Nachts kommt der Schattenmann - Martin Barkawitz - E-Book

Nachts kommt der Schattenmann E-Book

Martin Barkawitz

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Beschreibung

Verloren in der Nachtwelt!Die Teenager Andy und Sean Stoker sind einfach nur genervt, als sie wegen des neuen Jobs ihres Vaters ins ländliche Schottland umziehen müssen. Hier liegt doch der Hund begraben! Das alte Haus ist baufällig und ungemütlich. Doch schnell verwandelt sich die Langeweile in pures Entsetzen, als sie von einem unheimlichen Wesen heimgesucht werden. Können sie den Schattenmann bezwingen oder wird die ganze Familie von einer bösen Macht ausgelöscht?Eine frühere Version dieses Romans erschien unter meinem Pseudonym Nicolas Grave im Ueberreuter Verlag (Wien). Der AutorMartin Barkawitz schreibt seit 1997 unter verschiedenen Pseudonymen überwiegend in den Genres Krimi, Thriller, Romantik, Horror, Western und Steam Punk. Er gehört u.a. zum Jerry Cotton Team. Von ihm sind über dreihundert Heftromane, Taschenbücher und E-Books erschienen. Aktuelle Informationen, ein Gratis-E-Book und einen Newsletter gibt es auf der Homepage: Autor-Martin-Barkawitz.de  SoKo Hamburg - Ein Fall für Heike Stein: - Tote Unschuld- Musical Mord- Fleetenfahrt ins Jenseits- Reeperbahn Blues- Frauenmord im Freihafen- Blankeneser Mordkomplott- Hotel Oceana, Mord inklusive- Mord maritim- Das Geheimnis des Professors- Hamburger Rache- Eppendorf Mord- Satansmaske- Fleetenkiller- Sperrbezirk- Pik As Mord- Leichenkoje- Brechmann- Hafengesindel- Frauentöter- Killer Hotel- Alster Clown- Inkasso Geier- Mörder Mama- Hafensklavin- Teufelsbrück Tod Ein Fall für Jack Reilly - Das Tangoluder- Der gekreuzigte Russe- Der Hindenburg Passagier- Die Brooklyn Bleinacht- Die Blutstraße- Der Strumpfmörder- Die Blutmoneten- Die Handgranaten Hochzeit 

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Martin Barkawitz

Nachts kommt der Schattenmann

Mystery

Elaria81371 München

1

Andy Stoker war genervt von der langen Autofahrt. Noch nicht einmal das Mittagessen in einem Hamburger-Restaurant hatte den Vierzehnjährigen besänftigen können. Normalerweise hielt Mom ihnen immer Vorträge darüber, wie ungesund Junk Food sei. Andy und sein siebzehnjähriger Bruder Sean waren nämlich bekennende Cheeseburger- und Milkshake-Fans.

Aber an diesem Tag war ihre Mutter über ihren Schatten gesprungen. Die ganze Familie zog nach Schottland um. Da konnte man notfalls auch mal in einem Schnellrestaurant futtern, wie Vivian Stoker fand.

Andy war auf dem Rücksitz des Familienautos so weit heruntergerutscht, wie es der Sicherheitsgurt zuließ. Verbissen hielt er den Blick auf seine Play-Station gerichtet, damit er nicht zu viel von dieser öden schottischen Landschaft anglotzen musste.

Sie waren noch nicht mal einen Tag aus London fort, und schon hatte Andy Heimweh nach der britischen Hauptstadt. Mürrisch konzentrierte er sich auf sein Game. Das war gar nicht so einfach, denn Sean, der neben ihm saß, zappelte heftig herum. Andys Bruder amüsierte sich mit Hilfe seines MP 3-Players und wiegte seine schlaksigen Glieder im Rhythmus des Sounds. Sein Mund öffnete und schloss sich wie das Maul eines gestrandeten Karpfens. Dauernd stieß er Andy an.

Schließlich wurde es dem Vierzehnjährigen zu bunt. Er schubste zurück.

»Lass das, du Hirni!«

»Selber Hirni, du Schwachkopf!« Sean nahm sogar seine Kopfhörer ab, um besser brüllen zu können.

»Cool bleiben, Jungs«, mahnte Dad, der am Lenkrad saß. Er blickte weiter nach vorn auf die Fahrbahn. »Wir sind bald da. Es wird euch gefallen.«

»Gefallen hat es uns auch in London, Dad«, maulte Andy.

Bill Stoker seufzte. »Das Thema haben wir doch schon hundert Mal durchgekaut. Ich habe diesen neuen Job, okay? Ich werde einiges mehr verdienen als bisher. Und ihr müsst auch an die Zukunft denken. Ihr seid doch solche Computerfreaks, ihr zwei. Ich arbeite ab morgen im Silicon Glen. Und …«

»… das Silicon Glen ist die Zukunft!«

Wie im Chor hatten Andy und Sean den letzten Satz ihres Vaters mitgesprochen. Mr Stoker verstummte verärgert. Er hasste es, wenn man sich über ihn lustig machte.

Insgeheim wusste Andy, dass sein Dad Recht hatte. Das Silicon Glen unweit von Edinburgh war das Zentrum der europäischen Computerindustrie. 58 000 Leute hatten dort größtenteils gut bezahlte Jobs. Jeder dritte europäische Marken-PC wurde in dem schottischen Tal gefertigt. Es war wirklich das europäische Gegenstück zum berühmten Silicon Valley in Kalifornien.

Eigentlich hatte der Vierzehnjährige gar nichts gegen das Silicon Glen. Aber musste dieses Tal ausgerechnet in Schottland liegen?

Nun musste auch noch Mom eine Lanze für den neuen Wohnort brechen. »Wir haben ein riesiges altes Haus gekauft. Jeder von euch kriegt ein großes Zimmer ganz für sich allein. Vorbei sind die Zeiten, wo ihr in einem Stockbett in einem einzigen kleinen Raum schlafen musstet. Ihr wisst doch selbst, wie unglaublich teuer London geworden ist. Ein solches Anwesen mit Garten hätten wir uns in der Hauptstadt niemals leisten können.«

»Logisch«, murmelte Sean. »Dort, wo keiner wohnen will, sind die Häuser natürlich spottbillig.«

Aber entweder sprach Andys Bruder zu leise, oder die Eltern hatten keine Lust mehr auf weitere Diskussionen. Jedenfalls gingen sie auf seine Bemerkung nicht ein. Sie hatten die Entscheidung ohnehin bereits gefällt. Andy und Sean konnten sich auf den Kopf stellen, die Familie würde sich trotzdem hier in Schottland ansiedeln.

Verdrossen senkte Andy wieder den Blick. Eine Zeitlang schaffte er es wirklich, sich auf sein Spiel zu konzentrieren. Dann brachte ihn ein Entzückensschrei seiner Mutter wieder aus dem Konzept.

»Da ist es!«

Der Wagen bog um eine Kurve. Andy starrte durch die Seitenscheibe des Autos. Er bekam soeben den größten Schock seines bisherigen Lebens.

»Das … das gibt es doch nicht«, brachte er hervor.

»Nicht wahr?« Vivian Stoker konnte sich gar nicht mehr beruhigen. »Ist das nicht ein Schmuckstück, das wir hier ergattern konnten?«

Andy und Sean wechselten einen kurzen Blick, dann starrten sie wieder nach draußen. Wollte ihre Mutter sie veräppeln? Das konnte Mom doch unmöglich ernst meinen! Aber sowohl sie als auch Dad vibrierten beinahe vor Begeisterung, das merkten ihre Söhne deutlich.

Mr Stoker brachte den Wagen vor dem Grundstück zum Stehen.

»Was sagt ihr jetzt, Jungs?«, rief Dad, während er die Fahrertür öffnete. »Ist das nicht eine richtige Villa?«

»Spukhaus trifft es wohl eher«, raunte Sean seinem jüngeren Bruder zu. Und obwohl Andy sich oftmals mit dem Älteren fetzte, musste er ihm diesmal Recht geben.

Es war Andy unverständlich, wie seine Eltern so die Augen vor der Wirklichkeit verschließen konnten. Sie hatten eine richtige Bruchbude gekauft. Anders konnte man es wirklich nicht nennen. Aber das war noch nicht einmal das Schlimmste. Das Haus war nicht nur verwahrlost und heruntergekommen. Es strahlte auch eine böse, unheimliche Atmosphäre aus.

Andy kannte sich nicht besonders in Baugeschichte aus. Aber dieses Gebäude musste mindestens hundert Jahre alt sein - oder noch älter. Wahrscheinlich war es zu Lebzeiten der Queen Victoria erbaut worden. Es hatte einen kleinen Turm und zahlreiche Erker. Eine dreistufige Granittreppe führte zum Haupteingang hoch. Die Fenster waren übermäßig lang und schmal, erinnerten beinahe an Schießscharten. Nach oben hin verjüngten sie sich, wie es dem gotischen Baustil entsprach. Das hatte Andy jedenfalls einmal in einem Schulbuch gesehen.

Passend zu dem finsteren Haus gab es im Garten auch einen Baum, nicht etwa mit grünen Zweigen und Äpfeln oder Birnen an den Ästen. Nein, die Äste waren kahl, und der Stamm war völlig verwachsen und hatte eine pechschwarze Farbe. Sie passte sehr gut zu dem schiefergrauen Äußeren der »Villa«. Es war nicht ein einziges lebendes Blatt an dem Baum zu finden.

Und der Garten hatte seit Längerem keine Bekanntschaft mehr mit einem Rasenmäher oder einer Heckenschere gemacht.

»Wir sind erledigt, Mann«, sagte der ältere Bruder, als sie ausstiegen.

»Nun bleibt mal locker, Jungs.« Dads Optimismus war unerschütterlich. »Ich weiß auch, dass unser neues Heim ein paar Eimer Farbe braucht. Aber für Renovierungen war absolut keine Zeit mehr. Ihr wisst selbst, wie schnell ich bei diesem Job-Angebot zuschlagen musste. Ich bin sehr froh, dass wir in der kurzen Zeit überhaupt noch ein gutes Haus auftreiben konnten.«

»Wenn das ein gutes Haus ist, dann möchte ich nicht die schlechten sehen«, sagte Andy zu Sean.

»Wir sind hier in Schottland«, entgegnete der Ältere, als ob dies alles erklären würde. Die beiden Jungen waren an dem windschiefen Gartenzaun stehen geblieben. Sie schauten sich um. Die Straße endete hier. Bis zu den nächsten bewohnten Häusern waren es dreihundert Meter oder noch mehr. Das Haus stand auf einem sanft ansteigenden Hügel. Es lag am äußersten Rand einer Kleinstadt namens Chesswick. Von dort aus waren es mit dem Auto nur zwanzig Minuten ins Silicon Glen.

Aber London, dachte Andy niedergeschlagen, ist so weit weg wie der Mond …

»Ihr wisst ja, unsere Möbel werden erst morgen eintreffen«, sagte Mom. »Aber das Wichtigste für die erste Nacht in unserem neuen Heim haben wir eingepackt. Nun wollen wir es uns erst einmal gemütlich machen.«

 

 

Es blieb den beiden Brüdern nichts anderes übrig, als ihrer Mutter auf dem schmalen Gartenpfad zu folgen. Andys mulmiges Gefühl in der Magengegend verstärkte sich mit jedem Schritt.

Er bildete sich ein, beobachtet zu werden. Oder war das wirklich so? Hinter jedem dieser schwarzen Fensterlöcher konnte jemand im Dunkeln lauern, ohne dass man ihn bemerkte.

Der Himmel war schon ziemlich bedeckt. Dunkelgraue Wolken hingen schwer über dem Firth of Forth. An den Ufern dieser Meeresbucht standen die Fabriken und Büros des Silicon Glen.

Schon fielen die ersten Regentropfen.

»Schottisches Wetter«, kommentierte Sean.

»Jetzt reicht es mir allmählich mit eurer Meckerei!«, knurrte Dad. »Tut bloß nicht so, als ob es in London niemals geregnet hätte.«

Andy begriff, dass er besser seine Klappe hielt. Fragte sich nur, ob Sean auch so clever war. Es hatte keinen Sinn, den Eltern weiter auf die Nerven zu fallen. Sie würden gewiss nicht nach London zurückkehren, nur weil Andy und Sean auf stur schalteten. Wahrscheinlich hofften Mom und Dad darauf, dass sich ihre beiden Sohnemänner eingewöhnen würden.

Und Andy erkannte in diesem Moment, dass ihnen wohl auch gar nichts anderes übrig blieb. Ihr Dad hatte hier in Schottland seinen Traumjob gefunden. Die Väter von einigen Jungs aus Andys bisheriger Schule waren hingegen arbeitslos. Bei denen gab es ständig Stress zuhause. So gesehen waren sie mit dem Gruselhaus vielleicht doch besser bedient.

Aber der Junge konnte seine Beklemmung nicht abstreifen. Und - was noch schlimmer war - man sah ihm seine Gefühle offenbar an der Nasenspitze an.

»Na, Andy? Wollen wir nicht gleich die Geister in unserem Spukhaus begrüßen?«, fragte Sean. »Die Weiße Frau? Den kopflosen Henker?« Mit den letzten Worten schnitt Sean eine schaurige Grimasse. Er verdrehte dabei die Augen so weit, dass man nur noch das Weiße sehen konnte, und streckte die Zunge heraus, als würde sein Hals in einer Henkerschlinge stecken.

»Schluss mit der Showeinlage!«, schimpfte Mom. »Hilf deinem Vater lieber mit den Kisten. Wir sehen uns inzwischen drinnen etwas genauer um.«

Sie legte ihre Hand auf Andys Schulter. Obwohl er kein kleines Kind mehr war, tat ihm die zärtliche Geste in diesem Moment ausgesprochen gut, denn Seans Darbietung hatte nicht gerade dazu beigetragen, seine Befürchtungen zu zerstreuen. Es war, als ob Mom seine Gedanken gelesen hätte.

»Du darfst dich von deinem Bruder nicht ins Bockshorn jagen lassen, Andy. Er meint es nicht so. So ein Wohnortwechsel ist für uns alle nicht leicht. Aber es wird dir hier gefallen, da bin ich mir sicher.«

Das bezweifelte der Vierzehnjährige. Aber es war nicht der richtige Zeitpunkt, diese Ansicht zu äußern.

In diesem Moment traten sie nämlich über die knarrende Schwelle des alten Hauses.

 

 

Es roch muffig in der Eingangshalle. Und außerdem nach Schimmel. Oder war das noch etwas anders, das er roch?

Blut?

Andy schüttelte den Kopf, als wollte er einen bösen Traum abschütteln. Seine Fantasie ging mit ihm durch, wie er selbst erkannte.

»Das Haus hat wohl schon länger leer gestanden?«, fragte er, um etwas zu sagen.

»Genau.« Seine Mutter zog die schweren staubigen Vorhänge auf, um das spärliche Tageslicht hereinzulassen. »Das ist auch der Grund dafür, dass unser neues Heim etwas … unwohnlich wirkt«, sagte sie, nachdem sie ein, zwei Herzschläge lang nach dem richtigen Wort gesucht hatte. »Aber wenn die Renovierung erst einmal abgeschlossen ist, wirst du es nicht mehr wiedererkennen.«

Dafür wiederum reichte Andys Fantasie nicht aus. Aber er nickte und zwang sich zu einem Grinsen.

Der Teppich war abgetreten. Die Wände waren zumindest im Erdgeschoss mit dunklem Holz getäfelt. Dadurch wurde der Eindruck von Finsternis noch verstärkt.

Licht flammte auf.

»Seht ihr?«, triumphierte Mom. »Überall im Haus gibt es elektrisches Licht. Genau wie der Immobilienmakler es uns zugesichert hat.«

Andy fand elektrisches Licht nicht so außergewöhnlich, dass es ihn in Begeisterung versetzt hätte. Das war er aus London so gewöhnt, seit er denken konnte. Aber in dieser verlassenen Gegend musste man dafür anscheinend schon dankbar sein.

Der Junge versuchte weiterhin, ein begeistertes Gesicht zu machen. Obwohl er sich dabei wie ein Idiot vorkam.

Im Erdgeschoss befanden sich die Halle und ein Raum, der offenbar das Wohnzimmer darstellen sollte, außerdem die Küche nebst Speisekammer sowie einige kleinere Zimmer, in denen früher die Dienstmädchen geschlafen hatten. Jedenfalls behauptet Mom das. Ein fast quadratischer Raum neben dem Wohnzimmer sollte Dads Arbeitszimmer werden. Ein Bad gab es ebenfalls.

Zu Andys großer Beruhigung existierte ein weiteres Badezimmer im ersten Stockwerk. Er würde also nicht durch das halbe Haus schleichen müssen, falls ihn nachts einmal ein menschliches Bedürfnis überkam …

»Jetzt zeige ich dir das obere Stockwerk, Andy.«

Mom stieg tatendurstig die knarrende Treppe hoch. Der Junge folgte ihr. Durch eines der schmalen Fenster fiel sein Blick noch einmal auf den toten Baum. Es war, als ob die nackten Äste nach dem Haus griffen.

»Wieso steht eigentlich dieser schwarze Stamm im Garten, Mom? Der sieht doch voll scheußlich aus.«

»In den Baum ist der Blitz geschlagen. Deshalb ist kein Leben mehr in ihm. Hast du noch niemals einen Baum gesehen, der vom Blitz getroffen wurde?«

»Nö.«

Andys Mutter schmunzelte. »Daran sieht man, dass du ein echtes Stadtkind bist. In London gibt es so etwas nicht. Aber warte nur, hier in unserer neuen Umgebung wirst du unendlich viele neue und spannende Dinge kennen lernen.«

Angesichts des finsteren Hauses klangen diese Worte für Andy wie eine Drohung. Aber natürlich wusste er, dass seine Mutter es so nicht meinte. Vielleicht lag es ja an ihm selbst, dass dieses Gebäude so trist und bedrohlich wirkte. Moms Laune schien jedenfalls noch immer ganz ausgezeichnet zu sein.

Im Obergeschoss knipste sie das Licht an. Der Korridor war lang und schmal und ausgelegt mit einem abgetretenen Läufer. Auch die Türen waren viel höher als die in dem ehemaligen Londoner Haus der Familie.

»Hier vorn ist das Schlafzimmer von Dad und mir. Direkt daneben ein weiteres Bad mit einer großen Badewanne. Rechts davon dann dein Zimmer, Andy. Und ganz am Ende des Ganges wird sich Sean einrichten.«

»Und was ist mit den beiden Zimmern auf der gegenüberliegenden Seite?«

Mom zuckte mit den Schultern. »Die werden nicht benutzt. Noch nicht. Vielleicht richte ich mir eines davon als Nähzimmer ein. Aber das ist nicht so dringend. Wir renovieren erst nur die Räume, die wir auch bewohnen.«

»Nein, ich meine: Was ist da drin?«

»Nichts.«

Kam es Andy nur so vor, oder wollte seine Mutter etwas vor ihm verheimlichen? Er trat an die Tür des einen unbenutzten Zimmers, probierte die Klinke, doch die Tür ließ sich nicht öffnen.

»Wir haben die Räume abgeschlossen, als dein Dad und ich das letzte Mal hier waren«, erklärte Mom.

»Warum das denn?«

»Damit die Möbelpacker morgen nicht versehentlich etwas dort abladen. Willst du dir nicht dein Zimmer anschauen, Andy?«

Die Sache mit den beiden Zimmern kam dem Jungen sehr verdächtig vor. Aber er gab sich cool und betrat sein zukünftiges Zimmer.

»Wow!«, entfuhr es ihm.

Über Platzmangel würde sich Andy ab sofort nicht mehr beklagen können. Das Zimmer erschien ihm riesig. Auf jeden Fall maß es bestimmt die doppelte Grundfläche von der Bude, die er sich bisher mit Sean hatte teilen müssen. Das Haus in London hatte nämlich nur drei Zimmer gehabt, von denen eines als Kinderzimmer hatte herhalten müssen.

Andys neues Zimmer glich eher einem kleinen Saal. Durch die hohe Stuckdecke wirkte es noch größer. Den Eindruck von Geräumigkeit konnten auch die klobigen altmodischen Möbel nicht schmälern. Neben einem hölzernen Bett, einem uralten Clubsessel und einem Sekretär gehörte auch ein riesiger Schrank zur Ausstattung. Der alte Kasten war zweitürig und aus dunklem Holz.

»Ich muss diesen Ramsch doch wohl nicht behalten!«, rief Andy geschockt.

Seine Mutter wiegelte ab. »Natürlich nicht, Darling. Wir haben doch ein neues Bett für dich gekauft, erinnerst du dich? Die alten Möbel bleiben nur hier, bis die Spedition sie abholen kommt. Nur mit dem Schrank könnte es Schwierigkeiten geben. Es ist so ein halbes Einbaumöbel. Wir dachten uns, dass du ihn vielleicht behalten möchtest. Wenn man ihn rausreißt, könnte es passieren, dass die halbe Wand einstürzt.«

Andy mochte den Schrank nicht. Aber er wollte sich nicht anstellen wie ein Baby. Wenn man das Ding neu strich, würde es bestimmt gleich viel besser aussehen. Der Junge zögerte einen Moment. Dann öffnete er die beiden Schranktüren.

Der Schrank war leer bis auf ein paar Drahtbügel. Der Gestank von Mottenkugeln wehte Andy entgegen. Schnell machte er die Türen wieder zu.

»Da drin könnte man ja die Klamotten einer ganzen Rugby-Mannschaft bunkern«, sagte er.

Mom lachte und wuschelte durch Andys Haare. »Ja, Stauraum dürftest du jetzt genug haben. Du kannst dich ja schon mal häuslich einrichten. Die übrigen alten Möbel werden die Transportarbeiter morgen mitnehmen.«

Das war mal eine gute Nachricht, fand Andy. Wenn er den Schrank orangefarben strich, würde das Ding bestimmt sogar cool aussehen.