Mr. Pagani - Fin Liegener - E-Book

Mr. Pagani E-Book

Fin Liegener

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Beschreibung

Eljay Layn kennt seine leiblichen Eltern nicht. In der Schule trifft er auf Filenia, in die er sich Hals über Kopf verliebt. Eines Abends kommt es zu einer Begegnung, die sein Leben für immer verändern wird: In einem Restaurant lernt er Mr. Pagani kennen. Aus einer kurzen Unterhaltung entwickelt sich eine enge Freundschaft. Doch wer dieser Mann wirklich ist, soll Eljay erst dann erfahren, wenn es bereits zu spät ist.

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Seitenzahl: 159

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Fin Liegener – Mr. Pagani

Fin Liegener

Mr. Pagani

Roman

© 2023 Fin Liegener

Lektorat, Cover: Dr. Matthias Feldbaum

Cover-Illustration: 2023 Roman Glinnik

Verlag:

Andreas Krüger (für Fin Liegener)

Europa-Allee 2 a

30823 Garbsen

Druck: epubli – ein Service der Neopubli GmbH, Berlin

2. Auflage, Mai 2025

ISBN

Paperback: 978-3-757562-16-8

E-Book: 978-3-757564-37-7

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Du weißt nicht, was du hast, bevor du es verlierst.

Unbekannt

1

Montag, sieben Uhr, mein Wecker klingelte schon wieder.

»Eljay! Aufstehen! Du musst in die Schule!«, ruft meine Mutter.

»Ja! Ich steh’ ja schon auf!«

Hätte ich mir keine zwei Wecker gestellt, hätte ich schon wieder fast verschlafen, aber zur Not wäre meine Mutter ins Zimmer gekommen. Also stand ich auf und ging zu meinem Kleiderschrank, nahm mir einfach das Nächstbeste zum Anziehen und ging ins Bad, um zu duschen.

Als ich fertig war und zum Frühstücken in die Küche ging, war schon alles gedeckt. Wie jeden Morgen esse ich eine große Schale Müsli und ein frisches Sandwich, was mir meine Mutter zubereitet. Dazu trinke ich ein Glas frischgepressten Orangensaft.

»Möchtest du noch eine Flasche mit dem Orangensaft mit in die Schule nehmen?«

»Natürlich!«

»Nun, zieh dich mal lieber an, damit du nicht zu spät in die Schule kommst. Dein Ranzen und deine Sachen sind schon im Flur.«

»Okay, ich gehe noch mal auf die Toilette.«

»Mach das, aber beeil dich!«

»Ja, Mama.«

Eigentlich würde ich am liebsten zu Hause bleiben. Montag ist immer der längste Schultag in der Woche, das ist doof, weil der erste Schultag immer gleich der anspruchsvollste ist.

»Brauche ich eine Jacke?«

»Nein, es ist Hochsommer, du Witzbold. Viel Spaß in der Schule!«

»Na ja, mal sehen, es ist Montag. Montag ist immer der längste Schultag der Woche. Ich bin bis 16 Uhr in der Schule, da bleibt mir doch nicht mehr viel Freizeit.«

»Du könntest dich doch später für eine Veränderung des Schulsystems einsetzen.«

»Gute Idee!«

Ich gehe zur Tür raus, meine Mutter verabschiedet sich noch mal und schließt die Tür hinter mir.

*

Kaum sitze ich auf meinem Platz, läutet die Schulklingel.

»Das war aber knapp!«, flüstere ich.

Der Lehrer ist zum Glück noch nicht da, warum auch immer. Wahrscheinlich unterhält er sich gerade wieder mit einem Kollegen.

Diesmal ist er aber nicht mal fünf Minuten zu spät, ich sehe ihn schon im Gang durch die Fenster. Aber wer ist die Person, mit der er sich unterhält? Er verschwindet kurz hinter den Wänden und kommt dann in unseren Klassenraum herein, gefolgt von einem Mädchen, das ich noch nie gesehen habe. Ist das seine Tochter oder eine Schülerin aus einer anderen Klasse, die letzten Freitag in unserem Klassenraum etwas vergessen hat? Sie ist etwas kleiner als unser Lehrer, also ist sie auch etwas kleiner als ich.

»Guten Morgen, ich würde euch allen gern eure neue Schülerin Filenia vorstellen.«

Filenia. Den Namen habe ich ja noch nie gehört, aber er ist ziemlich schön. Unseren Klassennamen finde ich aber auch cool, weil wir die einzige Klasse aus unserer Stadt sind, die ein Ypsilon hinter der Zahl hat: 8y.

Sie sieht schüchtern, zurückgezogen aus, aber ich weiß, wie es ist, in eine neue Klasse zu kommen. Man kennt niemanden oder aber den einen von damals und setzt sich gleich neben ihn.

»Möchtest du dich deinen neuen Klassenkameraden vorstellen?«, fragt sie der Lehrer.

Sie zögert etwas, schaut ihn an und nickt vorsichtig.

Mit ihrem weißen Schulranzen auf dem Rücken, den sie vor sich an den Schultergurten etwas zusammendrückt, geht sie einen kleinen Schritt nach vorn.

»Hallo, ich bin Filenia, ich bin 13 Jahre alt … und ich singe sehr gern«, sagt sie in einem ruhigen Ton.

Ey, wie cool, sie singt auch gern, genau wie ich!

»Neben wem möchtest du sitzen?«, fragt unser Lehrer.

»Neben mir ist noch ein Platz frei!«, ruft Jasmine, die vor mir sitzt.

Filenia lächelt sie an und setzt sich in die vorderste Reihe.

»Ich hoffe, du wirst dich hier wohlfühlen«, sagt unser Lehrer zu ihr. »Euer Stundenplan hat sich, wie angekündigt, nun geändert. Zu eurem Vorteil habt ihr fortan freitags fünf statt sechs Stunden, ansonsten sind die Zeiten so geblieben. Schaut ihn euch erst mal an.«

Er verteilt an alle Schüler einen ausgedruckten Stundenplan. Ich hoffe, dass Sport endlich nicht mehr mittwochs in den ersten Stunden ist, sondern am Ende des Tages. Man kommt nach dem Sport immer gleich verschwitzt in die nächste Stunde und ist vielleicht schon kaputt. Das ist total sinnlos.

Aber nein, Sport bleibt weiterhin früh morgens, aber wenigstens donnerstags, an dem wir nur sechs Stunden haben. Wir haben weiterhin montags und mittwochs bis zur achten Stunde, was immer noch besser ist, als freitags lange in der Schule sitzen zu müssen. Schließlich wollen wir Schüler auch noch was vom Wochenende haben und nicht bis zum späten Nachmittag in der Schule sitzen und erst zur Abenddämmerung zu Hause sein. Schule fühlt sich für mich manchmal wie eine Art Freiheitsberaubung an.

*

Heute haben wir zum Glück mal keine Hausaufgaben aufbekommen, was bedeutet, dass ich mal wieder etwas durch die Stadt bummeln kann.

»Eljay, wie findest du eigentlich die Neue aus unserer Klasse?«, fragt mich Johnny, mein bester Freund.

»Sie scheint ziemlich schüchtern zu sein, hat aber eine wirklich angenehme Stimme und scheint sich wohl über kleine Dinge sehr zu freuen. Sie hat gelächelt, als Jasmine von sich aus gesagt hat, dass Filenia sich neben sie setzen kann.«

»Ja, das stimmt, ihre Stimme ist sehr geschmeidig.«

»Geschmeidig?«

»Ja, geschmeidig.«

»Du Schleimer!«

»Niemals!«, sagt er mit lachender Stimme. »Wie sieht sie denn aus?«

»Sie ist … hübsch.«

»Hübsch?«

»Ja.«

»Mach dich aber nicht zu schnell an sie ran.«

»Duffmann, ich kenne sie doch noch gar nicht.«

»Aber du sagtest doch, dass sie hübsch ist.«

»Ja, das ist sie auch.«

»Also. Hast du Lust auf einen Eisbecher?«

»Natürlich, da brauchst du mich doch nicht zu fragen«, antworte ich, ohne zu zweifeln.

Gemeinsam mit Johnny verlasse ich das Schulgelände und mache mich mit ihm auf den Weg zur Eisdiele am Ende der Stadt. Ich bin froh, dass der erste Tag der Woche endlich geschafft ist. Wir haben keine Hausaufgaben auf und ich kann bei einem so schönen Wetter mit meinem besten Freund ein Eis essen gehen. Ich wette, er nimmt wieder zwei Kugeln Waldmeister und eine Kugel Zitrone.

»Weißt du schon, was du nimmst?«, fragt er mich.

»Wie passend, ich habe gerade darüber nachgedacht, was du nehmen wirst.«

»Und? Was glaubst du, was ich nehmen möchte?«

»Natürlich zweimal Waldmeister und einmal Zitrone«, sage ich im sicheren Ton.

»Ha! Falsch geraten!«, sagt er froh.

»Das zählt nicht. Du konntest dich darauf einstellen, weil ich gesagt habe, dass ich schon darüber nachgedacht habe.«

»Ja, deswegen nehme ich jetzt zwei Kugeln Melone und eine Kugel Schokolade.«

»Gut. Dann nehme ich drei Kugeln Waldmeister und eine Kugel Melone.«

Johnny schaut mit hochgezogenen Augenbrauen zu mir. »Du willst vier Kugeln Eis essen?«

»Ja, hast du etwas dagegen einzuwenden?«, sage ich stolz und schaue ihn an.

»Nein, aber das würde ich gern sehen, wie du vier Kugeln Eis hinunterkriegst.«

»Würdest du wohl gern.«

Wir haben nicht mehr viel zu laufen. Ich sehe schon die kleine Ecke der Eisdiele. Die Eisdiele, die den unerwarteten Namen »Die Eisdiele«trägt. Wer auch immer so einfallsreich war, der Laden macht einen echt guten Umsatz, obwohl hier nicht mal so viele Leute in der Nähe wohnen. Das beste Eis in der Gegend kriegt man nur hier, denn das Eis schmeckt hier genau so, wie die tatsächlichen Zutaten. Das Meloneneis schmeckt zum Beispiel nach echten Melonen.

Obwohl es sehr warm draußen ist, scheinen heute aber nicht so viele an der Kasse anzustehen. Sicherlich sitzen die meisten wieder drin, denn da gibt es sehr viel Platz und der Raum ist immer auf schöne 20 Grad heruntergekühlt.

»Wir sind da«, sage ich.

»Na endlich, ich habe Hunger!«

Wir beide quetschen uns durch die kleine Eingangstür.

»Autsch! Eljay! Es heißt Ladys first.«

»Du bist aber keine Lady.«

»Ich habe aber Hunger!«

Wir müssen beide loslachen.

»Ciao ragazzi!«, was so viel wie »Hallo, Jungs«heißt, ruft Giolino, der Besitzer des Eisladens, als er durch unser Lachen auf uns aufmerksam wird.

Giolino ist ein extrem extrovertierter Mann. Ein Italiener, der so einige Frauen herumkriegen könnte, jedoch ist er nicht daran interessiert, denn er hat bereits eine. Giulia, mit der ist er seit über 30 Jahren glücklich verheiratet. Sie haben drei erwachsene Kinder. Zwei Frauen und einen Mann und sie alle sind vergeben. Eine typische italienische Familie mit mehr als nur einem Kind eben.

»Ciao Giolino!«, versucht Johnny vergeblich mit einem italienischen Slang zu sagen. »Klang das gut?«

»Suonava bene.«

»Hä?« Johnny schaut verwirrt.

»Es klang gut!«, sagt Giolino lachend.

»Ach so.«

»Welche Eiskugeln möchtet ihr heute in eurem Eisbecher haben?«

Johnny drängelt sich vor. »Ich nehme zwei Kugeln Melone und eine Kugel Schokolade.«

»Aber natürlich!«, sagt Giolino euphorisch. »Und für dich, Eljay?«

»Drei Kugeln Waldmeister und eine Kugel Melone.«

»Heute also einen Eisbecher für den etwas größeren Hunger. Kommt sofort! Wollt ihr wieder hier essen?«

Ich überlege kurz und frage Johnny um Rat. »Wollen wir hier essen?«

»Nein, lass uns diesmal ein wenig durch die Stadt schlendern.«

»Okay, machen wir es so.«

»Hier sind eure Eisbecher. Das macht 4,90 €.«

»Bis dann, Giolino!«

»Fino ad allora!«, ruft uns Giolino hinterher.

Ich probiere vorsichtig etwas vom Eis. »Boa, schmeckt das gut!«, rufe ich.

»Ja, das schmeckt wie frisch gepresst in Eisform.«

Während Johnny und ich unser Eis essen, überlege ich, was ich anschließend unternehmen könnte, wenn ich Johnny nach Hause gebracht habe. Vielleicht sollte ich mal in dieses Restaurant am anderen Ende der Stadt gehen. Da war ich noch nie und es interessiert mich schon lange. Zudem war ich noch nie allein in einem Restaurant. Das wollte ich unbedingt mal ausprobieren. Möglicherweise beachtet mich ja gar niemand, weil die Kellner denken, dass ich irgendein Junge bin, der auf seine Eltern wartet und nur einen Platz freihält. Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich überhaupt einen Platz bekommen würde. Das Restaurant ist von innen ähnlich wie ein McDonald’s aufgebaut und nicht besonders groß. Wenn man am Rand sitzt, kann man durch die großen Fenster auf die Straßenkreuzung schauen. An den Fenstern gibt es diese typischen Bänke, auf denen, ich schätze mal, bis zu acht Personen sitzen können. Wenn ich da allein sitzen würde, wäre das bestimmt sehr eigenartig.

»Was hast du heute noch so vor?«, fragt mich Johnny.

»Ich habe überlegt, noch in dieses Restaurant am anderen Ende der Stadt zu gehen, von dem ich den Namen leider nicht weiß.«

»Mit anderen Worten willst du mich also loswerden, sag das doch gleich«, sagt er lachend.

Ich lache mit. »Nein, das habe ich nicht gesagt.«

»Wie das wohl aussehen wird, wenn da so ein kleiner 13-jähriger Junge ganz allein im Restaurant sitzt.«

»Ich bin nicht klein und dieses Restaurant sieht außerdem von innen, so wie ich es von außen gesehen habe, nicht wie ein hochmodernes, großes Restaurant aus.«

»Na gut, dann wünsche ich dir mal viel Glück, Kleiner.«

»Ey!«

Johnny bleibt plötzlich stehen. »Eljay?«, fragt er verwundert.

»Was ist los?«

»Mein Eis … Ich habe es aufgegessen«, sagt er traurig und lässt seinen Kopf hängen.

»O Gott, Johnny, ich dachte, es wäre was passiert oder du hast was vergessen.«

Johnny lacht. »Nö, alles gut, ich bin einfach nur fertig. Wie sieht’s bei dir aus?«

»Blödmann. Ich bin gleich fertig.«

»Schaffst du denn noch die vierte Kugel?«

»Klar, ich bin nicht mal satt. Schau, schon fertig.«

»Haha, lustig.«

Ich lache. »Gib mir deinen Müll, ich werfe den mit in den Mülleimer da vorn.«

»Hier.«

»Soll ich dich auch gleich mit wegwerfen?«, frage ich.

»Du bist heute wieder so lustig.«

»Ich weiß«, antworte ich selbstbewusst. »Wir sind auch gleich bei dir zu Hause, es ist gleich 17 Uhr und ich muss noch zum anderen Ende der Stadt laufen, das sind ein paar Meter.«

»Okay, du willst mich also doch loswerden.«

»Ja, wie gesagt, ich habe ja noch einen etwas weiteren Weg vor mir.«

»Alles gut, wir sind jetzt sowieso schon fast da und ich möchte noch einem oder zwei Filmen zuhören.«

»Mehrere Filme gleich?«, frage ich verwundert. »Warum denn das?«

»Ich habe sturmfrei. Ich kann machen, was ich will. Vielleicht höre ich auch nur Musik, mal schauen.«

»Okay, aber tu dir nicht weh«, sage ich.

»Was? Beim Musikhören?«

»Nein, wenn du allein im Haus herumgeisterst.«

»Ach so. Das kriege ich schon hin. Das hat ja sonst immer funktionuckelt.«

»Funktionuckelt? Was ist das denn?«

»Na ›funktioniert‹.«

»Woher hast du denn dieses Wort jetzt schon wieder?«

»Das habe ich mir gerade ausgedacht.«

»Du bist mir vielleicht jemand«, sage ich lachend.

Ich bringe Johnny noch zur Tür, verabschiede mich und mache mich dann gleich auf den Weg zum Restaurant.

»Tschüss, bis dann, man sieht sich!«, ruft Johnny noch schnell aus dem Fenster.

»Man sieht sich, bis dann, tschüss!«, rufe ich zurück.

Was für ein Esel. Er hat immer irgendeinen Witz parat. Jetzt muss ich mich aber beeilen, sonst komme ich erst in der Dämmerung im Restaurant an. Ich nehme denselben Weg, den Johnny und ich gegangen sind. Der kürzeste Weg führt an unserer Schule vorbei. Es ist immer etwas komisch, wenn man an diesem Gebäude vorbeigeht und nicht mehr hinein muss. Jedenfalls ist unsere Stadt nur so groß, dass man innerhalb von etwa 20 Minuten von einem zum anderen Ende zu Fuß gehen kann. Vielleicht gibt es hier auch deswegen so wenig Fahrräder.

Von meiner Schule ist es nicht mehr weit bis zum Restaurant. Obwohl es nicht mal 1000 Schüler gibt, ist unser Schulgebäude eigentlich ganz schön groß. Man muss sie sich wie ein großes Schloss mit einem großen Schulhof, der mit einer dicken Steinmauer umrandet ist, vorstellen. Links und rechts schließt je eine Steinmauer an das Gebäude an. Man kann also nur von vorn und hinten die Schule betreten. Hinten sind ein paar Notausgänge und vorn sind im symmetrischen Abstand zwei große Treppen, wie man sie von einer Universität kennt. Erstaunlich ist, dass die Schule von außen etwas heruntergekommen aussieht, obwohl sie frisch renoviert wurde. Man erwartet nicht, dass sie innen sehr modern und mit der neuesten Technik ausgestattet ist. Am besten gefallen mir die beiden Eingänge zu unserer Schule. Die sind einfach ungewöhnlich und etwas ganz Besonderes.

Kaum bin ich im Restaurant angekommen, versuche ich mich wie ein Geheimagent möglichst ruhig zu verhalten. Ich will einfach nur etwas zu trinken haben und mir etwas Kleines zu essen bestellen. Mehr nicht.

»Hallo, Junge!«, sagt eine junge Kellnerin.

»Hallo. Ist hier noch ein Platz frei?«, frage ich, obwohl ich genau gesehen habe, dass mehr als genug Plätze frei sind.

»Natürlich, setz dich einfach an einen Platz deiner Wahl«, antwortet sie freundlich.

Ich setze mich rechts vom Eingang an einen Tisch, obwohl dieser für mehrere Personen bestimmt ist. Ich dachte, hier würden mehr hinpassen, aber es sind vielleicht drei Personen pro Bank, also sechs an einem Tisch. Ich setze mich so hin, dass ich zum Ausgang schaue und stelle meine Schultasche links neben mir auf der Bank ab, sodass ich nicht mehr ganz am Fenster sitze. Aber das ist mir lieber, da meine Tasche so etwas geschützter ist. Mir fällt gerade ein, dass ich vergessen habe zu schauen, wie dieses Restaurant hier heißt …

Die Kellnerin, die mich am Eingang begrüßt hat, kommt gerade auf mich zu. Das ging schneller als erwartet. Sie scheint neben dem Koch die einzige Angestellte hier zu sein.

»Guten Tag, junger Mann. Hier ist eine Speisekarte für dich.«

»Hallo, vielen Dank«, sage ich und lächle die Kellnerin an.

Während die Kellnerin wieder geht, schaue ich in die Speisekarte. Eine recht kleine Auswahl, was mir die Entscheidung deutlich erleichtert. Ich nehme aber doch nur eine Fanta. Ich schlage die Speisekarte wieder zu und melde mich. Jedenfalls glaube ich, dass man sich auch im Restaurant melden kann.

Tatsächlich, die Kellnerin hat mich sofort wahrgenommen und kommt wieder zu mir.

»Das ging schnell. Weißt du schon, was du möchtest, junger Mann?«, fragt mich die Kellnerin.

»Ja, ich möchte nur eine kleine Fanta.«

»Alles klar. Darf es sonst noch etwas sein?«

»Nein, danke.«

»Okay.«

Ich bin mir unsicher, ob es nicht etwas ungewöhnlich sei, in einem Restaurant nur eine kleine Fanta zu bestellen. Aber dennoch freue ich mich gerade wie ein kleines Kind. Vielleicht, weil ich zum ersten Mal etwas allein bestellt habe.

Ich zahle gleich und sitze dann mit meiner Fanta an einem großen Sechsertisch – irgendwie ziemlich verlassen. Ich sehe mich um: Vor mir, einen Tisch weiter, sitzt auch ein Mann, vielleicht um die 50 bis 60 Jahre alt, allein. Vielleicht hat er ja auch nur ein Getränk bestellt. Und natürlich schaut er mich genau in dem Moment an, als ich auch zu ihm schaue. Solche Situationen sind mir immer unangenehm. Vielleicht geht es ihm gerade genauso? Aber warum schaut er denn so oft zu mir herüber? Will der was von mir? Ich bin mir unsicher, ob ich ihn einfach fragen soll. Ich fühle mich unwohl. Eine ganz komische Situation. Da nehme ich mir mein Herz, packe meine Sachen und mein Glas und gehe zu ihm. Ich lege meine Tasche ab, stell mein Glas auf den Tisch und schaue mir erst mal an, was er bestellt hat. Er hat aber nichts bestellt, obwohl er hier schon länger als ich sitzt. Er sitzt aufrecht und ruhig da und schaut auf seine verschränkten Hände.

»Hallo. Kann ich Ihnen helfen? Möchten Sie etwas von mir?«, frage ich ihn in einem ruhigen, aber aufdringlichen Ton.

Da er weiterhin auf seine Hände schaut, die er immer noch zusammenhält, warte ich einen kurzen Moment.

»Entschuldigung. Was wollen Sie von mir?«

Er schaut mich langsam an. »Möchtest du nicht etwas essen?«, fragt er mich mit einer tiefen Stimme.

»Nein, ich bin hier nur hergekommen, um mir etwas zu trinken zu bestellen«, antworte ich in einem nervösen Ton.

Er zögert. »Du bist hier also ganz allein hergekommen, nur um dir eine Fanta zu bestellen?«

»Ja. Und Sie? Sie beobachten mich schon eine Weile. Sie haben sich nichts bestellt.«

»Du kannst mich duzen«, sagt er, ohne auf meine Frage einzugehen. »Möchtest du nicht etwas essen?«

»Nein danke. Ich habe keinen Hunger.«

»Du kommst ohne Hunger in ein Restaurant?«

»Ja, ist das schlimm?«

»Nein. Ich habe mir auch nichts bestellt. Noch nicht.«

Er bleibt immer so ernst und dennoch so ruhig. Wann wird man schon von einer Person, die man nicht kennt, im Restaurant gefragt, ob man auch etwas essen möchte? Möchte er mich jetzt einladen oder bezahle ich das Essen am Ende selbst? Mir kommt das immer noch merkwürdig vor, mit einem fremden Mann zu reden. Aber ich möchte ihn auch nicht anlügen, also nehme ich sein Angebot doch an.

»Also gut. Ja, ich esse auch etwas.«

Ich sehe die Speisekarte durch und werde fündig.

»Ich nehme eine Hühnersuppe«, sage ich entschlossen. »Was nimmst du?«

»Das gleiche«, antwortet er.