwindel angezogen hatte. Die Mädchen fielen einander ständig ins Wort, stritten sich laut über irgendetwas, das die eine gesagt, aber nicht getan hatte, oder sie hatte es getan, aber es nicht gedurft. Billys Freund sagte nichts, er aß nur. Kaute mit geschlossenem Mund, hielt das Messer fest in der rechten Hand.

»Können Sie ihn in einen Uber setzen?«, antwortete Teo, als sie ihm schrieb, dass der Junge jetzt so langsam nach Hause fahren sollte. Eine lange Nachricht in diesem Fall. »Wir sind zum Essen ausgegangen, zu viel getrunken, um nach Våringe zu fahren. Die Polizei würde mich sofort anhalten.« Dahinter ein Smiley mit verdrehten Augen und heraushängender Zunge.

Soll ich das etwa lustig finden?, dachte Leila. Dass man sofort glauben würde, solch ein schickes Auto hier in Våringe könnte nur gestohlen sein? Haha, sehr witzig.

Setzen Sie ihn in ein Uber? Leila versuchte sich vorzustellen, dass sie es in Rönnviken so machten. Sie bezahlten die Taxis der anderen. Keine große Sache, nächstes Mal bin ich ja wieder dran. Leila hatte jedenfalls nicht vor, irgendetwas zu bezahlen. Aber sie hatte auch kein eigenes Auto, sie hatte nicht einmal einen Führerschein. Und am nächsten Morgen musste sie früh zur Arbeit. Die Kinder mussten zur Schule. Und sie wollte nicht mit ihm zu Fuß nach Rönnviken gehen. Dann müsste sie die Kinder allein lassen. Also klingelte sie an der Tür des Nachbarn, gab ihm das, was von dem Hähnchengericht übrig war. Sie hatte das Essen in eine Plastikschüssel mit Deckel gefüllt, es war noch warm. Dann fragte sie, ob er den Freund ihres Sohns nach Hause fahren könnte.

»Isak ist ja … ja, du weißt ja, wie Isak ist. Er ist nicht hier. Und die Eltern des Jungen können ihn nicht abholen. Und ich kann Tusane nicht alleine lassen, ich glaube, er ist krank.«

Der Nachbar lächelte. Er griff nach seiner Jacke.

»Natürlich.«

»Tschüs«, sagte Leila, als der Junge sich seine Schuhe angezogen hatte. Er beugte den Kopf und murmelte etwas. »Du bist jederzeit wieder willkommen«, fuhr sie zögerlich fort. »Du darfst dich bei uns wie zu Hause fühlen.«

»Danke«, flüsterte der Junge.

Als er die Treppe heruntergegangen war, drehte sie das Schloss wieder herum, sowohl das obere als auch das untere. Für heute Abend sollte das reichen.

Freitag, 7. Dezember

5.

Sobald er eine der Kolleginnen instruiert hatte, zur Mutter des Opfers zu fahren, rief Farid den Dienststellenleiter Gunnar Löfberg an. Gunnar nahm das Gespräch nach dem ersten Signal an.

»Und? Ist es einer von deinen?«

»Das Opfer heißt Billy Ali. Ich kenne ihn, seit er sechs war. Zusammen mit seinem besten Freund hat er Dienstleistungen für eine lokale Größe erledigt, Mehdi Ahmad, bis vor sechs Wochen, als seine Mutter die Nase voll hatte und ihn überreden konnte, in ein Aussteigerprogramm zu gehen. Es schien gut zu funktionieren, aber inzwischen weiß ich nicht mehr, was ich davon halten soll. Ein paar Leute sollten zu Mehdi Ahmad fahren. Er ist bei seiner Mutter gemeldet, aber wir kennen auch noch ein paar andere Adressen in Våringe, an denen er sich aufhalten könnte.«

»Natürlich.« Gunnar klang leise. »Mehdi Ahmad? Sollte ich den kennen?«

Farid fuhr fort: »Tja. Mehdi ist nicht gerade eine große Nummer, aber in Våringe arbeitet er schon seit fast zehn Jahren an seinem Ruf. Er dealt ziemlich viel, keine Ahnung, woher er seine Ware bekommt. Er ist einmal eingefahren für Drogenbesitz und Körperverletzung, danach nichts mehr. Er ist ehrgeizig und sehr populär bei den Kids in Våringe. Für sie ist er Schnelles Geld und der Rapper Yasin in einer Person. Ich würde gerne zum besten Freund des Opfers fahren, Douglas Arnfeldt. Er und Billy hingen auf Rönnvikens Spielplatz ab, seit sie klein waren, und Douglas wohnt direkt daneben. Es ist nicht einmal ein halbes Jahr her, seit ich sie das letzte Mal dort eingesammelt und nach Hause gefahren habe, vier Monate vielleicht.« Er sah zu den Sandkisten hinüber. »Da hatten sich beide mit einem dicken Joint abgeschossen. Soweit ich weiß, hat Douglas im Unterschied zu Billy niemals behauptet, dass er mit Mehdi brechen wolle.« Er räusperte sich. »Ich hätte gerne einen richterlichen Beschluss, um die Wohnung dieses besten Freunds durchsuchen zu können, kannst du mir den besorgen?«

»Ein Junge aus Rönnviken, der beschlossen hat, ein Gangster zu werden? Wie konnte das denn passieren?«

»Tja«, sagte Farid. »Erklär du es mir.«

»Ich versuche, einen Beschluss für dich zu bekommen, aber fahr ruhig schon los. Drück mir die Daumen, dass nicht irgendein Korinthenkacker in der Staatsanwaltschaft zuständig ist, der sich nicht die Finger schmutzig machen will, weil es hier um Rönnviken geht und nicht um Våringe. Hast du die Adresse?«

»Klar.« Er konnte sie auswendig. »Aber bleib noch zwei Sekunden dran. Ich kann vielleicht noch etwas für die Staatsanwaltschaft zusammenkratzen.«

Farid ging zu den zwei Kollegen, die zuerst vor Ort gewesen waren. Sie saßen auf den Pritschen der beiden Krankenwagen, die dort mit geöffneten Hecktüren standen. Ein junger Polizist, vermutlich kaum länger als ein paar Monate im Dienst, starrte leer vor sich hin, während ein Rettungssanitäter einen DNA-Abstrichtupfer in seinen Mund steckte. Er war bis zu den Schultern in Blut getränkt. Farid war ihm noch nie begegnet, aber den älteren Polizisten kannte er gut. Er wurde Schlappen genannt, weil er vor fünfzehn Jahren nach einem Personalfest mit den falschen Schuhen nach Hause gegangen war. Schlappen hatte weniger Blut auf der Kleidung. Offensichtlich hatte er es dem jüngeren Kollegen überlassen, die Verantwortung für die Herz-Lungen-Wiederbelebung zu übernehmen.

Farid grüßte Schlappen mit einem Nicken, der nickte zurück. Während er das Handy an die Brust drückte, hob er die andere Hand, um den jungen Mann zu begrüßen.

»Hallo. Ich bin Farid.«

»Gustav«, antwortete der Kollege.

Farid wackelte mit dem Handy.

»Ich rede gerade mit Gunnar über den Einsatz, er soll uns helfen, einen Durchsuchungsbeschluss beim besten Freund des Opfers zu bekommen, der direkt in der Nähe wohnt. Und ich frage mich, ob ihr vielleicht …« Er zögerte.

Schlappen stand auf.

»Und dieser Kumpel wohnt hier in der Nähe?«, fragte er.

Farid sah zum hinteren Teil des Spielplatzes. Schlappen nickte begeistert.

»Als wir kamen, sah es so aus, als wäre jemand direkt dort hinaufgegangen«, sagte er und zeigte auf den Hügel hinter dem Tatort. »Es war verdammt dunkel«, fuhr er fort. »Als wir eintrafen, schneite es, aber es hatte gerade erst angefangen.« Er zögerte und sah Farid an. »Also …, wenn du wissen willst, ob möglicherweise jemand vom Tatort genau in diese Richtung gegangen ist, dann könnte ich problemlos darauf antworten: Ja, ich kann es zumindest nicht ausschließen.«

Auch Gustav nickte mittlerweile und fügte hinzu: »Es war dunkel, wir mussten uns über andere Dinge Gedanken machen, aber klar, wir hatten auf jeden Fall den Eindruck, dass dort jemand langgelaufen ist. Keine Frage.«

Farid hob das Handy wieder ans Ohr.

»Hast du das gehört, Gunnar? Der beste Freund des Opfers wohnt nur einen Steinwurf vom Tatort entfernt, und genau dort haben sie sich auch immer getroffen. Die ersten Polizisten, die vor Ort waren, haben den Eindruck, dass sich jemand vom Spielplatz in Richtung der Wohnung des besten Freunds bewegt hat. Der Freund ist zwar genauso jung wie das Opfer, aber er hat schon eine ganze Menge angestellt. Du weißt ja, dass diese Jungen eine ganz kurze Lunte haben, ein abgebrochener Fingernagel kann zu einem Schusswechsel führen.«

Gunnar brummte.

»Wie sieht es an der Adresse aus? Ein Einfamilienhaus, ist das alles?«

»Es gibt noch eine Art Nebengebäude, wenn ich mich richtig erinnere. Auf dem Grundstück. Kein Gartenhäuschen, sondern eher eine alte Spielhütte, aber richtig groß, mit Veranda und geschnitzten Verzierungen. Mir wäre es also lieb, wenn der Beschluss das gesamte Grundstück beinhaltet. Der Verdächtige wohnt dort mit seiner Mutter.« Farid nannte die Adresse.

»Ein Junge aus Rönnviken hat einen Jungen aus Våringe abgeknallt?« Gunnar klang jetzt erschöpft. »Das wird ein verdammtes Theater.«

»Das wissen wir noch nicht. Wir wissen gar nichts«, sagte Farid.

»Nein, stimmt. Aber nimm jemanden mit und fahr direkt dorthin. Ich schreibe dir, sobald ich den Beschluss habe, aber du brauchst nicht darauf zu warten. Und morgen, wenn wir das Ermittlungsteam zusammenstellen, bitte ich darum, dich ausleihen zu dürfen, okay? Ich möchte, dass du einer der Ermittler bist, du kannst kein Ermittlungsleiter werden aus Gründen, die du dir selbst zuzuschreiben hast, aber ich will dich dabeihaben. Kannst du mitmachen?«

»Selbstverständlich.« Farid grummelte. »Und falls jemand protestiert, kannst du ausrichten, dass niemand diese Jungen so gut kennt wie ich, wahrscheinlich sogar besser als ihre Eltern. Ihr wäret ja ziemliche Idioten, wenn ihr jemand anderen als mich darauf ansetzen würdet.«

»Genau.« Gunnar seufzte ein weiteres Mal. Er wollte auflegen. »Eins noch.«

»Was?«

»Vorsicht mit den Kronleuchtern.«

6.

Als er endlich durch die Wohnungstür trat, klapperte er mit den Zähnen. Außerdem musste er dringend auf die Toilette. Er schüttelte die Schuhe ab, kniff die Hinterschinken zusammen, atmete in kurzen Zügen und ging mit steifen Beinen auf direktem Weg ins Badezimmer. Er knallte auf die Klobrille. Eine Sekunde, nachdem er die Hose heruntergezogen hatte, hatte er sich schon entleert. Er spülte. Zweimal.

Nach Hause zu fahren war eigentlich nicht der Plan gewesen. Das Problem war nur, dass er nicht wusste, wohin er sonst fahren sollte. Also hatte er sich in den Bus gesetzt, und jetzt war er hier. Im Badezimmerschrank lagen die Tabletten seiner Mutter, er drückte eine heraus, dann noch eine.

Er warf die Tabletten in den Mund, spülte sie mit Wasser direkt aus dem Hahn herunter. Dann zog er seine gesamte Kleidung aus und setzte sich in die Dusche. Jetzt zitterte sein gesamter Körper in kräftigen Konvulsionen. Er hatte das Gefühl, dass er sich übergeben musste, aber er tat es nicht. Der Kaltwasserhahn war schwer zu drehen, er war verrostet. Das Wasser wurde viel zu schnell heiß, die Haut brannte, überall, nicht nur dort, wo das Ekzem war. Er stöhnte auf, blieb aber unter dem Strahl, drückte die Augen zu, presste die Fingernägel in die Handflächen, er drückte die Augen so fest zu, dass weiße Flecken hinter den Augenlidern tanzten.

»Fuck, fuck, fuck«, murmelte er vor sich hin und zog die Knie an die Brust, legte die Arme um den Kopf und beugte den Nacken, schaukelte mit zitterndem Körper, ließ das Haar nass werden und nach vorne fallen. Das Wasser rauschte weiter über ihn hinweg. »Fuck, fuck Arnfeldt.« Es floss zusammen zu einem einzigen Wort, das zu einem Geräusch ganz oben in der Kehle wurde. Fuckfuckfuckfuck.

Die Haut schmerzte, die Hände taten weh, er sah sie an, sie fühlten sich geschwollen an und waren schwach lila angelaufen. Er wusste, dass er sich waschen sollte, mit Seife, sich unter den Nägeln schrubben, alle Reste von dem fortspülen, was von seinem Körper ausgegangen war. Aber er schaffte es nicht. Die Gedanken wirbelten. Es fühlte sich an, als wollte sich jemand aus seinem Schädel herausarbeiten, durch sein Stirnbein. Der Schmerz suchte sich seinen Weg, kroch durch das Skelett und fuhr in die Muskeln. Als sich die Haut an das warme Wasser gewöhnt hatte, legte er sich hin. Und blieb dort liegen. Der Kachelboden drückte sich hart an seine Wange, er pulte mit dem Nagel in der Fugenmasse an der Wand, sie saß locker.

Zehn Minuten später stemmte er sich vom Boden hoch und drehte das Wasser ab. Er zitterte nicht mehr, der Dampf lag dicht im Badezimmer, und er schwang zuerst ein Handtuch um sich, bevor er den Morgenmantel seiner Mutter darüberzog. Er roch nicht eklig, nur schwach nach ihrem Parfum. Seine Mutter mochte immer noch Parfum, sie hatte acht verschiedene Sorten im Badezimmerschrank. Aber sie benutzte sie nur an den Tagen, an denen sie sich zum Duschen aufraffen konnte.

Die Kleidung, die er getragen hatte, hob er vom Badezimmerboden auf und trug sie mit sich in den Flur. Die Waschküche lag direkt nebenan und besaß einen eigenen Hintereingang durch den Garten, aber diese Tür konnte man nicht öffnen, die Zargen waren aufgequollen. Aber sie benutzten diesen Weg sowieso nicht mehr, also machte es nicht viel aus. Er drückte alles, was er getragen hatte, in die Waschmaschine. Die fleckigen Unterhosen und die nassen Socken steckten noch fest in der Jeans, er füllte viel zu viel Waschmittel ein und startete ein Programm, er sah nicht, welches. Er schaltete das Licht nicht ein, um sich selbst einen Gefallen zu tun, er wollte es dunkel haben. Seine Mutter würde niemals davon aufwachen, dass er seine Sachen wusch oder eine Lampe einschaltete.

Als die Waschmaschine lief, ging er in sein Zimmer und legte sich unter die Decke, immer noch in das Handtuch und den Morgenmantel gehüllt. Er spürte, wie sich das Zittern wieder bemerkbar machte, als er den Schweißgeruch des Lakens wahrnahm, und er atmete in kleinen, kurzen Stößen. Aber es roch nicht nach Urin und nicht nach Blut. Kein eiskalter Gestank nach Tod und Panik. Der Schüttelfrost verschwand genauso schnell, wie er gekommen war. Dann begann es in der Haut zu summen, im Kopf. Das waren die Tabletten. Bald würde sein Puls sich beruhigen, bald würde es still werden im Kopf.

In einer langsamen Welle nach der anderen spülten die Pillen alles weg, was juckte. In einer langsamen Welle nach der anderen wärmten sie das Blut. Er versuchte, langsamer zu atmen, wie seine Mutter es machte, wenn sie entspannen wollte, durch die Nase zu atmen, die Lunge zu füllen, sie wieder zu leeren. Vorsichtig schloss er die Augen, drückte die Arme an den Körper, bewegte sich nicht, ließ die kalte Luft aus dem Zimmer nicht unter die Decke, und er dachte, wenn er nur schlafen könnte, Wenn ich heute Nacht nur schlafen könnte, eine ganze Nacht, dann würde er wissen, was er als Nächstes tun sollte.

Er schluckte die Nervosität herunter, aber trotzdem stieg sie wie Galle den Hals hinauf, er drückte die Augen fester zu, aber es half nicht. Die Bilder im Kopf wollten nicht verschwinden.

»Der Rettungswagen ist auf dem Weg«, hatte die Frau gesagt, die den Notruf angenommen hatte. »Hilfe ist unterwegs.«

Sie sagte nichts von der Polizei, aber er hörte sie schon kommen, als er gerade im Bus saß. Zuerst der Bullenwagen, ein paar Minuten später dann der Rettungswagen. Die Sirene des Rettungswagens klang anders als die der Polizei, auch anders als die Feuerwehr. Seit er klein war, konnte er sie alle voneinander unterscheiden. Sein Vater fand das lustig, als er kleiner war, scherzte darüber mit seinen Kollegen.

»Wenn mein Sohn die Polizei hört, läuft er sofort und so schnell er kann in die entgegengesetzte Richtung, ganz egal, ob er etwas ausgefressen hat oder nicht. Für meinen Jungen ist die Polizei wie der Eiswagen, nur andersherum.«

Dann lächelte er jedes Mal sein charmantestes Lächeln, wie ein Filmstar, und brachte so auch seine Frau zum Lächeln. »Das ist ziemlich seltsam«, hatte sein Vater gesagt. »Man fragt sich, von wem er das hat, wer ihm das beigebracht hat. Vielleicht sollte ich Jill fragen?«

Das brachte seine Kumpel zum Lachen, jedes Mal. Aber er hatte recht. Dogge hasste die Scheißbullen, er hatte es schon immer getan, jedenfalls seit er Billy kennengelernt hatte. Vor Rettungswagen musste man nicht fliehen, und wenn die Feuerwehr kam, musste man herausfinden, was passiert war, aber bei der Polizei war es anders. Die wollten einen verhaften.

Er holte tief Luft. Ließ sie wieder hinaus, ein Atemzug nach dem anderen. Es war jetzt wärmer unter der Decke. Langsam, langsam wurden die aufgewühlten Gedanken ruhiger.

Er drehte sich im Bett auf den Bauch. Der Körper wurde immer schwerer. Er wühlte sich aus dem Badehandtuch und dem Morgenrock heraus und warf sie auf den Boden. Jetzt war ihm endlich warm, nackt unter der dicken Decke. Das Blut rauschte in den Ohren, aber der Ton in seinem Kopf war leiser.

Alles wird gut, dachte er. Es wird sich alles finden. Ich habe den Rettungswagen gehört, er ist sofort gekommen.

Die Türglocke heulte. Der Klang schnitt direkt durch Haut und Blut und Knochen und sämtliche Muskeln. Es war kein kurzer Klingelstreich eines Nachbarjungen auf dem Heimweg von einem Fest in sturmfreier Bude, sondern ein langes, entschlossenes Signal. Ihm folgte ein kräftiges Klopfen.

Er tat sein Bestes, um aus dem Bett zu kommen, den Morgenrock überzuziehen und so schnell wie möglich zur Tür zu gehen. Aber er stolperte, kam wieder auf die Beine, gewann das Gleichgewicht zurück und humpelte seitwärts in den Flur. Das obere Schloss war nicht eingerastet, er musste nichts weiter tun, als den unteren Riegel drehen und öffnen.

Vor der Tür warteten zwei Polizisten, von denen einer Uniform trug. Der andere trug nichts als ein Hemd und einen Pulli, keine Jacke oder Mütze, obwohl es mittlerweile richtig kalt war. Sie standen unter der kaputten Außenlampe aus Gusseisen und Glas, die an der Überdachung der Haustreppe hing.

Der Polizist ohne Uniform hieß Farid und hatte ihn schon viele Male zuvor zu Hause besucht, aber er war schon lange nicht mehr hier gewesen.

Der Streifenwagen stand mit der Front vor ihrem Gartentor und hatte die Scheinwerfer eingeschaltet. Der ganze Garten wurde von dem Licht erhellt: die eingeschneiten Gartenmöbel, die niemand nach dem Sommer hereingeholt hatte, das Spielhaus mit der Tür, die sich aus der oberen Angel gelöst hatte, die Haselsträucher, die niemals Nüsse trugen, die Fahnenstange mit dem kaputten Seil und der morschen Bodenhülse, die knorrigen Bäume, deren Äpfel nie jemand erntete. Ein paar Äpfel hatten sich im Herbst an ihren Zweigen festgekrallt, der Rest lag wie eine buckelige Decke auf dem Boden darunter. Sämtliche Früchte waren verfault, wurden dann überdeckt, erst vom Frost und jetzt vom Schnee.

Farid stand näher an der Tür. Drei Sekunden lang war es still. Das Einzige, was man hörte, war die trommelnde Waschmaschine.

»Scheiße, Douglas«, sagte Farid schließlich. Er nannte ihn sonst niemals Douglas. Niemals, niemals. Nicht einmal, wenn er sauer war. »Was hast du getan?«

Die Jungen

Das erste Mal, als Farid Billy und Dogge zusammen sah, waren sie sechs Jahre alt gewesen. Billy trug Patrick Vieiras französisches Nationalmannschaftstrikot, das so groß war, dass es ihm bis zu den Knien reichte, und einen Fußball in einer Netztasche über der Schulter. Farid kannte ihn schon, weil Billys Vater Isak einer von Våringes ungeschicktesten Ladendieben war. Aber Dogge und seinen Vater hatte Farid noch nie gesehen. Es war augenfällig, dass sie nicht aus Våringe stammten. Dogge war genauso hell, wie Billy dunkel war, und bestimmt fünf Zentimeter kleiner. Er trug auch ein Nationalmannschaftstrikot, das schwedische, exakt in seiner Größe, aber ohne Spielernamen. Der Vater steckte in einem zerknitterten, kreideweißen Leinenhemd und hellblauen Jeans, seine Unterarme waren sonnengebräunt. Er trug Segelschuhe ohne Socken. Farid kannte niemanden, der Segelschuhe besaß. Eine Armbanduhr trug Dogges Vater nicht, sondern nur ein geflochtenes Lederband um das Handgelenk.

Bist du ein Börsenhai mit Surferträumen?, dachte Farid. Oder andersherum?

Es war Hochsommer, Farid war Polizeianwärter im praktischen Jahr, und das Uniformhemd klebte an seinem Rücken. Die Haare schmierten unter der Mütze über die Stirn. Er sehnte sich intensiv nach einer Dusche, nach Shorts und einem eiskalten Bier, aber trotzdem blieb er stehen, nickte den Jungen zu, die zurücknickten. Der Vater streckte ihm seine Hand entgegen, und Farid schüttelte sie.

»Teo Arnfeldt«, sagte der Vater. »Das ist mein Sohn, Douglas. Dogge, sag ordentlich guten Tag.«

Er wirkte aufgedreht, vielleicht nicht ganz nüchtern.

»Wir sind auf dem Weg zu ihrem Fußballtraining, für meinen Jungen ist es das erste Mal.« Teo versuchte, das Haar seines Sohns zu raufen, aber Dogge wich ihm aus.

»Hör auf, Papa, wir müssen jetzt, komm.«

Sie plauderten kurz, auch wenn es Teo war, der die meiste Zeit redete.

Farid dachte kurz an Billys Vater Isak mit seinem ruckeligen Gang und den nervösen Händen. Isak war nicht der Typ für einen Small Talk, am allerwenigsten über seinen Sohn.

»Der Trainer der Jungs ist eine Legende«, sagte Teo. »Er hätte schon längst in den Ruhestand gehen sollen. Aber er weigert sich, seine Jungenmannschaft aufzugeben. Und wenn man möchte, dass der Junge mit zukünftigen Nationalspielern trainiert, dann wird das kaum in Rönnviken passieren. Hier in Våringe lebt ihr für den Sport! Wir Schweden können viel von euch lernen, nicht zuletzt, was Leidenschaft und Disziplin betrifft.«

Farid nickte. Er erwähnte nicht, dass er als Jugendlicher denselben Trainer gehabt hatte. Vielleicht war es die Unbekümmertheit von Dogges Vater, der neugierige Blick. Oder weil es ihn nicht im Geringsten nervös machte, sich mit einem Polizisten zu unterhalten. Was auch immer es war, es provozierte ihn.

Er ist auf Safari, dachte er. Der weiße Mann besucht die Kolonien.

Die Sonne fiel auf Teos Rücken, als die kleine Gruppe weiterging, aber er schien nicht zu schwitzen. Es war die Tageszeit, zu der in dieser Jahreszeit die Farben am klarsten waren. Farid sah, wie Teo Billy und Dogge betrachtete. Zwei Jungen mit unterschiedlichem Hintergrund, die zu Freunden geworden waren. Ein Werbebild für die einigende Kraft des Sports. So etwas sollte eigentlich glücklich enden. Es lag nichts Schicksalsschwangeres darin, nicht einmal, wenn man die Hitze und das aufziehende Gewitter in Betracht zog.

Freitag, 7. Dezember

7.

Es roch aus dem Haus. Der Boden im Flur war dunkelbraun vom Schmutz, die Tapeten gelb vom Nikotin. Der Morgenrock, den Dogge trug, war schmutzig, und der Gürtel hing schief. Er wollte Farid nicht ansehen, sein Blick flackerte. Es war über ein Jahr her, seit Farid das letzte Mal in diesem Haus gewesen war, und er erkannte es kaum wieder. Er wandte sich an seinen Kollegen.

»Kannst du die Waschmaschine ausschalten? Die Techniker müssen sie ausräumen, wenn sie kommen. Versuch, die Mutter des Jungen zu finden. Und sichere die Schuhe hier«, er zeigte auf den Boden. »Ich will sie in einer Tüte haben, bevor jemand darauftritt.«

Dann packte Farid Dogges Arm und führte ihn aus dem Flur heraus. Nur drei Türen weiter befand sich die Küche, und von dort roch es so streng, dass er sich in der Türöffnung umdrehte. Sie gingen ins Wohnzimmer.