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Mord im Schrebergarten
Idylle zwischen Gemüsebeeten? Von wegen!
Als der griesgrämige Kleingärtner Herr Bruns tot zwischen seinen Tomatenpflanzen aufgefunden wird, gerät das friedliche Vereinsleben aus den Fugen. Gerüchte schießen ins Kraut, alte Feindschaften blühen wieder auf – und plötzlich hat jeder im Schrebergartenverein ein Motiv.
Mit viel Witz, einer Prise Romantik und einer Spur tödlicher Spannung erzählt Dina Joansen einen Krimi, der den Geruch von frischer Erde, Grillkohle und Geheimnissen in sich trägt.
Ein Dorfkrimi zum Miträtseln, Schmunzeln und Genießen – perfekt für alle Fans von Cozy Crime.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Mord im Schrebergarten
Dina Joansen
Die Schrebergartenanlage „Grüne Oase“ lag friedlich am Rande einer kleinen Stadt, eingerahmt von Bahndamm, Feldern und einer schmalen Landstraße. Morgens, wenn der Tau noch auf den Wiesen glitzerte und die Amseln im Gebüsch sangen, herrschte hier ein emsiges Treiben. Schubkarren quietschten, Gießkannen klapperten, Rasenmäher knatterten. Und über allem lag dieser unverwechselbare Duft aus Gras, feuchter Erde und ein wenig Rauch von den Grills, die selbst vormittags schon angeheizt wurden.
Elisabeth Klose, die meisten nannten sie nur Lisbeth, saß auf der Bank vor ihrer Laube und schlürfte Kamillentee. Achtundsechzig Jahre war sie inzwischen alt, seit drei Jahren Witwe, aber noch immer voller Tatendrang. Neben ihr lag Bruno, ihr treuer Dackel, und schnaufte zufrieden. Lisbeth liebte diesen Garten. Hier konnte sie beobachten, plaudern, Pflanzen hegen – und, wenn sie ehrlich war, auch die kleinen Dramen miterleben, die sich zwischen den Parzellen abspielten.
Die Vereinsvorsitzende, Frau Brenner, stapfte gerade mit wehendem Rock über den Hauptweg und verteilte ihre üblichen Anweisungen. „Herr Meier, die Hecke bis Freitag, bitte! Und denken Sie an die Vereinsversammlung nächste Woche!“ Niemand mochte ihre Kommandos, aber alle fügten sich. So war das in der „Grünen Oase“. Jeder achtete auf jeden, und jeder wusste, was der andere tat – oder zu verbergen hatte.
Lisbeth tätschelte Brunos Kopf. „Na, mein Junge, wieder alles ruhig heute?“ Doch Bruno hob den Kopf, knurrte leise und starrte zum Teich am Ende der Anlage. Lisbeth folgte seinem Blick. Es schimmerte dunkel zwischen Schilf und Weiden, nichts Ungewöhnliches. Trotzdem spürte sie ein Ziehen im Magen.
„Komm, wir gehen mal schauen“, murmelte sie, griff nach der Leine und machte sich mit Bruno auf den Weg. Der Hund zog sie fast, seine Nase dicht am Boden. Als sie näher kamen, verstummten die Vögel. Eine eigentümliche Stille legte sich über den Teich.
Dann blieb Bruno abrupt stehen, bellte schrill und sprang zurück. Lisbeth blickte erschrocken ins Gebüsch. Dort lag eine Gestalt, halb verdeckt von Brombeerranken. Ein Arm ragte leblos heraus, die Haut unnatürlich blass.
Lisbeths Herz raste. Sie fasste Bruno fester und trat vorsichtig näher. Es war Herr Krüger, eines der ältesten Vereinsmitglieder, streng, rechthaberisch, von vielen gefürchtet, von kaum jemandem gemocht. Doch jetzt lag er still, der Hinterkopf blutig, das Gesicht zur Seite gedreht.
„Heiliger Himmel …“, stieß Lisbeth hervor. Ihre Hände zitterten. Das war kein Unfall. Das war Mord.
2
Lisbeth taumelte einen Schritt zurück, stolperte fast über eine Wurzel und zog Bruno hastig an sich. Ihr Atem ging stoßweise, während sie mit bebenden Fingern nach ihrem Handy kramte. Doch das kleine Gerät lag noch auf dem Küchentisch in der Laube. Sie war wie so oft nur mit Schlüssel und Hund hinausgegangen.
„Reiß dich zusammen, Lisbeth“, murmelte sie und zwang sich, den Blick von der leblosen Gestalt abzuwenden. Sie eilte den Weg zurück, so schnell es ihre Beine zuließen, Bruno kläffte noch immer nervös.
Am Vereinsheim stieß sie fast mit Frau Brenner zusammen, die gerade ein Klemmbrett trug. „Lisbeth, was rennen Sie denn so?“
„Da … am Teich … Herr Krüger … er liegt da, er … er ist tot!“
Das Klemmbrett fiel scheppernd zu Boden. Frau Brenners Gesicht lief rot an, dann bleich. „Was? Sind Sie sicher?“
„Er hat eine Wunde am Kopf. Das ist kein Unfall.“
Frau Brenner rang nach Fassung, dann rief sie laut: „Alle herhören! Jemand ruft sofort die Polizei! Herr Krüger … Herr Krüger ist tot!“
Binnen Minuten hatte sich eine Gruppe von Mitgliedern gebildet. Manche liefen neugierig zum Teich, andere standen fassungslos herum. Herr Reimers, noch im Unterhemd, hielt seine Zeitung wie einen Schutzschild vor der Brust. Herr Siebert, die Gartenschere in der Hand, starrte entsetzt.
„Ich hab’s ja gesagt“, murmelte eine ältere Dame, deren Parzelle am Weg lag. „Mit dem Krüger gibt’s noch ein böses Ende …“
Eine Viertelstunde später rollten zwei Polizeiwagen durch das Tor. Ein hochgewachsener Mann mit grauen Schläfen stieg aus, in Zivil, aber mit der Ruhe eines alten Hasen: Kommissar Hagedorn. Neben ihm ein junger Beamter mit Notizblock.
„Also“, sagte Hagedorn, nachdem er sich den Fundort angesehen hatte, „wir haben einen Mann, Mitte siebzig, schwerer Schlag auf den Hinterkopf. Keine Anzeichen für Unfall oder Herzversagen. Das sieht nach Mord aus.“
Ein Raunen ging durch die Menge. Manche hielten sich die Hand vor den Mund, andere tuschelten bereits. Lisbeth stand etwas abseits, Bruno an ihrer Seite, und spürte, dass in diesem Schrebergarten nichts mehr so sein würde wie zuvor.
3
Kommissar Hagedorn richtete sich auf, schob die Hände in die Taschen und ließ den Blick über die Umstehenden gleiten. „Ich brauche jetzt Namen und Aussagen. Niemand verlässt die Anlage, bis wir alle befragt haben.“
Frau Brenner trat vor, noch immer fahrig, aber bemüht um Haltung. „Natürlich, Herr Kommissar. Ich bin die Vorsitzende. Wir werden alle Mitglieder zusammentrommeln. Aber …“ Sie schluckte. „Das ist ein Schock für uns alle.“
„Schock hin oder her“, entgegnete Hagedorn ruhig, „jemand von Ihnen hat Herrn Krüger zuletzt lebend gesehen. Und jemand hat ihn tot sehen wollen.“
Er wandte sich an den jungen Beamten. „Machen Sie eine Liste. Jeder, der hier ist, schreibt seinen Namen und seine Parzelle auf.“
Währenddessen flüsterten die Mitglieder miteinander. Lisbeth hörte Bruchstücke: „… gestern Abend noch Lärm bei Krügers Laube …“ – „… der Streit mit Meier …“ – „… hat er nicht Schulden gehabt?“
Herr Meier selbst stand am Rand, die Arme verschränkt, das Gesicht versteinert. Seine Frau zupfte nervös an seiner Jacke. „Sag doch was“, wisperte sie. Doch er schwieg.
Lisbeth beobachtete alles mit geschärftem Blick. Sie kannte ihre Nachbarn seit Jahren, sie wusste, wer gern redete, wer schwieg, wer log. Und sie sah es: Angst flackerte in mehr als einem Gesicht.
Hagedorn kam zurück, schloss sein Notizbuch. „Gut. Wir sichern den Fundort, die Kriminaltechnik ist unterwegs. Sie alle halten sich bitte bereit. Wir fangen gleich mit den Befragungen an.“
Ein leises Murmeln ging durch die Gruppe. Manche wollten protestieren, andere wirkten erleichtert, dass endlich Ordnung herrschte.
Lisbeth hingegen spürte nur eins: Dies war kein gewöhnlicher Tag im Gartenverein. Es war der Beginn eines Spiels aus Verdächtigungen, Geheimnissen und Lügen. Und sie war mittendrin.
4
Die Beamten zogen Absperrband um den Teich, das gelbe Plastik flatterte im Wind und wirkte inmitten der gepflegten Hecken und Blumenrabatten wie ein Fremdkörper. Einige Vereinsmitglieder drängten sich neugierig, doch Hagedorn verscheuchte sie mit einem knappen „Zurück, bitte!“
Lisbeth setzte sich auf die Bank vor dem Vereinsheim. Bruno leckte unruhig an seinen Pfoten. Immer wieder schweifte ihr Blick zu Frau Brenner, die hektisch telefonierte. Die Vorsitzende hielt den Kopf gesenkt, sprach leise, fast verschwörerisch. Lisbeth konnte nicht hören, mit wem sie redete, aber ihre Gestik verriet Aufregung.
„Was tuschelst du da, Brenner?“, murmelte Lisbeth leise.
Da ließ sich Herr Reimers neben sie plumpsen, die Zeitung immer noch unter dem Arm. „Unglaublich, was? Aber ehrlich, gewundert hat’s mich nicht. Krüger hat sich mit jedem angelegt. Bei mir hat er letzte Woche wegen meiner Kompostkiste geschimpft. Meinte, die sei nicht ordnungsgemäß abgedeckt.“
„Und Sie haben ihm …?“, fragte Lisbeth.
„Ich hab ihn zur Hölle geschickt. Aber doch nicht umgebracht.“ Er rieb sich den Nacken. „Wenn Sie mich fragen, Meier war’s. Die zwei haben sich fast geprügelt.“
Noch ehe Lisbeth antworten konnte, trat der junge Beamte mit der Liste auf sie zu. „Frau Klose? Kommen Sie bitte, der Kommissar möchte mit Ihnen reden.“
Sie stand auf, streichelte Bruno beruhigend und folgte dem Polizisten. Ihr Herz schlug schneller, nicht aus Angst vor Hagedorn, sondern vor dem, was sie vielleicht selbst aussprechen musste: dass sie den toten Krüger gefunden hatte, dass sie die Gesichter ihrer Nachbarn kannte – und dass sie ahnte, hier trug jeder ein Geheimnis mit sich.
5
Kommissar Hagedorn stand etwas abseits, die Arme verschränkt, und musterte Lisbeth, als sie sich ihm näherte. Sein Blick war nicht unfreundlich, aber prüfend, als wolle er jede Regung in ihrem Gesicht deuten.
„Sie sind Frau Klose, richtig?“, begann er mit ruhiger Stimme.
„Ja, Lisbeth Klose. Ich habe … ich habe ihn gefunden.“
„Dann erzählen Sie mir bitte genau, wie das ablief.“
Lisbeth schilderte, wie sie mit Bruno zum Teich gegangen war, wie der Hund ins Gebüsch gezogen hatte und wie sie schließlich auf Krüger gestoßen war. Hagedorn machte sich knappe Notizen, nickte hin und wieder, stellte gezielte Fragen.
„Haben Sie jemanden in der Nähe gesehen? Geräusche gehört?“
„Nein. Es war still. Unheimlich still. Nur Bruno hat gebellt.“
Der Kommissar hob den Kopf. „Wie war Ihr Verhältnis zu Herrn Krüger?“
„Wir waren keine Freunde. Aber wir haben uns auch nicht gestritten. Er war … schwierig. Sehr genau, sehr streng. Manche sagten, er wäre ein Querulant.“
Hagedorn schnaubte leise. „Und genau solche Menschen machen sich viele Feinde.“ Er klappte das Notizbuch zu. „Gut, Frau Klose. Sie bleiben bitte erreichbar. Wir werden sicher noch weitere Fragen haben.“
Als Lisbeth zurück zum Vereinsheim ging, spürte sie die Blicke der anderen. Einige voller Mitgefühl, andere misstrauisch. Sie war die Erste gewesen, die den Toten gesehen hatte – und das machte sie in den Augen vieler automatisch verdächtig.
Sie setzte sich auf ihre Bank, Bruno legte den Kopf auf ihre Knie. Lisbeth strich ihm über das Fell, während in ihrem Inneren ein Entschluss reifte: Sie wollte nicht nur zusehen, wie die Polizei hier ermittelte. Sie kannte die Menschen in diesem Verein besser als jeder Beamte. Und wenn einer von ihnen Herr Krüger auf dem Gewissen hatte, dann würde sie es herausfinden.
6
Die Kriminaltechniker waren inzwischen eingetroffen. Sie stellten Kameras auf, knipsten unaufhörlich, sammelten Fasern vom Boden und packten alles in kleine Tütchen. Die Schrebergärtner, die sonst stolz auf ihre Ordnung und Sauberkeit waren, standen mit offenem Mund und sahen zu, wie ihr Teich zum Tatort wurde.
Herr Meier lief wie ein gereizter Bulle auf und ab, seine Schritte wirbelten Staub vom Weg auf. „Das ist doch lächerlich! Ich habe damit nichts zu tun!“, rief er mehrmals, als müsse er sich selbst überzeugen. Seine Frau zerrte an seinem Arm: „Sei still, Karl, du machst es nur schlimmer!“
Frau Brenner hatte das Telefon inzwischen weggelegt und redete hastig auf Herrn Siebert ein, der mit verschränkten Armen dastand. Lisbeth spitzte die Ohren, konnte aber nur Wortfetzen erhaschen: „… darf nicht rauskommen … auf keinen Fall …“
Lisbeths Nackenhaare stellten sich auf. Was durfte nicht rauskommen?
Sie strich Bruno über den Rücken, erhob sich unauffällig und schlenderte in Richtung ihrer Laube. Nicht, weil sie nichts mehr sehen wollte – im Gegenteil. Sie brauchte einen Moment Ruhe, um nachzudenken.
Krüger war ein Mann gewesen, der jeden beobachtet, jeden kritisiert hatte. Er wusste Dinge. Von Meier, von Brenner, wahrscheinlich von allen. Und nun lag er tot.
In ihrer Laube setzte sich Lisbeth an den kleinen Holztisch, zog ein Notizheft hervor und kritzelte Namen hinein: Meier – Streit. Brenner – heimliches Telefonat. Reimers – Ärger mit Kompost. Siebert – zu nah an Brenner.
Sie schloss die Augen, atmete tief durch. „Bruno“, flüsterte sie, „wir haben ein Rätsel zu lösen.“
Der Dackel blinzelte, als hätte er verstanden, und legte sich schnaufend zu ihren Füßen. Draußen sangen die Vögel weiter, als sei nichts geschehen, doch Lisbeth wusste: In der Grünen Oase war nichts mehr normal.
7
Ein leises Klopfen riss Lisbeth aus ihren Gedanken. Frau Brenner stand in der Tür, die Stirn glänzte vor Schweiß, die Lippen gepresst.
„Lisbeth, darf ich kurz…?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, trat sie ein und ließ sich auf den Stuhl gegenüber fallen. „Das ist eine Katastrophe. Eine Katastrophe für den Verein. Wenn das in die Zeitung kommt, wer will dann noch einen Garten bei uns?“
Lisbeth verschränkte die Arme. „Da liegt ein Mann tot am Teich, und Sie sorgen sich um den Ruf des Vereins?“
