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Als die zehnjährigen Zwillingsschwestern Nele und Tessa zur Geburtstagsfeier ihrer Klassenkameradin Julia auf den Ponyhof Hansen eingeladen werden, richtet sich ihr Interesse auf ein verhaltensgestörtes, aggressives Schimmelpony, das einsam und alleine in einem nahezu stockfinsteren Stall steht. Von ihrer Musiklehrerin haben sie erfahren, dass Musik Menschen glücklich macht und sogar eine heilende Wirkung entfalten kann. Prompt haben Nele und Tessa eine zündende Idee. Mit großem Einfühlungsvermögen und einer Musiktherapie wollen sie in die Seele des verstörten Tieres vordringen und das Vertrauen des sensiblen Ponys zurückgewinnen. Ein schwieriges, waghalsiges Experiment mit vielen unvorhersehbaren Problemen nimmt seinen Lauf. Doch die eineiigen Zwillinge halten zusammen und nehmen Veränderungen in Kauf, die ihr bisheriges Leben total auf den Kopf stellen.
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Seitenzahl: 243
Veröffentlichungsjahr: 2016
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Endlich Ferien
Der Ponyhof
Geigenunterricht
Ein Lied für Mozart
Schnübi und Tutita
Nele und Tessa, die musikalischen Pferdeflüsterinnen
Der Campingplatz am Meer
Das Haus der jungen Herzen
Shoppen – und eine tolle Überraschung
Die erste Reitstunde
Eine besorgniserregende E-Mail und ganz viel Zoff
Die Rettungsaktion
Der kleine Graf
Probleme, Probleme, Probleme …
Nele und Tessas zündende Ideen
Veränderungen für alle
Musikalische Wege ins Glück
Grüße aus Frankreich
Das fahrende Haus
Das Weihnachtspony
„Juchhuuu, hurraaa“, jauchzte es aus vielen, hellen Kinderkehlen, als im Klassenraum 4a der Erich-Kästner-Grundschule das schrille Klingelzeichen ertönte.
Sechsundzwanzig Jungen und Mädchen schlossen freudestrahlend ihre bunten Schulranzen, nachdem sie Bücher, Hefte, Stifte und natürlich das mit großer Spannung erwartete letzte Zeugnis ihrer Grundschulzeit darin verstaut hatten.
Für die Kinder stand nun ein Wechsel zu einer weiterführenden Schule an.
So auch für die Zwillinge Nele und Tessa Berger, die in sechs Wochen auf das städtische, humanistische Gymnasium ihrer anschaulichen Heimatstadt Bad Rankershausen, einem beliebten Kurort in Niedersachsen, wechseln würden.
Doch jetzt freuten sich die eineiigen Zwillinge erst einmal auf ihre Sommerferien und auf den heutigen Nachmittag, denn Julia, eine eng befreundete Klassenkameradin, hatte sie und noch vier weitere Mitschüler zu ihrer Geburtstagsfeier eingeladen. Die Party sollte auf einem kleinen, idyllischen Ponyhof am Rande des Kurortes stattfinden.
Julia brannte darauf, ihren Freunden das Pony „Dexter“ vorzuführen, mit dem sie in dieser Saison sehr erfolgreich auf ländlichen Turnieren geritten war.
„Julia, wann sollen wir kommen?“, rief Tessa aufgeregt zu ihr herüber.
„Um 15.00 Uhr, ich freue mich schon riesig.“
„Oh, wir uns auch“, tönte Nele. „Wir sind so gespannt, das wird bestimmt mega-cool.“
Die Schüler schwangen ihre Tornister über die Schulter und stürmten froh gelaunt hinaus ins Freie.
Vor dem modernen Schulgebäude hatten sich bereits viele Eltern in kleinen Grüppchen plaudernd eingefunden, um ihre Kinder abzuholen. Alle wirkten ein wenig nervös und aufgeregt, fast jeder war im Urlaubsstress.
Nele und Tessa rannten quer über den Schulhof zum Parkplatz, wo Celine, die Mutter der Zwillinge, schon auf sie wartete.
„Hi, Mutti“, klang es parallel aus zwei Kehlen, während sie ins Auto einstiegen. „Endlich Ferien, endlich, juchhuuu!“
„Hallo, meine Großen“, begrüßte Celine voller Stolz ihre Kinder.
„Na, raus mit der Sprache. Wie sind denn eure Zeugnisse ausgefallen?“
„In Musik und Sport habe ich eine Eins“, sprudelte es aus Tessa heraus.
„Und in den anderen Fächern?“, hakte Celine nach.
„Ach, bis auf Kunst habe ich in allen Fächern ‚gut’. In Kunst, igitt“, Tessa zog eine Schnute, „leider nur ein Befriedigend.“
„Ätsch, ich habe in Kunst, Musik und Deutsch ‚sehr gut’“, prahlte Nele.
„Na und? Dafür hast du in Heimat- und Sachkunde nur eine Drei geschafft, bäh“, giftete Tessa und warf ihrer Schwester eine höhnische Grimasse zu.
„Mann, bist du blöde“, konterte Nele. Dabei zeigte sie Tessa den Vogel, indem sie sich mit dem Zeigefinger an die Stirn tippte.
„Selber blöde!“
„Nun streitet doch nicht“, versuchte Celine zu schlichten. „Jetzt könnt ihr erst einmal die Seele baumeln lassen und eure Ferien genießen …“
Zu Hause angekommen, spurteten die Zwillinge eiligst die Treppe hinauf, um die Kleidung für den Ponyhof auszusuchen.
„Was ziehen wir denn an?“, rief Tessa laut, während sie in ihrem Zimmer den Kleiderschrank durchwühlte.
„Jeans natürlich, und eine flotte Bluse“, antwortete Nele.
Die eineiigen Zwillinge zogen meistens die gleichen Klamotten an. Das hatte in der Schule oft zu verrückten Verwechslungen geführt.
Frau Timmermann, die Klassenlehrerin, war auch nach vier Schuljahren nicht in der Lage, die beiden auseinanderzuhalten.
Zudem waren die Mädchen gleich groß, gertenschlank und ihre hübschen Gesichter waren besonders in der Sommerzeit mit vielen lustigen Sommersprossen übersät. Auch die Farbe ihrer Augen, ein ausdrucksstarkes Smaragdgrün, war identisch und bildete einen schönen Kontrast zu den purpurroten Haaren, die die Zwillinge entweder offen oder zu einem Pferdeschwanz gebunden trugen. Wenn sie die Haare während der Faschingszeit zu dicken, abstehenden Zöpfen flochten, war eine große Ähnlichkeit mit „Pippi Langstrumpf“ unverkennbar.
„Oh, cool“, rief Tessa begeistert, als sie nach einer Weile das Zimmer ihrer Schwester betrat. Nele hatte sich für eine superenge Jeans entschieden, eine luftige, karierte Bluse angezogen und dazu Celines Cowboyhut aufgesetzt. Gerade war sie dabei, in die Stiefel ihrer Mutter zu schlüpfen, als sie enttäuscht feststellte, dass diese mindestens drei Nummern zu groß waren.
„Scheibenkleister“, stöhnte Nele enttäuscht, „jetzt muss ich doch die neuen Turnschuhe anziehen. Hoffentlich trete ich in keinen Pferdeapfel.“
Tessa flitzte zurück in ihr Zimmer. Sie entschied sich ebenfalls für die Jeans, die gleiche karierte Bluse und auch für die neuen Turnschuhe. Aber sie hatte keinen Cowboyhut. Das ging ja nun gar nicht!
„Mama“, rief Tessa von oben herab, „haben wir nur einen Cowboyhut? Nele trägt ihn und ich habe keinen!“
„Warum ziehst du nicht Papas Baseballkappe an, die sieht doch auch recht pfiffig aus?“, riet ihr Celine.
„Nee, auf gar keinen Fall, das passt doch total nicht, das wäre ja megapeinlich. Nele soll auch keinen Hut aufsetzen. Entweder beide oder keiner“, forderte Tessa beleidigt.
„Also, nun seid mal nicht kindisch“, fuhr Celine dazwischen. „Warum trägt Nele ihn nicht zuerst und später ziehst du ihn auf? Wo ist denn das Problem?“
Grimmig willigte Tessa in den Vorschlag der Mutter ein, doch sie würden zum ersten Mal nicht in jeder Hinsicht gleich aussehen, und das gefiel Tessa gar nicht.
„Kommt ihr bitte essen?“, rief Celine. „Es gibt Spaghetti Bolognese und dazu einen gemischten Salat, euer Lieblingsgericht.“
Schon war Tessas schlechte Laune verflogen, und die Mädchen eilten runter in die gemütliche Küche, wo das Essen bereits angerichtet auf dem Tisch stand.
„Kommt Papa zum Essen?“, fragte Nele erwartungsvoll.
„Nein, er hat mir eben eine SMS geschrieben. Leider hat er noch einen wichtigen Termin mit dem Bauamt. Doch er holt euch auf jeden Fall gegen Abend vom Ponyhof ab, das hat er mir versprochen ...“
Kurz vor 15.00 Uhr verließen Celine, Nele und Tessa das erst vor wenigen Monaten fertig gewordene Haus, das Sebastian, der Vater der Zwillinge, selbst entworfen hatte. Es war sein ganzer Stolz. Das Haus bestand ausschließlich aus Naturmaterialien. Viel Glas und massive Holzbalken prägten den äußeren Eindruck. Im Innern sorgte ein modernes Energiesparsystem für angenehme Raumtemperaturen. Mit diesem schmucken Eigenheim hatte sich Sebastian einen guten Ruf als Architekt geschaffen und die Auftragsbücher für das nächste Halbjahr waren proppenvoll. Da sich sein Büro aber in der Stadt befand, schaffte er es in letzter Zeit kaum noch, pünktlich zum Mittagessen nach Hause zu kommen.
Nun saßen die Zwillinge auf dem Rücksitz des bulligen, schwarzen Geländewagens und ihre Vorfreude stieg, als Celine in einen schmalen, asphaltierten Wirtschaftsweg einbog. Julias Eltern hatten Celine zwar ausführlich den Weg zum Ponyhof beschrieben, trotzdem hatte sie jetzt große Mühe, sich in dieser fremden, einsamen Gegend zurechtzufinden.
„Mama, warum hast du die Adresse nicht ins Navi eingegeben?“, fragte Nele ungeduldig.
„Na, ich dachte, ich würde den Weg auch ohne die Navi-Tante finden“, antwortete Celine.
Für Nele und Tessa war die Spannung kaum noch zu ertragen. Sie freuten sich wahnsinnig auf den Ponyhof. Julia hatte ihnen schon von vielen aufregenden Abenteuern berichtet, und oft waren sie ein wenig neidisch auf Julias spannende Erlebnisse.
Endlich erblickten sie in der Ferne ein altes, von mächtigen Bäumen umgebenes Hofgebäude, über das sich grüne Baumwipfel im warmen Sommerwind leicht bogen.
„Da ist es, daaa!“, rief Nele.
„Wo denn?“ Celines Blicke schweiften suchend umher.
„Mama, dort drüben! Sag bloß, du siehst es immer noch nicht?“, meinte Tessa fassungslos.
„Ich sehe Ponys, ich sehe Ponys“, tönte Nele. „Oh, toll, echt geil.“
Den Kindern entfuhren Laute der Begeisterung. Ihr Weg führte sie an umzäunten Pferdekoppeln vorbei, auf denen zottelige Ponys und sogar Ponys mit ihren kleinen Fohlen friedlich grasten.
„Sind die süüüß“, riefen die Zwillinge. „So süße Ponys haben wir noch nie gesehen. Mutti, guck doch bitte mal!“
Tessa zeigte auf ein braunes Fohlen, das ausgelassen auf einer Wiese tobte. Die Mutter des kleinen Vierbeiners schien es nicht im Geringsten zu interessieren. Übermütig galoppierte das quirlige Fohlen zu ihr zurück. Es hatte wohl Durst bekommen, denn nun nuckelte es genüsslich am Euter der Ponystute.
Geschafft, der Ponyhof war erreicht und Celine parkte das Auto auf einem schmalen Grünstreifen in unmittelbarer Nähe des Hofes. Beinahe hätten die Kinder beim Aussteigen Julias Geburtstagsgeschenk vergessen, so aufgeregt waren sie. Im letzten Moment schnappten sie das hübsch verpackte Buch und einen Beutel Möhren für Dexter, Julias Pony.
„Da seid ihr ja endlich, ich dachte schon, ihr kommt nicht mehr.“
Julia kam ihnen lachend entgegen.
„Wow, Julia, du siehst ja megascharf aus“, entfuhr es Nele. Auch Tessa war baff.
„Krass, echt krass, dein Outfit“, stimmte sie kopfnickend zu.
„Das sind doch nur meine Reitklamotten“, meinte Julia wie selbstverständlich und umarmte freundlich ihre Klassenkameradinnen. Julia sah wirklich fantastisch aus. Sie trug eine dunkelblaue Reithose mit einem Volllederbesatz, dazu schwarze, hochglänzende Lederreitstiefel, ein hellblaues Polo-T-Shirt und eine kurze, blaue Reitweste. Ihre hellblonden Haare hatte sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Um ihren Kopf beim Reiten zu schützen, trug sie einen schwarzen Reithelm mit einem Sicherheitsriemen, der unter ihrem Kinn befestigt war.
„Kommt mit, die anderen sind schon da. Ich möchte euch Dexter, mein Traumpony zeigen“, sagte Julia.
Eigentlich wollte Celine ihren Töchtern noch letzte Anweisungen mit auf den Weg geben. Zum Beispiel, dass sie sich gut benehmen sollten, doch die Zwillinge waren bereits in einer anderen Welt angelangt und nahmen Celine nicht mehr wahr. Also wendete sie den Wagen und machte sich unverzüglich auf den Weg in ihre Praxis.
Celine war in Frankreich geboren, hatte in Deutschland Medizin studiert und war nun als Hautärztin tätig. An drei Tagen in der Woche arbeitete sie mit ihrer Freundin Jenny, die ebenfalls Hautärztin war, sozusagen in Teilzeit.
So konnten beide Frauen ihren Beruf weiter ausüben und hatten dennoch genügend Zeit für ihre Familien.
Unterdessen betraten Julia, Nele und Tessa die Stallgasse. Rechts und links der Gasse befanden sich geräumige Boxen, in denen Ponys verschiedenster Rassen untergebracht waren.
„Es riecht seltsam“, stellte Tessa ernüchtert fest und rümpfte dabei ihre hübsche Stupsnase.
„Es riecht nach Pferden“, erklärte Julia froh gelaunt, „und natürlich nach Heu und Stroh. Wonach soll es denn sonst riechen?“
Vor einer Box in der Mitte der Stallgasse standen die anderen Klassenkameraden, Lisa, Maria, Anne und als einziger Junge Lukas. Die drei näherten sich der kleinen Gruppe, als Julia plötzlich ruckartig Dexters Boxentüre aufschob.
„Das ist er, mein Dexter“, sagte sie stolz. Sie ging hinein und umarmte liebevoll den Hals des Ponys.
„Boooh, ist der schön“, meinte Nele, „so ein schönes Pony hätte ich auch gerne.“
In der Tat schauten alle entzückt auf das wunderschöne Rapp-Pony, dessen hübsches Köpfchen eine weiße, durchgehende Blässe zierte. Julia legte Dexter ein Halfter an, führte ihn aus dem Stall und band ihn schließlich mit einem Strick an der äußeren Boxenwand an. Erst jetzt trauten sich die anderen Mädchen an Dexter heran. Etwas ängstlich streichelten sie das pechschwarze, hochglänzende Fell des Ponys.
Nur Lukas schien sich nicht zu fürchten. Er klopfte mit der Hand auf Dexters Hals und meinte etwas großspurig: „Der tut nix, ich weiß das, schließlich bin ich jeden Samstag zum Ausmisten hier und verdiene mir etwas Taschengeld.“
Ach so war das, Lukas kannte Dexter und den Ponyhof bereits. Die Zwillinge hatten sich schon gewundert, dass Julia auch Lukas zu ihrer Geburtstagsparty eingeladen hatte. In der Schule waren sie nicht unbedingt die besten Freunde.
Dexter wurde nun unruhig und spitzte seine Ohren. Mit einem Vorderhuf schlug er mehrfach auf den Boden der Stallgasse und wippte mit dem Kopf hin und her.
Julia lachte und sprach: „Nele, wenn du noch länger mit der Tüte raschelst, dann wird er noch ausflippen.“
Ach ja, richtig, die Mädchen hatten völlig die Geschenke vergessen. Nele öffnete unterdessen die Tüte mit den Möhren und zeigte sie Dexter. Dieser wurde nun noch unruhiger und Julia nahm eine Möhre, legte sie auf ihre flache Hand und schob sie unter Dexters Maul. Blitzschnell hatte er die Möhre geschnappt und kaute und schmatzte so stark, dass der flüssige Speichel aus seinem Maul sabberte. Die Kinder lachten herzhaft, als sie das sahen.
„Dürfen wir ihm auch eine geben?“, fragte Tessa mutig.
„Aber na klar“, antwortete Julia. Alle nahmen eine Möhre aus der Tüte, machten es wie Julia und freuten sich, als Dexter die Möhren nacheinander verspeiste.
„Hier“, sprach Tessa, „dein Geburtstagsgeschenk, von Nele und mir.“ „Vielen Dank.“ Julia nahm das kleine Päckchen und fügte hinzu:
„Ich packe es gleich draußen auf der Bank aus, dort liegen noch andere Geschenke, einverstanden?“
„Okay“, entgegneten die Zwillinge und beobachteten, dass Julia das Geschenk neben eine kleine Kiste legte.
„Was ist das für eine Kiste?“, fragte die rothaarige Lisa neugierig.
„Das ist mein Putzkoffer, den braucht man unbedingt, denn Ponys und Pferde müssen täglich geputzt und gepflegt werden“, erklärte Julia.
Sie öffnete den Koffer und holte verschiedene Dinge zum Vorschein.
„Das ist eine Kardätsche, zum Bürsten des Fells, das hier ein Gummistriegel, ein Schwamm für die Augen und Nüstern, ein Mähnenkamm, ein Schweißmesser, eine Wurzelbürste, ein Hufkratzer und Huffett für die Hufe samt einem Pinsel.“
Die Kinder staunten, sie waren überrascht, dass man so viel Zubehör benötigte, um ein Pony zu putzen. Nur Lukas winkte abermals lässig ab und meinte altklug: „Kenne ich alles, ist doch logo. Ich hole schon mal den Sattel und die Trense.“
Nele und Tessa folgten ihm und plötzlich standen sie in einem kleinen Raum ohne Fenster.
„Was passiert denn hier?“, fragten sie interessiert.
„Hier passiert gar nichts“, antwortete Lukas, der soeben das Licht angeknipst hatte. „Das ist die Sattelkammer, hier werden die Sättel der Ponys aufbewahrt und ebenso das Zaumzeug. Außerdem werden alle Putzkoffer hier abgestellt und die vielen Haken sind für die Reithelme vorgesehen.“
„Ach so“, sagten die Zwillinge. Es waren so viele neue Eindrücke zu verarbeiten, dennoch, es war äußerst spannend und aufregend.
Plötzlich kreischte Tessa los: „Ihhh, Hilfe, eine Maus, eine Maus!“
Sie stürzte aus der Sattelkammer und das Herz klopfte ihr bis zum Hals.
„Au Mann, Weiber“, brummte Lukas in sich hinein, denn auch Nele suchte schleunigst das Weite. Sie hatte ebenfalls panische Angst vor Mäusen.
Nach einer Weile hatten sich die Zwillinge wieder beruhigt und alle saßen draußen auf der Bank und schauten zu, wie Julia ihren Dexter ritt. Es war schon sehr beeindruckend.
Zuerst bewegte sie ihr Pony einige Runden im Schritt, dann trabte sie an und bald darauf galoppierte sie jauchzend an ihren staunenden Klassenkameraden vorbei. Diese klatschten vor Begeisterung in die Hände und alle wünschten sich insgeheim, schon bald so toll reiten zu können wie Julia.
Später roch es nach Holzkohle, denn Julias Eltern, Brigitte und Stefan Krause, hatten zwischenzeitlich den Grill angezündet. Ein älterer Mann, er war etwa fünfundsechzig Jahre alt, schleppte vier Strohballen herbei und ordnete sie so an, dass sie mit der Bank einen großen Kreis bildeten.
„Wer ist denn das?“, fragte Nele.
„Das ist Opa Hansen, der Besitzer des Ponyhofs“, erklärte Julia. „Ihn und seine Frau habe ich selbstverständlich auch eingeladen, sie sind echt super.“ Toni Hansen bewirtschaftete den Hof seit über dreißig Jahren mit seiner Frau Anna. Während er für das Wohl der Ponys verantwortlich war, verrichtete sie die Hausarbeit und pflegte den Garten. Außerdem war sie eine exzellente Köchin und die gute Seele des Hofes.
„Das muss sie sein“, flüsterten die Zwillinge, denn eine Frau Anfang Sechzig, mit einer bunten Schürze, trat aus dem Wohnhaus. In den Händen hielt sie eine große Schüssel mit Nudelsalat.
Auf einem kleinen Tisch neben der Bank stellte sie die Schüssel ab, auf den Julias Mutter bereits Pappteller, Besteck, Servietten mit Pferdemotiven, Ketchup und verschiedene Grillsaucen hingestellt hatte.
„Hallo Kinder“, sagte Frau Hansen freundlich. Dabei wanderte ihr Blick zu den Zwillingen herüber.
„Nanu, stimmt etwas nicht mit meinen Augen, oder seid ihr tatsächlich das ‚Doppelte Lottchen’?“, fragte Frau Hansen belustigt.
„Das sind Nele und Tessa, meine Klassenkameradinnen. Sie sind eineiige Zwillinge“, entgegnete Julia, noch ehe diese antworten konnten.
„Jedenfalls schön, dass ihr da seid“, meinte Frau Hansen und fügte hinzu: „Ich hoffe, ihr habt einen Riesenhunger mitgebracht. In einer Viertelstunde können wir essen.“
Nele, Tessa und die anderen Kinder liefen zurück in den Stall. Inzwischen hatte Julia ihre Vorführung beendet, Dexter abgesattelt und den Sattel auf einen Sattelhalter gehoben.
„Dürfen wir ihn wieder in die Sattelkammer bringen?“, fragte Tessa.
„Ja, natürlich, ihr könnt mir gerne helfen.“
Eifrig nahm Nele den Sattel auf ihren Arm und Tessa schnappte sich Dexters Trense.
„Igitt!“ Das Gebiss war ganz klebrig, und als hätte Julia ihre Gedanken erraten, sagte sie: „Tessa, in der Sattelkammer ist eine Wasserleitung, da kannst du das Gebiss abwaschen.“
„Wird gemacht“, erwiderte Tessa und ging mit Nele und dem kompletten Sattelzeug in die Sattelkammer, um es zu säubern und aufzuhängen. Dabei schauten sie sich ängstlich um, ob ihnen die Maus nicht wieder in die Quere kam.
Plötzlich nahmen die Zwillinge an einer Wand Geräusche wahr. Ein Klopfen oder so etwas Ähnliches. Sie traten aus der Sattelkammer und gingen in die entgegengesetzte Richtung. Was war denn das? Ein Schimmelpony stand ganz alleine in einer dunklen Box. Es konnte kein anderes Pony sehen und es verhielt sich sehr seltsam. Vor seiner Box stank es widerlich. Ein beißender Mistgeruch lag in der Luft.
„Julia“, rief Nele laut, während sie sich mit Daumen und Zeigefinger die Nase zuhielt, „ist das Schimmelpony krank, oder warum steht es hier so mutterseelenalleine?“
Julia eilte schnellen Schrittes herbei und sagte: „Das ist Mozart, der tickt nicht richtig!“
Den Zwillingen blieb beinahe der Mund offen stehen.
„Was bedeutet das, ‚der tickt nicht richtig’?“, fragten sie gleichzeitig.
„Na, er ist eben verrückt, verhaltensgestört! Er verträgt sich nicht mit anderen Ponys, er ist oft krank und reiten lässt er sich gar nicht. Dabei ist er erst fünf Jahre alt und wenn er sauber geputzt ist, sieht er mega-toll aus. Doch er lässt keinen an sich heran, keinen“, fügte Julia eindringlich hinzu. „Mozart, hallo Mozart, komm doch bitte mal“, flüsterte Tessa, während sie in seine Box lugte.
„Bist du bescheuert? Hallo Mozart, komm doch bitte mal“, wiederholte Nele. „Meinst du, der versteht das?“
„Wieso nicht“, antwortete Tessa und kramte aus ihrer Jeanshose eine kleine Möhre hervor.
„Zieh mal den blöden Hut ab“, drängte Tessa, „Mozart bekommt ja noch mehr Angst, wenn er dich mit dem Ding sieht.“
„Also, ich werde nicht mehr; vorhin wolltest du den Hut unbedingt selbst aufsetzen, und jetzt soll er blöd sein? Du spinnst wirklich“, stellte Nele beleidigt fest und nahm verärgert den Cowboyhut vom Kopf.
Die Zwillinge starrten gebannt auf Mozart, doch dieser rührte sich nicht. Er hatte ihnen sein Hinterteil zugedreht und blickte stur gegen die Wand. Tessa öffnete vorsichtig die Boxentüre und warf das Stück Möhre ins Stroh. Mozart drehte sich um, blickte eine Weile auf die Möhre, dann bewegte er sich langsam dorthin.
„Er nimmt sie, er nimmt sie“, flüsterte Nele.
Tatsächlich, Mozart ging zögernd zu der Stelle, wo die Möhre lag, beugte seinen Kopf nach unten und nahm sie mit seinem Maul. Dabei hatte er seine Ohren weit nach hinten gelegt, als witterte er eine Bedrohung.
„Das ist ja der Hammer, er hat sie genommen und gefressen“, staunte Nele. „Hast du noch eine?“
„Ja, eine kleine. Eigentlich wollte ich sie Dexter geben. Na ja, egal!“ Tessa ging zu Mozart in die Box und streckte ihre Hand aus, auf der die Möhre lag. Sie blieb ganz still stehen. Mozart schnaubte, blickte misstrauisch auf die Möhre und bewegte sich zögerlich in Tessas Richtung.
„Lass sie fallen, Tessa, los, er beißt dich vielleicht, bitte lass sie fallen“, flehte Nele.
Doch Tessa blieb weiter ruhig stehen. Mozart war nur noch einen halben Meter von ihr entfernt. Noch immer lag das Stück auf ihrer Hand. Mozarts Augen blickten sie prüfend an. Er schien zu überlegen: ‚Soll ich, oder soll ich nicht‘? Er näherte sich weiter an Tessa heran. Nele stockte fast der Atem. Sie konnte es nicht glauben, dass ihre Zwillingsschwester so mutig war. Da – jetzt, schnapp – Mozart nahm das Stück Möhre von Tessas Hand und ging instinktiv rückwärts, als wolle er den vorherigen Sicherheitsabstand wiederherstellen.
„Super, super, cool“, rief Nele begeistert, während Tessa die Box verließ.
Tessa atmete erst einmal tief durch. Erst jetzt wurde ihr klar, was sie gerade gemacht hatte.
„Boooh …“, stöhnte sie. Ihre Beine zitterten wie Espenlaub und dann sagte Nele: „Komm, lass uns zu den anderen nach draußen gehen und erzählen, was passiert ist.“
Die Würstchen brutzelten bereits auf dem Grill, während es sich Maria, Lisa, Anne, Julia, Frau Krause und Frau Hansen auf der Bank und den Strohballen gemütlich gemacht hatten. Lukas hingegen stand bei Herrn Krause und Herrn Hansen am Grill, er durfte die Würstchen wenden …
Mit den Worten: „Mozart hat ein Stück Möhre von Tessas Hand genommen“, rief Nele die Neuigkeit in die Runde.
„Kinder“, antwortete Frau Hansen, „das kann nicht sein! Mozart ist menschenscheu und er lässt keinen an sich heran!“
„Aber ja, Frau Hansen, es stimmt, er hat von meiner Hand eine kleine Möhre genommen“, bestätigte Tessa.
Herr Hansen hatte gehört, was die Zwillinge gesagt hatten und setzte sich erwartungsvoll zu ihnen.
„Ist das wirklich wahr?“, fragte er ungläubig.
„Aber ja doch, Tessa war in seiner Box, großes Indianer-Ehrenwort“, prahlte Nele stolz. Herr Hansen konnte es nicht glauben.
Nachdenklich putzte er sich mit einem großen, quadratischen Taschentuch den Schweiß von der glänzenden Stirn und fuhr mit leiser, brüchiger Stimme fort: „Wisst ihr, Mozart ist unser Sorgenkind. Wir haben alles versucht, damit er umgänglicher wird. Nächtelang habe ich mir den Kopf zerbrochen, woran es wohl liegen mag, dass er sich so seltsam verhält. Sogar der Tierarzt hat ihn gründlich untersucht, mit dem Erfolg, dass Mozart nach hinten ausgeschlagen und den Tierarzt dabei verletzt hat.
Damals, als ich ihn auf einer Ponyauktion gekauft habe, war er ganz lieb. Vermutlich hatte man ihm zuvor ein Beruhigungsmittel verabreicht, denn nach zwei oder drei Tagen wurde er seltsamerweise aggressiv und nun wissen wir nicht, was wir mit ihm machen sollen ...“
„Wir können essen, die Würstchen sind fertig“, rief Lukas und Frau Hansen ergänzte: „Langt zu, auf dem Tisch stehen Salate und Brot.“
Julias Mutter bediente die Kinder, während ihr Vater kühle Getränke aus dem Auto heranschleppte. Schon bald saß man in einer fröhlichen Runde beisammen und alle ließen es sich schmecken.
Später packte Julia neugierig ihre Geschenke aus und freute sich über ein Buch von Harry Potter, einen Hufkratzer, ein Springseil, einen Kinogutschein und verschiedene Freundschaftsbänder. Dabei erzählte sie euphorisch von ihrem ersten Turnier mit Dexter und alle hörten gespannt zu. Die Zeit verging wie im Fluge …
Gegen Abend betrat ein großer Mann mit blondgelockten Haaren den Ponyhof. Suchend schaute er sich um.
„Da ist Paps“, riefen die Zwillinge. „Hallo, Papa, hier sind wir.“
Herr Berger kam fröhlich auf die Gruppe zu und sagte:
„Guten Tag zusammen, euch geht es ja prächtig, was? Hattet ihr einen schönen Nachmittag?“ Lächelnd schaute er seine Töchter an.
„Oh ja Papa, es ist so toll hier auf dem Ponyhof. Dürfen wir öfter hierher zu Julia und Opa und Oma Hansen?“, fragten die Zwillinge.
„Mal sehen“, lautete die ausweichende Antwort, während Herr Berger alle per Handschlag begrüßte.
Julias Eltern kannte er von der Schule und als Architekt arbeitete er häufig mit Julias Vater, einem Bauunternehmer, zusammen.
Schwuppdiwupp hatte auch Herr Berger eine Grillwurst auf dem Teller und man reichte ihm dazu das Brot und den Nudelsalat.
„Mmh …, köstlicher Nudelsalat“, lobte er.
Als Julia verriet, dass Frau Hansen den Salat zubereitet hatte, wandte sich Sebastian an die Chefin des Ponyhofs: „Das Rezept müssen Sie mir unbedingt geben, Frau Hansen. So einen leckeren Nudelsalat habe ich noch nie gegessen.“
„Gerne, Herr Berger. Es freut mich, dass ich Ihren Geschmack getroffen habe. Sobald es meine Zeit erlaubt, werde ich Ihnen das Rezept aufschreiben.“
„Oh, prima. Vielen Dank, Frau Hansen.“
Die Zeit verflog und nach einer Weile war die tief stehende Abendsonne hinter den mächtig grünen Baumwipfeln verschwunden.
Es herrschte eine allgemeine Aufbruchsstimmung. Auch Maria, Lisa, Anne und Lukas wurden von ihren Eltern abgeholt und alle waren sich einig, dass es eine wunderschöne Geburtstagsparty gewesen war.
Zuhause hatte Celine eine große Schüssel Obstsalat vorbereitet. Sie war erst vor einer halben Stunde heimgekommen und freute sich nun auf ihre Familie und auf ihren wohlverdienten Feierabend.
Später saßen alle Familienmitglieder gemütlich auf der Couch, aßen das Obst und erzählten dabei ihre Erlebnisse. Sebastian von der Arbeit im Büro, Celine von Begegnungen in der Praxis und die Zwillinge vom Ponyhof, von Dexter und Mozart. Es sprudelte förmlich aus ihnen heraus und sie hatten nur einen Wunsch: Sie wollten am nächsten Tag abermals zu den Ponys und zu Julia. Doch alles Bitten und Betteln war vergebens. Morgen stand Geigenunterricht auf dem Programm, daran gab es nichts zu rütteln.
Nele und Tessa spielten seit einem halben Jahr Geige. Sie hatten sich beide freiwillig für dieses Musikinstrument entschieden. Ausschlaggebend waren die Fotos ihrer Mutter im Familienalbum, auf denen Celine im zarten Alter von dreizehn Jahren Geige spielend zu sehen war. Das hatte die Mädchen so tief beeindruckt, dass sie ebenfalls das schwer zu spielende Instrument erlernen wollten. Auch ihr Opa hatte früher Violine gespielt. Die Liebe zu diesem Instrument lag also in der Familie.
„Oh Mutti, wir haben doch Ferien, müssen wir denn morgen unbedingt zum Unterricht?“, motzte Tessa.
„Ja“, kam es kurz und knapp aus Celines Mund. „Es ist die letzte Stunde vor den Ferien und dann habt ihr sechs Wochen frei, in denen ihr nicht üben müsst. Wenn ihr trotzdem übt, umso besser!“
Die Diskussion zog sich noch etwas hin und man einigte sich schließlich auf einen Kompromiss. Die Zwillinge wollten ohne zu murren die letzte Geigenunterrichtsstunde absolvieren. Als Gegenleistung wurde ihnen erlaubt, noch einmal den Ponyhof zu besuchen, bevor die ganze Familie am Wochenende nach Frankreich, an die Côte d’ Azur in den Urlaub fahren würde. Dort gehörte ihnen ein kleines Mobilheim, das sich auf einem Campingplatz in der Nähe von St. Tropez befand.
Vor einigen Jahren hatten sie ein von Celines Tante geerbtes Haus in Frankreich verkauft und stattdessen dieses herrlich ausgestattete, moderne Mobilheim erworben, das wirklich keine Wünsche offen ließ. Besonders der grandiose Blick auf das azurblaue Wasser des Mittelmeeres verzückte sie jedes Jahr aufs Neue. Außerdem war es für alle eine vortreffliche Gelegenheit, die französische Sprache zu vertiefen.
„Habt ihr eure Geigenkoffer?“, fragte Celine die Zwillinge.
„Jaaa, Mama“, kam es gleichzeitig aus ihren Mündern.
„Moment“, sagte Tessa, „ich muss noch meine Turnschuhe anziehen.“
Sekunden später rief sie: „Oh nein, an meinen Schuhen befindet sich Pferdemist und sie riechen schrecklich.“
Nele und Celine brachen in schallendes Gelächter aus, als sie Tessas entsetztes Gesicht sahen.
„Mama, kannst du mir bitte die Schuhe säubern?“, bat Tessa mit ihrem süßesten Lächeln.
„Nein, mein Schatz, die musst du selber säubern“, schmunzelte Celine, während sie ihrer Tochter ein feuchtes Schwämmchen reichte, mit dem Tessa die Spuren des Ponyhofs beseitigen konnte …
Anschließend fuhren sie in das Stadtzentrum zu Frau Lingen, bei der die Zwillinge seit geraumer Zeit Geigenunterricht bekamen. Frau Lingen war eine attraktive, junge Frau und hatte den Kindern in den ersten Unterrichtsstunden die Geige näher beschrieben. Nun wussten sie, dass man eine Geige auch Violine nennt, und diverse Fachausdrücke wie Schnecke, Wirbel, Sattel, Griffbrett, Korpus, Steg und Kinnhalter waren ihnen schon geläufig. Auch dass zu einer Geige ein Bogen gehört und dieser mit Bogen- bzw. Rosshaaren bespannt war, hatten die Zwillinge gelernt.
Die richtige Violin- und Bogenhaltung hingegen wurde für Nele und Tessa zu einer wahren Herausforderung. Immer wieder kam von Frau Lingen die nötige Korrektur, bis sie erstmals den Bogen über die Saiten ziehen durften. Das war toll, endlich hörten sie einen Ton.
Das erste Lied, das Nele und Tessa gelernt hatten, war das Lied:
`Bruder Jakob´:
„Bruder Jakob, Bruder Jakob, schläfst du noch?
Schläfst du noch?
Hörst du nicht die Glocken?
Hörst du nicht die Glocken?
Ding, dang, dong,
ding, dang, dong.“
Als die Zwillinge Frau Lingen von ihrem Besuch auf dem Ponyhof berichteten, kramte diese emsig in ihren Notenheften.
„Da habe ich ein schönes Musikstück für euch. Es ist ein leicht zu spielendes Lied und handelt von Pferden. Schaut mal her.“
Frau Lingen reichte den Mädchen ein Notenblatt. Darauf standen die Noten des Liedes im Zweivierteltakt und darunter folgender Text:
„Hopp, hopp, hopp! Pferdchen, lauf Galopp!
Über Stock und über Steine,
aber brich dir nicht die Beine!
Hopp, hopp, hopp, hopp, hopp!
Pferdchen, lauf Galopp!“
„Tipp, tipp, tapp! Wirf mich nur nicht ab!
Zähme deine wilden Triebe,
Pferdchen, tu es mir zuliebe!
Tipp, tipp, tipp, tipp, tapp,
wirf mich nur nicht ab.“
(Text: Karl Hahn 1807)
Es folgten zwei weitere Strophen, und die Zwillinge waren total begeistert.
„Super, das ist schön, das üben wir ganz bestimmt“, riefen sie aufgeregt. Tatsächlich machte ihnen der Unterricht am heutigen Tag besonders viel Spaß. Frau Lingen erklärte ihnen haargenau, worauf sie beim Blick auf die Noten zu achten hatten. Sie korrigierte erneut die Bogenhaltung, die gleichzeitig nicht verkrampft und dennoch stabil sein sollte, um so die Streichbewegung auf die Saiten der Geige zu übertragen. Dann hatten sie es geschafft.
Sechs Wochen brauchten sie nun nicht zu üben, das hatte ihnen Celine versprochen. Doch sie wussten schon jetzt, dass sie das „Pferdelied“ auf jeden Fall üben würden. Als sie sich von Frau Lingen verabschiedeten und die Stufen des Treppenhauses hinuntergingen, blieb Tessa plötzlich stehen. „Nele, ob wir das Lied im Stall spielen dürfen, für Mozart, was meinst du?“ „Das ist eine megatolle Idee“, rief Nele euphorisch.