Mut steht uns gut! - Antje von Dewitz - E-Book

Mut steht uns gut! E-Book

Antje von Dewitz

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  • Herausgeber: Benevento
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2020
Beschreibung

Nachhaltig denken, erfolgreich lenken! Was wäre, wenn ein Unternehmen die Verantwortung für Mensch und Natur ernst nimmt? Wenn eine Unternehmerin Werte wie Nachhaltigkeit, Vereinbarkeit von Familie und Beruf und Vertrauen zur praktischen Firmenphilosophie macht und selbst konsequent lebt? Antje von Dewitz und ihr Team zeigen, dass man scheinbar alternativlose Paradigmen wirtschaftlichen Erfolgs über Bord werfen und damit ziemlich erfolgreich sein kann. Ein kluges, optimistisches und inspirierendes Buch. Immer mehr, immer billiger, maximaler Profit – und nach uns die Sintflut? Dass es anders geht, und zwar erfolgreich, zeigt das Familienunternehmen VAUDE, das Nachhaltigkeit bereits vor zehn Jahren zum Erfolgsmodell machte und mit seiner Strategie beweist, dass ökonomischer Erfolg und ökologische und soziale Verantwortung keine Widersprüche sind. Das Thema Nachhaltigkeit steht ganz oben auf der Agenda, nicht nur in Sachen Familienfreundlichkeit ist das Unternehmen Vorreiter. Ob Klimawandel oder der Umgang mit Migranten: Antje von Dewitz bezieht klar Position, geht voran und motiviert. In ihrem Buch nimmt sie uns mit auf eine Reise in die Zukunft, die bei VAUDE bereits Gegenwart ist. »Nachhaltiges Wirtschaften macht nicht nur mehr Spaß und Sinn – mit viel Herzblut und Innovation ist es auch erfolgreich!« Antje von Dewitz »Antje von Dewitz' Buch ist eine Anleitung, wie man mit Weitsicht, Leidenschaft und Tatendrang Veränderungen erfolgreich gestaltet. Es ist eine Geschichte, die Mut macht und Zuversicht gibt.« Winfried Kretschmann

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Seitenzahl: 200

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ANTJE VON DEWITZ

MUT STEHT UNS GUT!

Nachhaltig, menschlich, fair –mit Haltung zum Erfolg

Sämtliche Angaben in diesem Werk erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung ohne Gewähr.Eine Haftung der Autoren bzw. Herausgeber und des Verlages ist ausgeschlossen.

Das Zitat im Innenteil des Buches haben wir verwendet mit freundlicher Genehmigung von:© aus: John Irving: Owen Meanyaus dem Amerikanischen von Edith Nerke und Jürgen BauerCopyright der deutschsprachigen Ausgabe © 1990, 1992 Diogenes Verlag AG Zürich

1. Auflage 2020

Copyright der deutschen Erstausgabe © 2020 Benevento Verlagbei Benevento Publishing Salzburg – München,eine Marke der Red Bull Media House GmbH, Wals bei Salzburg

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags, der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen sowie der Übersetzung, auch einzelner Teile.

Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Medieninhaber, Verleger und Herausgeber:

Red Bull Media House GmbH

Oberst-Lepperdinger-Straße 11–155071 Wals bei Salzburg, Österreich

Satz: MEDIA DESIGN: RIZNER.AT

Gesetzt aus der Palatino, Bureau Grotesk FB One FiveUmschlaggestaltung: Martina Eisele, München

Umschlagfoto: © Vaude/Nicole Maskus-Trippel/bodensee-fotografen.de

ISBN: 978-3-7109-0072-3

eISBN: 978-3-7109-5083-4

Dieses Buch wurde zu 100 Prozent klimaneutral produziert.

Umschlag aus Gmund Bio Cycle, 100 Prozent recycelter Zellstoff.

Wenn dir etwas am Herzen liegt, dann musst du es beschützen – und wenn du so viel Glück hast, eine Art zu leben zu finden, die dir gefällt, dann musst du den Mut haben, sie auch zu leben.

JOHN IRVING, OWEN MEANY

INHALT

Vorwort von Winfried Kretschmann

Prolog: Die Zukunft gehört den Mutigen

Von Pionieren Mut lernen

Mein Weg zu VAUDE

Mutter und Firmenchefin

Arbeitszeit ist Lebenszeit!

Nachhaltigkeit als Mission

Frauen nach vorn

Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser

Mit Streit zum Mitstreiter

Wachstum ist nicht alles!

Haltung zeigen in haltlosen Zeiten

Epilog: Tropfen im Wasser, die Kreise ziehen

Danksagung

Nachweis der Quellen, Auszeichnungen und Siegel

VORWORT VON WINFRIED KRETSCHMANN

Altkanzler Helmut Schmidt hat einmal gesagt: »Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.« Antje von Dewitz ist nicht zum Arzt gegangen, sondern zu VAUDE, der Firma ihres Vaters. Dort hat sie die Ärmel hoch- und die Firma umgekrempelt. Ihre Vision: VAUDE sollte das nachhaltigste Unternehmen Europas werden. Vor gut zehn Jahren, als sie begann ihre Ideen in die Tat umzusetzen, wurde sie noch von manchen belächelt. »Die bei VAUDE pflanzen schon wieder Blümchenwiesen«, spottete ein Wettbewerber aus den frühen Jahren.

Heute lacht keiner mehr. Im Gegenteil. Heute lesen wir Schlagzeilen wie: »Größter Hedgefonds der Welt fordert Klimaschutz«, »Bosch will komplett klimaneutral arbeiten« und »Weltwirtschaftsforum warnt vor Klimawandel«. Eine doppelte Erkenntnis setzt sich in den Führungsetagen durch: Wir können nicht einfach weitermachen wie bisher. Und nur mit klimafreundlichen Produkten und Dienstleistungen werden wir auf den Märkten der Zukunft bestehen.

Was andere jetzt angehen, hat Antje von Dewitz vor einem Jahrzehnt schon auf den Weg gebracht. Denn sie wollte mehr bewegen als nur Quartalszahlen. Damit entspricht sie einem klassischen baden-württembergischen Unternehmerideal. Einer Führungspersönlichkeit, die über das Firmengelände hinausschaut. Die Verantwortung für die Gesellschaft übernimmt und nicht nur dem Unternehmen, sondern auch dem Gemeinwohl dient.

Solche Menschen, die Mut machen und kraftvoll anpacken, brauchen wir heute dringender denn je. Denn wir leben in unruhigen Zeiten. Fundamentale Umbrüche prasseln auf uns herein: vom Klimawandel und der digitalen Revolution über die Globalisierung bis zur weltweiten Migration. Das alles spielt sich gleichzeitig und mit rasantem Tempo ab. Unsere Welt wird immer schneller, vernetzter und komplexer. Das beschäftigt uns alle: Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Arbeitnehmer und Bürgergesellschaft. Die Herausforderungen verlangen übergreifendes Denken und gemeinsame Antworten. Alleine werden wir keines der Probleme in den Griff bekommen. Jeder muss Teil der Lösung werden.

Das wird nirgendwo so deutlich wie beim Klimaschutz. Der Klimawandel macht eben nicht an irgendeiner Grenze halt. Kein Ort unseres Planeten bleibt vom Klimawandel verschont – egal ob arm oder reich, groß oder klein, entwickelt oder nicht. Der Kampf gegen die globale Erhitzung ist deshalb die Menschheitsfrage des 21. Jahrhunderts. Er entscheidet darüber, ob unser Planet ein lebenswerter Ort bleibt oder nicht. Die Folgen der Klimakrise sind schon heute für uns alle sichtbar. Wir müssen sie nur sehen wollen. Wir erleben gerade das größte globale Artensterben seit dem Ende der Dinosaurier. Extreme Wetterereignisse nehmen zu. Ganze Regionen drohen unbewohnbar zu werden. Schon heute zwingt der Klimawandel mehr Menschen zur Flucht als alle Kriege zusammen.

Wir können die Erderwärmung aber nur stoppen, wenn wir anders wirtschaften als bisher. Ein solches Umschalten ist aber nicht nur ökologisch notwendig, sondern auch ökonomisch sinnvoll. Denn Nachhaltigkeit und Klimaschutz werden immer mehr zu einem wichtigen Geschäftsmodell. Nur wer Ökologie und Ökonomie verbindet, wird im Wettbewerb um die Märkte von morgen vorne mitspielen können. Deutschland und Baden-Württemberg kommt bei der Transformation eine Schlüsselrolle zu. Als weltweit führender Industriestandort müssen wir zeigen: Man kann auch gut leben und wirtschaftlich erfolgreich sein, wenn wir wirtschaftliche Entwicklung von Naturverbrauch entkoppeln. Wir müssen ein Modell klimaverträglichen Wohlstands liefern, an dem sich andere orientieren, weil sie sehen, dass es funktioniert.

Antje von Dewitz hat längst bewiesen, dass sich mit grünen Ideen schwarze Zahlen schreiben lassen. Aber sie übernimmt auch darüber hinaus Verantwortung für unsere Gesellschaft. Ich denke etwa an ihren Einsatz bei der Integration von Geflüchteten. In der Flüchtlingskrise 2015 hat von Dewitz nicht lange gezögert, sondern angepackt und über ein Dutzend Flüchtlinge als Arbeitskräfte eingestellt.

Antje von Dewitz’ Buch ist eine Anleitung, wie man mit Weitsicht, Leidenschaft und Tatendrang Veränderungen erfolgreich gestaltet, wie man Mitarbeiter begeistert und Kunden überzeugt. Es ist eine Geschichte, die Mut macht und Zuversicht gibt.

PROLOG: DIE ZUKUNFT GEHÖRT DEN MUTIGEN

Jemand klopft mir auf den Rücken, meine Schwester Martina flüstert: »Los, zeig’s ihnen!«, und schenkt mir ein zuversichtliches Lächeln. Meine Kollegen und Kolleginnen vom Nebentisch beginnen rhythmisch zu klatschen und etwas wie »Go VAUDE!« zu rufen. Diese Auszeichnung würde so viel für uns bedeuten. Es würde so guttun, nach innen wie außen zeigen zu können, dass unser Weg höchste Anerkennung findet.

Ich bahne mir meinen Weg zwischen den anderen Tischen nach vorne, erhalte ein Kopfnicken von unserem Ex-Außenminister Genscher und erhasche ein aufmunterndes Lächeln der schwedischen Königin Sylvia, deren Tisch direkt vor der Bühne platziert ist. Auf der Bühne stehe ich aufs Äußerste gespannt neben den beiden Vertreterinnen der anderen nominierten Unternehmen. Eine Menge Scheinwerfer sind auf uns gerichtet, sodass es schwer ist, im Raum etwas zu erkennen. Doch das ist auch gar nicht nötig, denn noch immer ertönen die anfeuernden Rufe von unseren Tischen und weisen mir die Blickrichtung: Gut zwanzig Kollegen und Kolleginnen, die in den vergangenen Jahren hart an der Umsetzung unserer Vision gearbeitet hatten, sind mitgereist und fiebern mit.

Sven Hannawald öffnet den Umschlag: »… and the winner is: VAUDE!« Ich reiße meine Arme hoch und gehe vor Freude, Erleichterung und Glück in die Knie. Von unseren Tischen ertönt lauter und nicht endend wollender Jubel. Alle liegen sich in den Armen. Ob Jan, der als Geschäftsleiter für Vertrieb und Nachhaltigkeit mit seiner ganzen Persönlichkeit, seiner Kompetenz und seinem Engagement für die funktionierende Umsetzung unserer Vision stand. Oder Hilke, unsere Nachhaltigkeitsverantwortliche, die uns unermüdlich mit großer Energie und Leidenschaft vorantrieb und dafür sorgte, dass wir uns immer neue Ziele setzten. Und Erwin, unser Geschäftsleiter für Finanzen, der sich nicht nur zu einem engagierten Kämpfer für grüne Finanzierungskonzepte entwickelt hatte, sondern gerade auch den gesamten visionären Umbau unseres Gebäudes gestemmt hatte. Oder Bettina, die mit großer Kompetenz und zäher Energie unser Qualitätsund Chemikalienmanagement aufbaute und uns gegen alle Widerstände den Weg zur Schadstofffreiheit bereitete sowie viele engagierte VAUDEler aus der Produktentwicklung, die immer wieder aufs Neue den größten Anteil an Veränderungen, neuen Aufgaben, Rückschlägen und Zielkonflikten durch unseren nachhaltigen Weg zu stemmen hatten. Auch mein Vater Albrecht, der Gründer von VAUDE, und meine beiden Schwestern waren dabei, was dem Abend für mich noch größere Bedeutung verlieh. Alle drei begleiten auch als Gesellschafter des Unternehmens unseren gemeinsamen Weg.

Ich war stolz, hier im Namen von uns allen auf der Bühne stehen zu dürfen und freute mich riesig, dass wir an diesem Abend unseren gemeinsamen Erfolg feiern konnten! Was folgte, war eine der besten Nächte meines Lebens. Gemeinsam rockten wir bis weit in die Morgenstunden die Tanzfläche. Wir alle tanzten in wilden Verrenkungen mit »unserer Kugel«, dem kugelförmig gestalteten Deutschen Nachhaltigkeitspreis. Wir steckten alle mit unserer ausgelassenen Partystimmung an. Unsere Freude war riesengroß: Wir hatten es geschafft! Wir waren Deutschlands nachhaltigste Marke 2015.

Wenn ich darüber nachdenke, was wir durch unser Wirtschaften und unser Konsumverhalten unseren Mitmenschen, allen Lebewesen dieser Erde und unserem Planeten antun, dann belastet mich das sehr. Durch unser tägliches und häufig schlicht unbedachtes Handeln unterstützen wir, dass Menschen ausgebeutet und Natur vernichtet wird. Oft ist es einfach bequem, wider besseres Wissen. Häufig wollen wir auch gar nicht so genau wissen, was unser Handeln bewirkt. Egal welchen Motiven diese Haltung entspringt – für mich fühlt sich das so an, als ob viel zu viele Menschen und auch zu viele Unternehmensverantwortliche einfach wegschauen. Das ist einerseits menschlich, denn es tut sich oftmals ein Abgrund auf, wenn man sich zum Beispiel damit beschäftigt, welche radikalen Folgewirkungen der Anbau der Kakaobohnen der Lieblingsschokolade hat, unter welchen menschenunwürdigen Bedingungen die eigene Bekleidung produziert wird oder wie die Rohstoffe für unsere Smartphones abgebaut werden. Es tut weh, genauer hinzuschauen und sich damit auseinanderzusetzen und es hinterlässt meistens ein Gefühl der Hilflosigkeit. Das geht mir nicht anders. Andererseits fühle ich mich, nicht zuletzt seit ich Kinder habe, dazu verpflichtet, genauer hinzuschauen und mein Handeln zu hinterfragen. Ich spüre die Verantwortung, meinen Teil dazu beizutragen, dass sie eine lebenswerte Zukunft haben. Wenn mich meine Kinder eines Tages fragen: »Mama, was hast du getan, um das zu verhindern?«, dann möchte ich ihnen in die Augen schauen und sagen können, dass ich mich wirklich bemüht habe.

Wäre es nicht großartig, wenn wir einfach davon ausgehen könnten, dass die Produkte unserer Wahl ökologisch und fair hergestellt wurden? Wenn Marken ihre Kunden zum nachhaltigen und bewussten Konsum anregen, statt sie mit Tiefstpreisen zum Mehrkauf zu verlocken? Wenn Unternehmen sich für ihr gesamtes Handeln, auch in fernen Lieferketten, verantwortlich zeigen und sich mit großer Selbstverständlichkeit für das Wohl von Mensch und Natur einsetzen? Ich bin der Meinung, das muss keine unerreichbare Vision bleiben. Ich möchte durch mein Tun und meine tägliche Arbeit dazu beitragen, diese lebenswerte Zukunft mitzugestalten. Dass ich gemeinsam mit einem großartigen und engagierten Team in zweiter Generation VAUDE leiten darf ist für mich ein unglaubliches Glück und ein großes Privileg. Auch wir sind als Wirtschaftsunternehmen ein Teil vieler Probleme und machen nicht alles perfekt. Aber wir bemühen uns seit vielen Jahren intensiv darum, genauer hinzuschauen und Teil der Lösung zu sein. Das gelingt uns immer besser und wir sind damit allen Unkenrufen zum Trotz wirtschaftlich erfolgreich. Das gibt mir Kraft und Hoffnung und macht mir immer wieder aufs Neue Mut.

VON PIONIEREN MUT LERNEN

Mein Vater ist VD. Er hat das Unternehmen gegründet und ihm seinen Namen gegeben. VAUDE ist abgeleitet von den Initialen unseres Nachnamens »von Dewitz« – ganz einfach lautsprachlich hintereinander gesetzt als »Vau« und »De«. Die Initialen wurden zu seinem Spitznamen, und er benutzte sie auf offiziellen Schriftstücken, lange bevor er 1974 sein eigenes Unternehmen gründete, sich mit meiner Mutter im Hinterland des Bodensees niederließ und sein Kürzel kurzerhand zum Unternehmensnamen machte. Weder er noch meine Mutter stammen ursprünglich von hier. Es erstaunt also nicht, dass verblüffte Besucher und Besucherinnen, die den oft langen und, je nach Wahl der Verkehrsmittel, komplizierten Weg auf sich nehmen, um zu uns in den tiefen Süden Oberschwabens zu gelangen, häufig fragen: »Wie kommt es eigentlich, dass Ihr Firmensitz ausgerechnet hier liegt?«

Schön finden es eigentlich alle bei uns. Unser Betriebsgelände liegt idyllisch eingebettet zwischen sanften Hügeln, grünen Nadelwäldern und den kleinen Dörfern Unter- und Obereisenbach, zehn Kilometer vom Bodensee entfernt. Der Blick aus unseren Fenstern zeigt, je nach Etage und Blickrichtung, wahlweise die Dorfkirche, Kühe, Wiesen, Hopfenfelder oder in der Ferne sogar die Alpen. Die ländliche Lage abseits großer Verkehrsknotenpunkte oder Industriezentren lässt bereits erahnen, dass VAUDE nicht aufgrund der optimalen Infrastruktur hier gegründet wurde.

Meine unternehmungslustige Mutter, die aus Bremen kommt, hatte ihre Sommerferien seit ihrer Jugend damit verbracht, allein mit einer Freundin auf dem Fahrrad quer durch die Republik zu reisen. Vom Bodensee war sie auf Anhieb begeistert: »Das ist ja, als ob man ständig Urlaub hat.« Auch mein Vater, der seine Kindheit größtenteils in Celle verbracht hatte, lernte diese Gegend bei Verwandtschaftsbesuchen in der Nähe kennen und konnte den Wunsch meiner Mutter nachvollziehen, sich in dieser wunderschönen Gegend niederzulassen.

Die beiden haben früh geheiratet: Mein Vater studierte in Wilhelmshaven an der Nordsee Betriebswirtschaft, meine Mutter verdiente als Chemotechnikerin das Geld. Mein Vater besserte die Haushaltskasse auf, indem er alte Autos restaurierte und verkaufte. 1968 kam meine Schwester Martina noch im Norden auf die Welt. Nach erfolgreichem Abschluss seines Studiums zog meine Familie dann in den Süden: Mein Vater entschied sich für eine Stelle bei einem Sportartikelhersteller in Balingen. Nicht nur die Sportbranche hatte es meinem Vater angetan, sondern auch die Aufgabe als Exportleiter, die seiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Reisen sehr entgegenkam. So zogen meine Eltern mit meiner Schwester 1969 von der Nordsee auf die Schwäbische Alb, drei Jahre später wurde ich dort geboren.

Wenig später ergab sich für meinen Vater der nächste Schritt: Ihm wurde die Stelle als Geschäftsführer einer neu gegründeten Skimarke am Bodensee angeboten. Ein Systemproduzent für Haushaltsgeräte mit ausgeprägter Kunststoffexpertise im oberschwäbischen Neukirch wollte Skier nach neuester Technologie in den Sportmarkt einführen. Damit das als marktfremdem Unternehmen gelang, hatte man zu sehr günstigen Konditionen ein weiteres Unternehmen aufgekauft: die Firma Rosskopf aus Immenstadt im Allgäu, die älteste Skifabrik Deutschlands. Schnell stellte sich jedoch heraus, dass das Unternehmen vor dem Ruin stand. Statt also moderne Skier in den Markt einzuführen, bestand die erste Aufgabe meines Vaters darin, das Unternehmen Rosskopf abzuwickeln, für ihn das komplette Gegenteil dessen, was ihm eigentlich Freude macht, wie er mir später erzählte: »Es macht Spaß, etwas zu gründen und in Gang zu bringen, aber etwas zu beenden ist einfach nur schrecklich.« Während dieser schwierigen Monate wurde ihm klar, dass er zwar nicht an den Erfolg der Skier seines neuen Arbeitgebers glaubte, der Bergsport in seinen Augen jedoch etwas war, das die Menschen begeistern würde. Er erzählte einmal, dass er davon überzeugt gewesen sei, dass der klassische Italien-Strandurlaub in den Siebzigerjahren längst nicht mehr zum neuen Lebensgefühl passte, weil die Menschen in die Natur wollten, in die Berge. Er folgerte, dass es das Richtige sei, Rucksäcke zu produzieren, die sowohl für die Wanderung im Taunus als auch für Himalaja-Expeditionen geeignet wären. Hochwertige Ausrüstung für Menschen, die in der Natur aktiv sein wollten.

Ich bin immer noch beeindruckt, welche Weitsicht er mit dieser Einschätzung bewies, denn »Outdoor« gab es damals weder als Begriff noch als den breiten, attraktiven Markt, der uns heute ganz selbstverständlich erscheint und es als Lifestyle sogar in die Fußgängerzonen unserer Innenstädte geschafft hat. Stattdessen wurde Bergsport überwiegend von Männern ausgeübt: Lederhosen, dicke Wanderstiefel aus Leder und rote Socken prägten damals das Bild. Entsprechend groß war die Skepsis der Gesellschafter des Unternehmens, als er sie davon überzeugen wollte, sich anstelle der Skier auf die Herstellung von Rucksäcken zu konzentrieren: »Vergessen sie es! Mit den paar Produkten, die Bergsteiger brauchen, können wir keine Umsätze machen. Wir bleiben bei unseren Skiern!«

Einwände waren jedoch noch nie etwas, das meinen Vater davon abgehalten hätte, eine einmal lieb gewonnene Idee zu verwirklichen. Im Gegenteil, Widerstand spornt ihn erst recht an: »Geht nicht, gibt’s nicht!« So erstaunt es im Nachhinein nicht, dass er die Idee schließlich einfach selbst umsetzte. »Es war ja auch schon immer mein Traum, mich irgendwann selbstständig zu machen!«, kommentierte er im Nachhinein diesen Schritt. Er kündigte kurzerhand seinen Job, stellte Kontakt zu den Firmen Stubai und Edelweiss her, um deren Bergsportprodukte wie Seile, Karabiner und Eispickel in Deutschland zu vertreiben, und sah sich nach geeigneten Produktionsmöglichkeiten für die geplanten Rucksäcke um. Damit war der Grundstein für das Unternehmen gelegt und meine Mutter kreierte als erstes Logo ein Kleeblatt, das der Firmengründung Glück bringen sollte. Gründungskapital für das neue Unternehmen war so gut wie nicht vorhanden. Mein Vater hatte eine kleine Abfindung bei seinem ehemaligen Arbeitgeber ausgehandelt und konnte einen überschaubaren Kredit auf seinen Anteil am Haus seiner Mutter aufnehmen. Ich staune immer noch, mit wie viel Risikofreude meine Eltern sich auf dieses Abenteuer einließen und mit wie viel Willensstärke mein Vater aus dieser bescheidenen Ausgangssituation ein erfolgreiches Unternehmen gründete. Meine Mutter meinte dazu im Rückblick: »Ich war immer schon risikofreudig und habe deinem Vater voll vertraut. Und wir hatten ja auch nicht viel zu verlieren.«

Schon von Gründung an beschäftigte mein Vater auf geringer Teilzeitbasis einen Buchhalter. Ein Jahr später folgten die Sekretärin Edith, die meine kleine Schwester Kerstin immer mit Keksen fütterte, und unser Nachbar Klaus, der von Anfang an immer wieder ausgeholfen hatte und nun als Mann für alles fungierte, bald darauf mein Onkel Hubertus. Aus dieser familiären und freundschaftlichen Gründungsphase resultiert nicht zuletzt, dass sich bei VAUDE alle duzen. Dieses sehr persönliche und direkte Miteinander prägt unser Unternehmen bis heute.

Als Büro des frisch gegründeten Unternehmens wurde das Schlafzimmer meiner Eltern in unserer Wohnung in Untereisenbach umfunktioniert. Das war der einzige Raum, der mit einer Extratür vom Rest der Fünfzimmerwohnung abgegrenzt war und damit eine gewisse Besuchertauglichkeit aufwies. Die anderen Räume bestanden aus unserem Kinderzimmer, dem Esszimmer, Wohnzimmer, der Küche und einem weiteren kleinen Räumchen, das meine Eltern fortan als Schlafzimmer nutzten. Als eine Art Basislager diente die Hopfendarre unseres Vermieters, des Hopfenbauers Paul Martin. In diesem über eine Treppe zu erreichenden Raum in der Scheune nebenan wurden hauptsächlich die Produkte gelagert und versandfertig gemacht. Ein paar Wochen im Jahr musste die Ware allerdings immer ausgelagert werden: wenn die Ernte kam und der Hopfen dort gelagert und getrocknet wurde. Der Raum diente aber auch als Kinderspielplatz, als einfache Produktionsstätte und Partyraum, denn ein Grund zum Feiern fand sich eigentlich immer.

Rund um diese ungewöhnliche Raumsituation der Gründungsjahre ranken sich viele lustige Anekdoten. So war im Büro aus Platzmangel nicht nur Fritzchen, unser Meerschweinchen, untergebracht, sondern auch der nach wie vor eingebaute Kleiderschrank meiner Eltern. Damit wenigstens jener nicht so auffiel, beklebten sie ihn mit großen Bergbildern und achteten streng darauf, dass die Schranktüren bei Kundenbesuchen geschlossen blieben.

Wollten Kunden nach dem Besuch im Büro noch das Lager sehen, gab es eine einstudierte Vorgehensweise. Oberstes Gebot war es, beim Kunden einen möglichst professionellen und geschäftigen Eindruck zu hinterlassen. Per Funkverbindung in die Hopfendarre wurde also, sofern unsere Mitarbeitenden im Lager tätig waren, unauffällig gecheckt, ob diese anwesend waren, und angekündigt, dass gleich Besuch nahte. War keiner vor Ort, dann wurde der Gast von meinem Vater möglichst langsam über den Hof zur Scheune geführt, während meine Mutter sich einen Arbeitsmantel überzog, über den Terrassenausgang die Abkürzung zur Scheune nahm und dort sehr geschäftig die Logistikmitarbeiterin mimte. Bei einem dieser Kundenbesuche im Winter 1976 packten Klaus und Hubertus Pakete im Lager. Die beiden hatten allerdings den Buller-Ofen der Hopfendarre nicht nur dazu genutzt, die kalte Scheune zu erwärmen, sondern auch, um Glühwein zu kochen. Als mein Vater mit dem Kunden die kleine Treppe hochkam, präsentierten sich ihnen nicht wie erwartet fleißig packende Logistikmitarbeiter, sondern zwei im Glühweinrausch selig schlafende Männer auf dem Packtisch.

So gut wie alles wurde in diesen Anfangsjahren in Eigenregie gestaltet, mit viel Kreativität und einer guten Portion Pragmatismus. Als beispielsweise ein Katalog benötigt wurde, um die Produkte zu präsentieren, fanden die Fotoshootings dazu meist nachts in unserem Wohnzimmer statt; als Models hielten Nachbarn, Freunde und Familie her, auch mein Vater selbst posierte für die benötigten Werbebilder. Bier floss bei solchen Gelegenheiten reichlich, alle hatten bei diesen Nachtaktionen großen Spaß. Die Erinnerungen an diese Zeit sind ebenso legendär wie die daraus resultierenden Fotos.

Auch der erste Messestand, mit dem unsere Produkte auf der spoga in Köln präsentiert wurden, war selbst gebaut, aus alten Holzdielen und einer Art Baum mit Ästen, an dem die Rucksäcke hängen sollten. Die Fahrt machten meine Eltern mit einem alten Lkw, der zwar professionell in den gelb-grünen Firmenfarben samt Logo angemalt war, aber so langsam fuhr, dass sie für die Fahrt vom Bodensee nach Köln zwei Tage benötigten. An einer Tankstelle wurde meine Mutter nach einem skeptischen Blick auf die Ladung des Lkws gefragt: »Na Frollein, handeln Sie mit Antiquitäten?« Als sie endlich in Köln ankamen, war kaum noch Zeit für den Aufbau und sie benötigten die gesamte Nacht, um gerade rechtzeitig zu Messebeginn fertig zu werden.

Neben der Suche nach besseren Produzenten, der Weiterentwicklung der Rucksäcke, der Gestaltung von Katalogen, dem Ausstellen auf internationalen Messen und vielem anderen mehr bestand der Hauptjob meines Vaters in den ersten Jahren vor allem darin, als Vertreter unermüdlich die Händler in Deutschland abzuklappern und seine Produkte anzubieten. In der Zwischenzeit und neben der Betreuung der erst zwei, später drei Töchter packte meine Mutter die Pakete, fuhr sie nachmittags mit ihrer Ente zum Postamt in Tettnang und schrieb die Rechnungen.

Mein Vater nutzte jeden Freiraum, um sich auf die Erweiterung der Produktpalette und die technische Weiterentwicklung der einzelnen Produkte zu konzentrieren. Ende der Siebzigerjahre konnten die ersten weltweiten Patente für die extrem leichten Tragegestell-Rucksäcke angemeldet werden, die dann auch gleich international Auszeichnungen erhielten. Daneben wurden Schlafsäcke, Zelte und die erste Funktionsbekleidung Teil des VAUDE-Produktsortiments. Um die optimalen Produktions- und Einkaufsmöglichkeiten für diese Produkte zu finden, reiste mein Vater rund um die Welt, tauschte Erfahrungen mit Bergsteigern aus und regte Hersteller zur Produktion neuer, besserer Artikel an. Wieder einmal bewies er Pioniergeist, indem er dazu nicht nur enge Kooperationen mit Herstellern aus Korea oder Japan einging, sondern Ende der Achtzigerjahre als einer der ersten Europäer ein eigenes Produktionsbüro in Vietnam und wenig später eine eigene Produktion in China eröffnete. Die Geschichten, die mein Vater aus dieser Zeit erzählt, sind so spannend, dass sie ein eigenes Buch füllen könnten: »Ich war meist die erste Langnase, der die Menschen in China begegnet waren. Überall wo ich mich hinbewegte, bildeten sich lange Schlangen und Grüppchen von Menschen, die mich anstarrten und mich berühren wollten.« Bis dahin waren eigene unternehmerische Tätigkeiten von Ausländern in dem kommunistischen Land nicht möglich gewesen; es gab nur Staatsunternehmen. Mithilfe der guten Kontakte, die mein Vater sich über Jahre in China aufgebaut hatte, nutzte er die rechtlichen Möglichkeiten und gründete gemeinsam mit chinesischen Geschäftspartnern eine Produktionsstätte, in der 25 Jahre lang unsere Rucksäcke produziert werden sollten.

In den Anfangsjahren in Untereisenbach war diese Entwicklung in Asien allerdings noch Zukunftsmusik. Dort war Ende der Siebzigerjahre erst einmal eine räumliche Veränderung angesagt. Mit zehn Kollegen und Kolleginnen und bereits fünf Millionen DM Umsatz kam unser Untereisenbacher Standort mit Lager, Versandplatz und Büro an seine Grenzen. Unsere erste Auszubildende bei VAUDE, die noch heute bei uns beschäftigt ist, erzählte schmunzelnd: »Ich besaß nur dann einen eigenen Arbeitsplatz, wenn die anderen im Außendienst unterwegs waren. Sonst musste ich mich ans Telefax setzen und das als Schreibtisch nutzen.«

Die Firma wuchs und gedieh, und mein Vater suchte nach einem passenden Grundstück, um ein Büro, ein Lager und eine eigene Manufaktur für die Rucksäcke zu bauen. Er hatte ein Gelände im Sinn, auf dem Expansion möglich war. Dabei hatte er die Wiesen des Nachbardörfchens Obereisenbach ins Visier genommen und war damit auf verständlichen Widerstand des Bürgermeisters gestoßen. Dieser bot ihm stattdessen im städtischen Gewerbegebiet ein Grundstück an, rund tausend Quadratmeter. Für die nächsten Jahre wäre das okay gewesen, aber mein Vater hatte bereits ein stärkeres zukünftiges Wachstum im Blick, seine Devise: »Ein Gründer, der nicht expandieren will, ist kein Gründer!« Er ließ nicht locker, suchte immer wieder das Gespräch mit dem Bürgermeister (»Ich nervte ihn ganz schön!«, meinte mein Vater später dazu), dessen Stellvertreter, dem zuständigen Bauamt und später auch mit Mitgliedern des Gemeinderats und schaffte es tatsächlich, sie davon zu überzeugen, von der bisherigen Baupolitik abzuweichen. Man bewilligte den Kauf des Grundstücks in Tettnang-Obereisenbach und erteilte einige Monate später auch die entsprechende Baugenehmigung. 1979 zog VAUDE in die neuen Räumlichkeiten um, in die auch die erste eigene Produktion Einzug erhielt.