Morde für die Handtasche - Sabine Deitmer - E-Book

Morde für die Handtasche E-Book

Sabine Deitmer

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  • Herausgeber: 110th
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2014
Beschreibung

Es gibt Momente im Leben jeder Frau, wo ein Mann es schafft, sie so zu verletzen, dass bei ihr sämtliche Sicherungen durchbrennen. Wo sie die Highheels, die sie gekauft hat, um ihn zu betören, auszieht, um ihm damit den Schädel einzuschlagen. Wie schnell bringt so ein Gefühlssturm eine intelligente Frau um ihre Freiheit. Lassen Sie mich für sie die dreckige Arbeit machen. Ich morde in ihrem Auftrag. Konsequent, sauber, rückstandsfrei und risikolos. Das erlaubt Ihnen weiterhin auf Highheels über das Pflaster zu schweben und ... bei Bedarf weiterhin reihenweise Männerherzen zu brechen.

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Seitenzahl: 95

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Sammlungen



Morde für die Handtasche

konsequent, sauber, rückstandsfrei

 

 

von

Sabine Deitmer

Impressum

Cover: Karsten Sturm, Chichili Agency

EPUB ISBN 978-3-95865-442-6

MOBI ISBN 978-3-95865-443-3

© 110th / Chichili Agency 2014

Urheberrechtshinweis:

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Autors oder der beteiligten Agentur „Chichili Agency“ reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Tür an Tür

Wissen Sie, im Nachhinein mache ich mir richtig Vorwürfe. Da lebt man jahrelang Tür an Tür auf dem gleichen Treppenabsatz. Grüßt sich jedes Mal, wenn man sich sieht, auf der Treppe. Und ahnt nichts von dem, was sich hinter der Tür abspielt, gleich nebenan. Man fragt sich, ob man nicht doch hätte helfen können. Das Schlimmste verhindern, Aber jetzt ist es eh zu spät … Die Kleine hat ja oft geschellt, wenn sie aus der Schule kam und den Schlüssel vergessen hatte. Dann hab ich ihr einen Kakao gekocht, und sie hat hier bei mir am Tisch gesessen und ihre Schulaufgaben gemacht und mit dem Hansi gespielt, bis ihre Mutter von der Arbeit kam. Eine süße Kleine, die schon viel zu früh erwachsen werden musste. Mir hat sie immer leid getan, wie sie mit dem Schlüssel um den Hals und dem viel zu großen Tornister morgens los gezogen ist. Höchstens sieben oder acht war sie da. Und schon so vernünftig, viel zu vernünftig für das Alter. Dass die Mutter und der Stiefvater sich nicht verstanden haben, war ja kein Geheimnis. Das wusste jeder im Haus. Aber dass das mal so enden würde ... Mir hat immer nur die Kleine Leid getan.

Mich hat das eigentlich nicht überrascht. Hab selber fünf Kinder und fahre nachts Taxi. Da sieht man so allerhand. Und wundert sich selten. Und die Kleine, das war ’ne ganz pfiffige, rotzfrech. Meine fünf, die hatte sie voll unter Kontrolle. Die hat sie um den Finger gewickelt. Auch die Großen. Und immer hatte sie die Knie aufgeschlagen, war ’ne große Rollschuhfahrerin. Na ja, bei dem Zirkus, der da bei ihr zu Hause war, tat sie gut dran, schnell abzuhau´n. Der Stiefvater war so ein aalglatter Vertretertyp, immer ’ne Spur zu freundlich, und die Mutter hatte mehr als einmal ’ne Fahne, wenn ich ihr auf der Treppe begegnet bin. Kann man ja versteh´n bei dem Mann. War sonst eigentlich ’ne nette Frau und arbeitete hart, das sah man ihr an. Aber die Kleine hat da mehr mitgekriegt, als gut war für ihr Alter. Vor mir hatte sie Angst. Wieso, weiß ich nicht. Als ich ihr einmal mit der Hand über die Haare gestrichen habe, ist sie richtig zusammen gezuckt. Ich hab sie dann nie mehr angefasst.

Die Biene war meine Freundin in der Grundschule. Wir waren viel zusammen. Sie ist oft gleich von der Schule mit zu mir nach Hause gekommen, weil ihre Mutter ja arbeiten ging, und meine war immer da. Manchmal hat sie auch bei mir geschlafen. Ich hab nie bei der Biene geschlafen. Die Biene war in Ordnung. Sie hat mir viel geholfen mit den Schulaufgaben und mir die Sachen erklärt, die ich nicht verstanden habe. Die Biene hat schnell kapiert. Von sich zu Hause hat sie nur ganz selten was erzählt. Das wusste ich gar nicht, dass das ihr Stiefvater war. Das habe ich alles erst später erfahren. Die Biene hat mir das nicht gesagt. Aber ich hab ihn gesehen. Ein paar Mal, wenn er die Biene im Auto von der Schule abgeholt hat. Dann hat er so komisch gepfiffen wie für einen Hund, und die Biene musste springen. Wenn er wütend war, hat er mit den Backenzähnen geknirscht. Das haben wir vor dem Spiegel geübt, die Biene und ich. Wenn er das machte, hatte sie Angst. Das ist das einzige, was sie mir erzählt hat, Ob sie ihn gemocht hat, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass sie Angst vor ihm gehabt hat.

Ich wusste überhaupt nicht, wer alles hier wohnt in dem Haus. Vierundzwanzig Klingelknöpfe. Das hat mir gereicht. Auf jeder Etage drei. Da sprangen so viele Leute rum im Treppenhaus. Wenn ich die alle hätte kennen wollen. Ich kannte ja noch nicht mal die anderen Studenten, die mit mir da unter dem Dach wohnten. Na ja, die Gesichter, mehr nicht. Und die Kleine ist mir per Zufall über den Weg gelaufen. Als ich ein paar Hemden auf dem Speicher aufhängen wollte. Mein Zimmer war nämlich nur eine Art vergrößerter Schrank. Und wie ich auf dem Trockenspeicher rumturne, höre ich auf einmal so ein Wimmern aus einer Ecke, wie von einem kranken Tier, Völlig verstört war die Kleine, heulte vor sich hin und ließ sich nicht von mir anfassen. Da ist mir eingefallen, dass ich noch so ’n Ding für Seifenblasen in meinem Zimmer hatte von der letzten Fete, Das hab ich ihr dann gegeben. Und sie hat aufgehört zu heulen und Seifenblasen gemacht. Ich musste ihr versprechen, die Tür zum Speicher zu bewachen und niemanden rein zu lassen. Im Haus war schwer was los, das Gekreische hallte bis nach oben. Türenschlagen, Polizeisirenen und volles Pipapo. Der Kleinen hab ich meinen Schlafsack geholt, und ich hab mir mein Physiologiebuch mitgebracht und neben der Speichertür gehockt und gelernt, Da bin ich dann irgendwann eingeschlafen, Und die Kleine war weg aus dem Schlafsack, als ich morgens aufgewacht bin.

Für die Kinder im Haus bin ich die „gute Tante“, so nennen sie mich. Ich habe immer ein paar Bonbons für sie und viel Zeit. Mehr Zeit als die Eltern. Das wissen sie, und deshalb kommen sie zu mir. Und ich freue mich. Das bringt ein bisschen Leben in meine Wohnung. Vielleicht ist das auch nur, weil ich selber keine Kinder habe. Vielleicht hole ich sie mir deshalb von der Straße. Das Mädel aus dem vierten Stock war auch oft bei mir. Eine ganz besonders Aufgeweckte war das. Kommandierte selbst die älteren jungen von der Straße herum. Aber es gab auch Zeiten, da war sie richtig scheu. Drückte sich an meiner Tür vorbei mit den klappernden leeren Flaschen, für die sie volle holen musste, und sagte kein Wort, wenn ich die Tür einen Spalt öffnete. Das wusste doch jeder im Haus, dass der Stiefvater tagsüber, wenn die Mutter arbeitete, seine Geliebte mit hoch in die Wohnung nahm und das Mädel dann auf die Straße schickte. Die hatte es nicht leicht, die Kleine. Eine Mutter, die trinkt, und ein Stiefvater, der mit anderen Frauen im Bett liegt. Wie soll das denn so ein kleines Mädchen verkraften?

Ich hätte nie geglaubt, dass das nicht seine leibliche Tochter ist. So stolz hat er sie überall rumgezeigt. „Das wird mal ein Klasseweib“, hat er immer gesagt. „Guck sie dir genau an, Friedrich. Ein Klasseweib wird das.“ Und dann hat er ihr immer gesagt, sie soll mal vor uns auf und ab gehen. Und ich musste immer sagen, dass ich das auch fände, dass sie mal ein Klasseweib wird. Und ob sie ihren Papi auch lieb hat, hat er sie immer gefragt. Und wenn sie nicht gleich geantwortet hat, die Kleine, dann hat er mit den Zähnen geknirscht, so lange, bis sie gesagt hat, was er hören wollte. Der war vielleicht stolz auf sie. Richtig verliebt war der in die Kleine. Das hätte ich nie gedacht, dass das nicht seine leibliche Tochter war.

Musik sprengt alle Grenzen

Durch die geschlossene Tür drang das Schreien einer Männerstimme: „Ich hasse dich.“

Darauf folgte ein lautes Geräusch, als wenn auf jemanden mit einer Peitsche fest eingeschlagen würde.

„Ich hasse dich“, schrie die Stimme wieder, gefolgt von dem gleichen peitschen-artigen Knall.

„Ich hasse dich. Ich hasse dich ja so sehr", vernahm Beate und kurz darauf ein hemmungsloses Schluchzen.

Sie öffnete die Tür und sah sich um: In der Mitte des weißen leeren Raumes stand eine Fußbank, auf der sie eines der Sofakissen wiedererkannte, die von ihrer Schwiegermutter bestickt worden waren. Auf dem Kissen lag ein Ledergürtel, und neben dem Kissen lag Karl, ihr Mann, nur mit einer Unterhose bekleidet, schweißüberströmt auf dem Boden. Er lag zusammengerollt auf der Seite und presste schluchzend die Knie an sein Kinn. Er bot einen jämmerlichen Anblick, und wie schon so oft stand Beate hilflos vor ihm und wusste nicht, was sie tun sollte.

In sich versunken nahm Karl sie gar nicht wahr. Beate kniete sich an seine Seite und griff mit ihrer kräftigen Hand nach seiner mageren Schulter.

„Karl", rief sie sanft, und dann noch einmal: „Karl." Er sah sie an mit seinen ausdruckslos verdrehten Augen. „Karl", versuchte sie es noch einmal, und langsam schwand die Leere aus seinem Blick. Die Augen schienen Beate zu registrieren.

„Karl."

„Ach, du, Beate“, entgegnete er müde.

„Karl“, sagte Beate eindringlich, „wir haben Gäste heute Abend. Du hast sie selbst eingeladen. Die Leute aus deiner Gruppe.“

Mit einem Ruck war er aus der Embryoposition hochgefahren: „Na, das ist doch toll, Bea, einfach toll“, strahlte er sie an.

„Ja, aber, da müssen wir doch ...“

„Gar nichts müssen wir, Bea. Gar nichts. Damit ist es vorbei. Wir müssen überhaupt nichts mehr“, sagte er freudig wie ein Kind.

„Na, dann nicht. Es sind schließlich deine Gäste.“

Beate sah auf ihre Uhr. Es war halb eins.

„lch muss“, sagte sie bestimmt zu Karl, der inzwischen Zehengymnastik machte und seinen Kopf im Kreis um die Schultern rollen ließ.

Beate stand auf, zog eine Strickjacke an und packte ihre Handtasche. Sie schaute nach, ob sie auch nichts vergessen hatte, schlug die Wohnungstür zu und ging zu ihrem Auto, für das sie direkt vor der Tür einen Parkplatz gefunden hatte.