Münchhausen und Lukian - Gottfried August Bürger - E-Book

Münchhausen und Lukian E-Book

Gottfried August Bürger

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Beschreibung

Münchhausen jagt einen achtbeinigen Hasen, springt mit seinem Pferd durch eine fahrende Kutsche, reitet auf einer Kanonenkugel, steigt auf eine in die Gegenrichtung fliegende um, zieht sich samt Pferd am eigenen Schopf aus dem Sumpf, reitet auf einem gedeckten Teetisch, ohne Geschirr zu zerbrechen, wirft eine silberne Axt auf den Mond, klettert dann mit einer Bohnenranke hinauf, um sie zu holen und dergleichen mehr. Und Phantastisches ereignet sich auch auf Lukians Reise durch den Weltenraum, die Unterwelt, das Elysium, Begegnungen mit außerirdischen Lebensformen, interplanetarische Kriegsführung, versuchte Kolonisation der Sonne. (siehe Nachwort des Herausgebers Joerg K. Sommermeyer, unten S. 111 ff.)

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Über dieses Buch

Münchhausen jagt einen achtbeinigen Hasen, springt mit seinem Pferd durch eine fahrende Kutsche, reitet auf einer Kanonenkugel, steigt auf eine in die Gegenrichtung fliegende um, zieht sich samt Pferd am eigenen Schopf aus dem Sumpf, galoppiert auf einem gedeckten Teetisch, ohne Geschirr zu zerbrechen, wirft eine silberne Axt auf den Mond, klettert dann mit einer Bohnenranke hinauf, um sie zu holen und dergleichen mehr. Phantastisches ereignet sich auch auf Lukians Reise durch den Weltenraum, die Unterwelt, das Elysium, Begegnungen mit außerirdischen Lebensformen, interplanetarische Kriegsführung, versuchte Kolonisation der Sonne. (siehe Nachwort des Herausgebers Joerg K. Sommermeyer, unten S. 111 ff.)

Die Autoren

Gottfried August Bürger

*31. Dezember 1747, Molmerswende (Ostharz, bei Quedlinburg) - † 8. Juni 1794, Göttingen. Deutscher Dichter in der Zeit der Aufklärung, Sturm und Drang nahestehend; detaillierter Lebenslauf siehe Nachwort des Herausgebers Joerg K. Sommermeyer, unten S. 112 ff.

Lukian von Samosata

* um 120 in Samosata - † um 180 n. Chr. oder um 200 n. Chr., wahrscheinlich in Alexandria. Sophist, Aufklärer, Spötter, Satiriker der Antike; detaillierter Lebenslauf siehe Nachwort des Herausgebers Joerg K. Sommermeyer, unten S. 114 ff.

Der Übersetzer

August Friedrich Pauly, * 9. Mai 1796, Benningen am Neckar bei Ludwigsburg - † 2. Mai 1845, Stuttgart. Erziehung und Ausbildung in der Klosterschule Maulbronn, im Seminar Urach und Tübinger Stift. Übersetzt 1827-1832 den gesamten Lukian. 1828 Gymnasialprofessor in Heilbronn, 1831 Lehrer für griechische und lateinische Literatur am Gymnasium in Stuttgart. Ordentliches Mitglied im königlichen Verein für Vaterlandskunde. 1840 Mitglied des Statistisch-topographischen Bureaus, bald als dessen stellvertretender Vorstand. 1837 ff. Real-Encyclopädie der Alterthumswissenschaft, als Hand-Lexikon der verschiedenen Theile der Alterthumskunde, nach seinem Tode fortgeführt, bearbeitet und erweitert, ein "universales Hilfsmittel der gesamten Altertumsforschung", als Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike, 1996 ff., aktualisiert.

Der Herausgeber

Joerg K. Sommermeyer (JS), geb. 14.10.1947 in Brackenheim, Sohn des Physikers Prof. Dr. Kurt Hans Sommermeyer (1906-1969). Kindheit in Freiburg. Studierte Jura, Philosophie, Germanistik, Geschichte und Musikwissenschaft. Klassische Gitarre bei Viktor v. Hasselmann und Anton Stingl. Unterrichtete in den späten Sechzigern Gitarre am Kindergärtnerinnen-/Jugendleiterinnenseminar und in den Achtzigern Rechtsanwaltsgehilfinnen in spe an der Max-Weber-Schule in Freiburg. 1976 bis 2004 Rechtsanwalt in Freiburg. Setzte sich für eine Verstärkung des Rechtsschutzes bei Grundrechtseingriffen ein (Unterbringungsrecht, Untersuchungshaft, Durchsuchungsrecht). Zahlreiche Veröffentlichungen in juristischen Fachzeitschriften sowie Artikel in Musikblättern. Gründer und Vorsitzender der Internationalen Gitarristischen Vereinigung, Organisator und Künstlerischer Leiter der Freiburger Gitarren- und Lautentage, Herausgeber und Redakteur der Zeitschrift Nova Giulianiad: Saitenblätter für die Gitarre und Laute. Juror beim Schlesischen Gitarrenherbst in Tychy und Internationalen Gitarrenkongress Freiburg/Basel/ Straßburg. Songs, Liedtexte, Arrangements, Instrumentalmusik. 7 CDs, u. a.: Total Overdrive, Those Rocks & Lieders, Nel Cuore Romanzo Rock, Ergo, 7 Celebrities. Prosa: Anton Unbekannt, Pathoaphysischer Antiroman, Tragigroteskenfragment, 2008/2009; Vernimm mein Schreien, 2017/2018. Lieblingsmärchen, 2017/2018. Edition von Werken u. a. Franz Trellers, Oskar Panizzas, Fritz von Ostinis, Hugo Balls, Carl Einsteins, Ludwig Rubiners, Franz Kafkas, Heinrich von Kleists, Christian Morgensterns, Robert Müllers, Joseph von Eichendorffs, Adelbert von Chamissos, Georg Büchners, Denis Diderots, Wilhelm Heinrich Wackenroders, E. T. A. Hoffmanns, Heinrich Heines, Rainer Maria Rilkes, Annette von Droste-Hülshoffs, Jeremias Gotthelfs, Marie von Ebner-Eschenbachs, Eduard von Keyserlings, August Stramms und Joseph Conrads.

Orlando Syrg, Berlin, 14. November 2018

Inhalt

Über dieses Buch

Die Autoren

Der Übersetzer

Der Herausgeber

Impressum

Gottfried August Bürger:

Wunderbare Reisen zu Wasser und zu Lande Feldzüge und lustige Abenteuer des Freiherrn von Münchhausen

Erstes Kapitel: Reise nach Rußland und St. Petersburg

Zweites Kapitel: Jagdgeschichten

Drittes Kapitel: Von Hunden und Pferden

Viertes Kapitel: Abenteuer im Krieg gegen die Türken

Fünftes Kapitel: Abenteuer während seiner Gefangenschaft bei den Türken

Sechstes Kapitel: Erstes Seeabenteuer

Siebentes Kapitel: Zweites Seeabenteuer

Achtes Kapitel: Drittes Seeabenteuer

Neuntes Kapitel: Viertes Seeabenteuer

Zehntes Kapitel: Fünftes Seeabenteuer

Elftes Kapitel: Sechstes Seeabenteuer

Zwölftes Kapitel: Siebentes Seeabenteuer

Dreizehntes Kapitel: Fortgesetzte Erzählung des Freiherrn

Vierzehntes Kapitel: Achtes Seeabenteuer

Fünfzehntes Kapitel: Neuntes Seeabenteuer

Sechzehntes Kapitel: Zehntes Seeabenteuer. Eine zweite Reise zum Mond

Siebzehntes Kapitel: Reise durch die Welt

Lukian von Samosata:

Wahre Geschichten

Der wahren Geschichte erstes Buch

Vorwort [1-4]

So wie die Athleten

Für diesen Zweck der Erholung

So hat Ktesias

Ich gestehe

Ich schiffte mich einstmals

Den ersten Tag und die erste Nacht

Kaum mochten wir drei Stadien

Wir durchwateten den Fluss

Wir verließen sie und eilten

Sieben Tage und sieben Nächte

Wir waren schon entschlossen

„Wenn ich“, setzte er hinzu

Der König behielt uns bei Tafel

Das waren also die Streitkräfte Endymions

Als es nun Zeit war

Auf dem feindlichen linken Flügel

Auf beiden Teilen wurde nun das Zeichen zum Angriff

Nach unserer Rückkehr von der Verfolgung

Sie fanden zwar nicht für gut

Zwischen den Helioten und ihren Alliierten

In Folge dieses Friedensvertrags

Nun einige Worte von den seltsamen Merkwürdigkeiten

Wenn ein Selenit alt geworden

Sie schnäuzen eine Art Honig

Die Kleider der Reichen sind aus Glas

Ein anderes großes Wunder

Wir verabschiedeten uns nun

Nachdem wir auf unserer Fahrt

Nun hatten sich auch die Geierritter

Welches unbeschreibliche Wonnegefühl

Anfänglich waren wir von der dichtesten Finsternis

Anfänglich wussten wir nichts zu tun

Wir verdoppelten also unsere Schritte

Der Alte wunderte sich höchlich

All dies könnten wir uns am Ende noch

So ist also dieses Land beschaffen

Wir waren auf diesen Angriff gefasst

Den Rest dieses Tages

Nach kurzer Zeit schickten sie Abgeordnete

Allein am fünfzehnten Tag des neunten Monats

Anfänglich sahen wir nur zwei oder drei solcher Inseln

Der Anführer des einen Teils

Der wahren Geschichte zweites Buch

Da mir aber dieses Leben im Bauch des Wallfischs

Da zogen wir das Schiff den Rachen herauf

Nachdem wir ungefähr dreihundert Stadien zurückgelegt

Nach einem Aufenthalt von fünf Tagen auf der Käseinsel

Und gerade vor uns

Bezaubert von all diesen Eindrücken

Die erste Sache, die zu entscheiden war

Der zweite Handel betraf eine Liebessache

Drittens ward entschieden eine Streitfrage

Nun kam die Reihe, vorzutreten, an uns

So wie dieses Urteil gesprochen war

Die Kleidung, deren sie sich bedienen

Die ganze Flur prangt daher mit Blumen

Die Mahlzeiten werden außerhalb der Stadt

Bei der Mahlzeit ergötzen sie sich an Gesang und Musik

Was aber am meisten diese Mahle erheitert

Nun will ich auch sagen, welche der namhaftesten Männer

Aristipp und Epikur gelten unter allen ammeisten

Dies sind also ungefähr die denkwürdigsten Männer

Noch hatten wir nicht drei Tage hier zugebracht

Um eben dieselbe Zeit kam auch Pythagoras

Nach Ablauf einiger Zeit fand ein großes Festspiel

Kaum waren diese Spiele beendigt

Die Überwundenen wurden nun sämtlich festgenommen

Schon waren sechs Monate unseres Aufenthaltes bei den Seligen

Um Mitternacht erwacht Menelaos

Gegen uns aber wurde beschlossen

Zugleich zog er eine Malvenwurzel aus der Erde

Nachdem ich noch diesen Tag hier geblieben

Wir landeten, die übrigen beiseitelassend

Es führt nur eine einzige sehr schmale Brücke

Doch ich konnte diese Szenen nicht länger ertragen

Diese Stadt ist von einem dichten Wald

Die Träume selbst sind nach Gestalt und Natur

Nach drei Tagen landeten wir auf der Insel Ogygia

Unweit vom Ufer fanden wir die Grotte der Kalypso

Bei Tagesanbruch fuhren wir unter einem scharfen Wind ab

Inzwischen zogen wir das Segel auf und machten uns davon

Denn die Sonne war noch nicht untergegangen

Um Mitternacht bei vollkommen ruhiger See

Wir steuerten weiter

Noch waren wir nicht fünfhundert Stadien weitergekommen

Wie wir glücklich über den Wald

Von hier kamen wir in eine ruhige, stille See

Allmählich zeigten sich viele Fische

Gegen Abend landeten wir auf einem Eiland

Wir begaben uns ohne weiteren Verzug zu unserem Schiff

Schlussbemerkung [Das wären nun, bis zu dieser meiner Ankunft]

Nachwort des Herausgebers Joerg K. Sommermeyer

Münchhausen als Kürassier in Riga, um 1740 (Gemälde von G. Bruckner)

Gottfried August Bürger (Gemälde von Johann Heinrich Tischbein d. J., 1771)

Gottfried August Bürger
Wunderbare Reisen zu Wasser und zu Lande Feldzüge und lustige Abenteuer des Freiherrn von Münchhausen, wie er dieselben bei der Flasche im Zirkel seiner Freunde selbst zu erzählen pflegt

[Göttingen 1786]

Durchgesehen und revidiert von Joerg K. Sommermeyer

Erstes Kapitel
Reise nach Russland und St. Petersburg

Ich trat meine Reise nach Russland von Zuhause mitten im Winter an, weil ich ganz richtig schloss, dass Frost und Schnee die Wege durch die nördlichen Gegenden von Deutschland, Polen, Kur- und Livland, welche nach der Beschreibung aller Reisenden fast noch elender sind als die Wege zum Tempel der Tugend, endlich, ohne besondere Kosten hochpreislicher, wohlfürsorgender Landesregierungen, ausbessern müssten. Ich reiste zu Pferde, welches, wenn es sonst nur gut um Gaul und Reiter steht, die bequemste Art zu reisen ist. Denn man riskiert alsdann weder mit irgendeinem höflichen deutschen Postmeister eine Affaire d'honneur zu bekommen, noch von seinem durstigen Postillion in jede Schenke geschleppt zu werden. Ich war nur leicht bekleidet, welches ich als ziemlich übel empfand, je weiter ich nach Nordosten kam.

Nun kann man sich einbilden, wie bei so strengem Wetter, unter dem rauesten Himmelsstrich, einem armen, alten Manne zumute sein musste, der in Polen auf einem öden Anger, über den der Nordost hinschnitt, hilflos und schaudernd dalag und kaum etwas hatte, womit er seine Schamblöße bedecken konnte.

Der arme Teufel dauerte mich von ganzer Seele. Ob mir gleich selbst das Herz im Leibe fror, so warf ich dennoch meinen Reisemantel über ihn her. Plötzlich erscholl eine Stimme vom Himmel, die dieses Liebeswerk ganz ausnehmend herausstrich und mir zurief: »Hol' mich der Teufel, mein Sohn, das soll dir nicht unvergolten bleiben!«

Ich ließ das gut sein und ritt weiter, bis Nacht und Dunkelheit mich überfielen. Nirgends war ein Dorf zu hören noch zu sehen. Das ganze Land lag unter Schnee, und ich wusste weder Weg noch Steg.

Des Reitens müde, stieg ich endlich ab und band mein Pferd an eine Art von spitzem Baumstaken, der über dem Schnee hervorragte. Zur Sicherheit nahm ich meine Pistolen unter den Arm, legte mich nicht weit davon in den Schnee und tat ein so gesundes Schläfchen, dass mir die Augen nicht eher wieder aufgingen, als bis es heller lichter Tag war. Wie groß war aber mein Erstaunen, als ich fand, dass ich mitten in einem Dorf auf dem Kirchhof lag! Mein Pferd war anfänglich nirgends zu sehen; doch hörte ichs bald darauf irgendwo über mir wiehern. Als ich nun emporsah, wurde ich gewahr, dass es an den Wetterhahn des Kirchturms gebunden war und von da herunterhing. Nun wusste ich sogleich, wie ich dran war. Das Dorf war nämlich die Nacht über ganz zugeschneit gewesen; das Wetter hatte sich auf einmal umgesetzt, ich war im Schlaf nach und nach, so wie der Schnee zusammengeschmolzen war, ganz sanft herabgesunken, und was ich in der Dunkelheit für den Stummel eines Bäumchens, der über dem Schnee hervorragte, gehalten und daran mein Pferd gebunden, das war das Kreuz oder der Wetterhahn des Kirchturms gewesen.

Ohne mich nun lange zu bedenken, nahm ich eine von meinen Pistolen, schoss nach dem Halfter, kam glücklich auf die Art wieder an mein Pferd und setzte meine Reise fort.

Hierauf ging alles gut, bis ich nach Russland kam, wo es eben nicht Mode ist, des Winters zu Pferd zu reisen. Wie es nun immer meine Maxime ist, mich nach dem Bekannten »ländlich sittlich« zu richten, nahm ich dort einen kleinen Rennschlitten mit einem einzelnen Pferd und fuhr wohlgemut auf St. Petersburg los. Nun weiß ich nicht mehr recht, ob es in Estland oder in Ingermanland war, so viel aber besinne ich mich noch wohl, es war mitten in einem fürchterlichen Wald, als ich einen entsetzlichen Wolf mit aller Schnelligkeit des gefräßigsten Winterhungers hinter mir hersetzen sah. Er holte mich bald ein; es war schlechterdings unmöglich, ihm zu entkommen. Mechanisch legte ich mich platt auf den Schlitten und ließ mein Pferd zu unserm beiderseitigen Besten ganz allein agieren. Was ich zwar vermutete, aber kaum zu hoffen und zu erwarten wagte, das geschah gleich nachher. Der Wolf kümmerte sich nicht im mindesten um meine Wenigkeit, sondern sprang über mich hinweg, fiel wütend auf das Pferd, riss ab und verschlang auf einmal den ganzen Hinterteil des armen Tiers, welches vor Schrecken und Schmerz nur desto schneller lief. Wie ich nun auf die Art selbst so unbemerkt und gut davongekommen war, hob ich ganz verstohlen mein Gesicht und nahm mit Entsetzen wahr, dass der Wolf sich beinahe über und über in das Pferd hineingefressen hatte. Kaum aber hatte er sich so hübsch hineingezwängt, gerbte ich geschwind ihm tüchtig mit meiner Peitsche das Fell. Solch ein unerwarteter Überfall in diesem Futteral verursachte ihm keinen geringen Schreck, er strebte mit aller Macht vorwärts, der Leichnam des Pferdes fiel zu Boden, und siehe, an seiner Statt steckte mein Wolf in dem Geschirre. Ich meines Orts hörte gar nicht mehr auf zu peitschen, und wir langten in vollem Galopp gesund und wohlbehalten in St. Petersburg an, ganz gegen unsere beiderseitigen respektiven Erwartungen und zu nicht geringem Erstaunen aller Zuschauer.

Ich will Ihnen, meine Herren, mit Geschwätz von der Verfassung, den Künsten, Wissenschaften und andern Merkwürdigkeiten dieser prächtigen Hauptstadt Russlands keine Langeweile machen, viel weniger Sie mit allen Intrigen und lustigen Abenteuern der Gesellschaften von Geschmack, wo die Dame des Hauses den Gast allezeit mit einem Schnaps und Schmatz empfängt, unterhalten. Ich halte mich vielmehr an größere und edlere Gegenstände Ihrer Aufmerksamkeit, nämlich an Pferde und Hunde, wovon ich immer ein großer Freund gewesen bin; ferner an Füchse, Wölfe und Bären, von welchen, so wie von anderm Wildbret, Russland einen größeren Überfluss als irgendein Land auf Erden hat; endlich an solche Lustpartien, Ritterübungen und preisliche Taten, welche den Edelmann besser kleiden als ein bisschen muffiges Griechisch und Latein oder alle Riechsächelchen, Klunker und Kapriolen französischer Schöngeister und – Haarkräusler.

Da es einige Zeit dauerte, ehe ich bei der Armee angestellt werden konnte, hatte ich ein paar Monate lang vollkommene Muße und Freiheit, meine Zeit sowohl als auch mein Geld auf die adligste Art von der Welt zu verjunkerieren. Manche Nacht wurde beim Spiel zugebracht und viele beim Klang voller Gläser. Die Kälte des Landes und die Sitten der Nation haben der Bouteille unter den gesellschaftlichen Unterhaltungen in Russland einen viel höhern Rang zugewiesen als in unserm nüchternen Deutschland; und ich habe daher dort häufig Leute gefunden, die in der edlen Kunst zu trinken für wahre Virtuosen gelten konnten. Alle waren aber elende Stümper gegen einen graubärtigen, kupferfarbigen General, der mit uns an dem öffentlichen Tisch speiste. Der alte Herr, der seit einem Gefecht mit den Türken die obere Hälfte seines Hirnschädels vermisste und daher, sooft ein Fremder in die Gesellschaft kam, sich mit der artigsten Treuherzigkeit entschuldigte, dass er an der Tafel seinen Hut aufbehalten müsse, pflegte immer während dem Essen einige Flaschen Weinbranntwein zu leeren und dann gewöhnlich mit einer Bouteille Arrak den Beschluss oder nach Umständen einige Male da capo zu machen; und doch konnte man nicht ein einziges Mal auch nur so viel Betrunkenheit ihm anmerken. – Die Sache übersteigt Ihren Glauben. Ich verzeih' es Ihnen, meine Herren; sie überstieg auch meinen Begriff. Ich wusste lange nicht, wie ich sie mir erklären sollte, bis ich ganz von ungefähr den Schlüssel fand. – Der General pflegte von Zeit zu Zeit seinen Hut etwas zu heben.

Dies hatte ich oft gesehen, ohne deswegen Arg zu hegen. Dass es ihm warm vor der Stirn wurde, war natürlich, und dass er dann seinen Kopf lüftete, nicht minder. Endlich aber sah ich, dass er zugleich mit seinem Hut eine an demselben befestigte silberne Platte aufhob, die ihm statt des Hirnschädels diente, und dass alsdann immer aller Dunst der geistigen Getränke, die er zu sich genommen hatte, in einer leichten Wolke in die Höhe stieg. Nun war auf einmal das Rätsel gelöst. Ich sagte es ein paar guten Freunden und erbot mich, da es gerade Abend war, als ich die Bemerkung machte, die Richtigkeit derselben sogleich durch einen Versuch zu beweisen. Ich trat nämlich mit meiner Pfeife hinter den General und zündete, gerade als er den Hut niedersetzte, mit etwas Papier die aufsteigenden Dünste an; und nun sahen wir ein ebenso neues wie schönes Schauspiel. Ich hatte in einem Augenblick die Wolkensäule über dem Haupt unseres Helden in eine Feuersäule verwandelt, und derjenige Teil der Dünste, der noch zwischen den Haaren des Hutes verweilte, bildete in dem schönsten blauen Feuer einen Nimbus, prächtiger, als irgendeiner den Kopf des größten Heiligen umleuchtet hat. Mein Experiment konnte dem General nicht verborgen bleiben; er war aber so wenig ungehalten darüber, dass er uns vielmehr noch manchmal erlaubte, den Versuch zu wiederholen, der ihm ein so erhabenes Ansehen gab.

Zweites Kapitel
Jagdgeschichten

Ich übergehe manche lustige Auftritte, die wir bei dergleichen Gelegenheiten hatten, weil ich Ihnen noch verschiedene Jagdgeschichten zu erzählen gedenke, die mir merkwürdiger und unterhaltender scheinen. Sie können sich leicht vorstellen, meine Herren, dass ich mich immer vorzüglich zu solchen wackeren Kumpanen hielt, welche ein offenes, unbeschränktes Waldrevier gehörig zu schätzen wussten. Sowohl die Abwechslung des Zeitvertreibs, welchen dieses mir darbot, als auch das außerordentliche Glück, womit mir jeder Streich gelang, gereichen mir noch immer zur angenehmsten Erinnerung.

Eines Morgens sah ich durch das Fenster meines Schlafgemachs, dass ein großer Teich, der nicht weit davon lag, mit wilden Enten gleichsam überdeckt war. Flugs nahm ich mein Gewehr aus dem Winkel, sprang zur Treppe hinab, und das so über Hals und Kopf, dass ich unvorsichtigerweise mit dem Gesicht gegen den Türpfosten knallte. Feuer und Funken stoben mir aus den Augen; aber das hielt mich keinen Augenblick auf. Ich kam bald zum Schuss; allein wie ich anlegte, wurde ich zu meinem großen Verdruss gewahr, dass durch den soeben empfangenen heftigen Stoß sogar der Stein von dem Flintenhahn abgesprungen war. Was sollte ich nun tun? Denn Zeit war hier nicht zu verlieren. Glücklicherweise fiel mir ein, was sich soeben mit meinen Augen zugetragen hatte. Ich riss also die Pfanne auf, legte mein Gewehr gegen das wilde Geflügel an und ballte die Faust gegen eins von meinen Augen. Von einem derben Schlag flogen wieder Funken genug heraus, der Schuss ging los, und ich traf fünf Paar Enten, vier Rothälse und ein Paar Wasserhühner. Geistesgegenwart ist die Seele mannhafter Taten. Wenn Soldaten und Seeleute öfters dadurch glücklich davonkommen, so dankt der Weidmann ihr nicht seltener sein gutes Glück.

So schwammen einst auf einem Landsee, an welchen ich auf einer Jagdstreiferei geriet, einige Dutzend wilder Enten allzu weit voneinander zerstreut umher, als dass ich mehr denn eine einzige auf einen Schuss zu erlegen hoffen konnte; und zum Unglück hatte ich meine letzte Kugel schon in der Flinte. Gleichwohl hätte ich sie gern alle gekriegt, weil ich nächstens eine ganze Menge guter Freunde und Bekannten bei mir zu bewirten willens war. Da besann ich mich auf ein Stückchen Schinkenspeck, welches von meinem mitgenommenen Mundvorrat in meiner Jagdtasche noch übriggeblieben war. Dies befestigte ich an eine ziemlich lange Hundeleine, die ich aufdrehte und so wenigstens noch viermal verlängerte. Nun verbarg ich mich im Schilfgesträuch am Ufer, warf meinen Speckbrocken aus und hatte das Vergnügen, zu sehen, wie die nächste Ente hurtig herbeischwamm und ihn verschlang. Der ersten folgten bald alle übrigen nach, und da der glatte Brocken am Faden gar bald unverdaut hinten wieder herauskam, verschlang ihn die nächste, und so immer weiter. Kurz, der Brocken machte die Reise durch alle Enten samt und sonders hindurch, ohne von seinem Faden loszureißen. So saßen sie denn alle daran wie Perlen an der Schnur. Ich zog sie gar allerliebst ans Land, schlang mir die Schnur ein halbes Dutzend Mal um Schultern und Leib und ging meines Wegs nach Hause zu. Da ich noch eine ziemliche Strecke davon entfernt war und mir die Last von einer solchen Menge Enten ziemlich beschwerlich fiel, wollte es mir fast leid tun, ihrer allzu viele eingefangen zu haben. Da kam mir aber ein seltsamer Vorfall zustatten, der mich anfangs in nicht geringe Verlegenheit setzte. Die Enten waren nämlich noch alle lebendig, fingen, als sie von der ersten Bestürzung sich erholt hatten, gar mächtig an mit den Flügeln zu schlagen und sich mit mir hoch in die Luft zu erheben. Nun wäre bei manchem wohl guter Rat teuer gewesen. Allein ich benutzte diesen Umstand, so gut ich konnte, zu meinem Vorteil und ruderte mich mit meinen Rockschößen in Richtung meiner Behausung durch die Luft. Als ich nun gerade über meiner Wohnung angelangt war und es darauf ankam, ohne Schaden mich herunterzulassen, drückte ich einer Ente nach der andern den Kopf ein, sank dadurch ganz sanft und allmählich gerade durch den Schornstein meines Hauses mitten auf den Küchenherd, auf welchem zum Glück noch kein Feuer angezündet war, zu nicht geringem Schreck und Erstaunen meines Koches.

Einen ähnlichen Vorfall hatte ich einmal mit einer Kette Hühner. Ich war ausgegangen, um eine neue Flinte zu probieren, und hatte meinen kleinen Vorrat von Schrot ganz und gar verschossen, als wider alles Vermuten vor meinen Füßen eine Flucht Hühner aufging. Der Wunsch, einige derselben abends auf meinem Tisch zu sehen, brachte mich auf einen Einfall, von dem Sie, meine Herren, auf mein Wort, im Falle der Not Gebrauch machen können. Sobald ich gesehen hatte, wo sich die Hühner niederließen, lud ich hurtig mein Gewehr und setzte statt des Schrots den Ladestock auf, den ich, so gut sichs in der Eile tun ließ, am obern Ende etwas zuspitzte. Nun ging ich auf die Hühner zu, drückte, sowie sie aufflogen, ab und hatte das Vergnügen, zu sehen, dass mein Ladestock mit sieben Stücken, die sich wohl wundern mochten, so früh am Spieße vereinigt zu werden, in einiger Entfernung allmählich heruntersank. – Wie gesagt, man muss sich nur in der Welt zu helfen wissen.

Ein anderes Mal stieß mir in einem ansehnlichen Wald von Russland ein wunderschöner schwarzer Fuchs auf. Es wäre jammerschade gewesen, seinen kostbaren Pelz mit einem Kugel- oder Schrotschuss zu durchlöchern. Herr Reineke stand dicht bei einem Baum. Sofort zog ich meine Kugel aus dem Lauf, lud dafür einen tüchtigen Brettnagel in mein Gewehr, feuerte und traf so gekonnt, dass ich seine Lunte fest an den Baum nagelte. Nun ging ich ruhig zu ihm hin, nahm mein Weidmesser, machte ihm einen Kreuzschnitt übers Gesicht, griff nach meiner Peitsche und karbatschte ihn so artig aus seinem schönen Pelz heraus, dass es eine wahre Lust und ein rechtes Wunder zu sehen war.

Zufall und gutes Glück machen oft manchen Fehler wieder wett. Davon erlebte ich bald nach diesem ein Beispiel, als ich mitten im tiefsten Wald einen wilden Frischling und eine Bache dicht hintereinander hertraben sah. Meine Kugel hatte gefehlt. Gleichwohl lief der Frischling vorn ganz allein weg, und die Bache blieb stehen, regungslos, als ob sie am Boden festgenagelt gewesen wäre. Wie ich das Ding näher untersuchte, fand ich, dass es eine blinde Bache war, die ihres Frischlings Schwänzlein im Rachen hielt, um von ihm aus kindlicher Pflicht fürbass geleitet zu werden. Da nun meine Kugel zwischen beiden hindurchgefahren war, hatte sie diesen Leitzaum zerrissen, wovon die alte Bache das eine Ende noch immer kaute. Weil ihr Leiter sie nicht weiter vorwärts gezogen hatte, war sie stehengeblieben. Ich ergriff daher das übrige Endchen von des Frischlings Schwanz und leitete daran das alte hilflose Tier ohne Mühe und Widerstand nach Hause.

So fürchterlich diese wilden Bachen oft sind, so sind die Keiler doch weit grausamer und gefährlicher. Ich traf einst einen im Wald, als ich unglücklicherweise weder auf Angriff noch Verteidigung gefasst war. Mit knapper Not konnte ich hinter einen Baum schlüpfen, als die wütende Bestie aus Leibeskräften einen Seitenhieb nach mir tat. Dafür fuhren aber auch seine Hauer dergestalt in den Baum hinein, dass er weder imstande war, sie sogleich wieder herauszuziehen, noch den Hieb zu wiederholen. – »Haha!« dachte ich, »nun wollen wir dich bald kriegen!« – Flugs nahm ich einen Stein, hämmerte damit drauflos und nietete seine Hauer dergestalt um, dass er ganz und gar nicht wieder loskommen konnte. So musste er sich denn gedulden, bis ich vom nächsten Dorf Karren und Stricke herbeigeholt hatte, um ihn lebendig und wohlbehalten nach Hause zu schaffen, welches auch ganz vortrefflich vonstatten ging.

Sie haben unstreitig, meine Herren, von dem Heiligen und Schutzpatron der Weidmänner und Schützen, St. Hubert, nicht minder auch von dem stattlichen Hirsch gehört, der ihm einst im Wald aufstieß und welcher das heilige Kreuz zwischen seinem Geweih trug. Diesem Sankt habe ich noch alle Jahre mein Opfer in guter Gesellschaft dargebracht und den Hirsch wohl tausendmal sowohl in Kirchen abgemalt als auch in die Sterne seiner Ritter gestickt gesehen, sodass ich auf Ehre und Gewissen eines braven Weidmanns kaum zu sagen weiß, ob es entweder nicht vorzeiten solche Kreuzhirsche gegeben habe oder wohl gar noch heutigentags gebe. Doch lassen Sie sich vielmehr erzählen, was ich mit meinen eigenen Augen sah. Einst, als ich all mein Blei verschossen hatte, begegnete mir ganz wider mein Vermuten der stattlichste Hirsch auf der Welt. Er blickte mir so mir nichts dir nichts ins Aug', als ob ers auswendig gewusst hätte, dass mein Beutel leer war. Ruckzuck lud ich indessen meine Flinte mit Pulver und darüber her eine ganze Handvoll Kirschsteine, wovon ich, so hurtig sich das tun ließ, das Fleisch abgesogen hatte. Und so gab ich ihm die volle Ladung mitten auf seine Stirn zwischen das Geweih. Der Schuss betäubte ihn zwar – er taumelte –, machte sich aber doch aus dem Staub. Ein oder zwei Jahre darnach war ich in ebendemselben Wald auf der Jagd; und siehe, zum Vorschein kam ein stattlicher Hirsch, mit einem vollausgewachsenen Kirschbaum, mehr als zehn Fuß hoch, zwischen seinem Geweih. Mir fiel gleich mein voriges Abenteuer wieder ein; ich betrachtete den Hirsch als mein längst wohlerworbenes Eigentum und legte ihn mit einem Schuss zu Boden, wodurch ich auf einmal an Braten und Kirschtunke zugleich geriet. Denn der Baum hing reichlich voller Früchte, die ich in meinem ganzen Leben so delikat nicht gegessen hatte. Wer kann nun wohl sagen, ob nicht irgendein passionierter heiliger Weidmann, ein jagdlustiger Abt oder Bischof, das Kreuz auf eine ähnliche Art durch einen Schuss auf St. Huberts Hirsch zwischen das Gehörn gepflanzt hätte? Denn diese Herren waren ja von je und je wegen ihres Kreuz- und Hörnerpflanzens berühmt und sind es zum Teil noch bis auf den heutigen Tag. Im Falle der Not, und wenn es Aut oder Naut [Ought or nought] gilt, welches einem braven Weidmann nicht selten zustößt, greift er lieber wer weiß wonach und versucht eher alles, als dass er sich die günstige Gelegenheit durch die Lappen gehen lässt. Ich habe mich so manches liebe Mal selbst in einer solchen Lage der Versuchung befunden. Was sagen Sie zum Exempel von folgendem Kasus? – Mir waren einmal Tageslicht und Pulver