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Beschreibung

Das Expertenbuch Für Sportärzte, Orthopäden und Physiotherapeuten: Das einzige umfassende Werk zum Thema "Muskelverletzungen im Sport" - verfasst von einem kompetenten Autorenteam, angeführt vom Vertrauensarzt vieler Spitzenathleten. - praxisnah und wissenschaftlich fundiert werden Grundlagen sowie die wichtigsten Untersuchungsmethoden und Therapiemöglichkeiten vermittelt - mithilfe der einzigartigen und umfassenden Klassifizierung von Muskelverletzungen können Sie schnell und sicher den weiteren Behandlungspfad ableiten - profitieren Sie vom Erfahrungsschatz der Autoren mit vielen Tipps aus der Praxis. Lernen Sie Fehler- und Gefahrensituationen anhand von Fallbeispielen kennen - erfahren Sie, warum Aufbautraining nach (Muskel-)Verletzungen so wichtig ist Jederzeit zugreifen: Der Inhalt des Buches steht Ihnen ohne weitere Kosten digital in der Wissensplattform eRef zur Verfügung (Zugangscode im Buch). Mit der kostenlosen eRef App haben Sie zahlreiche Inhalte auch offline immer griffbereit.

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Muskelverletzungen im Sport

Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, Peter Ueblacker, Lutz Hänsel

Andreas Betthäuser, Alfred Binder, Wilhelm Bloch, Dieter Blottner, Johannes Böck, Bernhard Brenner, Klaus Eder, Jan Ekstrand, Martin Flück, William E. Jr. Garrett, Lutz Hänsel, Helmut Hoffmann, J. Michael Hufnagl, Andreas Kornmayer, Gerhard Luttke, Norbert Maassen, Hans-W. Müller-Wohlfahrt, Peter Mundinger, Andreas Schlumberger, Benedikt Schoser, Peter Ueblacker, Thomas Wilhelmi, Jiri Dvorák

3., unveränderte Auflage

618 Abbildungen

Widmung

Meiner lieben Frau Karin,

meiner Tochter Maren und meinem Sohn Kilian

für ihre Unterstützung und ihr Verständnis.

H.-W. Müller-Wohlfahrt

Meiner lieben Frau Anika

und meinen Kindern Malou, Elia und Luis

für ihre Liebe, ihre Lebensfreude und ihr Verständnis.

P. Ueblacker

Meiner lieben Frau Gloria

für ihre unermüdliche Unterstützung

und ihr Verständnis.

L. Hänsel

„Ich habe während und nach meiner Karriere Dr. Müller-Wohlfahrt und seinem Team in der einzigartigen Weise der Diagnostik und Therapie immer uneingeschränkt vertraut.

Ich würde mir wünschen, dass dieses Buch im angloamerikanischen Raum eine ähnlich große Wahrnehmung erfährt wie im deutschsprachigen Raum.“

Franz Beckenbauer

„Seit ich Dr. Müller-Wohlfahrt, Mull, kennengelernt habe, ist er die medizinische Vertrauensperson für meine Spieler gewesen. Die Medizin-Abteilung des FC Bayern, die er maßgeblich aufgebaut und geprägt hat, ist sicher einmalig in einem Profi-Fußballclub.

Ich weiß, wie häufig Muskelverletzungen im Spitzensport vorkommen und wie schwierig es ist, sie richtig einzuschätzen. Umso mehr bin ich stolz darauf, dass wir in all den Jahren nur sehr wenige muskuläre Probleme bei den Spielern des FC Bayern zu beklagen hatten. Dies ist sicher auf die feine Abstimmung zwischen Trainerteam und medizinischer Betreuung, Trainingssteuerung und präventiver Behandlung zurückzuführen.

Die Triple-Saison war für uns alle einmalig. Es hat mir viel Spaß gemacht, wieder mit Mull und seinen Kollegen Lutz Hänsel und Peter Ueblacker sowie dem gesamten medizinischen Team zusammengearbeitet zu haben.“

Jupp Heynckes

Geleitwort

Es ist wissenschaftlich erwiesen und unbestritten, dass Sport nicht nur der Verbesserung der körperlichen Fitness dient – und dies unabhängig von Alter und Geschlecht –, sondern auch die wirksamste Präventivmaßnahme gegen nahezu alle Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, Diabetes, Adipositas und viele Krebserkrankungen ist (Blair SN. Br J Sports Med 2009: 43[1]; 1–2). Die Förderung des Breitensports in jedem Alter ist jeder anderen Maßnahme überlegen, wenn es um die Verbesserung der Volksgesundheit und einen echten Beitrag zur Senkung der Gesundheitskosten geht (Matheson G et al. Br J Sports Med 2011: 45; 2–11).

Um dieses Gesundheitspotenzial von Spitzen- und Freizeitsportart voll ausnutzen zu können, sollte das Risiko von Verletzungen soweit wie möglich reduziert werden. Insbesondere jene Sportarten, die sich hoher Popularität erfreuen, müssen alle Maßnahmen zur Vorbeugung von Verletzungen sowie deren Spätfolgen ausschöpfen. Dazu gehören adäquate Eingangsuntersuchungen, auf speziellen Übungen basierende Aufwärmprogramme und Fair Play sowie, wenn es dennoch zu Verletzungen kommt, deren optimale Versorgung.

Fußball ist zweifellos der populärste Sport weltweit: Mehr als 300 Mio. Spieler bedeuten, dass der Multiplikationsfaktor einer Abweichung in die eine wie auch in die andere Richtung eine enorme Dimension gewinnt.

Umfassende epidemiologische Studien des medizinischen Auswertungs- und Forschungszentrums der FIFA (F-MARC) haben gezeigt, dass sich ein Fußballer im Schnitt etwa 2-mal pro Jahr verletzt, was einerseits primäre Behandlungskosten, aber auch erhebliche sekundäre Kosten durch Arbeitsausfall verursacht. Muskelverletzungen kommen am häufigsten vor und können, obwohl zum Teil banal erscheinend, durch wiederholte Verletzungen zu größeren Folgen führen. Es ist nahe liegend, dass die FIFA als weltgrößter internationaler Sportverband ein besonderes Interesse daran hat, dass Verletzungen erstens wenn immer möglich vorgebeugt wird, und zweitens, wenn sie einmal dennoch auftreten, adäquat diagnostiziert und behandelt werden. Trainer, Physiotherapeuten und Sportärzte im Freizeit- und Amateursport müssen über den entsprechenden Wissensstand verfügen, um von beiden, sowohl diagnostischen wie auch therapeutischen Aspekten her eine optimale Betreuung gewährleisten zu können.

Die Herausgeber H.-W. Müller-Wohlfahrt, P. Ueblacker, L. Hänsel und die Autoren dieses Buches in einer 2. Auflage verfügen über jahrzehntelange praktische Erfahrung in der Betreuung tausender Spitzen- und Amateursportler. Das vorliegende Werk „Muskelverletzungen im Sport“ stellt somit den „State-of-the-Art“ der Diagnostik und Behandlung aus der Perspektive der prominenten Sportärzte dar. Die neu vorgestellte Klassifikation der Muskelverletzungen basiert auf der klinischen Untersuchung als Kombination aus Anamnese, Palpation und weiterführenden apparativen Untersuchungen. Wichtigster Pfeiler des Buches ist selbstverständlich die konservative Behandlung, wie sie unmittelbar nach einer aufgetretenen Verletzung, aber auch später im Verlauf der Rehabilitation durchgeführt wird. Der Leser wird spüren, dass die Autoren mit diesem Buch das Beste und Wichtigste, was sie in ihrer jahrzehntelangen Karriere an Erfahrung gesammelt haben, zur Verfügung stellen – im Interesse der raschen Genesung jedes verletzten Sportlers.

Das hervorragend illustrierte Buch wird mit Kapiteln über Präventivmaßnahmen abgerundet. Eine konsequente Prävention ist wahrscheinlich viel wichtiger, aber zweifellos zumindest genauso wichtig wie die Behandlung, denn wissenschaftliche Studien im Fußball (Soligard T, Dvorák J et al. BMJ 2008), haben gezeigt, dass Verletzungen um 30 – 50 % reduziert werden können, wenn solche Maßnahmen als integrierter Bestandteil des Aufwärmens vor dem Training und Spiel durchgeführt werden. Bizzini (Bizzini M et al. BJSM 2013; 45:1 – 4) hat auch den Weg gefunden, wie solche Maßnahmen landesweit implementiert werden können.

Zusammenfassend ist es für alle Beteiligten in der Betreuung von Sportlern, insbesondere im Fußball, unbedingt empfehlenswert, dieses Buch nicht nur zu lesen, sondern die praktischen Empfehlungen der erfahrenen Experten auch in ihrem Alltag umzusetzen. Den Autoren gebührt Dank und die internationale Anerkennung für Ihren Einsatz zur adäquaten Prävention, Diagnostik und Behandlung der Muskelverletzungen im Sport.

Zürich

Prof. Dr. med. Jiri Dvorák, FIFA Chefarzt

Vorwort

Mehr als ein Drittel aller Verletzungen im Fußball betreffen die Muskulatur, aber auch in anderen Sportarten wie American Football, Basketball und in der Leichtathletik sind Verletzungen der Muskeln der unteren Extremitäten die häufigste Diagnose. Nicht nur hoch bezahlte Profis, sondern auch Freizeitsportler sind häufig von Muskelverletzungen betroffen; auch ihnen kann eine übersehene oder falsch diagnostizierte Muskelverletzung langwierige Probleme bereiten.

Leider ist es so, dass Verletzungen der Skelettmuskulatur oft unterschätzt, falsch interpretiert und nicht adäquat therapiert werden. Die Ursachen hierfür liegen in der mangelnden Aus- und Fortbildung auf diesem Gebiet. Nicht zuletzt aber auch daran, dass es für Muskelverletzungen lange Zeit keine sinnvolle, umfassende und praktikable Klassifikation, nicht einmal eine einheitliche Terminologie gab. Leitlinien für die klinische oder bildgebende Diagnostik existieren bislang ebenso wenig wie für die Therapie.

Das für die Diagnose und Therapie der Muskelverletzungen erforderliche Fachwissen war lange Zeit nur Einzelpublikationen zu entnehmen, die darin verwendete Terminologie äußerst uneinheitlich. Es fehlte eine Monografie, die die Skelettmuskulatur umfassend und verständlich von der Anatomie und Physiologie über die klinische Diagnostik, Bildgebung und Therapie bis zur Rehabilitation und Prävention beschreibt. Ausgehend von einem von uns bereits länger geplanten Werk über die Diagnostik und Therapie entschlossen wir uns im Jahre 2008, ein solches umfassendes Projekt anzugehen. Daraus hervorgegangen war 2010 die Erstauflage dieses Buchs „Muskelverletzungen im Sport“, das die über drei Jahrzehnte gesammelte praktische Erfahrung bei der Betreuung von Profifußballern und anderen Spitzensportlern aus der Leichtathletik sowie aus zahlreichen anderen Sportarten wiedergeben soll.

Zugegebenermaßen mangelt es auf dem Gebiet der Muskelverletzungen noch an ausreichend validen Studien, so dass vieles, vor allem die Kapitel der Klassifikation, der klinischen Diagnostik und der Therapie, noch eher auf empirischem Wissen denn auf wissenschaftlichen Studien basiert. Aber auch hier sind, vor allem Dank der immer bedeutender werdenden UEFA Champions League Injury Study, die alle Verletzungen der Spieler aus den besten Fußballclubs Europas seit nunmehr 13 Jahren dokumentiert und auswertet, erste Schritte gemacht.

Interessanterweise erfährt die Muskulatur, das größte parenchymatöse Organ des Menschen, das beim Erwachsenen ca. 40% des Körpergewichts ausmacht und das in der Vergangenheit leider nur eine Nebenrolle spielte, in der letzten Zeit eine zunehmende Beachtung in Forschung, Fachliteratur und Presse. Die Muskulatur wird mehr und mehr als zentrales Organ erkannt, das für zahlreiche Beschwerden und Erkrankungen verantwortlich, aber auch therapeutisch beeinflussbar ist. Diese Monografie erscheint damit in einer Zeit, in der die muskuloskelettale Medizin nach der intensiven Beschäftigung mit Gelenken, Bändern, Sehnen und Knochen nun der Muskulatur mehr und mehr Aufmerksamkeit schenkt, die in den nächsten Jahren sicher noch größer wird. Unser besonderes Anliegen ist es auch, die Diskussion um Diagnostik, Behandlung und Prävention von Muskelverletzungen weiter anzustoßen.

Die erste deutsche Auflage dieses Buchs, erschienen im Juni 2010, war sehr erfolgreich, die erste Druckauflage war binnen weniger Wochen ausverkauft. Wir bekamen zahlreiche positive Reaktionen von Medizinern, Physiotherapeuten und vielen anderen, die sich mit der Diagnostik und Behandlung von Muskelverletzungen beschäftigen und schon lange nach einem Lehrbuch gesucht hatten. Im Jahre 2012 erschien die japanische und im Jahre 2013 die englische Ausgabe.

Die 2. deutsche Auflage, erschienen 2014, ist, vor allem auf wissenschaftlicher Ebene, eine Weiterentwicklung und Überarbeitung der ersten Auflage. Grundlage dafür waren die Ergebnisse einer Umfrage, die wir Anfang des Jahres 2011 (vor Übersetzung des Buchs ins Englische) durchgeführt hatten. Dabei waren wir von der Hypothese ausgegangen, dass die zu diesem Zeitpunkt vorhandene englischsprachige Terminologie für Muskelverletzungen hochgradig inhomogen war. Wissenschaftler und Mannschaftsärzte von Nationalmannschaften und Teams der ersten Fußballligen wurden gebeten einen Fragebogen auszufüllen. Die Antworten bestätigten unsere Vermutung: Die medizinischen Termini, die zur Beschreibung von Muskelverletzungen existieren, wurden von den Experten äußerst inkonsistent eingesetzt. Dies unterstrich die Notwendigkeit, die englischsprachige Terminologie zu vereinheitlichen. Daher luden wir internationale sportmedizinische Experten zu einer Konsensus-Konferenz ein, die am 3. März 2011 in München stattfand. Teilnehmer waren (in alphabetischer Reihenfolge):

Prof. Dieter Blottner (Institut für Vegetative Anatomie, Charité Centrum 2 der Universitätsmedizin Berlin, Deutschland)

Prof. Jan Ekstrand (Leiter der UEFA Injury Study Group, stellvertretender Vorsitzender des UEFA Medical Committee, Universität Linköping, Schweden)

Dr. Bryan English (Mannschaftsarzt des Chelsea Football Club, Großbritannien)

Prof. William E. Garrett, Jr. (Duke Sports Medicine Center, Durham, North Carolina, USA)

Dr. Lutz Hänsel (Herausgeber des vorliegenden Buchs, Mannschaftsarzt des FC Bayern München)

Dr. Gino M. M. J. Kerkhoffs (Abteilung Orthopädische Chirurgie, Orthopedic Research Center, Amsterdam, Niederlande)

Dr. Steve McNally (Mannschaftsarzt von Manchester United, Großbritannien)

Dr. Kai Mithoefer (Harvard Vanguard Medical Associates, Harvard Medical School, US Soccer Federation, Boston, Massachusetts, USA)

Dr. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt (Herausgeber des vorliegenden Buchs, Mannschaftsarzt des FC Bayern München und der deutschen Fußballnationalmannschaft)

Dr. John Orchard, MD, PhD (Associate Professor, School of Public Health, University of Sydney; Mannschaftsarzt des australischen Kricketteams und des Sydney Roosters Rugby League Team)

Dr. Patrick Schamasch (medizinischer und wissenschaftlicher Direktor des Internationalen Olympischen Komitees, Lausanne, Schweiz)

Dr. Leif Swaerd (Associate Professor, Universität Göteborg, Schweden; Mannschaftsarzt der schwedischen Fußballnationalmannschaft, früherer Mannschaftsarzt der englischen Fußballnationalmannschaft)

Priv.-Doz. Dr. Peter Ueblacker (Herausgeber des vorliegenden Buchs, Mannschaftsarzt des FC Bayern München)

Dr. Niek van Dijk (Leiter der Abteilung für Orthopädie, Academic Medical Center, Amsterdam, Niederlande)

Bei dieser Konferenz wurde eine praktische und systematische Terminologie für Muskelverletzungen bei Sportlern erarbeitet. Es wurde beschlossen, von der weiteren Verwendung des Begriffs „strain“ abzuraten, da es sich dabei um einen Terminus aus der Biomechanik handelt, der nicht ausreichend definiert ist und im englisch-medizinischen Sprachgebrauch für viele anatomisch und funktionell unterschiedliche Muskelverletzungen verwendet wird. Statt „strain“ empfahl das Konsensus-Gremium differenziertere Begriffe zu nennen, um die jeweilige Verletzung genauer zu charakterisieren, z.B. den Begriff „tear“ für strukturelle Muskelverletzungen.

Darüber hinaus wurde in der Konsensus-Konferenz die in der 1. Auflage dieses Buchs bereits veröffentlichte Klassifikation eingehend diskutiert. Belassen wurde, diese in den meisten Punkten als Konsensus-Klassifikation zu übernehmen, in Details innerhalb der funktionellen Verletzungen aber neu zu unterteilen und den „Muskelkater“ als eigene Entität zu integrieren.

Daraus resultiert ein Klassifikationssystem, das unterscheidet zwischen:

A. Indirekten Muskelverletzungen

und

B. Direkten Muskelverletzungen

Innerhalb der indirekten Verletzungen wird differenziert zwischen:

Funktionellen Muskelläsionen(Verletzungen ohne Hinweise auf makroskopische Schädigung der Muskelfasern)

Typ 1: ermüdungsbedingte Muskelläsionen

Typ 2: neuromuskuläre Muskelläsionen

und

Strukturellen Muskelverletzungen (Verletzungen mit Hinweisen auf makroskopische Schädigung der Muskelfasern)

Typ 3: Muskelfaserrisse und Muskelbündelrisse

Typ 4: (sub-)totale Muskelrisse bzw. sehnige Ausrisse/Avulsionen

Direkte Muskelverletzungen sind Kontusionen und Lazerationen.

Für jeden Typ wurden weitere Subklassifikationen festgelegt.

Dieses neue, praxisorientierte Klassifikationssystem hat zum Ziel, durch Vereinheitlichung die Kommunikation sowohl für diagnostische als auch therapeutische Zwecke zu verbessern und klarer zu machen. Damit dient es als Grundlage zukünftiger Vergleichsstudien, die die derzeit noch spärliche Literatur ergänzen werden. Die Ergebnisse der Konsensus-Konferenz wurden 2013 im British Journal of Sports Medicine veröffentlicht (kostenloser Download über www.pubmed.org). Die Klassifikation wurde im Anschluss in die UEFA Champions League Injury Study integriert und ist damit Basis der Dokumentation von Muskelverletzungen der Top-Fußballclubs Europas. In diesem Rahmen wurde das Klassifikationssystem bereits positiv validiert.

Unser Buch wendet sich an alle Sportmediziner, Sportwissenschaftler, Physiotherapeuten und viele weitere Leser, die Sportler aus dem Leistungs-, aber auch dem Freizeitsport betreuen und behandeln und sich dafür interessieren. Wir hoffen, mit der Wiedergabe unserer Erfahrung allen Lesern einen sicheren An- und Rückhalt bei der Einschätzung und Therapie dieser so häufigen und interessanten Verletzungen bieten zu können.

Wir danken im Besonderen Herrn Dr. Albrecht Hauff, dem Verleger des Thieme Verlags. Ihn konnten wir im Jahre 2008 von unserer Idee, eine umfassende Monografie über die Verletzungen der Skelettmuskulatur zu verfassen, spontan begeistern. Besonders gedankt sei ihm für seine Weitsicht und seine Unterstützung.

Großer Dank gilt dem ganzen Team des Thieme Verlags, besonders Herrn Dr. Christian Urbanowicz für die professionelle und großzügige Programmplanung sowie Frau Susanne Huiss M. A., Frau Ulla Heide und Frau Martina Dörsam für ihre ständige und unermüdliche Unterstützung und Hilfsbereitschaft bei der Umsetzung unseres Projekts. Gedankt sei auch Frau Dr. Doris Kliem für ihre äußerst mühevolle und professionelle redaktionelle Arbeit.

Das ganze Team des Thieme Verlags hat uns zu jeder Zeit mit Mühe und Hingabe betreut und auf jede, auch manchmal nicht so einfache Fragestellung eine Antwort gefunden. Wir sind sicher, dass ein solches Projekt nur durch eine so erstklassige Zusammenarbeit zu bewältigen ist.

Unser großer Dank gilt natürlich allen Autoren dieses Buchs, deren aufwendige Arbeiten jeweils spezifische fachliche Kompetenz auf höchstem Niveau wiedergeben. Wir danken ihnen für ihren engagierten und umfassenden Einsatz für dieses Projekt. Wir sind stolz, mit einem solchen Autorenteam gearbeitet zu haben!

München

Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt

Peter Ueblacker

Lutz Hänsel

Abkürzungen

A., Aa. 

Arteria, Arteriae

ADP 

Adenosindiphosphat

AMP 

Adenosinmonophosphat

ATP 

Adenosintriphosphat

Azetyl-CoA 

aktivierte Essigsäure

CGRP 

Calcitonine Gene-related Peptide

CK 

Kreatinkinase

CPM 

kontinuierliches passives Bewegen (Continuous passive Motion)

CPT1, CPT2 

Carnitinpalmitoyltransferase der äußeren (CPT1) und der inneren Mitochondrienmembran (CPT2)

CRP 

C-reaktives Protein

CRPS 

komplexes regionales Schmerzsyndrom, sympathische Reflexdystrophie

CT 

Computertomografie, Computertommogramm

DFB 

Deutscher Fußballbund

DGC 

Tiefenausgleich, Depth Gain Compensation

DNA 

Desoxyribonukleinsäure

DOMS 

Delayed-Onset Muscle Soreness

EEG 

Elektroenzephalogramm

EMG 

Elektromyogramm

FGF 

Fibroblastenwachstumsfaktoren

FIFA 

Fédération Internationale de Football Association

FMS 

Functional Movement Screen

GABA 

γ-Aminobuttersäure

GCSF 

Granulocyte-Colony stimulating Factor

GLUT 

Glukosetransporter

H+ 

Proton, Wasserstoffion

HE-Färbung 

Hämatoxylin-Eosin-Färbung

HGF 

Hepatozytenwachstumsfaktor

HIF 

Hypoxia-inducible Factor, Transkriptionsfaktor

IE 

internationale Einheiten

IFN 

Interferon

IGF 

Insulin-like Growth Factor

IL 

Interleukin

i.m. 

intramuscular

IMP 

Inosinmonophosphat

INR 

internationalisierte normalisierte Ratio

IOC 

International Olympic Comittee

IP3 

Inositoltriphosphat

i.v. 

intravenös

LIF 

leukämiehemmender Faktor

Lig., Ligg. 

Ligamentum, Ligamenta

LWS 

Lendenwirbelsäule

M., Mm. 

Musculus, Musculi

MCP 

Monocyte chemotactic Protein

MCSF 

Macrophage Colony-stimulating Factor

MGF 

Mechano Growth Factor

MIF 

Macrophage Migration inhibitory

Factor

MIP 

Macrophage inflammatory Protein

MRT 

Magnetresonanztomografie, Magnetresonanztomogramm

mTOR 

Mammalian Target of Rapamycin

MyHC 

Myosin heavy Chain

N., Nn. 

Nervus, Nervi

nAChR 

nikotinischer Azetylcholinrezeptor

NADA 

National Anti-Doping Agentur

NADH 

reduzierte Form des Nikotinamidadenindinukleotids

NADPH 

Nikotinamidadenindinukleotidphosphat

NFAT 

Nuclear Factor of activated T-Cells

Nm 

Newtonmeter (Einheit)

NSAR 

nicht steroidale Antiphlogistika

PDGF 

Platelet-derived Growth Factor

PECH 

Pause, Eis, Kompression, Elevation

Pi 

anorganisches Phosphat

PNF 

propriozeptive neuromuskuläre Fazilitation

p.o. 

per os

PRP 

Platelet rich Plasma

R., Rr. 

Ramus, Rami

REM 

Rapid Eye Movement

RICE 

Rest, Ice, Compression, Elevation

RNA 

Ribonukleinsäure

SERCA 

sarkoplasmatische Retikulum-Kalzium-ATPase

SGB 

Sozialgesetzbuch

T1w 

T1-gewichtet

T2w 

T2-gewichtet

TGC 

Zeitausgleich, Time Gain Compensation

TGF 

Transforming Growth Factor

TNF 

Tumornekrosefaktor

UEFA 

Union of European Football Associations

V., Vv. 

Vena, Venae

VBG 

Verwaltungsberufsgenossenschaft

VEGF 

Gefäßwachstumsfaktor

WADA 

World Anti-Doping Agency

Inhaltsverzeichnis

Widmung

Geleitwort

Vorwort

Abkürzungen

1 Funktionelle Anatomie der Skelettmuskulatur

1.1 Aufbau und Funktion des aktiven Bewegungsapparats und des Skelettmuskels

1.1.1 Anatomische Nomenklatur der Skelettmuskeln

1.1.2 Muskelfasertypen

1.1.3 Funktionelle Muskellogen als Bauprinzip

1.1.4 Muskellogen mit schwerpunktmäßigem Verletzungsrisiko im Sport

1.1.5 Skelettmuskeln und ihre typischen Bewegungsmuster

1.2 Funktionelle Histologie des Muskelgewebes

1.2.1 Glatte Muskulatur

1.2.2 Quer gestreifte Muskulatur

1.2.3 Molekulare Feinstruktur der Skelettmuskelfaser (Sarkomer)

1.2.4 Satellitenzellen (Emergency Cells)

1.2.5 Mikrogefäße und Kapillaren des Skelettmuskels

1.2.6 Bindegewebe des Skelettmuskels (myofaszialer Hilfsapparat)

1.3 Bauprinzip eines Skelettmuskels

1.3.1 Skelettmuskel

1.3.2 Muskelsehnen

1.3.3 Muskel-Sehnen-Verbindung (myotendinöser Kontakt)

1.3.4 Sehnen-Knochen-Verbindung (tendoossärer Kontakt)

1.3.5 Hilfseinrichtungen des Skelettmuskels

1.3.6 Aktive und passive Muskelinsuffizienz

1.4 Innervation der Skelettmuskulatur

1.4.1 Motorische Einheit und neuromuskuläre Synapse

1.4.2 Motorische Endplatte (neuromuskuläre Junktion)

1.4.3 Muskelspindeln

1.4.4 Sehnenspindeln (Golgi-Sehnenorgane)

1.4.5 Funktionell-anatomische Grundlagen des Muskelreflexes

1.5 Innervierter Bewegungsapparat

1.5.1 Gehirn und Rückenmark

1.5.2 Nervengeflechte (Plexus) und periphere Nerven (Palpation)

1.5.3 Myotome und Kennmuskeln motorischer Nervenwurzeln

1.6 Literatur

2 Physiologische Grundlagen und sportphysiologische Aspekte

2.1 Physiologische Grundlagen

2.1.1 Sarkomer, Muskelkraft und Muskelverkürzung

2.1.2 Grundprinzipien der Muskelkontraktion und ihrer Regulation

2.1.3 Abstufung der Muskelkraft bei Willkürbewegungen

2.1.4 Formen der Muskelkontraktion

2.1.5 Neuromuskuläre Steuerungsmechanismen

2.2 Leistungsphysiologische Aspekte

2.2.1 Muskelfasertypen

2.2.2 Muskelstoffwechsel – Überblick

2.2.3 Aufwärmen

2.2.4 Ermüdung

2.2.5 Erholung

2.2.6 Trainingsanpassungen

2.3 Literatur

3 Molekular- und Zellbiologie der Muskelregeneration

3.1 Muskelverletzung und -regeneration

3.2 Bedeutung verschiedener Nahrungsmittelzusätze für die Muskelaktivität

3.2.1 Aminosäuren

3.3 Stoffwechselentgleisungen

3.3.1 pH-Wert

3.3.2 Kreatinkinase, Myoglobin und Harnstoff

3.3.3 Prophylaxe und Therapie

3.4 Antioxidanzien

3.4.1 Wirkungsweise

3.4.2 Zufuhr

3.4.3 Bedeutung im Sport

3.5 Mineralstoffe

3.5.1 Funktion im Muskel

3.5.2 Störungen des Gleichgewichts

3.6 Spurenelemente

3.6.1 Wirkungsweise

3.6.2 Mangelerscheinungen

3.6.3 Zufuhr

3.6.4 Bedeutung im Sport

3.7 Vitamin D

3.7.1 Stoffwechsel und Regulation

3.7.2 Zufuhr

3.7.3 Bedeutung im Sport

3.8 Schlussfolgerungen

3.9 Literatur

4 Physiologische Muskelheilung und Störfaktoren

4.1 Funktionelle und strukturelle Veränderungen im Muskelgewebe

4.1.1 Funktionelle Muskelverletzungen (Typ 1 und 2)

4.1.2 Muskelfaserriss (Typ 3A)

4.1.3 Muskelbündelriss/Muskelriss (Typ 3B und 4)

4.2 Mechanismen der Muskelschädigung

4.2.1 Initiale Schädigungsphase

4.2.2 Sekundäre Schädigungsphase

4.3 Regenerationsmechanismen und deren Zeitverlauf

4.3.1 Destruktionsphase

4.3.2 Reparaturphase

4.4 Labormarker für Diagnose und Heilungsverlauf

4.5 Faktoren mit Einfluss auf die Heilung

4.5.1 Ernährung

4.5.2 Lebensalter

4.5.3 Training

4.5.4 Medikamentöse Therapie

4.5.5 Physikalische Maßnahmen

4.6 Literatur

5 Epidemiologie von Muskelverletzungen im Fußball

5.1 Einleitung

5.2 Studienaufbau

5.2.1 Material

5.2.2 Methodik

5.3 Ergebnisse

5.3.1 Lokalisation von Muskelverletzungen bei Fußballspielern

5.3.2 Verletzungsinzidenz

5.3.3 Verletzungsrisiko

5.3.4 Schwere von Verletzungen

5.3.5 Rezidive

5.3.6 MRT-/Ultraschalluntersuchungen

5.3.7 Implementierung und Validierung der Münchener Klassifikation für Muskelverletzungen

5.3.8 Bewertung der Daten

5.4 Literatur

6 Terminologie, Klassifikation, Anamnese und klinische Untersuchung

6.1 Warum eine neue Klassifikation?

6.2 Terminologie und Klassifikation von Muskelverletzungen

6.2.1 Terminologie von Muskelverletzungen

6.2.2 Klassifikation von Muskelverletzungen

6.2.3 Münchener Konsensus-Konferenz zur Terminologie und Klassifikation von Muskelverletzungen

6.2.4 Einteilung der Muskelläsionen nach der Konsensus-Klassifikation

6.3 Anamnese

6.4 Untersuchung von Muskelverletzungen

6.4.1 Untersuchungstechniken

6.4.2 Typische Untersuchungsbefunde

6.4.3 Andere Ursachen von Muskelbeschwerden

6.5 Komplikationen

6.5.1 Entlastungssyndrom

6.5.2 Rezidiv

6.5.3 Serom und Zyste

6.5.4 Fibrose und Narbe

6.5.5 Traumatisches Kompartment-Syndrom

6.5.6 Myositis ossificans und heterotope Ossifikation

6.5.7 Muskelhernie

6.6 Literatur

7 Ultraschalldiagnostik

7.1 Einleitung

7.2 Relevante physikalische Phänomene und Artefakte

7.2.1 Absorption bzw. Dämpfung

7.2.2 Reflexion und Reflexartefakt

7.2.3 Streuung

7.2.4 Schallschatten

7.2.5 Schallverstärkung

7.2.6 Wiederholungsartefakt

7.2.7 Spiegelartefakt

7.3 Sonografie der Skelettmuskulatur

7.3.1 Sonografie des normalen Muskelgewebes (Sonoanatomie)

7.3.2 Sonografie der Pathologien

7.4 Sonografie möglicher Komplikationen

7.4.1 Serom und Zyste

7.4.2 Fibrose und Narbe

7.4.3 Myositis ossificans

7.4.4 Heterotope Ossifikation

7.4.5 Kompartment-Syndrom

7.5 Fallbeispiel

7.6 Literatur

8 Magnetresonanztomografie

8.1 Einleitung

8.2 Relevante anatomisch-mikrostrukturelle Grundlagen

8.3 Magnetresonanztomografische Untersuchungstechnik und Normalbefunde

8.3.1 Untersuchungstechnik

8.3.2 Magnetresonanztomografie der normalen Muskulatur

8.4 Magnetresonanztomografie der Muskel-Sehnen-Verletzungen

8.4.1 Typ 1A: Schmerzhafte Muskelverhärtung und Typ 1B: Muskelkater/Delayed-Onset Muscle Soreness

8.4.2 Typ 2A: Neurogene schmerzhafte Muskelverhärtung und Typ 2B: „Sog. Muskelzerrung“

8.4.3 Typ 3A: Muskelfaserriss

8.4.4 Typ 3B: Muskelbündelriss

8.4.5 Typ 4: (Sub-)totale Muskelruptur, tendinöse Avulsion/Ausrissverletzung, rein tendinöse Komplettruptur des muskulotendinösen Übergangs

8.4.6 Kontusions- und Lazerationsverletzungen

8.4.7 Muskelhernie

8.4.8 Muskeldenervierung

8.4.9 Chronische Tendinose und Sehnenriss

8.5 Magnetresonanztomografie möglicher Komplikationen

8.5.1 Serom und Zyste

8.5.2 Fibrose und Narbe

8.5.3 Myositis ossificans

8.5.4 Heterotope Ossifikation

8.5.5 Kompartment-Syndrom

8.6 Schwierige differenzialdiagnostische Erwägungen

8.6.1 Muster des Muskelödems

8.6.2 Muster der fettigen Atrophie

8.6.3 Muster der Raumforderung: Hämatom, knöcherner Sehnenausriss

8.7 Magnetresonanztomografische Zeichen zur Abschätzung der Prognose von Muskelverletzungen

8.8 Magnetresonanztomografisch erfassbare Risikofaktoren für erneute Muskelverletzungen

8.9 Spezielle Muskelverletzungen

8.9.1 Musculus quadriceps

8.9.2 Ischiokrurale Muskulatur

8.9.3 Musculus adductor longus

8.9.4 Musculus gastrocnemius

8.9.5 Seltener betroffene Muskeln

8.10 Zusammenfassung

8.11 Literatur

9 Differenzialdiagnosen des Muskelschmerzes

9.1 Einführung

9.2 Besonderheiten der Diagnostik

9.2.1 Schmerzanamnese bei Myalgien

9.2.2 Kreatinkinase

9.2.3 Indikationen zur Durchführung einer Muskelbiopsie

9.3 Neurologische Krankheitsbilder

9.3.1 Klinische Symptome und Topologie

9.3.2 Schädigungen des 1. und/oder 2. Motoneurons

9.3.3 Schädigungen des peripheren Nervs

9.3.4 Krampi

9.4 Hereditäre Muskelkrankheiten mit Myalgien

9.4.1 Degenerative Myopathien

9.4.2 Hereditäre metabolische Myopathien

9.4.3 Nicht dystrophische und dystrophische Myotonien

9.5 Erworbene Muskelkrankheiten mit Myalgien

9.5.1 Entzündliche Muskelerkrankungen mit Myalgien

9.5.2 Endokrine Myopathien

9.5.3 Toxische Myopathien mit Myalgien

9.5.4 Rheumatologische Krankheitsbilder: Polymyalgia rheumatica

9.5.5 Myofasziales Schmerzsyndrom

9.6 Synopsis und Transfer zur Klassifikation der Muskelverletzungen

9.6.1 Differenzierung Typ-1A-Muskelläsion (ermüdungsbedingte schmerzhafte Muskelverhärtung) – Myalgie

9.6.2 Differenzierung Typ-2A-Muskelläsion (rückenbedingte neuromuskuläre Muskelläsion) – myofaszialer Triggerpunkt

9.6.3 Differenzierung Typ-2B-Muskelläsion („sog. Muskelzerrung“) – myofaszialer Triggerpunkt

9.6.4 Differenzierung Typ-3- und Typ-4-Muskelverletzung (Muskelfaserriss) – myofaszialer Triggerpunkt

9.7 Literatur

10 Verhaltensneurologie und Neuropsychologie, Muskeln und Sport

10.1 Der Einfluss des Gehirns auf die Muskeln

10.1.1 Gehirn und Muskeln im Zusammenspiel

10.1.2 Verhaltensneurologie und Neuropsychologie

10.1.3 Komplexität und Reduktionismus

10.1.4 Zeit, Standort und Blickwinkel als Dreh- und Angelpunkt der Welt

10.2 Gehirnfunktionen

10.2.1 Aufmerksamkeit

10.2.2 Wachheit

10.2.3 Gedächtnis

10.2.4 Wahrnehmung

10.2.5 Denken

10.2.6 Sprache und Kommunikation

10.2.7 Autonome Funktionen

10.2.8 Affekte und Emotionen

10.2.9 Antizipation und Prädiktion

10.2.10 Zieleauswahl

10.2.11 Planung

10.2.12 Monitoring

10.2.13 Antrieb, Wille und die Relativität der Hierarchie der Hirnfunktionen

10.2.14 Bewusstsein

10.2.15 Motorisches Lernen

10.3 Motivation und Zielsetzung

10.3.1 Motive

10.3.2 Intrinsische und extrinsische Motivation

10.4 Leistungserbringung und -optimierung als Individuum und im Team

10.4.1 Der Einfluss zunehmender Komplexität auf die Leistung

10.4.2 Sport im Team – Herausforderung auch untereinander

10.5 Verletzungen und wie das Gehirn damit umgeht

10.6 Entspannungsverfahren

10.6.1 Wirkungen und Möglichkeiten

10.6.2 Übereinstimmende Voraussetzungen und Mechanismen aller Verfahren

10.6.3 Einige Verfahren im Einzelnen

10.6.4 Anwendbarkeit der Methoden in verschiedenen Situationen

10.6.5 Einfluss des mentalen Trainings auf die sportliche Leistung

10.6.6 Mentales „Doping“?

10.7 Zusammenfassung und Ausblick

10.8 Literatur

11 Konservative Therapie der Muskelverletzungen

11.1 Therapeutische Herausforderung Muskelverletzungen

11.2 Primärversorgung

11.3 Infiltrationstherapie

11.3.1 Zur Therapie verwendete Substanzen (alphabetisch)

11.3.2 Techniken

11.4 Prophylaxe und Therapie von Störungen der Blutparameter

11.5 Physiotherapie, physikalische Medizin und Rehabilitation

11.6 Stadiengerechte Therapieplanung für Muskelverletzungen

11.6.1 Typ 1A: Ermüdungsbedingte schmerzhafte Muskelverhärtung

11.6.2 Typ 1B: Muskelkater

11.6.3 Typ 2A: Rückenbedingte neuromuskuläre Muskelläsion

11.6.4 Typ 2B: „Sog. Muskelzerrung“

11.6.5 Typ 3A: Muskelfaserriss

11.6.6 Typ 3B: Muskelbündelriss

11.6.7 Typ 4: (Sub-)totaler Muskelriss und sehniger Ausriss

11.6.8 Therapie anderer Muskelverletzungen

11.6.9 Therapie möglicher Komplikationen

11.7 Prinzip der Fokaltoxikose (Störfelddiagnostik)

11.7.1 Störfelder

11.7.2 Funktionskreise nach Gleditsch

11.7.3 Energetische Terminalpunktdiagnose nach Mandel

11.8 Literatur

12 Bedeutung der Wirbelsäule bei Muskelfunktionsstörungen und -verletzungen

12.1 Beziehung Wirbelsäule/Skelettmuskulatur

12.2 Funktionelle lumbale/spinale Ursachen von Muskelfunktionsstörungen

12.2.1 Hyperlordose

12.2.2 Blockierungen des Iliosakralgelenks

12.2.3 Funktionelle Beinlängendifferenz

12.2.4 Gelenkdysfunktionen

12.2.5 Sacrum arcuatum/acutum

12.3 Strukturelle lumbale/spinale Ursachen von Muskelfunktionsstörungen

12.3.1 Beckenschiefstand/Beinlängendifferenz

12.3.2 Spinalkanalstenose

12.3.3 Rezessusstenose/neuroforaminale Enge

12.3.4 Diskusprotrusion/Diskusprolaps

12.3.5 Spondylolyse/Spondylolisthesis

12.3.6 Ligamentum lumbosacrale

12.4 Pseudoradikuläre versus radikuläre Symptomatik

12.4.1 Symptomenkomplex eines pseudoradikulären Syndroms

12.4.2 Symptomenkomplex eines radikulären Syndroms

12.4.3 Unterscheidung pseudoradikuläres/radikuläres Syndrom

12.5 Literatur

13 Operative Behandlung von Muskelverletzungen

13.1 Einleitung

13.2 Indirekte Muskelverletzungen

13.2.1 Überblick

13.2.2 Verletzungsmechanismus

13.3 Verletzungen der ischiokruralen Muskulatur

13.3.1 Pathophysiologie

13.3.2 Operative Therapie

13.4 Verletzungen des Musculus quadriceps

13.4.1 Direkte Verletzungen – Kontusionen

13.4.2 Indirekte Verletzungen – Rupturen

13.4.3 Ergebnisse

13.5 Intramuskuläre Rupturen

13.6 Schlussfolgerungen

13.7 Literatur

14 Physikalische und physiotherapeutische Maßnahmen und Rehabilitation

14.1 Anforderungsprofil an das Betreuungsteam

14.2 Sportartspezifische Veränderungen bzw. Anpassungen des Bewegungsapparats

14.2.1 Bedeutung aus therapeutischer Sicht

14.2.2 Beispiel Fußball

14.3 Therapierelevante Befundstrategie

14.3.1 Klinisch-therapeutische Befundaufnahme

14.3.2 Klinische Bewegungsanalysen

14.3.3 Rehabilitative Leistungsdiagnostik

14.3.4 Auswertung der Befunde

14.4 Therapiestrategien nach Muskelverletzungen

14.4.1 Sofortmaßnahmen

14.4.2 Posttraumatische therapeutische Maßnahmen

14.5 Therapietechniken

14.5.1 Physikalische Therapie

14.5.2 Physiotherapie

14.5.3 Elastisches Taping (Kinesiotaping)

14.5.4 Medizinische Trainingstherapie

14.6 Literatur

15 Bedeutung des Aufbautrainings nach (Muskel-)Verletzungen

15.1 Einleitung

15.2 Kreislauftraining

15.3 Training umliegender Strukturen

15.4 Erste Belastung der verletzten Struktur (isoliert und komplex)

15.5 Integration der verletzten Struktur in komplexe Bewegungsmuster

15.6 Vollbelastung

15.6.1 Beginn des Lauftrainings

15.6.2 Exemplarischer Belastungsaufbau im Optimalfall nach Muskelfaserriss (Typ 3A)

15.6.3 Exemplarischer Belastungsaufbau im Optimalfall nach Muskelbündelriss (Typ 3B)

15.6.4 Vermeidung von Bewegungskompensationen

15.7 Koordinationstraining

15.8 Anbahnung multidirektionaler Belastungsreize

15.9 Sportartspezifische Belastung – Integration in den Trainingsbetrieb

15.10 Literatur

16 Präventive Maßnahmen

16.1 Einleitung

16.2 Mechanismen von Muskelverletzungen

16.3 Präventive Trainingsstrategien

16.3.1 Optimierung der neuromuskulären Funktion

16.3.2 Optimierung der Basisfitness

16.4 Literatur

17 Besondere Fälle aus dem Hochleistungssport

17.1 Einleitung

17.2 Fall 1

17.3 Fall 2

17.4 Fall 3

17.5 Fall 4

17.6 Fall 5

17.7 Fall 6

17.8 Fall 7

17.9 Fall 8

17.10 Fall 9

Anschriften

Sachverzeichnis

Impressum

1 Funktionelle Anatomie der Skelettmuskulatur

D. Blottner

1.1 Aufbau und Funktion des aktiven Bewegungsapparats und des Skelettmuskels

Die Skelettmuskeln bilden neben dem passiven Bewegungsapparat, dem knöchernen Skelettsystem (10% des Körpergewichts), den größten Anteil des aktiven menschlichen Bewegungsapparats, mit einer Muskelmasse von ca. 40% (d.h. ca. 28 kg) des Gesamtgewichts einer durchschnittlichen männlichen Person (ca. 70 kg). Bei Neugeborenen beträgt die Muskelmasse ca. 20% des Geburtsgewichts; bei einem austrainierten Kraftsportler kann die Muskelmasse auf etwa 65% seines Körpergewichts ansteigen.

Der menschliche Körper besitzt mehr als 640 Skelettmuskeln mit etwa 220 beschriebenen Einzelmuskeln von zum Teil recht unterschiedlicher Form, Größe und Faserarchitektur (Kunsch u. Kunsch 2005 ► [7]). Einige davon sind besonders lang (M. sartorius des Oberschenkels, ca. 40 cm lang), andere besonders breit (M. latissimus dorsi des Rückens) oder eher kräftig und fleischig (M. glutaeus maximus). Der kleinste Muskel, der M. stapedius (kürzer als 1 mm), verringert bei Kontraktion die Bewegung des Steigbügels (Stapes), des letzten in einer Kette von 3 Gehörknöchelchen des Mittelohrs, und schwächt über reflektorische Kontraktion so die Schallwellen ab (Dämpfung), die auf das ovale Fenster der Innenohrschnecke (Kochlea) treffen. Einige Muskeln besitzen eine ausdauernde Leistungsfähigkeit und sind eher kraftvoll (M. triceps surae, M. masseter); andere sind für dauerhaft fein justierende Bewegungssteuerungen bestimmt (äußere Augenmuskeln, Zwischenknochenmuskeln der Hand). Einige regionsspezifische Muskeln, z.B. in der Gesichtshaut (mimische Hautmuskeln), können schließlich mit ihren besonders zarten Fasern eine Fülle unterschiedlicher emotionaler Gesichtsausdrücke im Sinne einer nonverbalen Kommunikation vermitteln und nehmen, ähnlich wie die Zunge und die Rachenmuskulatur, eine Sonderstellung in der Skelettmuskulatur ein, da sie nicht direkte Muskelanteile des aktiven Bewegungsapparats sind.

Merke

Im Leistungssport entwickeln bestimmte Skelettmuskelgruppen (z.B. Mm. trapezius, latissimus dorsi, quadriceps, Adduktorengruppe) durch intensives Muskeltraining mehr oder weniger Muskelmasse (Hypertrophie der Leistungsmuskulatur) und können demzufolge gezielt für kurzzeitige Kraftspitzen (Sprints, Gewichtheben, Hochsprung) oder eher für ausdauernde Leistungen (Mittel- und Langstreckenlauf, Marathon, Schwimmen, Triathlon, Ballsportarten) im Wettkampf eingesetzt werden.

Skelettmuskeln sind, zusammen mit den Knochen und Gelenken, als Hebel und Drehpunkte Teil des muskuloskelettalen Bewegungsapparats und ziehen (mit Ausnahmen) über die gelenkigen Knochenverbindungen, die echten Gelenke (Diarthrosen, Synovialgelenke, z.B. Kniegelenk) sowie die unechten Gelenke (Synarthrosen, Füllgelenke, z.B. Zwischenwirbelscheiben, vordere Rippengelenke). Das menschliche Skelett besitzt über 220 gelenkige Verbindungen (Kunsch u. Kunsch 2005 ► [7]). Skelettmuskeln ermöglichen die Bewegung über 1, 2 oder mehrere Gelenke (eingelenkiger Muskel: z.B. M. brachialis; zweigelenkiger Muskel: z.B. M. biceps brachii; mehrgelenkiger Muskel: M. extensor digitorum). Bei der Bewegung kann der Muskel am Gelenk entweder eine Beugung (Flexion: M. flexor carpi radialis), eine Streckung (Extension: M. extensor digitorum), eine Umwendbewegung (Pronation: M. pronator teres) oder eine Rückwendung (Supination: M. supinator) vollziehen.

Wie Lage, Form und Größe gehen auch die lateinischen Bezeichnungen der Bewegungsmodi von Muskeln in die Namensgebung ein und dienen damit als wertvolle Anhaltspunkte zum schnellen und effektiven Erlernen der anatomischen Nomenklatur der Skelettmuskulatur (► Tab. 1.1).

Tab. 1.1

 Richtungs- und Bewegungsbezeichnungen, Körperachsen.

Lokalisationen/Bewegungen/Ebenen/Achsen

Lat. Bezeichnung

Bedeutung

systematische Anordnung

anterior

vorn

posterior

hinten

dexter

rechts

sinister

links

distal

entfernend

proximal

annähernd

dorsal

rückenwärts

ventral

bauchwärts

externus

außerhalb

internus

innerhalb

inferior

unterhalb

superior

oberhalb

kaudal

schwanzwärts

kranial

kopfwärts

lateral

zur Seite hin

medial

zur Mitte hin

profundus

tief liegend

superficialis

oberflächlich liegend

Bewegungen

Abduktion

Abspreizung

Adduktion

Heranführung

Anteversion

Vorführung

Retroversion

Rückführung

Extension

Streckung

Flexion

Beugung

Pronation/Eversion

Einwärtsdrehung

Supination/Inversion

Auswärtsdrehung

Rotation

Achsendrehung

Zirkumduktion

Kreiselbewegung

Elevation

Anheben über 90°

Ebenen und Achsen des menschlichen Körpers

Sagittalebene (Medianebene): Sagittalachse

Frontal- und Koronarebene: Frontalachse

Transversalebene: Transversalachse

1.1.1 Anatomische Nomenklatur der Skelettmuskeln

Praxistipp

Die anatomischen Bezeichnungen der Skelettmuskeln werden nach unterschiedlichen Kriterien, wie Größe, Form und Lagevarianten, festgelegt (► Tab. 1.2). Obwohl die zum Teil langen anatomischen Bezeichnungen oftmals mühsam auszusprechen (und zu erinnern) sind, sind sie doch äußerst hilfreich zum besseren Verständnis von Lage und Funktion einzelner ausgesuchter Muskelgruppen des Bewegungsapparats (s. ► Tab. 1.3 bis ► Tab. 1.11).

Tab. 1.2

 Anatomische Nomenklatur (Auswahl).

Lat. Bezeichnung

Bedeutung

Angulus

Winkel

Antebrachium

Unterarm

Apertura

Öffnung

Aponeurosis

flächenhafte Sehne

Arcus

Bogen

Articulatio

Gelenk

Axon

ableitender Nervenfortsatz

Brachium

Oberarm

brevis

kurz

Bursa

Schleimbeutel

Calcaneus

Fersenbein

Capitulum

Köpfchen

Carpus, -alis

Handgelenk

Collum

Hals

Columna

Säule

Condylus

Gelenkfortsatz

Costa

Rippe

Crista

Kamm, Leiste

Crus, -ris

Unterschenkel

Diarthrose

echtes Gelenk, Synovialgelenk

Discus

Knorpelscheibe

Epicondylus

Gelenkknorren

Facies

Fläche

Fascia

bindegewebige Hülle

Faszikel

Faserbündel

Femur

Oberschenkelknochen

Fibula

Wadenbein

Foramen

Loch

Fossa

Grube

Humerus

Oberarmknochen

Incisura

Einschnitt

intermedius

dazwischen gelegen

interosseus

zwischen Knochen liegend

intervertebral

zwischen Wirbeln liegend

Kyphose

Rundrücken, dorsale (Vorwärts-)Krümmung (Wirbelsäule)

Labrum

Lippe

Ligamentum

Band

Linea

Linie

longus

lang

Lordose

Hohlkreuz, dorsale (Rückwärts-)Krümmung (Wirbelsäule)

lumbal

Lenden-

malleolus

zum Knöchel gehörend

Margo

Kante

Membrum

Gliedmaße/Extremität

Meniscus

Halbring

Musculus

Muskel

Myo-

Muskel-

Neuron

Nervenzelle

obliquus

schräg liegend

Olecranon

Hakenfortsatz (Elle)

Os

Knochen

Palma

Hohlhandfläche

Pars

Teil

Patella

Kniescheibe

Pecten

Kamm, Grat

Pelvis

Beckengürtel

perforans

hindurch, durchbohrend

perforatus

durchbohrt

Periost

Knochenhaut

Peritenon

Sehnenhaut

Phalanx

Finger-, Zehenglied

Planta

Fußsohle

Plexus

Geflecht

Processus

Fortsatz

Prolaps

Vorfall (Ereignis)

Protrusio

Vortreibung

Radius

Speiche

Retinaculum

Halteband

Sarko-

Fleisch-

Scapula

Schulterblatt

Skoliose

seitliche Verbiegung der Wirbelsäule

Spina

Stachel

Sternum

Brustbein

Sulcus

Furche

Sustentaculum

Stütze

Synarthrose

unechtes Gelenk

Synchondrose

knorpelhaft

Syndesmose

bandhaft

Synostose

knochenhaft

Talus

Sprungbein

Tendo

Sehne

thorakal

Brust-

Thorax

Brustkorb

Trochanter

Rollhügel

Tuber, -culum

Höcker, -chen

Tuberositas

Rauigkeit

Ulna

Elle

vastus

groß, gewaltig, plump

Venter

(Muskel-)Bauch

Vertebrae

Wirbel

zervikal

Hals-

Cave

Die Ursprungs- bzw. Ansatzpunkte eines Muskels sind nomenklatorisch festgelegt; bei Bewegungsabläufen z.B. in den Extremitäten können sich das Punctum fixum (proximal) und das Punctum mobile (distal) eines Muskels oder einer Muskelgruppe jedoch umkehren (vgl. Funktionsumkehr des M. biceps brachii, z.B. bei Liegestützen).

1.1.2 Muskelfasertypen

1.1.2.1 Typ-1- und Typ-2-Fasern

Gemäß ihren besonderen Aufgaben und ihrer Lageposition im Körper besitzen die Skelettmuskeln erwachsener Personen ein genetisch festgelegtes prinzipielles Muster aus folgenden Muskelfasern:

langsam zuckende (oxidative) Ausdauerfasern (Typ 1)

schnell zuckende (oxidativ-glykolytische und glykolytische) Schnellkraftfasern (Typ 2)

Typisches Faserverteilungsmuster in einem menschlichen Skelettmuskel.

Abb. 1.1 M.-soleus-Biopsie, quer. Immunmarkierung mit Antikörpern gegen Slow- (rot) und Fast-MyHC (grün; s. Text). Das Insert-Bild (oben rechts) zeigt zusätzlich das Membrangerüstprotein Dystrophin (blau) sowie eine gelb markierte Mischfaser (sog. Intermediär-/Hybridfaser, ca. 1–5% normal).

(Aufnahme: M. Salanova, ZWMB, Charité, Universitätsmedizin Berlin)

1.1.2.2 Übergangsformen

Im menschlichen Skelettmuskel ist, je nach Muskelaktivierung, eine bestimmte Anzahl schneller Fasern als Übergangsformen vorhanden (Typ 2a, 2b oder 2c/2x). Die Typ-2b-Fasern gibt es, zumindest beim Menschen, speziell in der äußeren Augenmuskulatur und in der Stellmuskulatur des Kehlkopfs; dieser Fasertyp fehlt aber in allen größeren Körpermuskeln (Harrison et al. 2011 ► [30]). Aufgrund der gefundenen Heterogenität an Muskelfasertypen bei Frauen und Männern, je nach ihrer individuellen früheren und gegenwärtigen Lebensweise, Kindheit, Jugend, Alter und sportlichen Aktivitäten (sitzende Tätigkeiten versus Leistungssportler), muss deshalb bei der Betrachtung der Fasertypen im Skelettmuskel des Menschen ein Kontinuum berücksichtigt werden (► Abb. 1.2).

Muskelfaserplastizität (Fiber Switch) nach Training bzw. Immobilisation.

Abb. 1.2

Abb. 1.2a Die Muskelfasertypen sind, der Art der schweren Myosinketten entsprechend, in Typ 1 (ausdauernd), Typ 2a (schnell kontrahierend) und Typ 2x/2c (hohe Kraft und sehr schnell ermüdbar) eingeteilt. Die Pfeile repräsentieren die mögliche Anpassung (Plastizität) an Training oder Immobilisation. Der Muskel kann auf Training bzw. Immobilisation durch einen Faser-Switch der schweren Myosinketten des kontraktilen Apparats (Myofilamente der Sarkomere) reagieren.

Abb. 1.2b Der Anteil an den Hybridfasern 1/2a, 2a/2x, und 1/2x ist nach Trainingspause sowie im Alterungsprozess als Zeichen vermehrter Umbau- oder Anpassungsprozesse erhöht.

Merke

Das Fasertypenmuster eines Skelettmuskels ist nicht dauerhaft festgelegt, sondern kann sich durch intensives Training, bei längeren Trainingspausen oder Immobilisation deutlich verschieben (s. ► Abb. 1.2).

Die Einteilung in Fasertypen richtet sich gemeinhin nach dem Vorkommen der MyHC-Proteine, die als Bestandteil des kontraktilen Myofilamentapparats (Sarkomer) in unterschiedlicher Expression in schnell ermüdbaren (Typ 2a) und ausdauernden Muskelfasern (Typ 1) vorkommen, die für das Gehen und Stehen bzw. im Dauereinsatz bei der Körperhaltung eingesetzt werden. Ein 3. Fasertypus, die Typ-2c/x-Faser (hohe Kraft und sehr schnell ermüdbar), findet sich ebenso bei Athleten und kann bei intensivem Training als „Reservefasern“ für den Typ-2a-Faserpool gelten. Der Typ-2x-Faserpool eines Muskels ermöglicht beim sporadischen Einsatz eine höchste maximale Spannungsentwicklung, z.B. beim Springen. Intensives Kraft- und Sprinttraining verschiebt das Fasertypenmuster in Richtung von Typ 1 zu Typ 2a (Kraftsportler, Sprinter), während Kraftausdauertraining das Fasertypenmuster in umgekehrter Richtung von Typ 2a zu Typ 1 (Marathonläufer) verschieben kann.

Das vermehrte Vorkommen von Hybridfasern (mehr als 5–10% im Muskel gelten als normal) stellt sich in der Regel nach einer Anpassungsphase (Plastizität) des Skelettmuskels mit Umbauprozessen nach intensivem Training oder nach längeren Trainingspausen ein. Die Plastizität des Skelettmuskels bezüglich der Faserqualitäten hat selbstverständlich Auswirkungen auf die Ausdauer-, die Ermüdungs- bzw. die → Leistungsfähigkeit eines Muskels.

Merke

Bei fortschreitendem Alter und nach längerer Immobilisation verändert sich das Typ-1-Ausdauerfaser-Muster paradoxerweise in Richtung Typ-2a- und -2c-Schnellkraftfaser-Muster. Dies muss eher als Fehlanpassung des Muskels verstanden werden, da die Nervenimpulse zum Erhalt und zur Stärkung der Typ-2-Faserqualitäten minimiert sein bzw. fehlen können. Dies bedeutet, dass der Muskel in diesen Fällen an Kraft ab- und nicht zunimmt und insbesondere seine Leistungsfähigkeit merklich einbüßt (Snobl et al. 1998 ► [48]).

1.1.3 Funktionelle Muskellogen als Bauprinzip

Der menschliche Muskelkörper wird von der allgemeinen Körperfaszie ähnlich einem Ganzkörperstrumpf von Kopf bis Fuß vollständig umhüllt. Darüber befindet sich die Haut als epifasziales Organ mit Unterhautbindegewebe, Drüsen, Hautnerven und Gefäßen. Die Skelettmuskeln befinden sich unterhalb dieser Körperfaszie (Ausnahme: mimische Muskulatur; diese liegt auf der Gesichtsfaszie) in speziellen Muskellogen mit eigenen Faszien (► Abb. 1.3).

Muskellogen des menschlichen Bewegungsapparats.

Abb. 1.3 Ventrale und dorsale Ansicht mit farbig eingezeichneten Muskellogen (ohne Einzelmuskeln). Dargestellt ist nur eine für typische Sportverletzungen relevante Auswahl der menschlichen Muskellogen der Extremitäten ohne Rumpf.

(Anatomisches Originalpräparat/Foto: Dr. Frauke Glöckner, Evelyn Heukendorf, Anatomie Charité, Universitätsmedizin Berlin; MRT-Aufnahmen: Dr. Daniel Belavý, Zentrum für Muskel- und Knochenforschung, Charité, Universitätsmedizin Berlin)

Abb. 1.3a Ansicht der Muskellogen (als Boxen markiert) der Extremitäten von vorn (anterior) und hinten (posterior).

Abb. 1.3b MRT-Aufnahme (frontal) der vorderen Oberschenkelloge (Kniestreckerloge).

Abb. 1.3c MRT-Aufnahme (sagittal) der vorderen und hinteren Muskellogen des Oberschenkels (Knie-/Hüftstrecker- und Adduktorenloge).

Abb. 1.3d Anatomisches Schnittpräparat und MRT-Aufnahme (frontal) der hinteren Oberschenkelloge mit Schnittebene durch die ischiokrurale Muskelgruppe (Hüftstrecker/Kniebeuger).

Die Logenfaszien (Kompartments) lassen sich am besten als Faszienröhren aus geflechtartigem kollagenem Bindegewebe mit Nerven- und Blutgefäßzu- und -abgängen vorstellen (► Abb. 1.4). Die Logen enthalten funktionell gleichgeschaltete Muskelgruppen aus mehreren Einzelmuskeln (z.B. Extensoren-, Flexoren-, Adduktorenloge), die bei Bewegungsvorgängen innerhalb ihrer Loge synergistisch oder innerhalb der gegenüber liegenden Logen antagonistisch arbeiten (Flexoren versus Extensoren; vgl. ► Abb. 1.12). Die Einteilung der Logen erfolgt nach der Lage am Rumpf und an den Extremitäten (z.B. dorsale bzw. ventrale Loge des Ober- und Unterarms). Jede Loge wird im Allgemeinen über einzelne zu- und abführende Leitstrukturen (Gefäß-Nerven-Bündel) versorgt und besitzt damit eigene, anatomisch abgrenzbare Nervenfaszikel (Nn. musculares, Rr. musculares) und Arterien (engl.: feeder arteries). Die Logenfaszien sowie möglicherweise auch die darunter befindlichen Faszien der Muskelbäuche sind mit Mechanorezeptoren (Pacini-Körperchen) sowie Nozizeptoren (Schmerzsensoren) ausgestattet und damit als selbstständige periphere Hüllstrukturen an der Schmerzinnervation und wahrscheinlich auch an der Propriozeption (d.h. dem Lage- und Kräftesinn) der Skelettmuskulatur beteiligt.

Praxistipp

Die Einteilung der Muskellogen des Körpers erfolgt hier zunächst nach funktionell-topografischen Gesichtspunkten. Die Betrachtung funktioneller Muskellogen ist aus didaktischen Gründen als Lernprinzip zur allgemeinen Orientierung und für ein besseres Verständnis des funktionellen Aufbaus des menschlichen Skelettmuskelapparats und seiner Muskelfunktionen im Sport sinnvoll. Das Verständnis allgemeiner und spezieller funktionell-topografischer Beziehungen zwischen der Innervation und den Logen- und Muskelfaszien ist für die Mechanik der Muskelbewegungen in verschiedenen Körperregionen bedeutsam. Für eine sinnvolle Diagnosefindung bei lokalen Muskelverletzungen mit ihren möglichen Auswirkungen auf benachbarte Muskelpartien und veränderte, d.h. kompensatorische Bewegungsmuster (Schonhaltung nach Verletzung), ist sie unerlässlich.

1.1.4 Muskellogen mit schwerpunktmäßigem Verletzungsrisiko im Sport

Zur schnellen Orientierung werden im Folgenden nur jene topografischen Muskellogen des Körpers, die schwerpunktmäßig an Muskelverletzungen, z.B. im Fußballsport, betroffen sein können, exemplarisch in Form ihrer Einzelmuskeln in den Abbildungen vorgestellt (vgl. ► Abb. 1.5 bis ► Abb. 1.11). Die genauen Beschreibungen der vorgestellten Einzelmuskeln der speziell ausgewählten topografischen Muskellogen (Rumpf, Oberarm, Beckengürtel und untere Extremität) sind mit ihren vollständigen anatomischen Namen und den gebräuchlichen deutschen Bezeichnungen sowie deren Ursprung, Ansatz, Innervation und primären Bewegungsfunktionen in Form von Muskeltabellen zusammengefasst (s. ► Tab. 1.3 bis ► Tab. 1.11).

Praxistipp

Nach Verletzungen können sich Einblutungen in eine Muskelloge zu einem akuten Kompartment-Syndrom ausweiten, das sofort ärztlich versorgt werden muss, damit die Einblutungen keine sog. Stauungsischämie mit dem Risiko einer Gewebeschädigung hervorrufen (z.B. im vorderen Kompartment des Unterschenkels). Dies erfolgt in der Regel durch einen Hautschnitt und die Eröffnung der betroffenen Faszie (Fasziotomie), um den Stauungsdruck akut zu beheben.

1.1.4.1 Muskulatur des Rumpfes

Bauch- und Lendenmuskulatur

Die flachen Bauchwandmuskeln (► Abb. 1.5 u. ► Tab. 1.3) werden nervös durch die Rr. ventrales nn. spinales Th12 (N. subcostalis) sowie die freien Bauchwandnerven Nn. iliocostales und ilioinguinales und die parallel hierzu verlaufenden Gefäße (A. subcostalis, Aa. intercostales) versorgt.

Bauch- und Lendenmuskulatur.

Abb. 1.5 Ohne M. transversus abdominis.

Tab. 1.3

 Muskeln des Rumpfes: vordere und seitliche Bauchwandmuskeln (Rumpfbeugungs- und -dreherloge).

Muskelgruppe

Muskeln

Beschreibung (Palpation)

Ursprung (U), Ansatz (A)

Innervation (Segmente)

Funktionen

vordere Bauchwandmuskeln

M. rectus abdominis (gerader Bauchmuskel)

M. pyramidalis (var.) (Pyramidenmuskel)

kräftiges mediales, mehrbäuchiges flaches Muskelpaket, durch 3 quer verlaufende Zwischensehnen sowie die weiße Linie (Linea alba) medial untergliedert

vgl. sog. Sixpacks

wichtigster Antagonist zum großen Rückenstrecker!

U: Rippenknorpel 5.–7. Kostae

A: Os pubis (Tuberculum pubicum, Symphyse)

Nn. intercostales (Th5–Th12)

Flexion

Aufrichten des Beckens

Bauchpresse

Ausatmung

seitliche Bauchwandmuskeln

M. obliquus externus abdominis (schräger äußerer Bauchmuskel)

oberflächlichster der 3 Bauchwandmuskeln

Faserverlauf in Richtung der ausgestreckten Finger zur Hosentasche, bildet mit den beiden anderen Bauchwandmuskeln eine funktionelle Hüftgurtung

U: Außenfläche der Kostae 5–12

A: Rektusscheide (vorderes Blatt)

Nn. intercostales (Th5–Th12)

N. iliohypogastricus

wie M. rectus abdominis und M. pyramidalis (var.)

zusätzlich:

Lateralflexion

Rotation des Rumpfes zur kontralateralen Seite

M. obliquus internus abdominis (schräger innerer Bauchmuskel)

flacher innerer Bauchwandmuskel mit entgegengesetztem Faserverlauf

bildet auch Fasern des M. cremaster!

U: Fascia thoracolumbalis (tief), Crista iliaca, Lig. inguinale

A: Rippenbogen + Rektusscheide

Nn. intercostales (Th8–Th12)

N. iliohypogastricus

N. ilioinguinalis

wie M. obliquus externus abdominis

zusätzlich:

Rotation zur ipsilateralen Seite

M. transversus abdominis (horizontaler Bauchmuskel)(o. Abb.)

flacher, tiefster Bauchwandmuskel mit horizontalem Faserverlauf um die Hüfte herum

U: Fascia thoracolumbalis (tief), Crista iliaca, Spina iliaca anterior superior

A: Rektusscheide (hinteres Blatt)

Nn. intercostales (Th8–Th12)

N. iliohypogastricus

N. ilioinguinalis

N. genitofemoralis

Bauchpresse (beidseitig)

Rotation (ipsilateral)

Lendenmuskeln

M. quadratus lumborum (viereckiger Lendenmuskel)

viereckiger Muskel

liegt tief im Lendenbereich, von den Bauchwand- und Rückenmuskeln überdeckt

U: Crista iliaca

A: Kosta 12 + Processus costales der Lendenwirbelkörper 1–4

N. subcostalis (N. intercostalis 12)

Bauchpresse (beidseitig)

Lateralflexion (einseitig)

Der viereckige Lendenmuskel (M. quadratus lumborum; s. ► Abb. 1.5) wird durch den freien Bauchwandnerv N. subcostalis, sozusagen ein überzähliger Interkostalnerv ohne Interkostalraum, motorisch innerviert. Die arterielle Versorgung übernehmen proximale Äste der Interkostalarterien.

Rückenmuskulatur

Die ortsständige (autochthone) Rückenmuskulatur (M. erector spinae; ► Abb. 1.6 u. ► Tab. 1.4) wird durch eine große, seitlich der Wirbelsäule verlaufende Rückenfaszie, die Fascia thoracolumbalis, umhüllt. Diese Faszie beginnt am Kreuzbein mit einem derben Sehnenspiegel; sie verläuft unter dem großen Rückenmuskel (M. latissimus dorsi) und unter dem M. trapezius bis über die Nackenmuskeln (Fortsetzung des M. erector spinae), wo sie als Fascia nuchalis am Hinterhauptbein fixiert ist. Die autochthonen Rückenmuskeln werden ausnahmslos von dorsalen Ästen der Spinalnerven (Rr. dorsales nn. spinales) in 2 paravertebral liegenden Linien segmental aus dem Rückenmark innerviert. Die tiefen kurzen Nackenmuskeln werden von den Rr. dorsales des ersten Spinalnervs (N. suboccipitalis, C1) versorgt. Die arterielle Blutversorgung des M. erector spinae erfolgt über dorsale Äste der Aa. intercostales; die tiefen Nackenmuskeln werden aus kleineren Muskelästen der A. occipitalis versorgt.

Rückenmuskulatur.

Abb. 1.6 Lateraler und medialer Trakt des M. erector spinae.

Tab. 1.4

 Muskeln des Rumpfes (exemplarisch): autochthone (ortsständige) Rückenmuskulatur und kurze Nackenmuskeln (Rückenstreckerloge).

Muskelgruppe

Muskeln

Beschreibung (Palpation)

Ursprung (U), Ansatz (A)

Innervation (Segmente)

Funktionen

autochthone Rückenmuskulatur

M. erector spinae (großer Rückenstrecker) mit einem lateralen „Gerad-“ und einem medialen „Schrägsystem“

größter und kräftigster Rückenstrecker mit medialen (tief) und lateralen (oberflächlich) längs verlaufenden Muskelbündeln mit segmentaler Innervation

dient zur Kontrolle der Rumpfbeugung und -aufrichtung

wird durch M. trapezius und M. latissimus vollständig überdeckt

M. multifidus ist gut unterhalb der Fascia thoracolumbalis tastbar

U: Os sacrum, Crista iliaca

A: über Wirbelkörper und Rippen zum Os occipitale (Hinterhauptbein)

laterale Rr. dorsales der Spinalnerven (C1–L5)

Extension (beidseitig)

Lateralflexion + Drehung (einseitig)

lateraler Trakt (oberflächlich):

M. iliocostalis

M. longissimus

M. splenius

(Auswahl aus dem Geradsystem der dorsalen Lenden-, Brust- und Halsregion)

U: Os sacrum, Crista iliaca, 12.–3. Kosta

A: Querfortsätze der oberen Brustwirbelkörper, 1.–6. Kosta und Querfortsätze der 4.–6. Halswirbelkörper

medialer Trakt (tief):

Mm. semispinales

Mm. rotatores

M. multifidus

(Auswahl aus dem Schrägsystem der dorsalen Lenden-, Brust- und Halsregion)

U: Querfortsätze der Hals-, Brust- und Lendenwirbelkörper, Os sacrum (nur M. multifidus)

A: Dornfortsätze der Hals-, Brust- und Lendenwirbelkörper sowie Linea nuchalis und Os occipitale

kurze Nackenmuskeln(o. Abb.)

M. rectus capitis posterior major

im tiefen Nacken gelegene, kurze gerade Muskeln für die Feinjustierung in den Kopf- und Halsgelenken

vgl. Kopfbalance!

U: Dornfortsatz Axis

A: Linea nuchalis inferior (intermedialis)

N. suboccipitalis r. dorsalis (C1)

Extension (bilateral)

Drehung des Kopfes (ipsilateral)

M. rectus capitis posterior minor

U: Tuberculum posterior Atlas

A: Linea nuchalis inferior (medialis)

N. suboccipitalis r. dorsalis (C1)

wie M. rectus capitis posterior major

M. obliquus capitis superior

im tiefen Nacken gelegene, kurze schräge Muskeln

vgl. Kopfbalance!

U: Querfortsatz Atlas

A: Linea nuchalis inferior (latissima)

N. suboccipitalis r. dorsalis (C1)

wie M. rectus capitis posterior major

zusätzlich:

Lateralflexion (unilateral)

M. obliquus capitis inferior

U: Dornfortsatz Axis

A: Querfortsatz Atlas

N. suboccipitalis r. dorsalis (C1)

wie M. obliquus capitis superior

Der M. erector spinae wird komplett durch die eingewanderten Rückenmuskeln, M. latissimus dorsi und M. trapezius, durch die spinokostale Gruppe der oberen und unteren Sägemuskeln (M. serratus posterior superior et inferior) sowie durch die zwischen den Schulterblättern gelegene spinoskapuläre Gruppe (Mm. rhomboidei) und die im Lendenbereich derbe Fascia thoracolumbalis bedeckt.

1.1.4.2 Anteriores und posteriores Kompartment der oberen Extremität

Die Muskelgruppen des vorderen (anterioren) Kompartments des Oberarms (Flexorenloge; ► Abb. 1.7a u. ► Tab. 1.5) werden vom N. musculocutaneus (Plexus brachialis) und von kollateralen Ästen (A. collateralis:media et ulnaris superior bzw. inferior) aus der A. axillaris und der A. brachialis versorgt. Die Muskelgruppen des hinteren (posterioren) Kompartments des Oberarms (Extensorenloge; ► Abb. 1.7b u. ► Tab. 1.5) werden dagegen vom N. radialis und von der A. profunda brachii mit A. collateralis radialis (aus der A. brachialis abzweigend) versorgt. Die Muskelgruppen des vorderen und hinteren Kompartments des Unterarms werden vom N. ulnaris bzw. dem N. medianus (Flexoren) und dem N. radialis (Extensoren) motorisch innerviert, die Hand von Endästen des N. medianus (Daumenballen und Hohlhand) und des N. ulnaris (Kleinfingerballen und Hohlhand). Die Blutversorgung der Unterarmlogen erfolgt über die A. radialis und die A. ulnaris (Flexoren) bzw. über die Aa. interosseae communis und posterior mit diversen Anastomosen (Extensoren). In der Hand anastomosieren die A. radialis und die A. ulnaris zu einem oberflächlichen und tiefen Hohlhandbogen (Arcus palmaris profundus et superficialis) mit den jeweiligen Fingerästen (Aa. digitales) zu den entsprechenden Fingern.

Muskeln des Oberarms.

Abb. 1.7

Abb. 1.7a Flexorenloge (Ventralansicht).

Abb. 1.7b Extensorenloge (Dorsalansicht).

Tab. 1.5

 Posteriores und anteriores Kompartment (Oberarm): Schulter- und Armbewegung.

Muskelgruppe

Muskeln

Beschreibung (Palpation)

Ursprung (U), Ansatz (A)

Innervation (Segmente)

Funktionen

posteriores Kompartment

M. triceps brachii (dreiköpfiger Oberarmmuskel)

Caput longum

Caput laterale

Caput mediale

großer, fleischiger Muskel mit 3 Köpfen im posterioren Kompartment des Oberarms und einer gemeinsamen Ansatzsehne am Olekranon (Ellenbogen)

U:

Tuberculum infraglenoidale (Caput longum)

mittleres Drittel des Humerusschafts (Caput laterale)

unteres Drittel des Humerusschafts (Caput mediale)

A: Olekranon (Ulna)

N. radialis (C6–C8)

Extension

Schulterstabilisation

Adduktion

M. anconeus (Ellenbogenmuskel)

kleiner, dreieckiger Muskel am lateralen Ellenbogengelenk

U: Epicondylus lateralis

A: Ulna, radial vom Olekranon

N. radialis (C6–C8)

Extension

Kapselspanner

anteriores Kompartment

M. biceps brachii (zweiköpfiger Armmuskel)

Caput longum

Caput breve

kräftiger zweiköpfiger Muskel mit gemeinsamer Ansatzsehne und oberflächlich gelegener Aponeurose

dient u.a. zur Gurtung der Unterarmbeuger am Caput commune!

U:

Tuberculum supraglenoidale (Caput longum)

Processus coracoideus (Caput breve)

A: Tuberositas radii

N. musculocutaneus (C5–C7)

Ellenbogengelenk:

Flexion

Supination

Schultergelenk:

Abduktion, Innenrotation

Anteversion

M. brachialis (Armmuskel)

kräftiger Muskel, unterhalb des M. biceps gelegen

starker Ellenbogenbeuger

U: distale Hälfte des Humerus

A: Tuberositas ulnae

N. musculocutaneus (C5–C7)

Flexion

M. brachioradialis (Oberarmspeichenmuskel)

oberflächlich lateral gelegener Synergist für die Armbeugung

U: lateraler distaler Humerus

A: Processus styloideus radii

N. radialis (C5–C7)

Flexion

Semipronation

M. coracobrachialis (Rabenschnabel-Oberarmmuskel)

schlanker, zylindrischer Muskel des medialen Oberarms bzw. der Achsel

Synergist zum M. pectoralis

U: Processus coracoideus

A: mittleres Drittel des ventromedialen Humerusschafts

N. musculocutaneus (C6–C7)

Flexion

Adduktion

1.1.4.3 Kompartments der Hüfte, des Gesäßes und der unteren Extremität

Kompartments von Hüfte und Gesäß

Die Muskellogen des Beckengürtels (Hüft- und Gesäßlogen; ► Abb. 1.8 u. ► Tab. 1.6) werden aus dem N. femoralis (ventrale Hüftmuskeln, M. iliopsoas) sowie vom N. glutaeus superior et inferior (dorsale Glutäusmuskeln, M. tensor fasciae latae, o. Abb.) als auch aus direkten Ästen des Plexus sacralis L5–S2 (kleine Rotatorengruppe, o. Abb.) innerviert. Die Blutversorgung erfolgt aus Ästen der großen Beckenarterie, der A. iliaca communis (ventrale Hüftmuskeln), sowie aus der A. glutaea superior et inferior (Glutäusmuskulatur).

Muskeln des Beckengürtels.

Abb. 1.8 Hüft- und Gesäßlogen.

Anteriores Kompartment des Oberschenkels

Die anterioren Muskelgruppen des vorderen Kompartments (Knieextensorenloge; ► Abb. 1.9a u. ► Tab. 1.7) werden vom N. femoralis sowie der A. und V. femoralis aus der äußeren Beckenarterie versorgt.

Muskeln des Oberschenkels.

Abb. 1.9 Anteriores und anterior-mediales Kompartment.

Abb. 1.9a Knieextensorenloge (inklusive M. sartorius).

Abb. 1.9b Adduktorenloge.

Tab. 1.7

 Muskeln des vorderen (anterioren) Kompartments des Oberschenkels: Knieextensorenloge mit Sartoriusloge.

Muskelgruppe

Muskeln

Beschreibung (Palpation)

Ursprung (U), Ansatz (A)

Innervation (Segmente)

Funktionen

Knieextensorenloge

M. quadriceps femoris (vierköpfiger Oberschenkelmuskel)

M. rectus femoris

M. vastus medialis

M. vastus lateralis

M. vastus intermedius

zusätzlich:

M. articularis genu (Kniegelenkmuskel)(o. Abb.)

vierköpfiger fleischiger Muskel am ventralen und lateralen Oberschenkel

Ansatzsehne bildet die Patellarsehne

sein Muskeltonus stabilisiert u.a. das Kniegelenk!

zusätzlicher kleiner M. articularis (d.h. Abspaltung distaler Intermediusfasern); fungiert als „Kapselspanner“ des Recessus suprapatellaris am proximalen Kniegelenk

U:

Spina iliaca anterior inferior (M. rectus femoris)

Labium mediale (M. vastus medialis)

Labium laterale (M. vastus lateralis)

vorderer Femurschaft (M. vastus intermedius)

A: Tuberositas tibiae über Lig. patellae, über Retinaculum patellae medialis und lateralis an den Femurkondylen

N. femoralis (L2–L4)

Knieextension

Teil des primären Kniestreckerapparats

Hüftflexion (nur M. rectus femoris)

Kapselspanner am Knie (M. articularis)

Sartoriusloge

M. sartorius (Schneidermuskel; Pes anserinus superficialis)

schräg über den Oberschenkel laufender, längster Muskel des Körpers

mit vielen Bewegungsmerkmalen

sog. Global Player

U: Spina iliaca anterior superior

A: Tuberositas tibiae (medial)

N. femoralis (L2–L4)

Führungsmuskel sämtlicher Bewegungsmerkmale der Hüfte und des Knies

Global Player

Merke

Der M. sartorius hat eine zentrale Funktion als „globaler“ Führungsmuskel bei allen Bewegungsmerkmalen des Spiel- und Standbeins.

Mediales Kompartment des Oberschenkels

Die Muskeln des medialen Kompartments (Adduktorenloge; ► Abb. 1.9b u. ► Tab. 1.8) werden vom N. obturatorius (Plexus lumbalis L2–L5) sowie von der A. obturatoria (aus der A. iliaca interna abzweigend) versorgt.

Tab. 1.8

 Muskeln des medialen Kompartments des Oberschenkels (Adduktorenloge).

Muskelgruppe

Muskeln

Beschreibung (Palpation)

Ursprung (U), Ansatz (A)

Innervation (Segmente)

Funktionen

Adduktorenloge

M. obturatorius externus (äußerer Hüftlochmuskel)(o. Abb.)

äußerer Hüftlochmuskel

zieht zur Rückseite des Femurs

wird vom M. pectineus vollständig überdeckt

U: Membrana obturatoria

A: Fossa trochanterica

N. obturatorius (L2–L4)

Adduktion

Außenrotation

Beckenstabilisation

M. pectineus (Kammmuskel)

oberflächlicher, kurzer, flacher Muskel

entspringt von der oberen Schambeinkante und zieht kurz zum oberen Drittel des Oberschenkelknochens, liegt medial vom M. iliopsoas im sog. Oberschenkeldreieck (Trigonum femorale)

U: Pecten ossis pubis

A: Linea pectinea des Fermurs (proximale knöcherne Kammleiste mit Übergang zur Linea aspera)

N. obturatorius (L2–L4)

N. femoralis (var.)

wie M. obturatorius externus

M. adductor longus (langer Anzieher)

läuft oberflächlich schräg über dem M. adductor magnus

häufig Grund für Leistenschmerzen (Überlastsyndrom)

U: Os pubis (R. superior)

A: Linea aspera (Labium medialis), mittleres Drittel

N. obturatorius (L2–L4)

Adduktion

Hüftflexion

Beckenstabilisation

M. adductor brevis (kurzer Anzieher)

tief gelegener, kurzer Anziehermuskel

unterhalb des M. pectineus gelegen

U: Os pubis (R. inferior)

A: Linea aspera (Labium medialis), oberes Drittel

N. obturatorius (L2–L4)

Adduktion

Flexion und Extension

Beckenstabilisation

M. adductor magnus (großer Anzieher)

großer, kräftiger Anziehermuskel

mit oberflächlichem (sehnigem) und tiefem (fleischigem) Ansatz

bildet distal den „Adduktorenschlitz“ (mediodorsaler Durchtritt der A. und V. femoralis) in die Kniekehle

U: Os pubis (R. inferior), Tuber ischiadicum (R. ossis ischii)

A: Labium mediale lineae asperae (tief), Epicondylus medialis (oberflächlich)

N. obturatorius (L2–L4)

wie M. obturatorius externus

zusätzlich:

Hüftextension

M. gracilis (schlanker Muskel; Pes anserinus superficialis)

langer, dünner Muskel

bildet die mediale muskuläre Begrenzung des Oberschenkels

Anteil des Pes anserinus

U: Symphyse (R. inferior)

A: Tuberositas tibiae

N. obturatorius (L2–L4)

Hüftadduktion

Hüftflexion

Knieflexion

Innenrotation

Eine Leistenzerrung ist eine akute oder chronische Reizung der Ursprungssehnen (M. gracilis und M. adductor magnus et longus) durch Überlastung (Insertionstendopathie) mit stechendem Schmerz in der Schambeinregion. Alternativ können Überdehnungen in Form von „spindelförmig ausstrahlenden“ Schmerzen (d.h. Mikrotraumen muskulärer Strukturen im schwächsten Glied, also im Muskelbauch selbst und weniger an der endseitigen Sehnenaufhängung am Knochen) z.B. von den Adduktoren oder dem M. rectus femoris (früher: M. tensor fasciae latae) in die Leistenregion ausstrahlen.

Posteriores Kompartment des Oberschenkels

Das posteriore Kompartment des Oberschenkels (ischiokrurale Loge; ► Abb. 1.10 u. ► Tab. 1.9) wird vom N. tibialis (aus dem N. ischiadicus abzweigend) versorgt; die arterielle Versorgung der ischiokruralen Loge übernimmt die aus der ventralen A. femoralis etwas tiefer entspringende A. profunda femoris mit ihren 3–4 Aa. perforantes, die als Durchtrittsgefäße durch die Adduktorenloge in die ischiokrurale Loge ziehen.

Muskeln des Oberschenkels.

Abb. 1.10 IschiokruraleLoge.

Tab. 1.9

 Muskeln des hinteren (posterioren) Kompartments des Oberschenkels: ischiokrurale Loge.

Muskelgruppe

Muskeln

Beschreibung (Palpation)

Ursprung (U), Ansatz (A)

Innervation (Segmente)

Funktionen

ischiokrurale Loge

M. biceps femoris (zweiköpfiger Oberschenkelmuskel)

Caput longum

Caput breve

lateral verlaufender Muskel mit langem und kurzem Kopf

bildet die seitliche Begrenzung der Kniekehle (Fossa poplitea)

U:

Tuber ischiadicum (Caput longum)

Labium laterale der Linea aspera (Caput breve)

A: Caput fibulae

N. tibialis (L5–S2)

Hüftextension

Knieflexion

Beckenstabilisation

M. semimembranosus (halbmembranöser Muskel; Pes anserinus profundus)

breiter Muskel mit großflächiger Ursprungssehne

liegt medial vom M. biceps femoris unterhalb des M. semitendinosus

bildet die mediale Begrenzung der Kniekehle (Fossa poplitea)

U: Tuber ischiadicum

A: Condylus medialis

N. tibialis (L5–S2)

wie M. biceps femoris

zusätzlich:

Innenrotation im Knie

M. semitendinosus (halbsehniger Muskel; Pes anserinus superficialis)

fleischiger Muskel mit langer Ansatzsehne (ab Mitte Oberschenkel)

liegt über dem M. semimembranosus

begrenzt die Kniekehle medial

U: Tuber ischiadicum

A: Tuberositas tibiae (medial)

N. tibialis (L5–S2)

wie M. semimembranosus

M. popliteus (Kniekehlenmuskel)(o. Abb.)

kleiner Muskel mit schrägem Verlauf durch die tiefe Kniekehle

dient u.a. als Fixpunkt des Außenmeniskus sowie als „Polster“ für die dorsale Gefäß-Nerven-Straße mit A. und V. poplitea und N. tibialis

U: Condylus lateralis, Meniscus lateralis

A: proximale Tibia (dorsal), oberhalb der Soleusarkade (Arcus tendinosus mm. solei)

N. tibialis (L5–S2)

Knieflexion

Außenrotation

Die Funktion der gelähmten ischiokruralen Muskeln kann beim Gehen, Stehen, Aufstehen und Treppensteigen durch einen noch funktionsfähigen M. glutaeus maximus teilweise kompensiert werden. Im Knie können Überstreckungen erfolgen (Genu recurvatum).

Unterschenkel

Die Muskeln des anterioren Kompartments des Unterschenkels (Extensorenloge; ► Abb. 1.11a u. ► Tab. 1.10) werden vom N. peronaeus superficialis sowie von der A. und V. tibialis anterior versorgt. Die Versorgung des lateralen Kompartments des Unterschenkels (Peronäus- bzw. Fibularisloge; ► Abb. 1.11b u. ► Tab. 1.10) übernehmen der N. peronaeus superficialis und die A. peronea superficialis. Die Muskeln des posterioren Kompartments des Unterschenkels (oberflächliche und tiefe Flexorenloge; ► Abb. 1.11c u. ► Tab. 1.11) werden durch den N. tibialis sowie durch die A. tibialis posterior (aus der A. poplitea abzweigend) versorgt.

Muskeln des Unterschenkels.

Abb. 1.11

Abb. 1.11a Anteriores Kompartment, Extensorenloge.