Mords Odenwald -  - E-Book

Mords Odenwald E-Book

0,0

Beschreibung

Krimi-Anthologie mit den 30 bestbewerteten Krimi-Beiträgen des Erwachsenen- und die jeweiligen Siegerbeiträge der jeweiligen Alterskategorien des Jugend-Schreibwettbewerbes des Odenwaldkreises. 2022 zum Thema Mörderischer Odenwald

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 235

Veröffentlichungsjahr: 2022

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Krimi-Anthologien aus den Krimi-Schreibwettbewerben des Odenwaldkreises

Mords Kartoffel, 2007

Mords Schafe, 2008

Mords Apfel, 2009

Mords Holz, 2010

Mords Spur, 2011

Mords Römer, 2012

Mords Elfenbein, 2014

Mords Energie, 2016

Mords Burgen und Schlösser, 2018

Mords Kunst, 2020

Mords Odenwald, 2022

Unterstützer

Der Odenwaldkreis könnte ohne die Förderung zahlreicher Unterstützer sein überregionales Literaturprojekt, das sowohl einen Erwachsenen- als auch einen Jugend-Krimi-Schreibwettbewerb „Mörderischer Odenwald“ sowie eine Preisverleihung und diese Anthologie umfasst, nicht durchführen.

Betriebsgesellschaft Schloss Erbach gGmbH

Das Buchkabinett, Erbach

Eduard Engelhardt GmbH & Co. KG Hausbau, Erbach

ENTEGA Stiftung, Darmstadt

Forsthaus Eulbach

Gräfliche Rentkammer GbR Erbach

Hitschler International GmbH & Co.KG, Michelstadt

Holzwerk Delp GmbH, Reichelsheim (Odenwald)

Hotel / Restaurant „Zum Grüner Baum“, Michelstadt

Kiwanis Club Erbach/Odenwald

koziol »ideas for friends GmbH, Erbach

Kultursommer Südhessen e. V., Darmstadt

LY-Holding GmbH, Michelstadt

Odenwald-Stiftung, Erbach

ODWLDR Lumpe, Erbach

SCV GmbH, Michelstadt

Sparkasse Odenwaldkreis, Erbach

Stadt Michelstadt

Allen Unterstützern hierfür

Herzlichen Dank!

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Baumann, Allegra Celline

Die tote Hexe

Behrouzi Wiebke

Rache ist Kochkäs‘

Burghardt, Ines

Eine Ourewäller Kiste

Deutsch, Monika

Nibelungentreue

Eisenhauer-Schäfer, Sandra

Verschwunden im Odenwald

Flath, Angela

Ghost-Writer

Geiger, Jess

Hexenzauber

Gentner, Niklas

Glück oder Kalkül?

Glenk, Stefanie

Vertrau mir

Grießer, Anne

Zwei finstere Gesellen

Gruber, Brigitte

Angelfreunde

Haak, Matthias

Die Bestie von Beerfelden

Hechenberger, Anne

Das Schwarze Handwerk

Dr. Hüttenberger, Michael

Weinbrunnenfest

Huhn, Monika

Die Mauer

Körner, Birgit

Bildungsurlaub

Kroll, Heike

Alles für die Kunst

Mahne, Nicole

Lieblingsplätze

Porter, Philipp

Der Waldbaron

Rödle, Markus

Stechgroschen

Rupp, Lena Maria

Späte Vaterliebe

Schneider, Harald

Und ständig stirbt ein Bürgermeister

Schwagmann, Meike

Der besondere Kurgast

Schwarz, Andrea

Der Tod ruft laut Helau – Mord im Breuberger Rathaus

Schwob, Ralf

Alte Wunden

Seifert, Thomas

Der Schweinekopf

Thomae, Irene

Tatzitus

Van den Boom, Rüdiger

Der Wildunfall

Wölfel-Schramm, Harald

Odenwälder Tradition

Wolf, Dieter

Das tote Mädchen vom Odenwald

Glenk, Maja

Das dunkle Geheimnis

Wilde, Hannah

Wo die Zeit anders tickt

Behrouzi, Clemens

Der Schatz der Asseln

Autorenliste

Vorwort

Liebe Leserinnen und Leser,

der Odenwaldkreis lobt seit 2007 einen Jugend- und einen Erwachsenen-Krimi-Schreibwettbewerb aus, zunächst jährlich, seit 2012 im zweijährigen Rhythmus. Die teilnehmenden Autorinnen und Autoren kommen dabei nicht nur aus allen Bundesländern in Deutschland, sondern weltweit aus dem nahen und fernen Ausland.

2022 feiert der Odenwaldkreis sein 50-jähriges Bestehen. Aus diesem Grunde widmeten wir den 11. Krimi-Schreibwettbewerb ganz besonders unserer ländlichen Region ODENWALDKREIS. Unter dem Titel „Mörderischer Odenwald“ hatten Autorinnen und Autoren ab 11 Jahren die Gelegenheit, „mörderische Plätze“ im Odenwaldkreis auszuwählen und diese in den Fokus eines Kurzkrimis zu stellen.

Wir waren doch sehr überrascht, welche Tatorte im Mittelpunkt der spannenden Geschichten standen: Von der „Kerb“, markanten Burgen, der „Kochkäs‘-Wanne“ bis hin zum Galgen, alten Brunnen und natürlich unseren Wäldern. Dies ist nur ein kleiner Ausschnitt.

Weitere Vorgaben hinsichtlich der „mörderischen Taten“ waren nicht gegeben, so dass es für die Jury-Mitglieder diesmal besonders schwierig war, die Preisträger*innen unter den 200 Einsendungen zu ermitteln.

Neben Rache, Gier, Hass und Eifersucht gab es noch so mancherlei weitere Auslöser. Besonders mysteriös bei den diesjährigen Beiträgen war, dass gerade den Bürgermeistern (vermeintlich) nach dem Leben getrachtet wurde. Auch ein Lottogewinner konnte sich nicht lange am Gewinn erfreuen bis sein tödliches Ende nahte.

Lassen Sie sich überraschen, was der „K-Tag“ ist und was es mit ihm auf sich hat!

Die 30 bestbewerteten Beiträge des Erwachsenen- und die jeweiligen Siegerbeiträge der drei Alterskategorien des Jugend-Schreibwettbewerbes haben wir für Sie in dieser Anthologie „Mords Odenwald“ zusammengefasst.

Sind Sie gespannt, welche Orte die Autorinnen und Autoren als „Tatort Odenwaldkreis“ gewählt haben und welche mörderischen Taten deren Krimigeschichten beinhalten.

Wir wünschen Ihnen dabei auf jeden Fall

„SPANNENDE UNTERHALTUNG“.

Ihr

Frank Matiaske

Landrat des Odenwaldkreises

Die tote Hexe

Allegra Celine Baumann (Darmstadt)

Larissa war erst vor wenigen Monaten wieder aus Frankfurt zurück in ihre Heimat, den Odenwald, gezogen. Bisher war sie glücklich mit ihrer Entscheidung. Sie traf sich mit ihren Freundinnen von früher und hatte sogar einen netten Mann kennengelernt, der in der örtlichen Bücherei arbeitete und mit dem sie schon einige Male ausgegangen war. Etwas, das allerdings nicht so verlief wie geplant, war ihr Job. Eigentlich hatte sie gedacht, dass die Arbeit als Polizistin hier entspannter werden würde als in der Stadt, aber tatsächlich war genau das Gegenteil der Fall. In den letzten zwei Monaten hatte es bereits zwei Morde gegeben – inklusive demjenigen, zu welchem sie eben gerade auf dem Weg war. Während sie in ihrem Auto von Höchst kommend zwischen Feldern die kleine Straße Richtung Annelsbach entlangfuhr, dachte sie über den ersten Mord nach. Die Höchster Apfelblütenkönigin war neben ihrem Pferd im Stall aufgefunden worden, erwürgt. Bisher hatten sie den Täter nicht ermitteln können. Das Merkwürdige an dem Fall war, dass, als die Polizei das Opfer fand, sowohl die roten Haare des Mädchens als auch die Mähne des Pferdes zu dicken Zöpfen geflochten gewesen waren. Die schluchzende Mutter des Opfers versicherte allerdings, dass die Tochter dem Pferd nie Zöpfe geflochten hatte.

Als sie darüber nachdachte, fiel Larissa auch wieder ein, dass ihr, wenige Tage nach dem Mord, einer ihrer Kollegen erzählte, wie eine alte Frau, die Larissa kannte, bei der Polizeistation angerufen hatte und meinte, etwas Wichtiges berichten zu müssen. Larissa hatte dieser Nachricht allerdings nicht viel Bedeutung beigemessen. Aus ihren bisherigen Ermittlungen kannte sie die älteren Leute, die nichts zu tun hatten, den ganzen Tag am Fenster saßen und dann meinten, sich in Mordermittlungen wichtigmachen zu können. Dennoch machte sie sich eine mentale Notiz, dass sie ihren Kollegen fragen wollte, ob er mit der alten Frau gesprochen hatte.

Als Larissa am Tatort ankam, sah sie, dass dies nicht mehr notwendig war. Dort lag die alte Frau, verkrümmt am Wegesrand in der Wiese, direkt neben einem Steinkreuz. Dünne Fäden aus geronnenem Blut waren auf ihrem Gesicht zu sehen, ihr Schädel war eingeschlagen. Larissa trat zu dem Gerichtsmediziner, der bereits neben der Toten kniete. „Was haben wir hier?“, fragte sie. „Eine tote, ältere Frau. Ganz klar Mord“, sagte er, ohne den Blick von der Toten zu heben. Larissa seufzte. „Irgendetwas Besonderes?“, fragte sie. „Jein. Also zum einen die Stelle, direkt neben diesem Steinkreuz hier. Und zum anderen das.“ Der Gerichtsmediziner streckte die Hand aus und hielt Larissa einen kleinen Zettel hin. In unordentlichen Buchstaben, anscheinend schnell geschrieben, stand dort ein Wort: Sagen. „Sagen?“, lies Larissa stirnrunzelnd vor. „Keine Ahnung“, murmelte der Gerichtsmediziner, ganz vertieft in seine Arbeit.

*

Larissa parkte ihr Auto. Sie war am Abend mit Tim, ihrem Date aus der Bücherei, auf der Burg Breuberg verabredet und wollte die Zeit davor nutzen, um einen Blick in die Wohnung der toten Alten zu werfen. Vielleicht fanden sich dort Hinweise auf die merkwürdige Notiz, die sie in der Faust der Toten gefunden hatten. Sie ging auf die Haustür zu und sah, dass diese nur angelehnt war. Vorsichtig schob sie die Tür auf. Ihre Augen brauchten einen Moment, um sich an die düstere Umgebung zu gewöhnen. Sie sah zu ihrer Rechten das Arbeitszimmer mit einem großen Schreibtisch, welcher mit ausgeschnittenen Zeitungsartikeln und handgeschriebenen Notizen übersät war. Larissa trat an den Schreibtisch, setzte sich und ging die Papiere durch. Bei den Zeitungsartikeln handelte es sich hauptsächlich um Berichte des Heimatvereins. Plötzlich hörte sie die Haustür ins Schloss fallen. Sie sprang auf, eilte in den Flur und riss die Haustür auf. Sie konnte gerade noch eine schwarzgekleidete Gestalt auf der anderen Straßenseite um eine Ecke rennen sehen. „Verdammt“, fluchte sie laut.

*

Missmutig stellte Larissa ihr Auto am Fuße der Burg Breuberg ab. Sie mochte es nicht, wenn sie im Nebel tappte und bei diesem Fall tat sie das. Außerdem machte ihr der Unbekannte Bauchschmerzen, den sie zuvor am Haus der Alten hatte wegrennen sehen. Sie stieg den gepflasterten Weg zur Burg Breuberg hinauf und die Steigung ließ sie schnaufen. Oben angekommen wischte sie sich die Stirn und schaute sich um. Es war bereits dämmrig, doch sie konnte die Bank noch gut erkennen, an der sie sich mit Tim treffen wollte. Dort hatte einst eine mächtige Linde gestanden, die jedoch vor wenigen Jahren gefällt werden musste. Ihr Stumpf war noch vorhanden und ragte hinter der Bank in die Höhe. Tim war noch nicht da und so setzte sie sich. Es war ein milder Sommerabend und Larissa genoss die Stille.

„Larissa!“ Sie schreckte hoch als sie ihren Namen hörte. Tim war von hinten an sie herangetreten. „Du bist es! Du hast mich ganz schön erschreckt“, sagte sie. In dem fahlen Licht erkannte Larissa nur seine Umrisse. Ohne etwas zu sagen, streckte er den Arm aus und hielt ihr etwas hin. Es war ein kleines Buch. Larissa nahm es und las den Titel: Odenwälder Sagen. „Ich bin eingebrochen“, sagte Tim. „Du bist eingebrochen?“ „Ja, und ich wäre fast erwischt worden! Da war noch jemand, aber ich bin so schnell gerannt wie ich konnte.“ „Wo?“ „Im Haus der Toten. Ich habe ihre Sachen durchsucht und das hier gefunden.“ Larissa lachte auf. Plötzlich fiel ihr ein Stein vom Herzen. „Tim, ich war das. Ich war in dem Haus. Ich habe dich wegrennen sehen, aber nicht erkannt.“ Tims Stimme wurde entspannter als er nun sprach. „Dann wolltest du auch bei ihr nachsehen?“ „Ja. Aber kein Wunder, dass ich nichts gefunden habe, wenn du vor mir dort warst und das Buch mitgenommen hast.“ Larissa schlug die erste Seite auf. „Was steht darin?“ „Larissa“, sagte er ernst. „Es passt alles zusammen. Die Morde sind nicht zufällig. Sie folgen den Odenwälder Sagen. Gut, der erschlagene Tote am Steinernen Kreuz ist in der Sage ein Mann, hier war es die alte Frau. Aber der Mord der rothaarigen Apfelblütenkönigin ist identisch mit der Sage der Hexe und dem Pferd mit den geflochtenen Zöpfen, außer, dass die Hexe in der Sage nicht stirbt.“ Tim wirkte aufgeregt. „Verstehst du? Die Morde imitieren die Odenwälder Sagen.“ Larissa wusste seit ihrem ersten Date mit Tim, dass er ein Faible für Heimatgeschichte hatte. „Und weißt du, was das noch heißt?“, fragte er. „Wenn die Sagen tatsächlich wahr sind, dann können wir den Mörder der Toten am Steinernen Kreuz leicht erkennen.“ Während er sprach fiel Larissa auf, dass sie sein Gesicht bisher nicht richtig gesehen hatte. Es war bereits fast ganz dunkel und der Mond war hinter einer dicken Wolke verborgen. „Wir erkennen den Täter“, sagte Tim, „weil er der Sage nach verflucht ist und nach dem Mord von einer Amsel attackiert wurde, die ihm das Gesicht zerhackt hat.“ Seine Stimme war nun ganz ruhig und gefasst. Während er gesprochen hatte, war der Mond hinter der Wolke hervorgekommen. Zum ersten Mal sah Larissa sein Gesicht. Seine Augen weiteten sich. „Was…?“ Nun konnte er die vielen kleinen Pflaster auf Larissas Gesicht erkennen. Das war aber auch das letzte, das seine schönen Augen erblickten, bevor das Messer ihm die Kehle aufschnitt. Mit offenem Mund brach er auf dem Baumstumpf der Linde zusammen, das Blut sprudelte aus der Wunde auf sein weißes Hemd.

Larissa setzte sich wieder auf die Bank und nahm das Odenwälder Sagen-Buch in die Hand. Das weiße Fräulein auf der Burg Breuberg war nun eben ein weißer Jüngling. Auch gut. Wie praktisch, dass die alte Frau ihr bereits vor Monaten von den Odenwälder Sagen erzählt hatte, die Larissa, obwohl im Odenwald aufgewachsen, zuvor nicht gekannt hatte. Es war die perfekte Methode gewesen, die rothaarige Hexe umzubringen. Denn nur so nannte Larissa das Mädchen, welches ihr vor Jahren den Traummann ausgespannt hatte. Und das, obwohl sie damals ihre beste Freundin gewesen war. Aber Larissa vergaß und vergab nie. Sie hatte deshalb die Polizeiausbildung begonnen, denn als Polizistin würde sie niemand jemals verdächtigen und sie könnte alle Hinweise auf andere Personen lenken. Wie die Hexe geschaut hatte, als Larissa plötzlich in dem Pferdestall in Pfirschbach vor ihr gestanden hatte. Der verängstigte Blick der jungen Frau, bevor Larissa sie erwürgte, war ihr Genugtuung genug gewesen. Zu dumm nur, dass die Alte direkt die Verbindung zu den Sagen herstellte und auch zu Larissa, weil sie ihr eben kurz zuvor davon erzählt hatte. Also hatte auch sie sterben müssen. Und nun Tim, den Larissa überhaupt nur als Alibi getroffen hatte. Aber egal. Sie würde ihren untauglichen Kollegen erzählen, sie hätte Tim hier so gefunden und die Wunden in ihrem Gesicht hätte sie sich an einem anderen Tag bei der Gartenarbeit an einer Dornenhecke zugezogen. Niemand würde ihr auf die Schliche kommen. Was sie jedoch immer noch stutzen ließ, war das Verhalten der Amsel, die sie tatsächlich am Steinernen Kreuz nach dem Mord an der Alten attackiert hatte. Aber das war sicher ein Zufall gewesen.

Hinweis:

Die in dieser Kurzgeschichte erwähnten Odenwälder Sagen sind in folgendem Buch zu finden:

„Heimat-Sagen aus den Kreisen Erbach und Bensheim“, gesammelt von Wilhelm Glenz, Darmstadt, 1929.

Rache ist Kochkäs’

Wiebke Behrouzi (Darmstadt)

Sämig troff er vom Löffel. So war er genau richtig. Natürlich gab es Maschinen, die ihr die Arbeit hätten abnehmen können. Aber ein echter Odenwälder Kochkäs΄ war handgerührt. Zu Kochkäs΄ hatte sie schon seit Kindertagen ein ganz besonderes Verhältnis. Seit Menschengedenken hatte ihre Familie eine Gastwirtschaft betrieben. Eine echte Kochkäs΄wirtschaft. Weit über die Grenzen des Odenwalds hinaus bekannt für ihre Kochkäs΄schnitzel.

Auch Mischi, ihr Ex-Mann, hatte sie geliebt. Erst die Schnitzel, dann auch sie, Moni. Kurz darauf hatten sie geheiratet und die Wirtschaft fortan gemeinsam betrieben. Sie in der Küche, er im Service. Mit seiner munteren, natürlichen Art hatten ihn die Gäste gleich ins Herz geschlossen. Ihren Mischi. Mit seinen roten Wangen, dem leichten Bauchansatz und den Holzfällerhemden. Ein Odenwälder Original durch und durch.

Dann war alles plötzlich anders geworden. „Sue“ war aufgetaucht. Eigentlich Susanne. Sie arbeitete in einer erfolgreichen Frankfurter Großkanzlei als Rechtsanwältin. Ein hochnäsiges Großstadtgewächs, gestylt wie aus dem Modemagazin. Für eine Wanderung hatte sie sich in die Hügel und Täler des Odenwaldes begeben und war anschließend bei ihnen in der Wirtschaft eingekehrt. Die Wirtschaft war an jenem Abend eher mäßig besucht und Mischi hatte Zeit zum Plaudern. Die beiden unterhielten sich länger. Fortan kam sie regelmäßig. Manchmal bestellte sie nur ein stilles Wasser, sie unterhielt sich aber immer intensiv mit Mischi.

Die Erinnerung beschleunigte ihren Puls. Energisch rührte sie im Topf. Der Kochkäs΄ durfte ihr nicht anhängen.

„So e kuldivierti Person“, hauchte Mischi immer öfter, sobald Sue gegangen war. Was er an dieser aalglatten Ziege fand? Sie lud ihn schließlich zu sich nach Frankfurt ein und Mischi kam mit glasigem Blick zurück. „In eme Loft dut se wohne, die Sue, midde drin in de Stadt“, berichtete er. Dann berichtete er immer weniger, war dafür aber immer öfter bei ihr in Frankfurt. Er entglitt ihr. Sie, die Wirtschaft, ja der ganze Odenwald interessierten ihn nicht mehr. Schließlich zog er ganz zu Sue nach Frankfurt. Er nannte sich auch nicht mehr Mischi. Er wollte nur noch Mo genannt werden. Das glatt rasierte, rotbackige Gesicht wurde jetzt zu großen Teilen von einem Hipster-Bart verdeckt, die rasierten Unterarme zierten verwegene Tattoos und er hatte sich einen Job in einem urbanen Szene-Lokal gesucht. Er nahm 20 Kilo ab und war sehr stolz darauf, nun vegan zu leben. „Moni, des is mer zu eng worre, do hinne bei eich. Zu spießisch für en Mensch wie misch. Ich gehör naus in die Welt, net in den hinnerweltlerische Orrewald.“ Ja, die Hipster-Fassade hielt nur, solange er den Mund hielt.

Der Kochkäs΄ war gut gelungen. Sanft und cremig. Genau wie er sein sollte. Zufrieden schob sie den Topf auf die hintere Platte und nahm sich die nächste Portion vor. Sie blickte auf die Uhr. Eine Stunde hatte sie noch. Alles lief nach Plan.

Ihr, Moni, hatte die Trennung den Boden unter den Füßen weggezogen. Für die Wirtschaft hatte sie eine Bedienung angestellt. Aber die Gäste blieben weg. Mischi fehlte. Fehlte ihr und fehlte der Wirtschaft. Und ihre Kochkunst litt unter diesem Fehlen. Die Gäste beschwerten sich über angebrannte oder versalzene Speisen und blieben nach und nach weg. Zwei Lockdowns hatte die Wirtschaft noch mit Not und staatlicher Unterstützung überstanden, dann hatte sie schließen müssen. Es war ihr immer schlechter gegangen und sie war viel alleine mit sich und ihren negativen Gedanken.

Dann hatte vor zwei Tagen das Telefon geklingelt. Mischi, der sie mit tränenerstickter Stimme darüber informierte, das Sue „en Lover hot“, wie er sich ausdrückte. Guck an. Wollte er sich jetzt bei ihr ausheulen? Ausheulen über Untreue in der Partnerschaft? Hatte sie sich am Anfang mit jeder Faser gewünscht, dass er zu ihr zurückkehren würde, war über die Monate eine unbändige Wut, ja Hass, in ihr gewachsen. Er hatte alles zerstört. Sie, ihr Leben, ihre Existenzgrundlage. Hatte sich zum Lackaffen gemacht und sie behandelt wie das letzte Landei. Von oben herab. Er hatte sie nicht nur als Frau tief verletzt, sondern auch in ihrem Stolz als Odenwälderin. Oft hatte sie nachts wach gelegen und hatte glühend auf Rache gesonnen, um am Tag dann doch nur übernächtigt und lethargisch am Küchentisch zu sitzen und ins Leere zu starren.

Kennen Sie die Konsistenz von Kochkäs΄? Machen Sie mal ein einfaches Experiment: Legen Sie eine Glasmurmel in eine Schüssel mit Kochkäs΄. Und dann schauen Sie jeweils im Abstand von ein paar Minuten wieder. Die Glasmurmel wird ganz langsam darin versinken. Versinken, bis der Käs΄ sie ganz umschließt.

Nach dem tränenreichen Telefonat hatte sie nachts wieder einmal wach gelegen und es war ein Plan in ihr gereift. Sie hatten aus guten Tagen noch ein kleines Wochenendhaus in Bullau im Eutergrund. Dort, wo die Wochenendhäuschen wie Schwalbennester an den Hang gebaut sind. Den Verkauf des Hauses hatte sie bisher, trotz finanziell prekärer Lage, gescheut. Denn das Haus gehörte Mischi und ihr zusammen, also müssten sie es auch zusammen verkaufen.

Das Telefonat hatte damit geendet, dass sie einfach auflegte. Aber sie war sicher, dass sich Mischi wieder melden würde. Sie würde sich mit ihm treffen und ihm anbieten, zunächst in dem Wochenendhäuschen wohnen zu können. Dort würde sie ihm einen würdigen Empfang bereiten. Die Idee nahm nach und nach Gestalt an und gefiel ihr immer besser. Direkt am nächsten Morgen besorgte sie die Zutaten und begann voller Eifer mit der Zubereitung.

Schon am nächsten Tag rief er, wie erwartet, an. Er müsse doch wo hin. Das Hinterzimmer des Szene-Lokals sei keine Lösung. Und so war er schließlich auf sie gekommen. Auf „sei lieb, aldi Moni“. Sie hatte innerlich bis zehn gezählt und die Fingernägel tief in die Handballen gekrallt. Aber sie hatte es geschafft, sich mit ihm für den kommenden Dienstag um 12 Uhr in Bullau im Wochenendhäuschen zu verabreden. Er hatte ihr begeistert gedankt und ihr waren nach dem Auflegen die Knie weich geworden. Dienstag. Sie hatte noch zwei Tage. Und es fehlten noch 40 Kilo. Die letzten 20 Kilo konnte sie dort kochen. Die Temperatur sollte ja auch stimmen.

Sie blickte auf die Uhr. Noch zwanzig Minuten. Sie hatte vorgekocht. Nicht nur viel Kochkäs΄. Es würde Kochkäs΄schnitzel geben. Mit Bratkartoffeln. Sein Lieblingsgericht. Vegan war mit Sicherheit Geschichte. “In dein Kochkäs΄ könnt isch misch noi setze!“, hatte er wie oft gesagt. Das sollte jetzt eine sehr wörtliche Umsetzung erfahren. Sie hatte alles am Wochenendhaus ausgeladen und das Auto dann etwas weiter weg geparkt. Dienstags war hier in der Siedlung zwar fast nichts los. Aber man wusste nie, wem welches Auto wo auffiel. Was die großen Behälter enthielten, die sie vorhin ausgeladen hatte? Kochkäs΄. 80 Kilo Kochkäs΄. Diese hatte sie in die Badewanne geleert, einen kleinen Teil natürlich entnommen für die Kochkäs΄schnitzel. Die restlichen 20 Kilo, die sie hier im Häuschen gekocht hatte, waren warm genug, um der gesamten Masse genau die richtige Konsistenz zu verleihen. Ihr Hausarzt hatte ihr gegen die Schlafstörungen Schlaftabletten verschieben, klassische Barbiturate. Die Tabletten einer ganzen Packung dienten, in warmem Apfelwein aufgelöst, als Grundlage für ihre legendäre Apfelweincreme, die er liebte und die sie als Nachtisch vorbereitet hatte. Die Creme hatte genug Eigengeschmack. Man sollte die Tabletten darin nahezu nicht schmecken. Bis zum Nachtisch hätte Mischi aber sicher mindestens drei Gläser Sauergespritzten geleert, wie sie ihn kannte. Das würde die Geschmackswahrnehmung drosseln und die Tablettenwirkung entsprechend verstärken. Sie mochte keine Apfelweincreme. Hatte sie noch nie gemocht. Mit und ohne Tabletten. Er würde sich also nicht wundern, wenn sie keinen Nachtisch aß. Nur er sollte nach dem Nachtisch in einen unfreiwilligen Schlummer gleiten. Sie würde ihn mit dem Transportgriff aus dem Erste-Hilfe-Kurs, den sie vor drei Jahren noch zusammen besucht hatten, ins Bad schleifen. Ein Glück, dass er 20 Kilo abgenommen hatte.

Sie leerte den letzten Topf Kochkäs΄ in die Wanne. Mischi sollte sich nicht nur „noi setze“, er sollte sich „noi lege“ in den Kochkäs΄. „Noi“, bis der Käs‘ ihn ganz langsam völlig umschloss. Sie würde derweil die Küche aufräumen. Sein Geschirr würde sie stehen lassen. Ihre Fingerabdrücke würde sie versuchen zu dezimieren. Und wenn ein paar übrig blieben: Es war schließlich auch ihr Wochenendhaus. Er würde, wie immer, sein Handy beim Essen neben sich legen. Sie würde es, sobald er zusammengesunken war, mit seinem Finger entsperren und ein längeres Video starten, um es entsperrt zu halten. Sobald er in der Wanne lag, würde sie dann ein eigens vorbereitetes Bild in seinen WhatsApp-Status stellen:

„Mein Odenwald, wie konnte ich dich so verraten?“

Darunter eine große Schüssel Kochkäs΄.

Andernorts mochte Rache Blutwurst sein. Im Odenwald war sie Kochkäs΄.

Alles war vorbereitet, der Tisch gedeckt, eine Kerze brannte.

Da klingelte es an der Tür...

Eine Ourewäller Kiste

Ines Burghardt (Bonn)

„Wem is die Kerb?“

„Unser!“

„Ich hab΄ sie gefunden!“

Tim unterbrach die angeheiterten Rufe. Nach längerer Suche war er mit dem Spaten auf die ramponierte Holzkiste gestoßen, die die älteren Kerbburschen im letzten Jahr auf einem Feld in der Nähe des Dorfes vergraben hatten. Unter der lautstarken Anfeuerung der anderen hob er die Kiste aus der Erde. Er war vor etwa einem Jahr für seine Ausbildung in den Odenwald gezogen, das neueste Mitglied der Gruppe und damit für alle anstrengenden Aufgaben zuständig; während die anderen schon jetzt, beim Ausgraben der Kerb, dem Beginn des traditionellen Dorffestes, die eigene Feierlaune durch Bier und Gesang nährten.

Als er die Kiste öffnen wollte, hielt ihn Frank, den alle aufgrund seiner jahrelangen Funktion als Kerbvater nur de Vadder nannten, zurück.

„Des is moin Part! Die Kerb öffned de Vadder.“

Unter erneutem Gegröle der übrigen Kerbburschen hob Frank den Deckel an und ließ ihn nach einem kurzen Blick auf den Inhalt abrupt wieder fallen. Das Gebrüll der anderen riss sofort ab. Alle waren einen Schritt von der Kiste zurückgetreten.

Nur Tim stand an derselben Stelle wie zuvor.

„Hat euch die Kerb verschreckt?“

Da niemand antwortete, bückte sich Tim und öffnete die Kiste erneut. Im Inneren lag anstelle der üblichen Flasche Wein der abgerissene Seitenspiegel eines Autos. Auf dem Spiegel klebte ein Zettel.

Tim las laut vor: „Ich sehe euch!“

Erschreckt blickten sich die anderen Kerbburschen um. Kalle, der Mundschenk, reagierte als Erster.

„Awwer, des koann doch ned soin!“

Björn, eigentlich der lauteste von allen, der Jahr für Jahr die Kerblieder anstimmte, starrte stumm auf die Kiste.

„Ach, do hodd sich oaner blouß en bleede Scherz erlaabd.

Machd aich ned verriggd. Vielleichd woarn des aa die Kerbbursche aus em Nachbardorf. Denne wärrn mer schunn uff de Zou fiele!“

Damit stoppte Frank das Gespräch.

Am nächsten Abend war die Feier in vollem Gang. Die Dorfgemeinschaft und weitere Gäste aus den umliegenden Odenwälder Ortschaften waren in das alte Gasthaus gekommen.

Drinnen wurde zu verstaubten Schlagern getanzt und draußen, in der improvisierten Bar, schenkten die Kerbburschen Schnaps aus. Im Getränkelager hinter der Bar war Tim auf der Suche nach Apfelwein für den Ausschank im Gasthaus, als er hörte wie Frank und Kalle sich am Tresen flüsternd unterhielten.

„Unn, is dir ebbs uffgfalle? Hodd sich jemoand uffällich verhoalde?“, fragte de Vadder.

„Noa, ned oannerschd als sunschd aa. Des machd mer Ängschde!“, antwortete Kalle.

Frank packte ihn daraufhin an der Schulter.

„Jetzt verlier mer blouß ned die Nerve! Mer misse nur rausfinne wer des woar.“

„Pschd, do kimmd Kunnschafd“, warnte ihn Kalle mit Blick auf eine kleine Gruppe, die sich der Bar näherte.

Während beide die Gäste versorgten, schlich sich Tim unbemerkt aus dem Lager.

Kurz vor Mitternacht leerte de Vadder in einer Ecke des Gastraums allein einen Bembel Apfelwein. Als er Tim sah, winkte er ihn zu sich.

„Unn, wie leefds in de Bar?“

„Sind alle zufrieden. Ich hoffe, der Apfelschnaps reicht.“

„Scheiß uff de Abbelschnaps, woas mache die oannern zwaa?“

„Naja, die sind, seitdem wir die Kiste geöffnet haben, ziemlich durch den Wind“.

Frank lachte leise.

„Mache sich wäije sou em olwerne Scherz ins Hemm. Ned zu glaawe!“

„Aber warum sind sie so beunruhigt? Was hat es mit diesem Spiegel auf sich?“

Bevor Tim weitere Fragen stellen konnte, rief der Alleinunterhalter Frank mit einem Tusch auf die Bühne.

Am nächsten Morgen versammelte sich die halbe Dorfgemeinschaft in der kleinen Kapelle zum Festgottesdienst.

Frank saß vorne neben dem Pfarrer. Björn und Kalle suchten sich müde und verkatert bewusst einen Platz in den hinteren Bänken. Kalle wirkte noch nervöser als am Tag zuvor.

„Ich solld ned hier soin.“

„Wiesou ned?“, fragte Björn.

„Ach, ich fiel mich hier oafach ned woul. In de Käische kimmd des alles wirrer houch.“

„Woas kimmd wirrer houch? Hodd des ebbs mit dem Schbichl zu doun?“, hakte Björn nach, wurde aber vom ersten Lied unterbrochen.

Die Hälfte der Kerbredd war vorbei. Frank präsentierte die Rede, wie immer, sicher und mit Augenzwinkern. Kalle prostete den Gästen, die begeistert applaudierten, zu.

„Des hädd em aa gfalle“, murmelte Björn, der etwas abseits stand, vor sich hin.

„Wem?“, fragte Tim, der plötzlich neben ihm aufgetaucht war.

Überrascht drehte sich Björn um.

„Woas? Ach, ich mussd nur oan en oalde Kumbel denge.“

„Dein Kumpel, war das auch ein Kerbbursche?“

Zögerlich antwortete Björn: „Ehm ja, de Maddin. Der oarme Kerl hodd vor Joorn en schwere Unfall kadde. Unner de Verledzunge hodd er haid noch zu laide.“

Noch während er redete, zuckte Björn zusammen, drehte sich um und eilte davon.

„Wo willst du denn hin?“, schickte Tim ihm noch fragend hinterher.

Die Kerbredd war vorbei und die Gäste drängten sich vor dem Buffet mit selbstgebackenem Kuchen. Das gemeinsame Kaffeetrinken war der Ausklang der Kerb. Tim war währenddessen dabei die Kiste, die später wieder vergraben werden sollte, neu zu befüllen. Den Autospiegel mit Zettel hatte er herausgenommen.

„Den Schbichel koannschde mer gäwwe“, verlangte Frank, der gerade hinter Tim ins Getränkelager getreten war.

„Und was machst du damit?“, wollte Tim wissen.

„Ach, den werf ich aafach in de Marbach-Stausee.“

„Wirklich? Ich glaube, Björn ist dazu eben was eingefallen. Er hat mir von einem früheren Kerbburschen, dem Maddin erzählt. Der hatte wohl einen Unfall. Den hab΄ ich aber noch nie hier im Dorf gesehen.“

„Mit em Maddin“, wiegelte Frank ab, „hodd des sicher nix zu doun. Die Familie vumm Maddin is weggezooche. Ich hoab den schunn Joorn nimmäi gsäije.“

Damit verließ de Vadder den Vorratsraum und rief Tim noch zu: „Mer treffe uns in zwaa Schdunn vorm Gasthaus und doann vergraawe mer die Kerb. Soach de oannern Bscheid!“

„Kalle, ward emol! Ich hobb noch gar ned mit em Mundschenk ougestouße!“

Björn, der etwas außer Atem wieder ins Gasthaus zurückgekehrt war, streckte Kalle, der seit der Kerbredd schwankend ging, ein Schnapsglas entgegen.

„Uff die Kerb unn die Kerbbursche!“

Beide prosteten sich zu. Nachdem sie den Schnaps getrunken hatten, trat Björn nahe an Kalle heran und flüsterte: „Jetzt waas ichs. De Schbichel hodd woas mit em Maddin seim Unfall an de Kerb vor zäjje Joor zu doun, gell?“

„Wie kimmdschd en do druff?“, gab Kalle etwas zu schnell zurück.

„Woas is domoals bassierd?“, drang Björn weiter auf ihn ein.

Aber Kalle antwortete nicht, sondern trank mit glasigen Augen den restlichen Apfelschnaps.

„Wem is die Kerb?“

„Unser!“

Tim hatte die Kiste abgestellt und hob die Grube aus. Zum Vergraben der Kerb hatten sie einen Platz nicht weit vom Gasthaus gefunden, so dass sie die Musik des Alleinunterhalters hören konnten.

Tim griff nach dem Deckel der Kiste, hielt dann aber inne und wandte sich an Frank: „Die Kerb verabschiedet de Vadder!“

Frank grinste kurz, öffnete den Deckel und erwiderte mit Blick auf Tim: „De Buu lernd schnell, den misse mer uns fer die kummende Joorn –“

In diesem Moment merkte er, dass etwas nicht stimmte. Er blickte in die Kiste. Dort lag nicht die erwartete Flasche Wein, sondern ein Foto. Es war schon etwas vergilbt, aber de Maddin war gut erkennbar. Er hatte einen kleinen Jungen auf dem Arm; seinen Bruder, wie Frank sich erinnerte.