Mörderische Begierden - Kerstin Surra - E-Book

Mörderische Begierden E-Book

Kerstin Surra

4,8

Beschreibung

Jeder Schuss ein Treffer! Nun, nicht immer. So mancher Schuss geht nach hinten los, und so manche Prise Gift schluckt unverhofft der Falsche. Diese Geschichten haben es in sich, denn hier läuft es oft gänzlich anders als erwartet. Heimtückische Mordpläne, skrupellose Killer, perfide Mordwaffen, ahnungslose Opfer. Die Autoren mischen alle Zutaten zu einem teuflisch guten Krimicocktail. In vierundvierzig rabenschwarzen Geschichten jagen sie den Lesern kalte Schauer über den Rücken, dass sich die Nackenhaare aufstellen, und strapazieren im nächsten Moment ihr Zwerchfell. In Mörderische Begierden stellen renommierte Autorinnen und Autoren fesselnde Krimi-Miniaturen vor.

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Der Schlag war dumpf. Kurz und dumpf. Ein Schlag, der das Leben von Carlo, Cesare und Platina für immer verändern sollte, aber seit diesem denkwürdigen Moment war wertvolle Zeit vergangen.

Commissario Mario Landucci balancierte konzentriert Erbsen mit der Gabel vom Teller zum Mund. Wie immer, gelang dieses Kunststück nicht zu seiner vollkommenen Zufriedenheit. Wie immer, rollte mindestens eine Erbse von der Gabel auf die Oberfläche seines Hush-Puppies-Schuhs, Modell Preston, dessen erhöhter Rand, die wie auf einem Geduldsspiel hin und her kullernden Erbsen immer wieder in ihre Schranken wies. Der Commissario leckte sich genüsslich über die Lippen, die vom Fett der würzigen toskanischen Bratwurst stark glänzten. Er liebte die Mittagsstunde, in der er ungestört eine reichhaltige Mahlzeit einnehmen konnte, denn als eingefleischter Junggeselle kochte er zu Hause nur selten für sich allein.

Vice Commissario Lorenzo Petrelli wusste, wo er seinen Vorgesetzten, Commissario Landucci, finden würde, denn es war kein Geheimnis, dass man den Commissario wochentags zwischen 12.00 und 13.30 Uhr in der kleinen Trattoria Il Gobbo, im Piazza Giotto antreffen konnte.

Dort im Piazza Giotto spielte sich das Leben ab. Hier traf man sich, um den neuesten Tratsch, eine Einladung zum Kaffee, einen kurzen Gruß, Neuigkeiten über Todesfälle und Geburten, einen Tipp zum Lottospiel oder auch einen Kuss, auszutauschen.

So blieb auch das ungewöhnliche Erscheinen von Lorenzo Petrelli an diesem Tag nicht unbemerkt.

Graziella, die Witwe des Scherenschleifers Luciano, hatte ihn zuerst gesehen. Sie hatte ihren Augen nicht getraut und war mit offenem Mund stehengeblieben. Dabei war ihr eine Schere auf den Fuß gefallen, deren Griff sie gerade polieren wollte. Dieses Ungeschick hinterließ einen schmerzhaften und unschönen Bluterguss. Graziella führte das Erbe ihres Mannes weiter, so gut es ging, denn er hatte im Ort mit einem winzigen, aber äußerst gut sortierten Geschäft für Messer und Scheren, für die Verbreitung von soliden, deutschen Messern aus Solingen gesorgt. Wer in Vicchio etwas auf sich hielt, der hatte so ein deutsches Messer in der heimischen Küchenschublade. Luciano hatte sich jedoch nicht nur als Scherenschleifer des Vertrauens, sondern auch als Musiker mit seinem Akkordeon bei Familienfeiern einen Namen gemacht. Selbst die jungen Leute hatte er mit seiner sympathischen Art zu Fans der toskanischen Volksmusik gemacht. Ja, Lucianos Tod hatte eine Lücke hinterlassen.

Dass Lorenzos Erscheinen nicht unbemerkt blieb, hatte einen guten Grund. Lorenzo hatte einen Hund bei sich. Einen Hund, dem der Vice Commissario offensichtlich seinen eigenen Gürtel als Hundeleine anvertraut hatte. Durch diese Tatsache war Vice Commissario Petrelli dazu gezwungen, seine linke Hand an Hemd und Hose festzukrallen, während die andere Hand den verängstigt wirkenden Hund in Richtung Commissario Landucci dirigierte.

„Commissario, Commissario, Sie werden es nicht glauben.“, begann er aufgeregt, aber strahlend seinen Satz, als er auch schon von seinem Vorgesetzten unterbrochen wurde. „ Petrelli, was um Himmels Willen haben Sie da wieder angestellt? Was haben sie da bloß für einen Mopp an der Leine? Wollen Sie Ihre Nachbarn erschrecken, oder wollen Sie damit das Polizeipräsidium wischen?“, entfuhr es dem Commissario, der nicht nur seelenruhig ein Stück Bratwurst in den Mund schob, sondern auch noch missbilligend den Kopf schüttelte. „Mopp, Mopp, verdammt, Commissario, wann nehmen Sie mich endlich ´mal ernst? Ich bringe eine Mords-Neuigkeit und Sie veräppeln mich!“

Die Hündin, deren müden Lebensgeister durch die nach Essensresten duftenden Schuhe des Commissario wieder zum Leben erweckt worden waren, versuchte, die inzwischen abgekühlten Erbsen unauffällig von Landuccis linkem Schuh zu lecken.

„Ist ja gut. Petrelli, seien Sie nicht gleich beleidigt! Sagen Sie, was haben Sie tatsächlich in der Mittagspause mit diesem Mopp vor, der mir da gerade die Schuhe putzt?“, fügte er nun amüsiert hinzu.

„Commissario, wir sind beide hungrig. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn wir uns noch ein schnelles Mittagessen gönnen könnten. Uns reicht auch ein primo, ein Teller Spaghetti mit hausgemachter Tomatensauce und ein Gläschen Rotwein.“

„Uns, was heißt hier uns? Zwei Gläschen Rotwein gefällig? Eins für Sie und eins für den Hund? Und zwei Portionen Bratwurst mit Erbsen? Oder doch lieber Bohnen in Tomatensauce? Ach ja, hat Ihre Begleitung auch einen Namen?“, lachte Commissario Landucci, während er die fettigen Lippen mit der Papierserviette abtupfte.

„Das ist kein Witz! Ich bin mir nicht sicher, aber auf dem Halsband ist ein P. mit einem Kochlöffel daneben eingraviert. Außerdem habe ich noch etwas in der Tasche, das Sie interessieren wird“, flüsterte der Vice Commissario aufgeregt und starrte seinen Vorgesetzten mit weit aufgerissenen Augen an. Der hingegen saß nun vollkommen verblüfft mit offenem Mund da und ließ seine Gabel mit einem Scheppern auf den Teller fallen.

„Raus mit der Sprache Petrelli, ich kann es gar nicht abwarten. Was haben Sie noch so Geheimnisvolles mitgebracht?“

Zu Platinas Freude hüpften abermals Erbsen über den Tellerrand, dieses Mal direkt vor die schwarze Hundenase, die durch die heftig angeregten Riechzellen zu beben begann.

„Es ist eine Hündin?“, vermutete Commissario Landucci ein wenig zu laut. „Es ist kein Pudel-Mix?“, flüsterte er wiederum, während er schon befürchtete, der Kollege könne sein Herzklopfen hören, denn Petrelli hatte diese Fragen nur kurz, aber entschieden nickend, bestätigt.

„Lassen Sie sich das Mittagessen einpacken, meinetwegen auch die doppelte oder dreifache Portion für Sie und den Hund, aber lassen Sie uns sofort auf das Polizeirevier gehen!“, entschied Landucci und schob schnell den letzten Wurstzipfel in den Mund, um ihn mit einem Schluck Rotwein wegzuspülen.

Der Rechnungsbetrag landete mit einer schnellen Bewegung aus dem Handgelenk auf dem Tisch.

Platina folgte den Beamten nur zu gern. Der Duft des eingepackten Mittagessens, das Petrelli ins Präsidium trug, war vielversprechend.

„Wo haben Sie das Tier gefunden?“, wollte der Commissario wissen.

„Oben in Casole, in einer kleinen Hütte im Wald.“, war die knappe Antwort des Kollegen.

„Und? Sonst haben Sie nichts zu berichten? Verdammt, Petrelli, muss man Ihnen denn jedes Wort aus der Nase ziehen? Was ist mit dem Geheimnis, das Sie vorhin so groß angekündigt haben?“, drängte Landucci ärgerlich.

„Ist ja gut. Natürlich habe ich so Einiges zu berichten. Marcello Giordani, der Freund von Cesare, hat mich angerufen. Cesare hat ihm bislang im Notfall IMMER den Hund anvertraut, falls er überhaupt ´mal den Ort verlassen hat und den Hund nicht mitnehmen konnte. Außerdem hat er mir von einer Hütte erzählt, in die sich Cesare ab und an zurückzog. Wo genau sie sein sollte, wusste niemand, noch nicht `mal er, Cesares bester Freund. Im Morgengrauen bin ich los. In Gattaia habe ich dann den Wagen abgestellt und habe angefangen zu suchen.“

Petrelli erwartete spätestens an dieser Stelle ein Lob, aber der Commissario nickte nur hin und wieder mit dem Kopf. Ein ungeduldiges „Ja und? Kommen Sie ´mal auf den Punkt, Petrelli!“, brachte den Vice Commissario endlich zum Reden.

„Commissario, Sie haben doch selbst gemerkt, dass ich erst gegen Mittag zurück war! Also, ich bin immer weiter hoch gelaufen und hab schließlich eine unscheinbare Holzhütte oben bei Casole entdeckt. Lauter Efeu war drum herum. Ich hab durch das Fenster geschaut und den Hund gesehen. Ich hatte mir die Bilder von Trüffelhunden genau eingeprägt und den Hund sofort als Lagotto Romagnolo identifiziert“, erklärte Petrelli nun stolz. „Am Fenster war ein kleines „C.R.“ eingeritzt. Das kann ja für Cesare Rossi stehen, hab ich mir gedacht. Ich habe sogar ein Foto davon mit meinem Handy gemacht. Gucken Sie ´mal.“ Petrelli hielt seinem Vorgesetzten das Handy viel zu dicht vor die Nase. „Die Tür konnte ich ziemlich leicht aufmachen. Ja, und dann lag da der Hund und gucken Sie ´mal hier, Commissario! Das lag direkt vor der Hundenase!“

Dieses Mal präsentierte Petrelli, auch wieder viel zu dicht, ein Schraubglas mit zweifelhaftem Inhalt, das er zwischen Zeigefinger und Daumen in einer verschließbaren Plastiktüte hielt, vor Landuccis Nase.

„Madonna, Petrelli, was soll das? Sind Sie jetzt vollkommen übergeschnappt?“, wies Landucci den Kollegen zurecht. „Sehen Sie denn nicht, was das ist? Das ist doch schließlich keine schrumpelige Kartoffel! Das ist ein Goldstück!“