Mord und Liebe inklusive - Renate Hemsen - E-Book

Mord und Liebe inklusive E-Book

Renate Hemsen

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Beschreibung

Juliane, waschechte Kölnerin, ist der Meinung, dass ihre Beziehung zu Mark in letzter Zeit nicht mehr ganz so prickelnd ist, der bevorstehende Karneval ihr im Voraus schon Kopfschmerzen bereitet und sie unbedingt Sonne und Ruhe braucht. So beschließt sie, kurzfristig in die Türkei zu reisen, zum Entsetzen ihrer Freunde, allen voran Mark. Die Sache mit dem Relaxen ist jedoch in diesem Urlaub nicht so ganz einfach, denn als eine Dame des ewig Nadel schwingenden Strickklubs hinterrücks ermordet wird, ist es mit der Ruhe im Hotel schnell vorbei.Und dann ist da ein Mann im besten Alter mit einem Brilli im Ohr, der Juliane mächtig auf den Keks geht.

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Mord und Liebe inklusive

Roman

Renate Hemsen

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Impressum:

Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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www.herzsprung-verlag.de

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© 2019 – Papierfresserchens MTM-Verlag GbR

Mühlstraße 10, 88085 Langenargen

Telefon: 08382/9090344

Alle Rechte vorbehalten.

Erstauflage 2019

ISBN: 978-3-96074-050-6 - Taschenbuch

ISBN: 978-3-86196-955-6 - E-Book

Cover gestaltet von germancreative

Lektorat: Redaktions- und Literaturbüro MTM: www.literaturredaktion.de

*

Inhalt

Februar 2015

Erster Urlaubstag

Zweiter Urlaubstag

Dritter Urlaubstag

Vierter Urlaubstag

Fünfter Urlaubstag

Sechster Urlaubstag

Siebter Urlaubstag

Achter Urlaubstag

Neunter Urlaubstag

Zehnter Urlaubstag

Elfter Urlaubstag

Zwölfter Urlaubstag

Dreizehnter Urlaubstag

Vierzehnter Urlaubstag

Letzter Urlaubstag

*

Februar 2015

„In wenigen Minuten werden wir in Antalya landen. Wir dürfen Sie daher bitten, sich wieder anzuschnallen und die Tische vor Ihnen hochzuklappen. Es erwartet uns dort eine Temperatur von 7 Grad bei sehr starken Gewitterschauern. Wir wünschen Ihnen trotzdem einen angenehmen Aufenthalt.“

Ein Aufschrei ging durch den Flieger, denn das sah alles andere als nach angenehmem Aufenthalt aus. Der Dicke neben mir rief entsetzt aus: „Do wör ich doch besser en Kölle jeblevve, Rän un Kält jit et do sujar ömesöns.“

Mir machte im Moment nur Sorge, wie ich mit Koffer und mir selbst regenfrei zum Bus kommen würde. Vor ein paar Jahren waren Mark, mein Lebensgefährte, und ich ebenfalls bei Gewitter gelandet, und als wir endlich im Hotel eintrafen, da waren nicht nur wir pitschepatschenass, sondern auch der Inhalt unserer Koffer.

Die Passkontrolle war wie gewohnt langwierig, aber erst die Gepäckausgabe! Ich fürchtete schon, mein Koffer wäre in Köln geblieben und stellte mir das Schlimmste vor. Was sollte ich ohne meine Kosmetika machen, meine Altbausanierung, wie Mark zu sagen pflegte, wenn ich in seinen Augen zu lange im Bad brauchte.

Mein Koffer war der letzte, in der Zwischenzeit hatte jedoch zum Glück der Regen aufgehört und ich kam trocken zum Bus, wo der Fahrer ungeduldig auf mich wartete und der Dicke aus dem Flieger mich mit den Worten empfing: „Mädche, wo blievste denn?“

Mir war gar nicht bewusst, dass ich mit ihm Brüderschaft getrunken hatte. Ich ignorierte also seine Frage, schickte aber einen Hilferuf zum Himmel, dass er in einem anderen Hotel untergebracht sein möge. Mein Ruf wurde erhört, denn das erste Hotel, das wir erreichten, war das Sultan Beach und außer mir stieg niemand aus. Beim Aussteigen wandte ich mich lächelnd an den Dicken: „Die Letzten werden die Ersten sein, stand schon in der Bibel.“ Zum Glück regnete es auch jetzt nicht, unterwegs hatte es nämlich wieder wie aus Kübeln geschüttet.

Ich musste unwillkürlich an meine Freunde denken. Wenn die das im Internet sehen würden, und das würden sie mit Sicherheit, waren sie doch gleich in ihrer Meinung bestätigt, dass es eine Schnapsidee war, über Karneval zu verreisen. „Wie kann man nur als Kölnerin auf so einen Einfall kommen, und dann auch noch in die Türkei!“ Niemand konnte mich verstehen, erst recht nicht mein Lebensgefährte Mark. Aber ich war nun mal ein Kind der Sonne und des Sommers und wir hatten Winter, zwar keinen sibirischen, aber es war nass, kalt und nachts unter null Grad.

Deshalb war sogar das Treffen mit meinen Mittwochsfrauen ausgefallen. Am Abend davor hatte es geregnet, anschließend hatte Schneefall eingesetzt und morgens gab es dann glatte Straßen. Als das Radio im Laufe des Vormittags von „diversen witterungsbedingten Unfällen“ sprach, stand fest, dass wir wohl unser gemütliches Zusammensein und das leckere Essen abschreiben konnten. Dies war umso verständlicher, als eine von uns im vergangenen Winter den Alten Mühlenweg ausgemessen und sich dabei den Arm gebrochen hatte.

Das war für mich ein Wink des Schicksals. Ich studierte die Last-Minute Angebote. Aber nirgendwo waren im Februar sommerliche Temperaturen zu erwarten, höchstens in der Dominikanischen Republik. Elf Stunden in der Economy Klasse zu hocken, war jedoch nicht mein Traum und außerdem würde da jetzt Regenzeit sein. Ägypten ginge zwar, doch die politische Situation ließ mich auch davon Abstand nehmen. Wie wäre es denn mit der Türkischen Riviera? Da herrschten mit Sicherheit angenehmere Temperaturen als in Köln, das hatte ich mir wenigstens vorgestellt.

Eine Auszeit würde mir sicherlich guttun, denn im Moment war es nicht so prickelnd mit Mark und mir. „Und was er kann, das kann ich auch“, überlegte ich. Denn Mark hat die Angewohnheit, sich speziell im Karneval eine Auszeit zu nehmen und nach Möglichkeit von Weiberfastnacht bis Aschermittwoch verschollen zu bleiben getreu dem Karnevalslied: Bis Aschermittwoch komme ich nicht nach Haus, bis Aschermittwoch halt ich es ohne dich aus.

Und so buchte ich. Ein äußerst günstiges Angebot für fünfzehn Tage bezog sich auf ein Viersternehotel in der Region Side. Perfekt, bei meiner Rückkehr wäre Karneval vorbei, alle wieder nüchtern, pleite und mehr oder weniger normal. Da über die Karnevalstage meine Firma geschlossen hatte und ich noch ein paar Überstundentage abbauen konnte, wollte ich mir die Auszeit gönnen. Auch im Büro war man allgemein geschockt über mein Urlaubsziel und meinte, es gäbe sicherlich noch andere Urlaubsländer als ausgerechnet die Türkei. Klar, aber ich hatte mich nun mal dafür entschieden.

Mark ließ es sich nicht nehmen, mich zum Flughafen zu bringen, obwohl er mehr als sauer war, da ich erst gar nicht in Erwägung gezogen hatte, ihn zu fragen, ob er mich begleiten wolle.

„Du hast doch deinen Karneval, was willst du noch mehr?“

„Das ist was ganz anderes. Mir geht es nur um die tolle Stimmung und nicht darum, irgendwelche Damen aufzureißen. Aber ich weiß nicht, was du da in der Türkei so allein anstellst, zumal du noch ganz passabel aussiehst.“

„Nun, das war gerade auch kein Kompliment ganz passabel aussiehst. Aber zu deiner Beruhigung, mir geht es nur um ein bisschen Sonne, ein wenig relaxen, die Seele baumeln zu lassen, ich hatte ja letzte Zeit allerhand um die Ohren. Und ich möchte auch über uns mal nachdenken, sonst nichts“, konterte ich.

„Was heißt denn das über uns mal nachdenken? Da gibt es nichts zum Nachdenken, du weißt doch, ich liebe nur dich“, säuselte er daraufhin, was ich mit einem langen: „Ach, ja“ beantwortete, obwohl ich mir da schon lange nicht mehr so sicher war.

Die Schlange an dem Abflugschalter nach Antalya hatte schon eine beachtliche Länge erreicht, als wir ankamen. Es waren hauptsächlich ältere Leute, die dem kalten Köln entfliehen wollten.

„Das Altersheim hat Ausgang“, meinte Mark belustigt, „man könnte auch sagen: Betreutes Reisen, obwohl ich noch keine Reiseleiterin gesehen habe. Hauptsächlich allein reisende Damen sind unterwegs.“

„Dann brauchst du ja keine Angst zu haben“, erwiderte ich leicht unwirsch, denn ich fand diese Bemerkung alles andere als schicklich. Wir beide waren auch kein Jugendstil mehr, jedoch noch immer im Arbeitsprozess. Schnell verabschiedete ich mich von ihm und stellte mich an.

Es dauerte allerdings ewig, bis ich mein Gepäck loswurde. Dafür aber bekam ich ein paar interessante Gespräche mit. Es handelte sich offensichtlich um Langzeiturlauber mit Erfahrung. Einige hatten bereits sechs Wochen Tunesien hinter sich. Tunesien super, aber das Essen! Nun hoffte man auf besseres in der Türkei. Doch konnte einer ihnen den Zahn ziehen. „Die haben auch nur zwei Sorten Wurst, Schweinefleisch ist ebenfalls verboten.“

„Un af un zo e Hämmche met soore Kappes, dat wör doch jet“, tönte ein anderer, der allerdings besser überhaupt nichts mehr essen sollte, wenn ich mir so seinen Umfang anschaute. Er erinnerte mich irgendwie an den Rechtsanwalt aus der Fernsehserie Der Dicke.

„Wenn Essen das Wichtigste bei einer Reise ist, dann sollten sie doch besser im ahle Kölle blieve“, dachte ich so bei mir. Wie üblich gab es beim Boarding Gedränge. Wie würde das erst sein, wenn es keine nummerierten Plätze gab? Das ging mir jedes Mal durch den Kopf.

Ich hatte einen schönen Fensterplatz bekommen, sodass sich die Dame neben mir ganz neidisch erkundigte, ob ich im Voraus gebucht hätte. „Nur Zufall.“ Die Dame hatte aber noch mehr Pech, denn ihr Nebenmann war der Dicke, dem es nicht möglich war, zum Essen den Tisch herunterzuklappen, sein Bauch ließ es einfach nicht zu. Er meinte zu der Stewardes: „Dat drühe Brütche könne Se behalde, dat maach ich suwiesu nit!“

Und nun hatte ich das Ziel meiner Träume erreicht. Kaum war ich ausgestiegen, da eilte auch schon der Bellboy auf mich zu und kümmerte sich um mein Gepäck. Als ich die Lobby betrat, hörte ich jemanden Kiki, Kiki krächzen. Interessiert schaute ich mich um und entdeckte in einem großen Käfig, der direkt neben der Rezeption stand, einen sehr schönen Graupapagei.

„Kiki heißt Sie herzlich willkommen, genau wie ich“, meinte der junge Mann, der am Empfang stand. „Er hat sich vorgestellt, allerdings tut er das nicht bei jedem, Sie müssen ihm auf Anhieb gefallen haben, was ich gut verstehen kann. Mein Name ist übrigens Erol, und wenn Sie Probleme haben, ich stehe Ihnen jederzeit zur Verfügung.“ Dabei schenkte er mir einen anerkennenden Blick. Zwar dürfte der Knabe wohl höchstens halb so alt sein wie ich, aber nach dem wenig schönen Kompliment von Mark tat mir das sehr gut. Dieser würde sicherlich dazu sagen: „Der kann wohl nicht lesen oder hat vergessen, einen Blick auf dein Geburtsdatum zu werfen!“

Auf dem Weg zum Fahrstuhl entdeckte ich in einer Ecke am runden Tisch sechs Damen und einen Herrn, die strickten. Nun, der Herr strickte nicht, er hielt lediglich die Wolle.

„Die Damen tun das für einen guten Zweck“, informierte mich der Kofferträger, der mir mit meinem Gepäck gefolgt war.

„Warum nicht, aber muss das unbedingt in der Lobby sein? Ich bin gespannt, was mich sonst noch nicht Alltägliches hier erwarten wird“, dachte ich auf den Weg in den vierten Stock.

Das Zimmer war sehr schön groß und hatte einen tollen Ausblick aufs Meer, das aber sehr wild und drohend aussah. Aber es würden sicherlich auch mal andere Zeiten kommen und dann konnte man vielleicht schon baden. „Abendessen ist ab 18:30 Uhr“, teilte der Boy mir mit, als er strahlend das Trinkgeld einsteckte.

Ich packte schnell meine Sachen aus, überlegte gerade, was ich für den Abend anziehen sollte, als mir einfiel, dass ich unbedingt Mark eine Mail schicken müsste. Ich hatte nämlich zum Ärger von Mark mein Smartphone daheim gelassen, wollte nicht jederzeit erreichbar sein, und hatte stattdessen meinen Laptop mitgenommen, denn im Hotel gab es in der Lobby WLAN.

Die Lobby war leer, die Strickdamen waren verschwunden, genau wie der junge Mann von der Rezeption. Nur Kiki war noch da, der munter vor sich hin flötete, wofür ich ihn lobte.

Schnell war mein Laptop mit WLAN verbunden und sofort sah ich, dass zwei Mails im Postfach waren. Die erste war von Mark:

Lebst du noch oder bist du ganz von der Welt abgeschnitten? Ich warte dringend auf ein Lebenszeichen von dir.

Was hieß Lebenszeichen? Ich war doch erst gut sechs Stunden unterwegs. Brav berichtete ich, dass ich gut angekommen sei, ein schönes Zimmer mit Meerblick hätte, alles bestens sei, erzählte auch von den strickenden Damen und dem freundlichen Papagei. Und postwendend kam die Antwort:

Dann kann ich ja beruhigt sein!

Den netten jungen Mann von der Rezeption hatte ich natürlich nicht erwähnt.

Die zweite Mail war von meiner Freundin, aber die zu beantworten wollte ich auf morgen verschieben, denn langsam bekam ich Hunger. Ich machte mich also auf den Weg in mein Zimmer. „Soll ich mich wirklich umziehen?“, fragte ich mich, denn was ich so flüchtig gesehen hatte, das war nicht der Dernier Cri und so würde ein hübsches Oberteil voll und ganz genügen.

Normalerweise gingen Mark und ich vor dem Abendessen immer an die Bar, doch darauf wollte ich heute mal verzichten, denn die ersten Gäste kamen bereits aus dem Restaurant. Die Damen musterten mich von oben bis unten, gut, dass ich mich nicht umgezogen hatte. Man befürchtete wohl, ich wollte ihnen die Männer ausspannen, denn allein reisende Damen waren ja generell darauf aus! Das war nun mal eine weitverbreitete Ansicht, und so erwiderte man mein freundliches „Guten Abend“ auch nur knapp.

Umso freundlicher begrüßte mich der Oberkellner und wies mir einen sehr schönen Platz am Fenster zu mit Blick aufs Meer und nicht den sonst üblichen Katzentisch für Damen ohne Herrenbegleitung.

Der Kellner sprang sofort herbei und erkundigte sich nach meinen Wünschen. Ich bestellte einen Rotwein und schaute mich um. Der Speisesaal war voll, also schien das Hotel ausgebucht zu sein – und das im Februar. Viele ältere Pärchen gab es, viele allein reisende Damen, ein paar jüngere Ehepaare mit kleinen Kindern, zwei große Tische mit Jugendlichen und den Strickklub. Bis auf eine Dame und den Herrn, der die Wolle aufgewickelt hatte, saßen alle zusammen. So schnell, wie sie eben gestrickt hatten, so schnatterten sie jetzt.

Mir schräg gegenüber hatten ein einzelner Herr Platz genommen. Dieser war mindestens fünfundsiebzig Jahre alt, was zwar heute kein Alter ist, aber um einen Knopf im Ohr zu tragen wohl doch, ich musste unwillkürlich an den Teddybären von Steiff denken.

Der Wein kam und ich begab mich ans Buffet. Es war recht üppig und reichte von einem tollen Salatbuffet, diversen Hauptspeisen hin bis zu einem lecker aussehenden Nachspeisebuffet. Das dürfte mein Untergang werden, denn Süßes aß ich für mein Leben gern.

Ich ließ es mir schmecken, allerdings übersah ich den Kuchen als Nachtisch, stattdessen nahm ich einen Obstsalat. Gut gestärkt und nur aus gesundheitlichen Gründen ging ich nach dem leckeren Abendessen an die Bar. Ich hatte nämlich gelesen, dass für Atatürk Raki kein Alkohol war, sondern Medizin. Dabei starb er an Leberzirrhose, hatte wohl zu viel Medizin geschluckt.

Ich bestellte einen Raki mit Eis und Wasser. Da hörte ich eine Stimme neben mir: „Schöne Frau, ganz alleine?“

Vorsichtig drehte ich mich um, um zu checken, wer da wohl gemeint war. Doch außer mir war kein weibliches Wesen zu sehen. Dafür aber stand Knopf im Ohr hinter mir, der wohl diese geistreiche Bemerkung von sich gegeben hatte. Sollte ich darauf antworten? Nein, und somit wandte ich mich meinem Drink zu, worauf sich der Bursche mit: „Ach so, Sie sind nicht alleine, Sie haben den Alkohol!“, selbst die Antwort gab.

Obwohl diese Bemerkung mehr als blöd war, musste ich so lachen, dass ich mich beinahe verschluckt hätte.

„Nicht so gierig sein, schön in langsamen Schlucken trinken!“, war sein weiterer Kommentar.

Wie konnte ich dem Typ bloß entgehen? Ich stand auf und ging in die Bar, die nach dem Papagei benannt war: Kiki-Bar. Ich nahm meinen Raki mit und hörte noch, wie er hinter mir herrief: „Getränke aufs Zimmer mitzunehmen ist verboten!“

„Blödmann“, dachte ich, sagte es aber nicht laut.

Die Bar war voll. Überall sah ich Leute mit ihren Laptops, die sich irgendwelche Spiele hochluden. Hatte ich auch noch nicht erlebt, dass man seinen Laptop mit in die Bar nahm. Aber auf dem Zimmer war kein WLAN. Spielen konnte und sollte man im Game Room, man bevorzugte aber wohl die Bar, um auch gesehen zu werden. Obwohl wir daheim nie spielten, nahmen Mark und ich im Urlaub stets das Rummikup mit, falls uns das Abendprogramm nicht interessierte oder wenn wir einfach Lust zum Spielen hatten.

Die Bar gefiel mir nicht und so beschloss ich, aufs Zimmer zu gehen, hatte immerhin eine sechsstündige Reise hinter mir, abgesehen von den Stunden am Flughafen. Außerdem wartete ein Krimi darauf, gelesen zu werden, und ehe ich mir irgendeinen Schwachsinn von jemandem mit Knopf im Ohr anhörte, dürfte das wohl die bessere Unterhaltung sein. Dieser saß nämlich immer noch an der Bar, was ich auf dem Weg zum Fahrstuhl mit einem Blick aus den Augenwinkeln feststellen konnte.

Als ich im Bett lag, fiel mir das Buch nach kurzer Zeit aus der Hand ... und ehe ich mich versah, lag ich in Morpheus Armen.

*

Erster Urlaubstag

Als ich am nächsten Morgen die Augen aufschlug, wunderte ich mich, dass es noch so dunkel war, zog daher schleunigst die Vorhänge auf und traute meinen Augen nicht. Es war nicht nur dunkel, als wenn die Welt untergehen würde, mannshohe Wellen schlugen an den Strand und zerstörten alles, was nicht niet- und nagelfest war. Schnell zog ich mich an, hatte nämlich Appetit auf ein leckeres Frühstück. Doch der Fahrstuhl funktionierte nicht – und das Licht ebenfalls nicht, sodass ich höllisch aufpassen musste, keine Stufe auf der Treppe nach unten zu übersehen. Es kam mir vor, als wenn ein kleiner Tsunami gewütet hätte, und der Eindruck verstärkte sich noch, als ich den Speisesaal betrat und dort nur eine Handvoll Gäste vorfand. Wo waren sie alle geblieben, sie konnten doch unmöglich schon abgereist sein! Kein Kellner weit und breit und das Frühstück mehr als bescheiden, niemand da, der ein leckeres Omelette zubereiten konnte. Was war geschehen?

Die Erklärung folgte wenig später. Man hatte die erste und zweite Etage evakuiert, da man befürchtete, dass das Meer noch höher steigen würde und dann auch die Küche nicht richtig arbeiten könnte. Ich hatte von alledem nichts mitbekommen, war wohl zu erschöpft gewesen. Nun war das gesamte Personal draußen mit Aufräumungsarbeiten beschäftigt.

Trotzdem wurde ich satt und zog mich dann mit dem Laptop in die Bar zurück, um mal zu schauen, ob Mark vielleicht eine Mail geschickt hatte.

Die Bar war gähnend leer und so suchte ich mir einen schönen Platz am Fenster, von wo aus ich einen guten Ausblick auf die wütenden Elemente hatte, gönnte mir einen Cappuccino und beabsichtigte, meine Mails zu checken. Doch da tauchte ein wütender Knopf im Ohr auf, der nämlich zu den Leuten gehörte, die man abends um 23:30 Uhr in ein Nachbarhotel geschickt hatte. „Ich sage Ihnen, es war eine Katastrophe, gut, dass man Sie nicht geweckt hat. Es dauerte ewig, bis wir unser müdes Haupt niederlegen konnten. Bis alle ihren Zimmerschlüssel hatten und ihr kaltes Zimmer aufsuchen konnten, war es sicher schon fast 2 Uhr. Noch nicht einmal Wasser, um die Zähne zu putzen, gab es dort, nur gegen Bezahlung. Einschlafen konnte ich durch die ganzen Aufregungen zunächst auch nicht, war sicher fast schon früher Morgen. Aber das Schlimmste stand mir noch bevor: das Frühstück im Wartesaal dritter Klasse mit dreihundert Leuten plus diversen Katzen, die von den Russen gefüttert wurden. Es war ein Albtraum. So schaute ich, dass ich eine Taxe fand, die mich schleunigst wieder hierher brachte. Wir sollten nämlich erst heute um 17:00 Uhr abgeholt werden. Der Hauptgrund, so schnell wie möglich hierherzukommen, waren natürlich Sie. Gut, dass Sie auf der vierten Etage wohnen, da die erste und zweite evakuiert wurden. Ich werde gleich mal nachfragen, ob ich nicht auch ein anderes Zimmer bekommen kann, nach Möglichkeit in Ihrer Nähe. Sollte sich solch ein Unwetter wiederholen, was ich zwar nicht annehme, dann bin ich wenigstens in Ihrer Nähe und kann Sie retten.“

Was sollte ich dazu sagen? Er hatte sich ja offensichtlich um mich Sorgen gemacht, aber wieso? Er kannte mich doch gar nicht.

Und schon fuhr er mit seinem Bericht fort. „Das Unwetter hat in den Nebenhäusern verheerenden Schaden angerichtet, die unteren Etagen sind völlig zerstört, das Mobiliar, die Fußböden, alles ist unbrauchbar und muss auf die Müllkippe. Und niemand wird für den Schaden aufkommen.“

„Das klingt ja alles ganz furchtbar, aber Menschenleben hat das doch hoffentlich nicht gekostet?“

„Nein, da kann ich Sie beruhigen, aber der materielle Schaden ist auch ganz schön hoch.“

Dann verschwand Knopf im Ohr in Richtung Rezeption. Mir war die Lust zum Schreiben vergangen, das würde ich später erledigen. Vielleicht könnte ich eine Runde im Schwimmbad drehen, denn das war ja nicht in Mitleidenschaft gezogen. Überhaupt war unserem Hotel nichts passiert, lediglich den Dependancen. Man hatte nur aus Sicherheitsgründen die erste und zweite Etage evakuiert.

Zu Fuß ging ich auf mein Zimmer, der Fahrstuhl war noch out of order, zog mich um und machte mich auf den Weg ins Bad. Auf dem Weg dorthin konnte ich einen Blick in die Lobby werfen und traute meinen Augen nicht. Die Strickdamen waren offensichtlich auch nicht ausquartiert worden, denn sie saßen an dem runden Tisch und ließen die Nadeln tanzen.

Zum Glück war in dem kleinen Schwimmbad nur eine Dame, die mich sofort freundlich grüßte und mit der ich ein kleines Schwätzchen hielt. Unser Thema war natürlich das Unwetter. Sie und ihr Mann waren seit Jahren Stammgäste in diesem Hotel und schon vor Jahren auch wegen eines Unwetters ausquartiert worden, und das sogar für zwei Tage. Ansonsten aber fühlten sie sich hier sehr wohl und mir würde es bestimmt auch gefallen. Sie amüsierte sich ebenfalls über den Strickklub, der jedes Jahr – wie ich erfuhr – von Januar bis April in der Lobby residierte.

„Wie kann man nur zwölf Wochen lang stricken? Andererseits, was sollen sie sonst tun? Denn viel laufen, glaube ich, das können alle wohl nicht mehr“, entgegnete ich. „Ich muss allerdings gestehen, dass ich vor Kurzem nach langer Zeit auch mal wieder gestrickt habe, einen Bolero, er ist mir recht gut gelungen. Aber Strickzeug mit in den Urlaub nehmen, auf die Idee käme ich nicht, da ziehe ich ein interessantes Buch vor. Überhaupt, Lesen gehört bei mir einfach zu einem gelungenen Urlaub.“

„Aber um 16:00 Uhr werden Sie keine der Damen hier antreffen, da sind sie alle auf ihren Zimmern und schauen Sturm der Liebe“, fügte meine neue Bekannte noch grinsend hinzu.

Klar, diese Soap lief immer um 15:10 Uhr deutscher Zeit. Es wurde also gestrickt und ferngesehen, da frage ich mich, warum sie nicht daheim geblieben waren, denn das konnten sie dort wohl preiswerter haben.

Auf dem Rückweg begegnete mir Knopf im Ohr. „Ich habe Sie gerade im Hallenbad gesehen, sehen ja noch recht gut aus für Ihr Alter. Wie ist es, machen wir zwei gleich einen Spaziergang?“

„Bei dem Wetter? Da kriegen mich keine zehn Pferde vor die Tür, aber auch bei strahlendem Sonnenschein würde mich ein Strandspaziergang mit Ihnen nicht reizen.“

Er zuckte nur mit den Schultern und meinte: „Sie können es sich ja noch überlegen, ich kann warten!“

Nun dann sollte er warten. Was war das doch für ein lästiger Kerl! Und eingebildet war er auch, worauf eigentlich? Er war bestimmt zwanzig Jahre älter als ich, sehr von sich eingenommen und kam sich vor wie Robert Redford.

Auf dem Weg zum Fahrstuhl, der es inzwischen wieder tat, begegnete mir Erol, was ich gar nicht toll fand, trug ich doch nur einen Bademantel, wenn auch einen langen, aber nicht gerade ein Kleidungsstück, um damit durch die Lobby zu wandern. Allerdings musste ich im Laufe meines Aufenthaltes feststellen, dass ich damit bestens gekleidet war, denn als die Sonne es gut mit uns meinte, marschierten die Leute auch im Badeanzug oder Bikini durch den Eingangsbereich des Hotels.

Erol schaute mich strahlend an: „Sie sehen aber chic aus, der Bademantel steht Ihnen ausgezeichnet. Gut, dass ich Sie treffe, muss Ihnen nämlich leider mitteilen, dass noch nicht alle Angestellten an ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt sind, die Aufräumungsarbeiten halten noch an, und so gibt es heute Mittag auch nur ein Tellergericht, lässt der Herr Direktor ausrichten.“

„Danke, Erol, aber das dürfte doch bei der Situation kein Problem sein.“

Im Zimmer zog ich mich schnell um, bewaffnete mich mit meinem Laptop und machte, dass ich in die Lobby kam, wo Kiki mich mit einem Solokonzert begrüßte.

Ich setzte mich so, dass ich den Strickklub im Auge behalten konnte, was wohl den Nachteil haben würde, dass ich nicht groß zum Schreiben kommen würde.

Mark hatte angeblich Sehnsucht nach mir und meine Freundin Nina wollte unbedingt wissen, ob es auch etwas zum Flirten gab, denn sie war zurzeit solo und auf der Suche.