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723 n. Chr.: Um den Germanen zu beweisen, dass ihre alten Götter tot sind, will Bonifatius die Donar-Eiche fällen. Doch das geht gewaltig schief und statt der Eiche liegt am Ende der Mönch am Boden! Und mit ihm die christliche Mission in Europa. 1301 nDS: Immer wieder verschwinden in Colonia junge Frauen spurlos. Die Polizei vermutet organisierten Menschenhandel und setzt Kommissar Ragnar Anderssohn auf den Fall an. Gemeinsam mit einer Kollegin ermittelt er in einer Welt, in der in Köln kein Dom steht und in der mit Radwöhr bezahlt wird ...
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Seitenzahl: 249
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Mit zwölf Jahren wollte er Zeichner bei „Spirou“ werden - oder Autor bei „Perry Rhodan“. Und so zeichnete er - quasi zum Aufwärmen - vier Jahre lang alle 14 Tage ein Heft mit selbst ausgedachten ScienceFiction-Comics und Geschichten ...
Nach 96 Heften war dann allerdings Schluss, denn seine Eltern meinten, es wäre an der Zeit, etwas „Vernünftiges“ zu lernen, nämlich Bürokaufmann.
Auf zwei Jahre Abendschule zum COBOL-Programmierer folgten fast dreissig Jahre in der EDV (= Ende der Vernunft ...) bei diversen Firmen der Versicherungsbranche.
Seit Anfang 2023 im Vor-Un-Ruhestand hat er das Schreiben für sich (wieder-) entdeckt. Unter dem Pseudonym Diethleib Kurtsohn beschreibt er eine Alternativwelt, in der nicht das Christentum den Ton angibt, sondern Ásatrú - der Glaube an die nordischen Götter ...
In diesem Roman erwähnte Feste und Rituale
Ein paar Worte vorab
Prolog
Mondtag, 3. Brachet 1301 nDS
Tyrstag, 4. Brachet 1301
Freyatag, 7. Brachet 1301
Sonnentag, 9. Brachet 1301
Tyrstag, 11. Brachet 1301
Wotanstag, 12. Brachet 1301
Thorstag, 13. Brachet 1301
Sonnentag, 16. Brachet 1301
Tyrstag, 18. Brachet 1301
Freyatag, 21. Brachet 1301 (Mittsommer)
Laugtag, 22. Brachet 1301
Tyrstag, 25. Brachet 1301
Wotanstag, 26. Brachet 1301
Thorstag, 27. Brachet 1301
Sonnentag, 30. Brachet 1301
Tyrstag, 2. Heuert 1301
Wotanstag, 3. Heuert 1301
Tyrstag, 9. Heuert 1301
Laugtag, 13. Heuert 1301
Sonnentag, 14. Heuert 1301
Mondtag, 15. Heuert 1301
Tyrstag, 16. Heuert 1301
(
K)ein Nachwort
Germanische Gottheiten in diesem Roman
Geographische Bezeichnungen
Erläuterungen
Germanische Namen
Frauennamen und ihre Bedeutung
Männernamen und ihre Bedeutung
Die Germanischen Wochentage
Die Germanischen Monatsnamen
Runenalphabet (älteres Futhark)
Danksagung
In diesem Roman erwähnte Feste und Rituale
Ahnengedenken
3
)
Bitte an die Nornen: Segnung der Beziehung
4)
Bitte um Heilung (Anrufung Eirs)
4
)
Freya-Blót
2
)
Gebet zu Eir um Heilung
2
)
Gedenken für einen getöteten Polizisten
4
)
Herdfeuer-Lied
1
)
Lossagung vom christlichen Glauben
1
)
Mittsommer-Bad
3
)
Mittsommer-Blót
1
)
Morgengebet (Anrufung Tyrs)
4
)163
Muntfeier
1
)
Nachtgebet (Anrufung Skirmir und Nott)
3
)
Totenleite (Begräbnis)
1
)
3
)
1) Die Texte entstammen dem Buch „Eldariten“ herausgegeben von Petra Bolte, erschienen bei „Edition Roter Drache“, ISBN 978-3-96815-032-1 Abdruck mit freundlicher Erlaubnis
2) Texte aus „Weltenesche - Eschenwelten“ von Voenix, erschienen bei „Edition Roter Drache“, ISBN 978-3-939459-71-2 Abdruck mit freundlicher Erlaubnis
3) Diese Texte bzw. Rituale entstanden im Kölner Eldaring-Herd „Rheingold“
4) Diese Texte entstanden im Rahmen des Buchprojekts
Ein paar Worte vorab
„Gibt es eigentlich immer noch Tieropfer bei euch Heiden?“ Diese - in der Regel scherzhaft gemeinte Frage wird mir immer wieder mal gestellt, wenn ich sage, dass ich Ấsatrú bin, also ein Anhänger des Glaubens unserer germanischen Vorfahren, bevor diese zwangsweise christianisiert wurden.
Es gibt aber auch durchaus ernst gemeinte Fragen, wie z.B. „Wie feiert ihr Gottesdienst?“, „Wie ist eure Gebetshaltung?“, „Wie ist euer Verhältnis zu den anderen Religionen?“ oder „Sagt ihr auch ‚Amen‘ am Ende eines Gebets?“
Diese Fragen weckten in mir den Wunsch nach einer Beschreibung, wie heidnischer Glaube im Alltag praktiziert werden kann. Das sollte allerdings kein „dröges“ Lehrbuch werden und so entstand die Idee einen Roman zu schreiben, der in einer Alternativwelt spielt, in der Ấsatrú und nicht das Christentum der vorherrschende Glaube ist - und konsequenterweise heidnische Feste und Rituale gefeiert werden.
Dass ich dabei vorwiegend auf Texte und Rituale des „Eldaring e. V.“ zurückgegriffen habe, liegt ganz einfach daran, dass meine Frau und ich seit fast zehn Jahren Mitglied in diesem Verein sind. Ich möchte daher ausdrücklich betonen, dass es im deutschsprachigen Raum noch eine ganze Reihe weiterer Ásatrú-Gruppen gibt die „gelebtes Heidentum“ praktizieren. Exemplarisch seien hier nur der „Verein zur Förderung des Germanischen Heidentums (VFGH)“ und der „Ásatrú-Ring Midgard“ in Frankfurt/Main genannt. Daneben existieren zahllose Gruppen, die nur auf lokaler Ebene agieren und teilweise nur sehr locker organisiert sind.
Leider gibt es auch Gruppierungen, die Ásatrú als Legitimation und Vehikel für ihre rassistische und menschenverachtende Weltsicht missbrauchen. Mit solchen Leuten zu diskutieren ist in der Regel vertane Zeit. Man sollte sie einfach ignorieren.
Nicht ignorieren solltest du die folgenden Seiten, bei deren Lektüre ich dir viel Vergnügen wünsche.
Diethleib Kurtsohn
im Ernting 1300 nDS
Sowohl der Eldaring als auch der VFGH sind im Internet vertreten:
www.eldaring.de
www.vfgh.de
Weitere Informationen zu „Mittsommer 1301“ und „Midgard - nach Donars Sieg“:
www.midgard-nds.de
Prolog
Gaesmere, 723 n. Chr.
Mit finsterer Miene verfolgten die Bewohner von Gaesmere das Treiben des untersetzten Mannes in der groben Mönchskutte. Er hielt eine Doppel-Axt in seinen Händen und holte mit dieser immer wieder weit aus, um sie dann gegen die imposante Eiche zu führen, die seit ewigen Zeiten dem Gott Donar geweiht war. Mit einem schmatzenden Geräusch frass sich die Axt in den Baum. Schon holte der Mönch zum nächsten Schlag aus - Tschack! Das verschwitzte Gesicht des Mannes, der die Axt führte, wandte sich den in einiger Entfernung stehenden Fürsten und Kriegern zu. „Nun - wo sind eure Götter, um mich für diesen Frevel zu strafen?“ skandierte Bonifatius mit schriller Stimme. „Nun, wo sind sie?“ wiederholte er seine Frage.
Ein verpickelter Novize, der sich seit seiner Hinwendung zum Glauben an den jüdischen Wanderrabbiner Jehoschua nur noch Matthäus nannte, beantwortete die rhetorische Frage seines Priors: „Sie werden noch schlafen, Herr! Donar hat sie noch nicht mit Hammerschlägen geweckt!“ Ein gackerndes Lachen entrang sich Matthäus Kehle und manch einer der anwesenden Mönche des nahegelegenen Klosters stimmte hämisch mit ein, während der Unmut der Dorfbewohner immer mehr wuchs ...
Tschack! Erneut drang die Axt tief in den Stamm ein. „Eure Götter sind tot!“ rief Bonifatius und begann die Axthiebe mit Gebeten seiner Religion zu begleiten: „Im Namen des Vaters“ Tschack! „des Sohnes“ Tschack! „und des Heiligen Geistes!“ Tschack! „Amen!“ Tschack! „Im Namen des Vaters,“ Tschack! „des Sohnes“ Tschack! „und des Hei ... ARRGHH!“
Ein gellender Schrei löste die Gebetsfetzen ab. Die Axt war im Stamm auf ein Hindernis gestossen, das für sie zu hart war. Sie prallte zurück zu dem Mönch, der die Doppel-Axt noch festhielt und versuchte ihr eine andere - für ihn ungefährliche - Richtung zu geben.
Doch zu spät! Fast senkrecht stehend erreichte das Blatt der Axt Bonifatius, teilte seinen Kopf in zwei Hälften. Ein Röcheln entrang sich der Brust des Mönchs, seine Augen weiteten sich im Unglauben über das, was ihm gerade geschah ... Dann wurden seine Augen trüb und er fiel mit der Axt im Kopf, den Stiel noch festhaltend, nach hinten.
Lähmendes Entsetzen erfasste die Nonnen und Mönche, die Bonifatius begleitet hatten, während die Dorfbewohner Triumphgeschrei anstimmten. Für sie stand ausser Frage, dass Odin die Axt geführt hatte, um Bonifatius für seinen Frevel zu bestrafen!
Knüppel und Dreschflegel schwingend liefen die Dörfler auf die Jünger des Jehoschua zu.
Der Novize Matthäus war einer der Ersten, der den Dorfbewohnern in die Hände fiel. „Herr hilf!“ konnte er noch mit erstickender Stimme ein letztes Gebet gen Himmel schicken, dann sorgte die Dorfjugend dafür, dass er zu seinen zahlreichen Pickeln noch etliche weitere Beulen am Körper bekam.
Wer von den Mönchen nicht rechtzeitig die Schockstarre überwand und sein Heil in der Flucht suchte, der teilte das Schicksal seines Priors. Manch einer versuchte seine Haut zu retten, indem er in den nahegelegenen Fluss sprang. Wem nicht die Gnade zuteil wurde direkt erschlagen zu werden, der wurde auf schnell errichtete Kreuze gebunden, die im weiteren Verlauf des Abends als Fackeln dienten und das Fest beleuchteten, das nun spontan zu Ehren Donars gefeiert wurde. Die Nonnen hingegen, die sich gerne als „Bräute Christi“ bezeichneten und zumeist unberührt ins Kloster eingetreten waren, erlebten heute ihre Hochzeitsnacht - oftmals mit mehr als einem richtigen Bräutigam aus Fleisch und Blut ...
Hatten die Fürsten erst noch versucht dem Treiben Einhalt zu gebieten, so mussten sie einsehen, dass der Zorn und die Empörung über Bonifatius Sakrileg ein Ventil brauchte - der Mönch hatte ja nicht nur versucht, eines ihrer grössten Heiligtümer zu zerstören, er hatte zuvor noch hämisch lachend seine Notdurft unter dem Baum verrichtet und damit seine Missachtung gegenüber dem Glauben der Dorfbewohner gezeigt. Schon da schwoll vielen anwesenden Kriegern die Zornesader, doch hielten sie sich auf Befehl ihrer Fürsten zähneknirschend zurück. Nun jedoch fielen alle Hemmungen, die Empörung brach sich Bahn. Die fränkischen Krieger, die Bonifatius zu seinem Schutz mitgebracht hatte, sagten sich allesamt vom Gott der Christenheit los und erneuerten ihren Treueeid gegenüber Donar und Odin.
Getreu dem Spruch „Mit dem Tod endet alle Feindschaft“ erhielten Bonifatius und seine getöteten Gefolgsleute ein würdiges Begräbnis - allerdings nach alter Sitte.
Die Bewohner von Gaesmere feierten gemeinsam mit den anwesenden Kriegern bis in die frühen Morgenstunden, besangen die alten Götter, schworen ihnen die Treue und liessen sie hochleben. Gewiss hätten sie noch viel ausgelassener gefeiert, wenn sie geahnt hätten, dass die Geschehnisse des heutigen Tages praktisch das Ende der christlichen Mission in Europa einläutete - was zur Folge hatte, dass die Geschichte in vielen Dingen ganz anders verlief, als wir sie kennen ...
Flughafen Agrippa Duirum, früher Nachmittag Ragnar Anderssohn blickte immer wieder auf die grosse Anzeigetafel in der Ankunftshalle des Flughafens. Noch immer blinkte neben dem Interkontinental-Flug aus Tenochtitlan das Wort „Verspätung“ ... Ragnar fluchte leise vor sich hin. Seit über drei Stunden stand er sich hier die Beine in den Bauch, um einen Kollegen aus Excan in Empfang zu nehmen, der im Rahmen eines internationalen Austauschprogramms einen bis maximal zwei Monde lang die Arbeit der Polizei von Colonia Agrippinensis kennenlernen sollte.
Ragnar schnaubte verächtlich. Der Vater war vermutlich ein hoher Regierungsbeamter, dem der dortige Polizeipräsident einen Gefallen schuldete. Und so landete die Akte von Sohnemann trotz grottenschlechter Beurteilungen und Leistungen auf wundersame Weise ganz oben auf dem Stapel der für den Austausch vorgeschlagenen Kandidaten, versehen mit einer persönlichen Empfehlung des Polizeipräsidenten. Da das Gremium, das über die Vergabe der Austauschplätze entschied, sich in der Regel an die Empfehlungen des Präsidenten hielt, hatte Sohnemann das Ticket nach Europa (Haupt- oder Grossstadt bevorzugt) so gut wie in der Tasche.
Dort nervte er dann die Kollegen, die ihn bespassen durften und aufpassen mussten, dass er bei einem Einsatz gegen bewaffnete Bankräuber nicht kinoreif aus der Deckung sprang und die Banditen forsch aufforderte sich zu ergeben. Hoch aufgerichtet, die entsicherte Dienstwaffe im Anschlag - aber ohne jegliche Deckung: Das perfekte Ziel für einen Banditen, der dabei war durchzudrehen, weil ihm klar wurde, dass das Spiel aus war, dass er keine Chance hatte aus dieser Nummer mit heiler Haut raus zu kommen ... Ragnar bekam Bauchschmerzen bei diesen Gedanken. Bisher hatte er sich immer davor drücken können „Kindermädchen“ zu spielen, aber diesmal würde das Horn wohl nicht an ihm vorübergehen.
„Blöder Spruch!“ dachte Ragnar, wieso sollte man das mit Met gefüllte Horn an sich vorbeigehen lassen, wenn es in der Runde herumgereicht wurde? Woher kam das überhaupt? Er dachte nach.
Klar, vor drei Jahren, in einem internen Fortbildungsseminar: „Randgruppen in unserer heutigen Gesellschaft“, da hatte der Dozent unter anderem über die „Christen“ referiert, eine religiöse Kleinstgruppe, die sich vor etwa zweitausend Jahren von den Juden abgespalten hatte.
Wegen aufrührerischer und staatsgefährdender Aktivitäten hatten die Römer den Anführer - einen Wanderprediger mit Namen Jehoschua - verhaftet, abgeurteilt und exekutiert, wobei sie die damals für Nichtrömer übliche Methode anwendeten: Die Kreuzigung. Als man das Grab einige Tage später leer vorfand, behaupteten seine Anhänger steif und fest Jehoschua wäre von den Toten auferstanden und in den Himmel aufgestiegen, zu seinem „Vater“, dem jüdischen Gott JHWH. Kurz vorher hatte er bei einem Abendessen mit seinen Jüngern über Wein und Brot oder so philosophiert. Ragnar kam gerade nicht drauf, was genau der Dozent damals erzählt hatte.
„Ist ja auch egal“, brummte der Polizist. Als ob er keine anderen Sorgen hätte ... Kurzfristig überlegte er zu den Kollegen in der Ankunftskontrolle hinüber zu gehen, doch die seit Eröffnung des Flughafens bestehende unterschwellige Rivalität zwischen der städtischen und der Flughafenpolizei liess ihn diese Idee ganz schnell wieder begraben.
Erneut blickte er auf die grosse Anzeigetafel. Da - endlich: Der Status des Fluges wechselte auf „Gelandet“ und etwa eine Viertelstunde später strömten die ersten Fluggäste in die Ankunftshalle: vornehmlich dunkelhäutige Geschäftsleute aus Excan, und leicht gebräunte Touristen, die aus dem Urlaub zurückkehrten. Kommissar Ragnar hielt das Pappschild mit dem Namen des Kollegen in Augenhöhe und kam sich lächerlich dabei vor, wie ein studentischer Hilfsreiseleiter, der sich bemühte seine Leute rechtzeitig abzufangen, bevor sie sich in der Weite des Grossflughafens womöglich verirrten. Einige Fluggäste warfen einen kurzen Blick auf das Schild mit dem Namen ‚Moctezuma Tlacopan Chipahua‘ und eilten weiter.
Zwischenzeitlich hörte man im Sicherheitsbereich kurz eine Sirene aufheulen, dann Stiefelgetrappel und mehrere Stimmen, die durcheinander redeten. Durch die Abtrennungen war jedoch nichts zu erkennen.
Der Strom der Fluggäste liess nach und Ragnar befürchtete schon den Kollegen verpasst zu haben, als eine zierliche Aztekin mit einem geschulterten Seesack aus dem Kontrollbereich in die Ankunftshalle trat und sich umsah. Als sie das Schild erblickte, lächelte sie, kam zielstrebig auf Ragnar zu und streckte ihm die Hand entgegen: „Guten Tag. Sie müssen Hauptkommissar Anderssohn sein.“ begrüsste sie ihn in akzentfreiem Diot. „Ähm, äh ja ...“ stammelte Ragnar, der nicht mit einem weiblichen Kollegen gerechnet hatte. Geistesabwesend ergriff er ihre Hand: „Und Sie .. äh ... Sie ...“ - er warf einen verzweifelten Blick auf das Schild, das ihm die Sekretärin des Polizeipräsidenten mitgegeben hatte. „... sind Frau ... ähm ... Tla ... Tlaco ...“. „Moctezuma Tlacopan ist mein - Sie würden sagen - Familienname. Gleichzeitig ist es der Name der Stadt, in der ich geboren wurde. Moctezuma schliesslich ist die Stadt, aus der meine Vorfahren väterlicherseits stammen.“ erkläre die Frau mit einem erneuten Lächeln. Ragnar schätzte sie auf höchstens 25. „Chipahua ist mein Vorname. Er bedeutet ‚die Reine‘ oder auch ‚die Saubere‘ - passt doch für ein Flintenweib in unserem Beruf, oder?“ fügte sie lachend hinzu. „Sie haben einen männlichen Kollegen erwartet, richtig?“
„Nein, ja, ähm ... Nun ja, egal.“ brachte Ragnar mühsam hervor und hätte sich am liebsten für sein Gestammel geohrfeigt. Und warum hatte er sich heute morgen nicht rasiert? Er musste ja einen tollen Eindruck auf die junge Frau machen ... „Erst einmal herzlich willkommen im Bund der Germanischen Stämme und in Colonia Agrippinensis, Frau Chi .. Chipa ... äh ...“ stammelte Ragnar und merkte, wie er rot im Gesicht wurde. „Sagen Sie einfach Chip zu mir - so nennen mich Zuhause alle“ bot sie ihm an, wobei sie wieder ihr bezauberndes Lächeln zeigte.
Während Ragnar den „Sleipnir 510 3,8 Kompressor“ aus dem Flughafenparkhaus auf die Schnellstrasse lenkte, erzählte Chipahua, dass die Mitarbeiter der Einwanderungsbehörde Alarm geschlagen und Polizei angefordert hätten, als sie ihre Dienstwaffe vorzeigte. Kurz darauf seien zwei blutjunge Flughafenpolizisten in Schutzanzug und mit entsicherten Maschinenpistolen herangestürmt. „Das hat bestimmt zehn Minuten gedauert, bis ich die Burschen davon überzeugen konnte, dass wir praktisch Kollegen sind und dass das meine Dienstwaffe ist. Doch sie mussten erst noch beim Polizeipräsidenten in Colonia anrufen, damit der ihnen bestätigte, dass ich die Waffe auch hier tragen darf. Wobei ...“ wieder lachte Chip „Ihr Chef den Beiden noch ganz was anderes erzählt haben muss ... Die Zwei waren danach sooo klein und so was von zuvorkommend ...“
„Ich kann mir gut vorstellen, wie Ole Tjorrson die Beiden lang gemacht hat!“ grinste Ragnar. „Aber warum kam die Maschine so spät an?“. „Es gab Probleme auf Ägir-Süd. Unser Vogel war wieder vollgetankt, startklar und schon auf dem Weg zum Startkatapult, als plötzlich und ohne vorherige Anmeldung drei Maschinen der Südafrikanischen Union auftauchten und Landeerlaubnis verlangten. Sie gaben vor, verletzte Zivilisten an Bord zu haben, die von einem Schiff des gallischen Brigid-Dienstes übernommen werden sollten. Neben unserer Maschine befand sich noch die in Gegenrichtung auf Ägir-Süd. Waren zusammen fünf.“. „Ein bisschen viel!“ warf Ragnar ein, „meines Wissens sind die Plattformen für maximal drei ‚Inter-Kontis‘ konzipiert.“
Ragnar erinnerte sich: “Zu meiner Schulzeit waren die Plattformen gerade in Planung, nachdem alle Versuche fehlgeschlagen waren die Reichweite der Flugzeuge soweit zu erhöhen, dass sie das Grosse Meer non-stop überqueren konnten. So kam man auf die Idee, mitten im Meer Plattformen zu errichten, auf denen die Flugzeuge zwischenlanden und neuen Treibstoff aufnehmen konnten.
Auf der Route zwischen Itgart und Eriksland entstanden drei künstliche Inseln: Ägir-Nord 1, Nord 2 und Nord 3, im Süden zwischen Azteka und Afrika eine Plattform: Ägir-Süd. Ach, übrigens: Ägir ist der Name unseres Meeresgottes.“ erklärte Ragnar und fragte direkt „wie ging es denn dann weiter mit den Afrikanern?“ - „Nun ja, nachdem die Fluglotsen es tatsächlich geschafft hatten, die Flugzeuge so zu parken, dass gerade noch Platz genug für die Strecke des Startkatapults blieb, stellte sich heraus, dass die Afrikaner Märchen erzählt hatten: An Bord der Maschinen befanden sich fast ausschliesslich verwundete Soldaten. Dazu ein Stammesfürst nebst weiblichem Gefolge und Portokasse. Das Schiff, das sie aufnahm, war auch keins von Brigid, sondern ein hochseetauglicher Truppentransporter unter iberischer Flagge, der die Kombattanten und den augenscheinlich abgedankten Häuptling wer-weiss-wohin bringen sollte. Den getankten Treibstoff für den Rückflug zum Festland konnten die Kapitäne der drei Maschinen natürlich auch nicht bezahlen. Aber was sollte der Leiter von Ägir-Süd machen? Ohne Treibstoff hätten die drei Vögel den Platz auf der Plattform blockiert. Also liess er die Maschinen der Südafrikaner zähneknirschend ziehen. Danach waren wir dann dran und konnten endlich weiterfliegen.“.
„Bei Tyr!“ entfuhr es Ragnar, „dieser verdammte Krieg zwischen den nord- und südafrikanischen Stämmen ist so was von ... von ... unnötig!“. „Oh, Thor, das ist Ihr Donnergott, nicht wahr? Der mit dem Hammer?“. Diesmal antwortete der Kommissar lachend: „Ja, Thor ist der mit dem Hammer. Aber ich meinte Tyr, den Gott des Krieges - aber auch der Gerechtigkeit. Er ist mein persönlicher ‚Fulltrui‘, also der Gott, dem ich mich besonders verbunden fühle. Passt doch für einen Polizisten, oder?“. „Oh. Tut mir leid! Ich hoffe, ich habe Ihre religiösen Gefühle nicht verletzt!“ bedauerte Chip.
„Ach Quatsch, gar nicht“, entgegnete Ragnar lachend, griff in seinen Hemdausschnitt und holte einen Anhänger hervor, in den ein nach oben weisender Pfeil eingeritzt war. „Sehen Sie: Das ist die Tiwaz-Rune. Sie ist Tyr geweiht und symbolisiert seinen Speer, den Ger. Von dem wiederum wir Germanen unseren Namen haben: Speer-Männer. Aber das wissen Sie vermutlich schon.“. Chipahua nickte lächelnd.
Plötzlich wurde es dunkel um sie herum. Sie hatten das Stadtzentrum von Colonia Agrippinensis erreicht und fuhren in die Tiefgarage des Polizeipräsidiums. Ragnar parkte den Wagen und sie begaben sich zu den Aufzügen. Nachdem er seinen Dienstausweis vor das Kontaktfeld gehalten und seinen Zutrittscode eingegeben hatte, brachte sie die Kabine in den fünften Stock des Präsidiums, in dem Ole Tjorrson sein Büro hatte.
Polizeipräsidium Colonia, später Nachmittag
„Hallo Ragnar“ wurde er von Oles Sekretärin Almuth begrüsst, als sie das Vorzimmer des Polizeipräsidenten betraten. „Ich denke, du holst unseren Azteken vom Flughafen ab“ - und mit einem Blick auf Chip, „Wen hast du denn da Hübsches mitgebracht?“ „Ähm ...“. Ragnar räusperte sich verlegen. Er wollte die Sache klarstellen, doch Chip kam ihm zuvor: „Guten Tag, Ich heisse Chipahua Moctezuma Tlacopan und ich bin ihr ‚Azteke‘.“ erklärte sie mit ihrem entwaffnenden Lächeln und ging mit der ausgestreckten Hand auf Almuth zu. Während sie geistesabwesend die Hand schüttelte, sah sie Chip an, als wäre sie ein Geist. „Sie ... sind ... Sie ...“ stotterte Almuth, vollendete den Satz jedoch nicht, sondern fing schallend an zu lachen.
Die Tür zu Oles Büro öffnete sich und der Polizeipräsident trat heraus. Zur Begrüssung des Austauschpolizisten hatte er extra seine kleine Paradeuniform aus dem Schrank geholt. Die um den Bauch stramm sitzenden Knöpfe zeugten davon, dass es schon einige Zeit her war, seit er die in hell- und dunkelblau gehaltene Uniform das letzte Mal getragen hatte. „Was ist denn hier los?“ fragte er seine Sekretärin, die japsend nach Luft schnappte. „Geht es Ihnen nicht gut, Almuth? Fehlt Ihnen was?“. Almuth schüttelte den Kopf. Während sie verzweifelt versuchte mit dem Lachen aufzuhören, deutete sie auf Chip und Ragnar, die er bis jetzt nicht bemerkt hatte, da sie hinter ihm standen. „Sie müssen Frau Moctezuma Tlacopan sein. Ich bin Ole Tjorrson, Polizeipräsident von Colonia.“ Chip nahm Haltung an und salutierte, indem sie die zur Faust geballte rechte Hand zügig zur linken Schulter führte: „Kriminalhauptkommissarin Chipahua Moctezuma Tlacopan von der Polizei Excan in Tlacopan meldet sich als Austauschpolizistin zum Dienst!“ Ole erwiderte ihren Gruss: „Willkommen in Colonia, Hauptkommissarin!“ Dann bat er Chip und Ragnar in sein Büro. „Almuth, sorgen Sie bitte für Getränke?“ bat er seine Sekretärin, die sich zwischenzeitlich wieder beruhigt hatte. „Mache ich, Chef. Aber eine Frage: Sie waren kein bisschen erstaunt, als Sie Chipahua gesehen haben. Woher wussten Sie das? Ich meine, dass es sich um eine Frau handelt?“
„Es hat schon seinen Grund, warum ich Polizeipräsident bin.“ meinte er augenzwinkernd mit verschwörerischem Ton, um dann normal fortzufahren: „Der Anruf der Flughafenpolizei vor etwa einer Stunde. Die Jungs dort waren total von der Rolle. Bei der Einreisekontrolle hatten sie es plötzlich mit einer Aztekin zu tun, die eine scharfe Waffe bei sich trug und die behauptete Polizistin zu sein. Da man ihr trotz Ausweis der excanischen Polizei mit Lichtbild und Einladungsschreiben von uns nicht glauben wollte, bat sie die Jungs, mich anzurufen. Erst war ich auch irritiert, doch ein Blick in die Wikipedia machte mir klar, dass Chipahua ein weiblicher Vorname ist. Hab die Jungs am Flughafen dann eindringlich gebeten, die Dame so zu behandeln, als ob ich vor ihnen stehen würde. Das ist das ganze Geheimnis.“ lächelte Ole verschmitzt und schloss die Tür.
Das Büro des Polizeipräsidenten war bis auf die notwendigen Kommunikationseinrichtungen spartanisch eingerichtet. Einziger Schmuck war ein grosses Wandbild hinter dem Schreibtisch, welches das Dienstsiegel der Polizei von Colonia zeigte: Die ineinander verschlungenen Runen Raidho und Tiwaz, darüber ein stilisierter Falke: Beides Symbole für Forseti, den Gott der Gerechtigkeit. Umrahmt wurden die Zeichen von dem Leitsatz „Helfen und Schützen - Polizei Colonia“. Links vom Schreibtisch befand sich eine grosse Glasfront, die den Blick auf den grossen Nord-Süd-Bahnhof und die südlich davon erbaute Synagoge der jüdischen Gemeinde in Colonia gewährte. Auf der rechten Seite befanden sich einige Stühle und ein Konferenztisch, an dem Chipahua, Ole und Ragnar jetzt sassen. „Nochmals ganz herzlich willkommen in Colonia!“ begann Ole. „Hat Ihnen Ihr Vorgesetzter erzählt, warum die Wahl gerade auf Sie fiel, Frau Tlacopan?“
Chip schüttelte verneinend den Kopf. “Nun ...“ begann der Polizeipräsident, „seit etwa drei Jahren erfreuen sich Restaurants mit aztekischer Küche bei uns grosser Beliebtheit. Hier in Colonia haben wir unter anderem zwei Restaurants, die Uta Eckwinstochter gehören, der Witwe eines gewissen Reinhold Halvorssohn. Reinhold war früher eine feste Grösse in Colonias Unterwelt. Er hatte seine Finger in fast jedem krummen Geschäft, das Geld einbrachte: Zuhälterei, Wettmanipulation, Hehlerei, Drogenhandel, Autoschieberei und und und ... Bis er vor vier Jahren erdrosselt im Hinterhof eines Bordells aufgefunden wurde.
Seine Witwe war schockiert - oder zumindest tat sie so und distanzierte sich von allen kriminellen Machenschaften ihres Mannes. Sie trat sogar einer kleinen christlichen Sekte bei, der ‚Irischen Kirche der Heiligen Dreifaltigkeit St. Padraig‘, der sie einen Teil ihres Erbes spendete. Von dem immer noch üppigen Rest, kaufte sie zwei nicht sehr gutgehende Restaurants auf, liess sie aufwändig renovieren und benannte sie nach aztekischen Gottheiten. ‚Chicomecoatl‘ heisst das erste - das ist der Gott der Nahrung. Richtig, Frau Tlacopan?“. Chip nickte stumm. „Das zweite ‚Ometotchli‘ nach dem Gott des Rausches.“. Wieder nickte Chipahua zustimmend.
„Damit das Ambiente möglichst authentisch wirkt, sind die beiden Restaurants nicht nur historischen Tempelbauten nachempfunden, sondern Frau Eckwinstochter beschäftigt Köche und Servierkräfte aus Ihrer Heimat, Frau Tlacopan. Angeblich hat sie sogar zwei ‚Casting-Agenten‘ in Excan, die gezielt nach jungen Frauen suchen, Frauen mit ...“ Ole räusperte sich, suchte nach den passenden Worten. „... mit grossen Titten und knackigem Arsch, richtig?“ vervollständigte Chip lachend den Satz. „Äh, Ja genau!“ entgegnete Ole etwas verlegen. „Ich wollte diese Worte in Ihrer Gegenwart nicht aussprechen ...
Also, Fakt ist, dass diese ... gut betitteten Frauen ...“. „Aber Chef! So was sagt man doch nicht in Gegenwart einer Dame!“ beschwerte sich Almuth, die lautlos das Büro ihres Chefs betreten hatte und einen kleinen Servierwagen mit heissen und kalten Getränken vor sich her schob. „Das ist schon in Ordnung.“ verteidigte Chipahua den Polizeipräsidenten. „Das ist doch noch harmlos gegenüber dem, was sich die Kolleginnen im Streifendienst oft anhören müssen ...“.
Ole wartete bis Almuth den Raum wieder verlassen hatte, nahm sich einen Kaffee, forderte Chip und Ragnar auf, sich ebenfalls zu bedienen und fuhr dann in seinen Ausführungen fort. „Eine überdurchschnittlich grosse Zahl dieser Frauen, vor allem die gut aussehenden, sind in der Regel nach spätestens zwei bis drei Monaten plötzlich verschwunden.
Frau Eckwinstochter behauptet stets, die jungen Frauen hätten wohl Heimweh bekommen und wären Hals über Kopf nach Excan zurückgekehrt. Oder die Arbeit wäre ihnen doch zu schwer gewesen und sie hätten sich bei ‚Nacht und Nebel‘ davon gemacht, um nicht die im Vertrag vorgesehene Strafe zahlen zu müssen.“. „Was für eine Strafe?“ hakte Chip nach. „Nun ja, Frau Eckwinstochter sagte aus, dass sie den Mädchen sowohl den Hin- als auch den Rückflug bezahlt, vorausgesetzt, die Mädchen arbeiten zumindest ein Jahr in einem ihrer Restaurants.“
„Ja, und dann gibt es noch eine - angebliche - dritte Gruppe. Das sind die, die vor ihrer Rückkehr in die Heimat noch die Nachbarländer Germaniens bereisen möchten: Belgica zum Beispiel, das Dänenreich oder Polan. Sieht man einmal davon ab, dass ein Interkontinental-Flug-Ticket schon ein paar Radwör kostet, müssten die Namen der jungen Frauen in den Passagierlisten der Fluggesellschaften auftauchen. Gleiches gilt für die grossen Kreuzfahrtschiffe, die zwischen Itgart und Eriksland verkehren.“. „Die Mädchen könnten doch als Hilfskräfte auf den Schiffen mitfahren“ warf Chip ein. „Theoretisch ja.“ entgegnete Ole. „Aber zum einen führen die Reedereien natürlich auch Personalakten. Und wenn ich wirklich Heimweh habe, dann will ich doch nicht wochenlang auf dem Grossen Meer rumschippern, sondern so schnell wie möglich nach Hause.“. „Wenn ich denn das Geld für ein Flugticket habe. Frau Eckwinstochter wird die Küchenhilfen und Serviererinnen vermutlich nicht mit Radwör überhäuft haben“ entgegnete Ragnar und fuhr fort „Bleiben noch die Partikuliere mit ihren kleineren Frachtschiffen. Die nehmen es häufig nicht so genau mit den Papieren und nehmen durchaus gerne schon mal ein Mädel mit an Bord, damit sie nachts eine ‚Wärmflasche‘ haben. Wenn der Kapitän sie über hat, darf dann die Mannschaft ran ...“.
„Das sind aber eher Einzelfälle, Ragnar. Sonst würde das doch irgendwann auffallen! Die Kollegen der Hafenpolizei in Hammaburg schlafen schliesslich nicht. Ebenso wenig wie die an den Landesgrenzen. Wir haben es immerhin mit dreiundzwanzig jungen Frauen zu tun, die von den Eltern, Freunden oder sonstigen Angehörigen als vermisst gemeldet wurden, nachdem sie über einen längeren Zeitraum keinen Kontakt mehr zu ihnen hatten. Und bis auf einen Fall kam das letzte Lebenszeichen hier aus Colonia, wo neunzehn der jungen Damen in einem der beiden Restaurants von Frau Eckwinstochter arbeiteten.“
„Um das Schicksal dieser Frauen zu klären, wurde die SoKo ‚Nagual‘ gegründet. Das ist - wenn ich richtig informiert bin - der Schutzgott Ihrer Religion, Frau Tlacopan?“. Chip nickte und Ole fuhr fort. „Der excanische Botschafter hat sich letzte Woche erneut bei unserem Landesfürsten beschwert und schnellstmögliche Aufklärung verlangt.“ schloss Ole seine Erläuterungen.
„Aber jetzt bringt Kollege Anderssohn Sie erst einmal zu Ihrem Hotel. Wir haben im ‚Halven Hahn‘ ein Zimmer für Sie gebucht. Das ist kein Luxushotel, aber dafür gemütlich und familiengeführt. Tyra und Freder sind Hoteliers mit Leib und Seele“. Chip zog die Augenbrauen hoch: „Das Hotel heisst ‚Halbes Hähnchen‘? Seltsamer Name ...“ amüsierte sie sich. „Ähm nein, Chip. ‚Halven Hahn‘ ist in Colonia die Bezeichnung für ein eher dunkles Brötchen mit einer dicken Scheibe Käse. Sozusagen eine lokale Spezialität.“. „Dann wünsche ich Ihnen eine gute erste Nacht in Colonia. Wir sehen uns dann morgen früh um 09:00 Uhr. Kollege Anderssohn bringt Sie jetzt zum Hotel und holt Sie morgen auch ab.“. Chip und Ragnar machten sich auf den Weg zum Aufzug. „Wir holen dein Gepäck aus dem Wagen und gehen zu Fuss. Das Hotel liegt in der Altstadt. Da einen Parkplatz zu finden, ist wie der Hauptgewinn im Lotto. Ausserdem sind das nur ein paar Geh-Minuten.“
Hotel „Halven Hahn“, früher Abend
„Hallo Tyra“ begrüsste Ragnar die freundlich lächelnde alte Dame hinter der Rezeption des „Halven Hahn“. „Ich bringe dir unseren angekündigten Gast aus Excan. Allerdings musst du den Meldezettel wohl korrigieren.“. „Ja, das sehe ich.“. Tyra wandte sich an Chip; „Ich bin Tyra, einfach nur Tyra. Mein Mann und ich führen das Hotel. Ragnar hatte sich schon auf einen Saufkumpanen gefreut. Tja, min Jung, das war dann wohl der Satz mit X. Jetzt musst du dich benehmen. Kein Fluchen, kein Rülpsen bei Tisch, keine schmutzigen Witze ...“.
„Oha, das muss ja ein ganz Schlimmer sein“ vermutete Chip lachend. „Ach was, gar nicht, ich mach nur Spass. Ragnar ist schwer in Ordnung.“. Tyra kam hinter der Rezeption hervor. Ragnar umarmte sie freundschaftlich und gab ihr zwei Wangenküsse. „Du aber auch!“ sagte er zu der grauhaarigen Dame und zu Chip gewandt: „Sie und ihr Mann haben mir in einer schweren Zeit sehr geholfen, als ...“. Er merkte, dass seine Stimme brüchig wurde, räusperte sich und meinte dann „Aber das gehört nicht hierher.“. „Frau ... äh, Tyra - würden Sie mir mein Zimmer zeigen?“ fragte Chip. „Ich bin todmüde vom Flug und würde gerne ...“. „Oh Entschuldigung. Wie unaufmerksam von mir, Frau Chip.“. „Einfach nur Chip.“ „Sag mir, welches Zimmer sie hat“ wandte Ragnar sich an die alte Dame. „Du musst dich nicht mit dem Seesack abschleppen.“. „Danke Ragnar. Zimmer 7, hier ist die Chipkarte und der Zugangscode.“. Chipahua nahm beides in Empfang und folgte Ragnar, der sich anscheinend bestens im Hotel auskannte.