Neurohacks - Friederike Fabritius - E-Book

Neurohacks E-Book

Friederike Fabritius

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Beschreibung

Dieses unterhaltsame und praxisnahe Buch macht wissenschaftlich nachvollziehbar, warum wir Erfolg haben und woran wir oft scheitern. Fabritius und Hagemann kombinieren Erkenntnisse der Hirnforschung mit Business-Expertise, um mehr Leistung, Führungsstärke, Teamgeist und Zufriedenheit freizuschalten. Sie zeigen, wie kognitive Fähigkeiten gezielt eingesetzt werden können, um fokussierter, effizienter, kollegialer und letztlich glücklicher zu arbeiten. Dieses pragmatische und kurzweilige Buch wird sowohl Einzelpersonen als auch Teams dabei helfen, ihr wahres Potenzial auszuschöpfen und außergewöhnliche Ergebnisse zu erzielen. Ausgezeichnet als Management-Buch des Jahres von der Zeitschrift strategy+business Das Buch ist fantastisch! Gut geschrieben, gute Bespiele, ausgezeichnet strukturiert. […] Beim Lesen kommt man direkt in jenen »Flow«, den die Autoren so eindrücklich beschreiben. (Wirtschaftswoche)

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Friederike FabritiusHans Werner Hagemann

NEUROHACKS

Gehirngerecht und glücklicher arbeiten

Aus dem Englischen von Stephan Gebauer

Campus VerlagFrankfurt/New York

Über das Buch

Dieses unterhaltsame und praxisnahe Buch macht wissenschaftlich nachvollziehbar, warum wir Erfolg haben und woran wir oft scheitern. Fabritius und Hagemann kombinieren Erkenntnisse der Hirnforschung mit Business-Expertise, um mehr Leistung, Führungsstärke, Teamgeist und Zufriedenheit freizuschalten. Sie zeigen, wie kognitive Fähigkeiten gezielt eingesetzt werden können, um fokussierter, effizienter, kollegialer und letztlich glücklicher zu arbeiten. Dieses pragmatische und kurzweilige Buch wird sowohl Einzelpersonen als auch Teams dabei helfen, ihr wahres Potenzial auszuschöpfen und außergewöhnliche Ergebnisse zu erzielen.Ausgezeichnet als Management-Buch des Jahres von der Zeitschrift strategy+businessDas Buch ist fantastisch! Gut geschrieben, gute Bespiele, ausgezeichnet strukturiert. […] Beim Lesen kommt man direkt in jenen »Flow«, den die Autoren so eindrücklich beschreiben. (Wirtschaftswoche)

Friederike:

Für meinen Mann Jochen und unsere Kinder Benita, Wolf, Heinrich, Sylvester und Nike. Ihr füllt mein Leben mit Liebe und Freude.

Hans:

Für meine Frau Heinke und unsere Kinder Oskar, Anton und Tom. Es ist wunderbar, mein Leben mit euch zu teilen.

Inhalt

Kapitel EinleitungFührung – Kunst oder Wissenschaft?

TEIL 1Potenziale voll ausschöpfen

Kapitel 1Persönliche Bestleistung erreichen

Kapitel 2Die Emotionen regulieren — Lernen Sie, Ihre emotionale Temperatur besser zu kontrollieren

Kapitel 3Gezielt aufmerksam sein — Wie man die nötige Kontrolle erlangt, um sich auf das Wichtige konzentrieren und Ablenkungen vermeiden zu können

TEIL 2Das Gehirn verändern

Kapitel 4Gewohnheiten managen — Wie man den Autopiloten des Gehirns nutzt

Kapitel 5Das Unbewusstsein von der Leine lassen — Die schnellsten und besten Entscheidungen fallen manchmal ohne direkte Beteiligung des Bewusstseins

Kapitel 6Das Lernen fördern — Mag sein, dass man »einem alten Hund keine neuen Tricks beibringen kann«. Andererseits sind wir keine Hunde.

TEIL 3Dream-Teams aufbauen

Anmerkungen

Dank

Über die Autoren

Kapitel EinleitungFührung – Kunst oder Wissenschaft?

Die Führung wird seit langem als eine Kunst betrachtet, eine verschwommene Philosophie, in der es weniger um Fakten, sondern eher um rasch wechselnde Moden geht. Das erklärt den endlosen Strom von »revolutionären« Managementbüchern, die fast so schnell kommen und gehen wie die neueste Mode aus Paris. Und es erklärt, warum der Managementguru, der gestern noch in aller Munde war, heute eine vergessene Fußnote ist.

Aber wirksame Führung ist keine Kunst. Sie ist eine Wissenschaft. Sie sollte sich nicht an Modeworten oder Slogans orientieren. Stattdessen sollte sie auf dem soliden Fundament unserer Kenntnis des menschlichen Gehirns beruhen. Unser Handeln, unsere Reaktionen und unsere Interaktionen sind allesamt Produkte von kognitiven und emotionalen Prozessen. Was uns als Individuen und Gruppen motiviert und langweilt, wie wir auf Bedrohungen und Belohnungen reagieren, hängt von den Abläufen in komplexen neuronalen Netzen ab.

Noch vor kurzer Zeit war das Gehirn eine Art von Blackbox für uns. Vieles von dem, was darin vorgeht, war ein Geheimnis. Aber dank bahnbrechender Entwicklungen in der Neurowissenschaft, darunter die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT), sind wir bei der Beschreibung der Arbeitsweise des Gehirns nicht mehr auf bloße Spekulation angewiesen. Wir können es tatsächlich in Aktion beobachten. Das, was uns die wissenschaftliche Forschung gelehrt hat, kann die Art und Weise, wie wir Menschen führen und erfolgreich arbeiten, vollkommen verändern.

Plötzlich jagt eine Neuigkeit aus der Neurowissenschaft die andere. Was in den Forschungslabors seit Jahren bekannt ist und diskutiert wird, findet endlich seinen Weg in Bestseller-Bücher. Anscheinend möchte fast jeder mehr darüber wissen, wie unser Gehirn funktioniert, und dieses Wissen nutzen, um unser privates und berufliches Leben zu verbessern.

Das war nicht immer so. Noch vor wenigen Jahren, als einer von uns Autoren in einer großen Beratungsfirma arbeitete, zeigte niemand in dieser Firma Interesse an der Neurowissenschaft. Und auf der anderen Seite war die Begeisterung genauso gering: Als wir mehrere führende Gehirnforscher fragten, ob sie Möglichkeiten sähen, ihre Erkenntnisse in Unternehmen praktisch anzuwenden, waren die meisten von ihnen entweder unwillig oder außerstande, Verbindungen herzustellen.

So kam es, dass wir, als wir diese faszinierenden Entdeckungen in Managementseminaren und Coaching-Sitzungen zu nutzen begannen, zu einer winzigen Gruppe von nur einer Handvoll Beratern zählten, die diesen bedeutsamen Zusammenhang herstellten. Aber nachdem wir unseren gehirnbasierten Ansatz Unternehmen in aller Welt präsentiert hatten, erhielten wir von hochrangigen Führungskräften fast durchweg begeistertes Feedback.

Wenn man bedenkt, mit welcher Art von Klienten wir es zu tun hatten, war das gleichermaßen überraschend wie befriedigend. Menschen im Spitzenmanagement können ein ziemlich herausforderndes Publikum sein. Viele von ihnen sind skeptisch gegenüber Coaching und Führungskräfteentwicklung, was oft nachvollziehbar ist. Diese Disziplinen scheinen ihnen zu »weich« zu sein. Unser auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhender Zugang schloss tatsächlich eine Lücke. Es war erstaunlich und auch sehr befriedigend zu sehen, wie sich Personen und Organisationen wandelten, seit wir begonnen hatten, die Ergebnisse der Hirnforschung auf ihre Tätigkeit anzuwenden und eine Verbindung herzustellen, die im Rückblick wie eine natürliche Brücke zwischen Neurowissenschaft und Unternehmenstätigkeit wirkt. Viele Klienten lobten den praktischen Nutzen unserer Seminare, und einige erklärten sogar, die neuen Methoden hätten ihr Leben verändert.

Am Ende unserer Seminare wurden wir ein ums andere Mal gefragt, ob wir ein auf die Unternehmenswelt anwendbares Buch empfehlen könnten, in dem die im Seminar behandelten neurowissenschaftlichen Erkenntnisse genauer erläutert würden. Aber zu jener Zeit gab es kein solches Buch. Jetzt gibt es eines.

In den neun Kapiteln von Neurohacks nehmen wir Sie auf eine Reise mit, auf der wir Ihnen zunächst zeigen werden, wie man die Erkenntnisse der Neurowissenschaft nutzen kann, um individuelle Höchstleistungen zu erbringen. Sodann werden wir erklären, wie Sie diese Erkenntnisse auch einsetzen können, um besonders leistungsfähige Teams aufzubauen.

In Teil 1 – »Potenziale voll ausschöpfen« – erklären wir, wie man sein optimales Leistungsniveau nicht nur erreichen, sondern auch halten kann. In Kapitel 1 (»Persönliche Bestleistung erreichen«) beschreiben wir die Bestandteile des neurochemischen Cocktails, der Höchstleistungen möglich macht, und erklären anschließend, warum dieses Rezept oft von einem Menschen zum anderen variiert. In Kapitel 2 (»Die Emotionen regulieren«) beschäftigen wir uns mit dem Zusammenhang zwischen Emotionen und Höchstleistung. In Kapitel 3 (»Gezielt aufmerksam sein«) geben wir eine auf der Gehirnforschung beruhende Antwort auf eine drängende Frage: Wie kann man in einer Welt des Informationsüberflusses die Konzentration dauerhaft aufrechterhalten?

In Teil 2 – »Das Gehirn verändern« – untersuchen wir den Mythos, die Prozesse in unserem Gehirn seien ab einem bestimmten Alter unveränderlich. In Kapitel 4 (»Gewohnheiten managen«) werden wir sehen, dass man sie sehr wohl verändern kann. Wenn man versteht, wie Gewohnheiten funktionieren, kann man sie kontrollieren und sich gute Gewohnheiten angewöhnen und schlechte abgewöhnen. In Kapitel 5 (»Das Unbewusstsein von der Leine lassen«) gehen wir noch einen vielversprechenden Schritt weiter und zeigen, wie wir die beeindruckende Stärke und Effizienz jenes Teils des Gehirns nutzen können, dessen wir uns per definitionem nicht bewusst sind. In Kapitel 6 (»Das Lernen fördern«) stellen wir das faszinierende Konzept der Neuroplastizität vor und zeigen, wie man das eigene Gehirn sein Leben lang neu verdrahten und seine Fähigkeiten verbessern kann.

In Teil 3 – »Dream-Teams aufbauen« – kombinieren wir die in den vorhergehenden Kapiteln beschriebenen Erkenntnisse über das Gehirn miteinander und wenden sie auf einen Gruppenkontext an. In Kapitel 7 (»Erfolg durch Diversität«) wird das Konzept der Diversität neu definiert; wir untersuchen die chemischen Prozesse im Gehirn, die für die Unterschiede zwischen Menschen verantwortlich sind, und beschreiben, wie man die beste Kombination von Mitarbeitern zusammenstellen kann. Kapitel 8 (»Vertrauen schaffen«) ist einem besonders wichtigen, aber zu wenig beachteten Merkmal effektiver Teams gewidmet und enthält eine Beschreibung der Faktoren, die Menschen in einem Team zusammenschweißen oder einander entfremden können. In Kapitel 9 (»Das Team der Zukunft entwickeln«) erklären wir Ihnen, wie man den Zusammenhalt eines Teams stärken kann. Wir untersuchen, wie man gestützt auf wissenschaftliche Erkenntnisse talentierte Menschen finden und schulen kann, und beschreiben die Faktoren, die es Teams ermöglichen, ein bemerkenswertes Maß an Energie, Produktivität und Zufriedenheit zu erreichen.

Die Forschungsarbeit für dieses Buch und die Arbeit am Text sowie die vielen Stunden, die wir mit hochrangigen Führungskräften in aller Welt gearbeitet haben, haben uns in der Überzeugung bestärkt, dass die Wissenschaft von der Funktionsweise des Gehirns gewaltige Auswirkungen auf die Unternehmenstätigkeit haben kann. Wir sind sicher, dass die Erkenntnisse der Neurowissenschaft die Art und Weise verändern werden, wie wir in Unternehmen führen, kommunizieren und interagieren. Die in diesem Buch beschriebenen Erkenntnisse sind nicht nur wissenschaftlich fundiert, sondern wurden auch in bemerkenswert vielfältigen Unternehmensumgebungen erfolgreich angewandt, wo sie für mehr Zufriedenheit und bessere Leistungen gesorgt haben. Wir stehen am Anfang einer neuen Ära der Unternehmensführung, in der wir unseren Umgang miteinander grundlegend ändern und die Kommunikation in den Unternehmen auf ein neues Niveau heben werden.

Noch eine Anmerkung zur vorliegenden deutschen Ausgabe in eigener Sache: Mittlerweile arbeiten wir nicht mehr zusammen. Friederike Fabritius arbeitet selbständig als Keynote-Speaker für das Topmanagement internationaler Firmen. Dr. Hans W. Hagemann ist als Managing Partner der Munich Leadership Group Ansprechpartner von Vorständen und Unternehmensführern für kulturelle Transformationsprozesse und innovative Führungskräfteentwicklung.

Friederike Fabritius und Dr. Hans W. Hagemann, August 2021

TEIL 1

Potenziale voll ausschöpfen

KAPITEL 1 – Persönliche Bestleistung erreichen

KAPITEL 2 – Die Emotionen regulieren

KAPITEL 3 – Gezielt aufmerksam sein

Kapitel 1Persönliche Bestleistung erreichen

Die richtige Mischung von Neurochemikalien im Gehirn, wenn man sie braucht

Kurz vor Sonnenaufgang an einem Maimorgen stieg Leroy Gordon Cooper Jr., der einen neuen Anzug trug und einen Metallkasten von der Größe eines großen Aktenkoffers bei sich hatte, in den Aufzug und fuhr zehn Stockwerke hinauf.1 Als sich die Aufzugtür öffnete, nahmen ihn mehrere Betreuer in weißen Kitteln in Empfang, die ihn zu einem gepolsterten Sessel führten und darauf festgurteten. Er saß jetzt in einem extrem beengten Raum, vergleichbar einer Flugzeugtoilette. Aber Cooper, den seine Freunde »Gordo« nannten, befand sich nicht in einem Flugzeug. Er war in einer kegelförmigen Raumkapsel aus Aluminium eingeschlossen, die über Tanks mit 90 Tonnen leicht entflammbarem, flüssigem Sauerstoff angebracht war und wenige Augenblicke später zu einer Reise von fast 900 000 Kilometern aufbrechen würde.2

Es war der 15. Mai 1963, und der Astronaut Gordo Cooper schickte sich an, als sechster US-Amerikaner in den Weltraum aufzubrechen. Es würde keine Vergnügungsreise werden. Bei mehreren vorangegangenen Flügen hatte es Probleme gegeben. Gravierende Probleme. Vor etwas mehr als einem Jahr war Coopers Kollege John Glenn beinahe in der Erdatmosphäre verbrannt, weil sich der Hitzeschild seiner Raumkapsel gelöst hatte.3 Obwohl die Astronauten allesamt erfahrene Piloten waren, die wegen ihrer psychischen Belastbarkeit ausgewählt worden waren, musste Coopers Mission sogar den härtesten Kampfpiloten unter erheblichen Stress setzen.

Mehrere Unterbrechungen des Countdowns für den Start wurden selbst für die erfahrenen Techniker im Kontrollzentrum eine schwer erträgliche Tortur. Während Cooper eine weitere Verzögerung erdulden musste, beobachteten die Ärzte seine telemetrisch erfassten biomedizinischen Werte. Was sie in ihren Datenblättern sahen, schockierte sie: So unglaublich es schien, der Astronaut machte tatsächlich ein Nickerchen!4

Mehr als ein Jahrhundert vor Gordo Coopers Reise in den Weltraum wanderte im französischen Lille ein Mann mehrere Stunden nach Feierabend in einem langen Korridor vor einem einfachen Labor auf und ab. Er hinkte. Der bärtige Mann in dunkler Weste und Sakko war tief in Gedanken versunken und klimperte gelegentlich mit den Schlüsseln in seiner Tasche, um seinen Überlegungen einen Rhythmus zu geben.5

Der Name des Mannes war Louis Pasteur. Seine unerschütterliche Hingabe für Wissenschaft und Forschung sollte die Praktiken sowohl in der Medizin als auch in der Industrie revolutionieren. Er ging stets sehr bedacht vor und überließ nichts dem Zufall.6 Um optimale Leistungen zu erzielen, brauchte Pasteur ungeheure Geduld und andauernde Konzentration. Er war ein umsichtiger, nachdenklicher Mann und wusste genau, was das Geheimnis seines Erfolgs war: »Meine Stärke«, sagte er, »liegt ausschließlich in meiner Hartnäckigkeit.«7

Auf der Suche nach der Leistungsgrenze

Niemand hätte den forschen, stets glattrasierten Gordo Cooper mit dem nachdenklichen, bärtigen Louis Pasteur verwechselt, und die beiden hätten nie die Berufe tauschen können. Aber beide waren Meister darin, ein Niveau der Vortrefflichkeit zu erreichen, das wir als Leistungsoptimum bezeichnen. Pasteurs Höchstleistungen ermöglichten bahnbrechende naturwissenschaftliche und medizinische Entdeckungen. Cooper erreichte seine Leistungsspitze nicht im Schlaf. Aber die Tatsache, dass er in der Lage war, während der Vorbereitung auf eine gefährliche Reise zu schlafen, zeigt deutlich, dass Menschen unter sehr unterschiedlichen Bedingungen ihre besten Leistungen bringen. Cooper hatte das Temperament eines Sprinters, Pasteur die Mentalität eines Marathonläufers. Obwohl Cooper in seiner beengten Raumkapsel, die er auf den Namen Faith 7 getauft hatte, friedlich schlief, bevor die Atlas-9-Rakete von der Abschussrampe abhob, standen ihm seine große Herausforderung und der entscheidende Moment der Höchstleistung noch bevor.

Das U, das uns motiviert

Jeder, der schon einmal einen Tennisschläger, einen Baseballschläger oder einen Golfschläger geschwungen hat, kennt den optimalen Punkt, jenen Punkt, an dem man den Ball so trifft, dass er genau die richtige Flugbahn nimmt. Wir sind alle bemüht, optimale Leistungen aus uns herauszuholen und in die Zone zu gelangen, in der wir besonders produktiv und effektiv sein werden. Und die meisten von uns wissen, wann sie sich in dieser Zone befinden. Aber wie gelangen wir dorthin? Was brauchen wir dafür? Ohne Kenntnis der Funktionsweise des Gehirns und ohne die Fähigkeit, dieses Wissen zu nutzen, vergeuden wir Chancen auf Bestleistungen und schöpfen unser Potenzial für große Erfolge nicht aus. Die gute Nachricht ist, dass wir die Fähigkeiten, die wir brauchen, um das Potenzial unseres Verstands in Beruf und Leben optimal zu nutzen, erlernen, trainieren und verbessern können.

Im Jahr 1908 fanden die Psychologen Robert Yerkes und John Dillingham Dodson heraus, dass man die Leistungen von Ratten, die einen Weg durch ein Labyrinth suchten, verbessern konnte, indem man den Tieren leichte Elektroschocks verabreichte. Wurde die Stärke der Stromstöße jedoch über ein bestimmtes Maß hinaus erhöht, so sank die Fähigkeit der Ratten, sich in dem Labyrinth zurechtzufinden, deutlich. Anstatt konzentriert und aufmerksam zu sein, gerieten die Nagetiere in Panik und versuchten ziellos zu fliehen. Yerkes und Dodson bezeichneten die Elektroschocks als arousal (Erregung/Aktivierung). Heute sprechen wir in diesem Zusammenhang sehr oft von »Stress«.

Die beiden Psychologen veranschaulichten die Beziehung zwischen Aktivierung und Leistung anhand eines bemerkenswert einfachen Diagramms, einer umgekehrten U-Kurve, die als Yerkes-Dodson-Kurve bekannt geworden ist (siehe Abb. 1). Die Bestleistung wird am höchsten Punkt der Kurve erreicht, an dem Punkt, an dem die Erregung ausreicht, um optimale Konzentration und Aufmerksamkeit zu ermöglichen. Ohne angemessene Erregung fühlen wir uns gelangweilt oder apathisch. Und wenn die Erregung zu stark ist? In diesen Fällen verwandelt sich unsere Konzentration in Stress – oder schlimmer noch: in Panik. In unserem Streben nach Höchstleistung ähneln wir ein wenig Goldlöckchen, das den Brei der drei Bären kostet: Wir suchen nach dem Niveau, das weder zu heiß noch zu kalt, sondern gerade richtig ist.

Abbildung 1: Leistungskurve

Quelle: Robert M. Yerkes und John D. Dodson

Obwohl es hilfreich ist, sich ein Bild von Höchstleistung zu machen, ist das offensichtlich nicht dasselbe wie tatsächlich das Leistungsoptimum zu erreichen. Wenn wir besser verstehen wollen, was erforderlich ist, um diesen Punkt zu finden und Höchstleistungen aus uns herauszuholen, müssen wir uns ansehen, was in unserem Gehirn vorgeht, wenn wir Spitzenleistungen vollbringen – und was dort geschieht, wenn wir nicht dazu imstande sind.

Die Anatomie der Aktivierung

Die Verdrahtung unseres Gehirns ist in Wahrheit natürlich keine Verdrahtung. Stattdessen springen Signale von einer Zelle zur anderen. Gemeinsam sind diese mikroskopischen Boten verantwortlich für unsere Aktionen, Reaktionen und Emotionen. Dazu zählt auch der Zustand, den Yerkes und Dodson als Erregung oder Aktivierung bezeichneten.

Neurotransmitter

In unserem Gehirn gibt es etwa eine Billion Nervenzellen, die jeweils eine Größe von etwa einem Hundertstelmillimeter haben.8 Eine Nervenzelle, die als Neuron bezeichnet wird, sieht ein wenig wie ein Klecks auf der Küchenanrichte aus: Vom Fleck in der Mitte streben winzige Tentakel aus Nervenmasse weg. Form und Funktion verschiedener Neuronen unterscheiden sich geringfügig, aber die Gestalt des Kleckses ist im Grunde immer dieselbe. Obwohl sich Milliarden Neuronen im Gehirn drängen, gibt es keine physische Verbindung zwischen ihren Tentakeln. Es gibt mikroskopisch kleine Lücken zwischen ihnen, die als Synapsen bezeichnet werden. Um diese Lücken zu überbrücken, werden Botenstoffe eingesetzt, genannt Neurotransmitter. Wie winzige Mobiltelefone können die Neuronen Signale sowohl senden als auch empfangen.

Das Axon

Weitergeleitet werden die Signale vom Axon, und jedes Neuron hat nur ein solches Axon. Hingegen weist die Nervenzelle zahlreiche Dendriten auf, die, obwohl ihr Name an Mitglieder einer obskuren religiösen Sekte denken lässt, tatsächlich die Signalempfänger des Neurons sind. Die Tatsache, dass die Nervenzellen nicht physisch miteinander verbunden sind, ist ein Vorteil, denn das verleiht ihnen die bemerkenswerte Fähigkeit, vollkommen neue, als neuronale Pfade bezeichnete Schaltkreise zu bilden, ohne dass dafür ein Lötkolben benötigt würde oder ein Elektriker gerufen werden müsste. Und so wie ein Trampelpfad, der entsteht, wenn Leute, um den Weg abzukürzen, regelmäßig am Ende eines Häuserblocks vom Gehsteig abbiegen und über den Rasen eines Nachbarn laufen, werden diese neuronalen Pfade umso leichter passierbar, je öfter sie genutzt werden (obwohl sie kein Gras zerstören).

Diese Eigenschaft der Nervenzellen ist nicht auf die Leistung beschränkt. Sie erklärt auch, wie wir lernen und wie uns gute und schlechte Gewohnheiten schließlich zur zweiten Natur werden, ohne dass wir darüber nachdenken: Der Pfad wird im Lauf der Zeit ausgetreten, sodass die Neurotransmitter den Weg fast mit geschlossenen Augen zurücklegen können. Oder wie es bei den Kognitionsforschern heißt: Neuronen, die zusammen feuern, werden sich zusammenschließen (»Neurons that fire together wire together«). Diese Verbindung ist nicht permanent, so wie ein Pfad nicht permanent ist. Aber wenn er regelmäßig genutzt wird, wird er so gut passierbar wie eine asphaltierte Straße. Hören wir umgekehrt auf, diesen Pfad zu benutzen, so wächst nach einer Weile wieder Gras darüber. Das erklärt teilweise, warum wir uns unsere Telefonnummer relativ leicht merken können, während wir das vor vielen Jahren in der Schule gelernte Französisch vergessen haben.

Mittlerweile sind mehr als hundert Neurotransmitter identifiziert worden, aber für Höchstleistungen sind hauptsächlich drei wirklich wichtig: Dopamin, Noradrenalin und Acetylcholin. Wir bezeichnen sie als »DNA der Höchstleistung«. Gemeinsam mit anderen Neurochemikalien wir Endorphinen, Serotonin, Oxytocin und Anandamid sorgen sie dafür, dass wir nicht nur Höchstleistung erreichen, sondern uns auch großartig dabei fühlen.

Dopamin

Ein Journalist hat Dopamin einmal als »Kim Kardashian der Neurotransmitter« bezeichnet, weil es die Wissenschaftsseiten der Zeitungen mit Geschichten über Genuss, Sucht und Belohnung füllt.9 Dopamin hat das Interesse und die Fantasie der Öffentlichkeit geweckt, was vermutlich damit zu tun hat, dass es mit Spannung, Neuheit und Risiko zu tun hat.

Dopamin hat Einfluss auf unsere Fähigkeit, die im Gedächtnis gespeicherte Information zu aktualisieren, und wirkt sich auf unsere Fähigkeit aus, uns auf eine Aufgabe zu konzentrieren.10 Es erzeugt ähnlich wie eine Droge ein Belohnungsempfinden, das in uns den Wunsch nach mehr weckt. Und wie bei vielen Drogen verfliegt das Hochgefühl wieder, und beim nächsten Mal brauchen wir eine höhere Dosis, um dieselbe Wirkung zu erzielen. Deshalb kann man Dopamin auch als Neuheitsneurotransmitter bezeichnen. Seine Wirkung ist am stärksten, wenn der Reiz neu ist. Das erklärt teilweise, warum wir zu Beginn eines neuen Projekts Begeisterung verspüren, die normalerweise jedoch abnimmt, nachdem wir eine Weile an diesem Projekt gearbeitet haben.

Dopamin erfüllt eine Reihe von Funktionen im Körper. Unter anderem trägt es zur motorischen Steuerung bei. Aber wenn es um das Gehirn und Höchstleistungen geht, ist es die Spaßchemikalie. Um wirklich Leistungen auf höchstem Niveau bringen zu können, sollte man Spaß haben. Die Erfahrung sollte als lohnend empfunden werden. Wenn wir keine Freude daran haben, können wir durchaus überdurchschnittliche Leistungen bringen, aber das Optimum holen wir wahrscheinlich nicht aus uns heraus.

Wieso all die Aufregung? Noradrenalin!

Fast jeder kennt das Noradrenalin (auch als Norepinephrin bekannt) – oder glaubt zumindest, es zu kennen. Es ist verantwortlich für die Aufregung, in die wir geraten, wenn wir zum Bungee-Jumping gehen oder plötzlich vom »freundlichen« Hund eines Nachbarn angesprungen werden. Die Hauptaufgabe von Noradrenalin ist es, unser Überleben zu sichern. Die Evolution hat es entwickelt, um uns dabei zu helfen, rasch auf tatsächliche oder vermeintliche Bedrohungen zu reagieren. Zu diesem Zweck reguliert es unsere Aufmerksamkeit und Wachsamkeit. Studien haben gezeigt, dass ein erhöhter Noradrenalinausstoß die Fähigkeit erhöht, in visuellen Tests Fehler zu erkennen. Noradrenalin sorgt dafür, dass wir hellwach, aufmerksam und der Aufgabe gewachsen sind.

Der Noradrenalinspiegel ist optimal, wenn wir uns ein klein wenig überfordert fühlen. Dies löst folgende Reaktion aus: »Das ist schwierig, aber ich glaube, ich kann es schaffen.« Dieser Botenstoff wird auch freigesetzt, wenn wir uns antreiben, eine schwierige Aufgabe besser, schneller oder mit geringeren Ressourcen zu bewältigen.

Vom Rampenlicht zum Laser: Acetylcholin

Der dritte Baustein der Hochleistungs-DNA ist Acetylcholin, das bei einer Bevölkerungsgruppe, bei der man es nicht erwarten würde, im Überfluss vorhanden ist. Es gibt eine ganz spezielle Gruppe von Menschen, von denen wir wahrscheinlich eine Menge über Höchstleistungen lernen können. Wenn wir uns in unserer Umgebung umsehen, werden wir feststellen, dass sie fast überall zu finden sind. Sind es engagierte Forscher aus der Chemie? Spitzensportler? Risikofreudige Unternehmensgründer? Schachgroßmeister? Preisgekrönte Verkäufer? Politiker? Weit gefehlt. Aber vielleicht lebt einer von diesen Menschen in Ihrem Haus. Und nein, es ist nicht Ihre Schwiegermutter. Es ist auch nicht der missmutige Jugendliche, der schon über zwanzig ist, aber immer noch zu Hause wohnt und sein Elternhaus irrtümlich für eine Kombination von kostenlosem Büffet und Selbstbedienungswäscherei hält. Nein, es ist ein sehr kleines Kind. Ja, das ist richtig: ein Baby!

Wenn Sie schon einmal Zeit mit einem Baby verbracht haben, dann werden Sie wahrscheinlich bestätigen, dass sie zu den aufmerksamsten kleinen Leuten und zu den besten Beobachtern auf dem Planeten zählen. Es stimmt, sie geben übelriechende Dinge von sich, aber sie sind auch hochtourige, windeltragende kognitive Staubsauger mit Turbolader, die unentwegt Anblicke, Klänge, Geschmäcker und Gerüche aufsaugen. Denselben Mechanismus, den wir hin und wieder nutzen, um Höchstleistungen zu vollbringen, setzt ein Baby in den ersten Lebensjahren praktisch unentwegt ein. Und die Chemikalie, die diese außerordentliche Leistung ermöglicht, ist das Acetylcholin.

Acetylcholin wird in einem Teil des Gehirns produziert, der als Nucleus basalis bezeichnet wird. Babys setzen automatisch Acetylcholin frei. Die Neurowissenschaftler sprechen von der »kritischen Phase der Neuroplastizität«: In dieser Zeit sind nagelneue Gehirne extrem empfänglich für neue Informationen und legen unablässig neuronale Pfade an. In der Phase der kritischen Plastizität ist »die Lernmaschinerie ständig in Betrieb«, wie der Neurowissenschaftler Michael Merzenich erklärt.11 Als Erwachsene können wir davon nur träumen: Der automatische Mechanismus für außergewöhnliche Konzentration wird bereits in einem relativ frühen Alter abgeschaltet; von da an muss die Freisetzung von Acetylcholin manuell in Gang gesetzt werden.

Wie legen wir als Erwachsene den Schalter um, um Acetylcholin freizusetzen? Wenn die Phase der kritischen Plastizität beendet ist, gibt es nur noch einige wenige Methoden, um das zu bewerkstelligen: indem wir uns bewusst um Aufmerksamkeit bemühen, indem wir uns körperlich anstrengen oder indem wir uns etwas Wichtigem, Überraschendem oder Neuem aussetzen – also indem unser Gehirn Dopamin freisetzt.

Wir können uns die DNA der Höchstleistung auch als ein besonders gelungenes Foto vorstellen: Noradrenalin bewegt uns dazu, die Kamera in die richtige Richtung zu halten, Dopamin hilft uns, einen visuell ansprechenden, gefälligen Bildausschnitt zu wählen, und Acetylcholin versetzt uns in die Lage, die Brennweite des Objektivs zu verändern, bis wir ein gestochen scharfes Bild haben. Wenn wir eines oder zwei dieser Elemente optimieren, erhalten wir einen Schnappschuss. Wenn wir auch das dritte hinzufügen, haben wir ein Kunstwerk.

Es gibt keine Einheitsgröße, die allen passt

Die Leistungskurve, die ein einfaches umgekehrtes U darstellt, liefert eine klare und präzise Erklärung dafür, wie Leistung funktioniert. Aber wie Ihnen vielleicht schon aufgefallen ist, enthält das Diagramm keinerlei Einheiten. Wie misst man die Erregung? In Zentimetern? In Erg? In Scoville-Einheiten?1 Anders ausgedrückt: Wie stark muss die Erregung genau sein, damit Höchstleistungen möglich werden? Die kurze Antwort ist, dass wir es nicht wirklich sagen können.

Es gibt keinen universellen Maßstab für die optimale Erregung.

Die lange Antwort lautet, dass dieser Wert von Person zu Person und von Situation zu Situation erheblich schwanken kann. Es gibt keinen universellen Maßstab für die optimale Erregung. Was das anbelangt, hat die Erregung Ähnlichkeit mit scharfen Speisen.

Scharf, aber nicht so scharf wie ihres

Versetzen Sie sich für einen Augenblick in die Rolle eines Kellners in einem thailändischen Restaurant in Kalifornien. Ein gut gekleidetes Paar schlendert herein und lässt sich in einer Nische unter den gerahmten Fotos des Königspaars nieder. Als Sie an den Tisch treten, um die Bestellungen der beiden aufzunehmen, wählt sie »Thai-Basilikum mit Schweinefleisch, sehr scharf«. Er möchte dasselbe, aber mit Huhn, und er fügt beiläufig hinzu: »Aber bitte nicht so scharf wie ihres.« Was werden Sie dem Koch sagen? Sie ahnen, dass die Gäste, wenn er die Speisen gemessen an den Maßstäben seines Heimatdorfs unweit von Bangkok »sehr scharf« zubereitet, zu zweit eine Dürre in Kalifornien heraufbeschwören werden, weil sie nicht mehr aufhören werden, Wasser zu bestellen. Vielleicht werden sie sogar das Restaurant verklagen.

Die Definition der Schärfe in einem thailändischen Restaurant hat ein wenig Ähnlichkeit mit der Definition der Erregung in einem Yerkes-Dodson-Diagramm. Die Maßstäbe einer Person dafür, was eine Erregung darstellt, können von denen einer anderen Person abweichen. Einige von uns sind »rechtsseitige Höchstleister« wie Gordo Cooper, andere »linksseitige Höchstleister« wie Louis Pasteur. Wieder andere sind irgendwo zwischen diesen Polen angesiedelt. Zum Glück gab es in unseren damaligen Seminaren eine Art von Schärfetest, den wir mit unseren Teilnehmern durchführten, um ihr optimales Erregungsniveau zu bestimmen.

Auf den letzten Drücker

Stellen Sie sich vor, Sie geraten in folgende Notlage: Sie und Ihre Kollegen nehmen an einem unserer Hochleistungsseminare teil. Bisher haben Sie viel Spaß gehabt. Sie finden, dass die Sitzungen interessant, informativ, unterhaltsam und nützlich sind. Aber kurz nachdem wir die Teilnehmer auf Gruppen verteilt haben, eröffnen wir Ihnen, dass Ihr Chef einen Überraschungsbesuch angekündigt hat. Jede Gruppe hat nur etwas mehr als eine Stunde Zeit, um eine Präsentation vorzubereiten, die am Abend in seiner Gegenwart stattfinden soll.

Wie würden Sie sich in dieser Situation fühlen? Nun, als wir unsere Seminarteilnehmer mit dieser Neuigkeit überraschten, waren einige Gruppen entsetzt von der Aussicht, während andere die Ankündigung als Ansporn betrachteten und sich auf den Abend zu freuen schienen.

Wir hätten diese Reaktionen vorhersagen können.

Der Grund dafür war, dass wir die Teilnehmer ohne ihr Wissen abhängig davon auf die Gruppen verteilt hatten, wie sie im State-Trait-Angstinventar abgeschnitten hatten, einem Test, mit dem festgestellt wird, bei welchem Maß an Erregung eine Person Höchstleistungen erbringt.

Wir ordneten die rechtsseitigen Höchstleister einer Gruppe und die linksseitigen Höchstleister einer anderen zu und verteilten die übrigen Teilnehmer, die in verschiedenen Bereichen des Leistungskontinuums gelandet waren, auf entsprechende Gruppen.

Wie nicht anders zu erwarten war, fühlte sich die Gruppe, die im linken Bereich des Kontinuums gelandet war, unter erheblichen Druck gesetzt und hielt es für unmöglich, die Präsentation rechtzeitig fertigzustellen. Hingegen schien die Gruppe auf der rechten Seite die Herausforderung zu genießen. Diesen Teilnehmern machte der plötzliche Kurswechsel überhaupt nichts aus.

Dann ließen wir die nächste Bombe platzen.

Unsere Ankündigung der bevorstehenden Ankunft ihres Chefs war ein Schwindel gewesen. Der Chef würde überhaupt nicht kommen, und sie mussten keine Präsentation vorbereiten.

Man konnte Seufzer der Erleichterung in einem Teil des Raums hören, während aus dem anderen enttäuschtes Gemurmel kam. Und einige Teilnehmer murrten tatsächlich. Aber zum Glück griff niemand zu Fackeln und Mistgabeln, um uns aus der Stadt zu jagen.

Abbildung 2: Sowohl Louis Pasteur als auch Gordo Cooper erreichten ihr optimales Leistungsniveau, wenn auch bei sehr unterschiedlichen Erregungsniveaus.

Wir überlebten alle das Experiment und gewannen eine wichtige Erkenntnis: Nicht alle Menschen erreichen auf dieselbe Art ihre Leistungsspitze. Das Maß an emotionaler Erregung, bei dem wir Höchstleistungen erbringen können, ist von Person zu Person sehr unterschiedlich (siehe Abb. 2).

Personen auf der rechten Seite

Je weiter rechts auf der Skala wir uns befinden, desto leichter fällt es uns, unter Druck Höchstleistungen zu erzielen. Vielleicht langweilen wir uns an einem normalen Tag im Büro, aber wenn eine Krise ausbricht, sind wir in unserem Element. Ein klassisches Beispiel dafür ist Gordo Cooper.

In vielen Unternehmen genießen Personen, die auf der rechten Seite der Skala zu finden sind, einen Heldenstatus. Ihre Erfolge im Büro und außerhalb des Büros werden mit gedämpfter Ehrfurcht kommentiert. Beeindruckte Nachwuchsführungskräfte schreiben es sich hinter die Ohren, wenn einer der Partner beiläufig erzählt, dass er am Wochenende Paragliding gehen muss, um sich entspannen zu können. In einer Atmosphäre, in der Mottos wie »Diamanten entstehen nur unter hohem Druck« die inoffizielle Firmenpolitik sind, überrascht es nicht, wenn sich alle Mitarbeiter – bewusst oder unbewusst – an diesem Ideal orientieren.

Wie halten es um starke Emotionen bemühte Rechtsseitige in einer manchmal lähmenden Arbeitsumgebung aus? Tatsächlich halten es viele von ihnen nicht aus. Führungskräfte, die mit solchen Bedingungen umgehen können, haben im Lauf der Zeit ihre Geheimwaffen entwickelt. Um ihrer Arbeit weiterhin mit Engagement nachgehen zu können, beschwören sie manchmal Notsituationen herauf, um den chemischen Cocktail in ihren Köpfen zu erzeugen, den sie für optimale Leistungen brauchen: Sie beginnen mit der Arbeit an einer wichtigen Präsentation, wenn nur noch wenige Stunden bleiben, bis sie aufs Podium steigen müssen. Sie brechen in letzter Sekunde zum Flughafen auf, um einen internationalen Flug zu erwischen. Wir kennen einen um starke Emotionen bemühten Zeitungsredakteur, der oft wenige Minuten bevor die Zeitung in Druck gehen musste, die erste Seite umbaute. Viele seiner Kollegen hielten ihn für einen Sadisten, aber in Wahrheit erhöhte er vermutlich nur künstlich den Einsatz, um das Beste aus sich herausholen zu können. Ein Maß an Erregung, das bei anderen Herzrasen auslösen würde, erhöht bei diesen Rechtsseitigen lediglich Konzentration und Kreativität. Sie leiden bei Routinetätigkeiten und in langen, unproduktiven Sitzungen unter sehr viel größerem Stress als beim Fallschirmspringen, und sie checken häufig ihre Smartphones auf neue E-Mails und Textnachrichten, um sich von einer für sie beinahe unerträglichen Langeweile abzulenken.

Es überrascht nicht, dass Menschen, die sich auf der rechten Seite der Erregungsskala befinden, keine besonders gute Meinung von den Linksseitigen haben. Als wir eine Gruppe von rechtsseitigen Führungskräften fragten, welche Art von Tätigkeiten sie Personen empfehlen würden, die weit links in der Skala angesiedelt sind, mussten sie nicht lange nachdenken. »Grundschullehrer«, meinte jemand. »Beamter«, warf ein anderer ein. Sie schienen keinen großen Respekt für Personen zu hegen, die Vorhersehbarkeit und Gewissheit brauchen, Regeln und Systeme mögen und knappe Fristen, Notsituationen und jede Art von Stress verabscheuen. Sie zögerten nicht, jene, die ihre besten Leistungen weit links auf der Skala erbringen, als Minderleister einzustufen.

Personen auf der linken Seite

Die reflexartige Neigung dieser Führungskräfte, Personen, die ihre besten Leistungen im linken Bereich der Erregungsskala bringen, spöttisch oder mit Geringschätzung zu betrachten, ließ nach, als wir ihnen ein wenig mehr Zeit zum Nachdenken gaben. »Was ist mit Nobelpreisträgern?«, fragte jemand. »Sind sie nicht extrem gewissenhaft und detailverliebt und arbeiten manchmal jahrzehntelang an ein und demselben Molekül?« Eine Managerin gab zu bedenken: »Und Schriftsteller, die ihre Romane siebzehnmal umschreiben?« Offenkundig gibt es Menschen, die nicht allzu viel äußere Stimulation brauchen, um Höchstleistungen erbringen zu können. Keiner unserer Teilnehmer erwähnte Louis Pasteur, aber dieser wäre ein ausgezeichnetes Beispiel gewesen. Schließlich wurde klar, dass Menschen auf der linken Seite der Skala genauso wichtig für Unternehmen und die Gesellschaft insgesamt sind wie die vom Dopamin angetriebenen Erlebnishungrigen auf der rechten Seite.

Den eigenen Platz auf der Skala finden

Auf den ersten Blick könnte man meinen, Rechts- und Linksseitige kämen von verschiedenen Planeten und seien so unterschiedlich wie Männer und Frauen, von denen oft gesagt wird, die einen kämen vom Mars und die anderen von der Venus. Einmal ein Marsmensch, immer ein Marsmensch? Sind wir dazu bestimmt, unser Leben nur auf einer Seite der Skala zu verbringen? Keineswegs. Neben dem Geschlecht und den Erbanlagen haben auch Alter, Umwelt und Erfahrung Einfluss auf unsere persönliche Position auf der Leistungsskala.

Geschlecht. Die Dichotomie von Mars und Venus mag eine übermäßige Vereinfachung sein, aber wie sich herausstellt, hat die Unterscheidung durchaus eine wissenschaftliche Grundlage. Ungezählte Tests haben dasselbe Ergebnis gebracht: Männer neigen statistisch eher als Frauen zu Erlebnishunger. Wie wir in Kapitel 7 sehen werden, ist eines der Schlüsselelemente, von denen die Position auf der Leistungsskala abhängt, das Testosteron. Dieses gilt als männliches Hormon, aber sowohl der männliche als auch der weibliche Körper produzieren es in unterschiedlicher Menge. Aber da Männer im Durchschnitt mehr davon haben, nehmen sie im Allgemeinen eher eine Position weiter rechts auf der Skala ein.

Erbanlagen. Neben dem Geschlecht gibt es weitere genetische Faktoren, die Einfluss auf unsere Position auf der Leistungsskala haben. Beispielsweise hängt das Dopaminrezeptorgen D4 (DRD4) mit einer Vorliebe für Neues zusammen, ein wichtiger Faktor, der die Kurve erheblich nach rechts verschieben kann. Wie wir ebenfalls in Kapitel 7 sehen werden, haben hochrangige Führungskräfte oft ein ungewöhnlich aktives Dopaminsystem.12

Eine weitere Gruppe von Genen scheint unsere allgemeine Stressreaktion zu beeinflussen. Eine Studie von Forschern des Wiener Universitätskrankenhauses hat gezeigt, dass drei genetische Varianten die Fähigkeit beeinträchtigen können, sich unter hoher Stressbelastung zu behaupten. Wer eine oder mehrere dieser Varianten aufweist, hat möglicherweise Schwierigkeiten, sich von belastenden Erlebnissen zu erholen, und reagiert empfindlicher auf andere Belastungssituationen. Hingegen empfindet eine Person, bei der diese genetischen Varianten fehlen, Stresssituationen tatsächlich als motivierend.13

Bedeutet dies, dass unser Verhalten vorherbestimmt ist? Nein, zumindest nicht immer. Das bloße Vorhandensein bestimmter Gene entscheidet nicht automatisch über unser Schicksal. Unsere Persönlichkeitsmerkmale sind eine Kombination von Anlagen und Umwelteinflüssen. Es wird geschätzt, dass unsere Gene zwischen 20 und 60 Prozent unserer Persönlichkeit bestimmen.14 Damit sich ein Gen auswirken kann, muss es erst »eingeschaltet« werden – wann und warum das passiert, ist noch nicht vollständig erforscht. Das bedeutet, dass bestimmte genetische Anlagen das ganze Leben schlummern können. Der Psychologe Richard Davidson von der University of Wisconsin vergleicht die Gene in unserer DNA mit den Alben in einer Musiksammlung: »Wir können eine CD besitzen, ohne sie jemals abzuspielen …«15

Alter. Riskantes Verhalten in der Adoleszenz und eine mit wachsendem Alter zunehmend vorsichtige und konservative Einstellung sind verbreitet, aber keineswegs universell. Erheblichen Einfluss auf das, was für die einen wachsende Weisheit und für die anderen zunehmende Trägheit ist, hat der sinkende Testosteronspiegel. Australische Forscher haben die Theorie aufgestellt, dass der Rückgang des Testosterons weniger mit dem Altern, sondern eher mit Fettleibigkeit und Depression zu tun hat, zwei Problemen, die bei älteren Männern häufiger auftreten.16 Doch unabhängig von der Ursache ist das Ergebnis dasselbe. Bei Männern (und Frauen) sinkt der Testosteronspiegel mit zunehmendem Alter. Und eine Verringerung des Testosterons wird unsere Position auf der Leistungsskala fast immer nach links verschieben. (Interessant ist, dass der Testosteronspiegel auch bei jungen Vätern – und Müttern – oft sinkt.17)

Umwelt. Auf keinen anderen Faktor, der sich auf unsere Position auf der Leistungsskala auswirkt, haben wir so großen Einfluss wie auf die Umwelt. Viele Berater, die unter dem gewaltigen Druck in der internationalen Geschäftswelt mit unablässigen Reisen, endlosen Videokonferenzen und gnadenlosen Terminplänen anfangs aufblühen, stellen nach einigen Jahren fest, dass sie eine geringere Belastung vorziehen. Die Unternehmen berücksichtigen diese Präferenzen mittlerweile und bieten verschiedene Karrierewege für »Generalisten« und »Experten« an. Und obwohl man in der Expertenkarriere nicht so rasch aufsteigt, lockt sie Spitzentalente an. Experten sind weder besser noch schlechter als Generalisten. Sie bevorzugen einfach eine andere Arbeitsweise. Beide Optionen ermöglichen es Personen, die sich an verschiedenen Positionen auf der Leistungsskala befinden, in einer Umgebung zu arbeiten, in der sie sich gut entwickeln können.

Erfahrung. Natürlich hat nicht jeder nach ein paar Jahren als Generalist automatisch das Bedürfnis, in eine Expertenkarriere zu wechseln. Viele Berater fliegen während ihrer gesamten Berufslaufbahn kreuz und quer um den Erdball, ohne einen Burnout zu erleiden. Tatsächlich empfinden viele die Anforderungen im Lauf der Zeit als weniger belastend und sehnen sich sogar nach stetig wachsenden Herausforderungen, um Langeweile zu vermeiden. Das deutet auf einen weiteren Faktor hin, der sich auf unsere Leistungen auswirken kann: die Erfahrung. Je mehr Übung und Erfahrung wir haben, desto mehr Aufgaben können wir, gestützt auf unseren unbewussten Verstand, automatisch bewältigen (siehe Kapitel 5). Das erleichtert uns nicht nur die Arbeit, sondern hilft uns auch, belastende Situationen besser zu bewältigen.

Auf und ab

Voraussetzung für Höchstleistungen ist, dass man sich selbst kennt. Wichtig für den Erfolg ist, dass man von Zeit zu Zeit und bei verschiedenen Aufgaben seine Position auf der Skala bestimmt. »Mit Blick auf die individuell unterschiedliche Stresstoleranz und die unterschiedlichen Reaktionen auf verschiedene Umgebungen«, erklärt der bekannte Neurowissenschaftler Wolf Singer, »besteht die vielleicht wichtigste Aufgabe im Leben darin, frühzeitig herauszufinden, wo unsere individuellen Stärken und Schwächen liegen und wie wir die Stärken nutzen können.«18 Wenn wir einmal wissen, unter welchen Umständen wir das Beste aus uns herausholen können, können wir uns unserer Umwelt anpassen, um unsere Stärken auszuspielen, und anschließend die Bedingungen abstimmen, damit wir unsere Leistungsspitze dann erreichen können, wenn es nötig ist.

Das eigene Aktivierungsmuster kennen lernen

Natürlich kann keiner von uns ein stetiges Maß an Erregung aufrechterhalten. Das würde unerträglich oder langweilig. Unser Erregungsniveau steigt und fällt im Lauf des Tages abhängig von verschiedenen Umweltfaktoren sowie von unserem Temperament. Finden Sie wöchentliche Mitarbeiterbesprechungen unerträglich, weil sie furchtbar langweilig sind oder weil sie Ihnen extremen Stress verursachen, während Sie individuelle Besprechungen als anregend empfinden? Lieben Sie Diskussionen über das große Ganze und einen angeregten Gedankenaustausch, während Sie nur sehr ungern über Dokumenten brüten und Details studieren? Wie wir gesehen haben, gibt es keine für alle passende Einheitsgröße, wenn es um die Reaktionen auf alltägliche Aufgaben geht. Die Situationen, in denen Sie das Beste aus sich herausholen, empfindet Ihr Kollege im Nachbarbüro möglicherweise als überfordernd.

Was bringt Sie auf die Palme? Was beruhigt Sie? Um sich ein besseres Bild von Ihrem persönlichen Leistungsprofil zu machen, sollten Sie zunächst eine Liste der Aufgaben und Aktivitäten erstellen, die Sie in einer typischen Arbeitswoche zu bewältigen haben. Stufen Sie anschließend jede dieser Aufgaben abhängig davon ein, wie Sie sich dabei fühlen: übermäßig aktiviert, gleichgültig oder auf dem optimalen Leistungsniveau.

Wenn es nicht Ihr Stil ist, eine detaillierte Liste anzufertigen, können Sie eine Vorgehensweise wählen, der sich die Psychologen oft bedienen: Stellen Sie auf Ihrem Smartphone den Wecker so ein, dass er im Lauf des Tages alle 90 Minuten ein Signal gibt. Halten Sie jedes Mal, wenn der Wecker losgeht, kurz Ihr gegenwärtiges Leistungsniveau fest. Fühlen Sie sich gelangweilt, uninspiriert, apathisch? Wenn ja, kennzeichnen Sie diesen Zeitraum in Ihrem Kalender mit einem N für »niedrig« (am unteren Ende der Leistungskurve). Wenn Sie sich hingegen überlastet fühlen oder unter großem Druck stehen, tragen Sie für diesen Zeitraum ein H für »hoch« ein. Und wenn Sie zu dem Zeitpunkt, da der Wecker losgeht, Ihr Leistungsoptimum erreichen (wir bitten im Voraus um Verzeihung für die Unterbrechung!), tragen Sie ein O für »Optimum« ein.

Unabhängig davon, welchen Zugang Sie wählen, sollte ein Muster erkennbar werden, das Ihnen deutlich zeigt, welche Faktoren Ihre Leistung beeinflussen. Je mehr Sie über das Auf und Ab in Ihrer typischen Arbeitswoche herausfinden, desto besser können Sie Ihre Leistungskurve steuern, um das Optimum genau dann zu erreichen, wenn Sie es am meisten brauchen – und desto besser werden Sie verstehen, ob Ihr gegenwärtiger Job gut zu Ihnen passt.

Lage, Lage, Lage

Um erfolgreich zu sein, muss man eine Umgebung finden, die dem eigenen Leistungsprofil entspricht.

Jeder kennt die alte Regel zu den drei wichtigsten Kriterien beim Kauf von Immobilien. Dies sind 1) die Lage, 2) die Lage und 3) die Lage. Dasselbe gilt, wenn es darum geht, den Punkt zu finden, an dem wir optimale Leistungen hervorbringen können. Es gibt nichts, was wichtiger wäre. Und wenn wir »Lage« sagen, geht es uns nicht unbedingt darum, ob man in einem Hochhaus, am Küchentisch oder an Bord einer Yacht arbeitet. Vielmehr meinen wir die allgemeine Atmosphäre in der Arbeitsumgebung. Man muss kein Neurowissenschaftler sein, um zu begreifen, dass Louis Pasteur ein furchtbarer Astronaut gewesen wäre und dass Gordo Cooper in einem Forschungslabor eher Schaden angerichtet hätte. Unser Erfolg hängt vor allem davon ab, ob es uns gelingt, eine Umgebung zu finden, die unserem Leistungsprofil entspricht. Wenn wir ständig übererregt oder gelangweilt sind, müssen wir entweder die Umgebung wechseln oder unsere Aufgaben beziehungsweise unsere Arbeitsweise grundlegend ändern. Jemand, der ein Pasteur-Typ ist, sollte nicht Investmentbanker werden, und für jemanden, der erlebnishungrig wie Gordo Cooper ist, dürfte die Arbeit in einer hochgradig kontrollierten Umgebung wie einem Forschungslabor langweilig, frustrierend oder beides sein.

Oft ist keine so drastische Lösung wie ein Jobwechsel nötig. Finden Sie heraus, was genau Sie übermäßig oder zu wenig stimuliert, und versuchen Sie, diese Situationen zu ändern. Eine Änderung der Arbeitszeiten oder der Arbeitsumgebung oder eine Neuverteilung der Zuständigkeiten zwischen den Kollegen können helfen. Sprechen Sie mit Vorgesetzten und Kollegen über Ihre Bedürfnisse. Dank der Klarheit der Leistungskurve ist es relativ einfach, mit Freunden und Kollegen darüber zu sprechen. Wie wir in Kapitel 4 sehen werden, können scheinbar geringfügige Veränderungen oft sehr viel bewirken.

Zu viel des Guten

Obwohl Höchstleistungen unser Ziel sein sollten, ist es weder wünschenswert noch vorteilhaft, über einen längeren Zeitraum hinweg am höchsten Punkt der Kurve zu verharren. Man sollte dann das Optimum aus sich herausholen können, wenn es am dringendsten gebraucht wird. Der Versuch, die optimale Mischung von Dopamin, Noradrenalin und Acetylcholin über einen längeren Zeitraum hinweg aufrechtzuerhalten, würde das System wahrscheinlich überlasten und die Neurotransmitter aufzehren, was einen Burnout und Erschöpfung zur Folge hätte. Man denke an den Cellisten Yo-Yo Ma oder den Snowboard-Champion Shaun White: Es wäre absurd, von ihnen an jedem Tag rund um die Uhr Weltklasseleistungen zu verlangen. Stattdessen üben sie, ruhen sich aus, treten auf oder nehmen an einem Wettkampf teil und erholen sich anschließend ihren spezifischen Plänen entsprechend, um genau dann, wenn es darauf ankommt, wieder in Bestform zu sein.

Einen täglichen, wöchentlichen und monatlichen Rhythmus zu finden, der ein optimales Energiemanagement ermöglicht, ist auch in der Unternehmenswelt wichtig, wo Topmanager oft mit Aufgaben konfrontiert werden, die ähnlich anspruchsvoll sind wie jene, die Spitzensportler zu bewältigen haben. »Es ist schädlich, unentwegt in einem Hochleistungszustand zu sein, während es eine Erfolgsstrategie ist, diesen Zustand dann zu erreichen, wenn es darauf ankommt«, erklärt Axel Kowalski, ein Psychologe und Neurofeedback-Experte, der Computertechnologie einsetzt, um Menschen im Spitzenmanagement dabei zu helfen, Höchstleistungen zu erreichen. »Der Schlüssel ist Flexibilität.«19 Nur Führungskräfte, die jeweils für die anstehende Aufgabe in einen optimalen Erregungszustand wechseln können, nutzen ihre neurologischen Ressourcen richtig.

Die Leistung perfektionieren

Haben wir einmal sichergestellt, dass wir uns in der richtigen Umgebung befinden, so können wir auf wirkungsvolle Techniken zurückgreifen, um unsere Position auf der Leistungsskala den Erfordernissen einer bestimmten Aufgabe oder Situation anzupassen. Aber bevor wir das tun, müssen wir sicher sein, dass wir am richtigen Ort sind! Zu beachten ist, dass wir hier von geringfügigen Anpassungen sprechen, um die Leistungen zu verbessern, nicht von einschneidenden Veränderungen, die einen schlechten Job in einen guten verwandeln sollen. Je besser das Gleichgewicht ist und je genauer wir unsere Stärken unserer Umwelt anpassen, desto weniger sind wir auf diese Eingriffe zur Korrektur des Erregungsniveaus angewiesen.

Die Erregung steigern

Die meisten Menschen entwickeln im Lauf der Zeit ein intuitives Gespür dafür, wann ihr Erregungsniveau zu niedrig, zu hoch oder genau richtig ist. Wer Schwierigkeiten hat, sein Stressniveau zu bestimmten, kann es anhand der Perceived Stress Scale (PSS) wissenschaftlich genauer messen. Diese Skala mit 14 Punkten wurde von Psychologen der Carnegie Mellon University und der University of Oregon entwickelt.20 Wenn Sie dieses Instrument verwenden oder einfach eine mentale Diagnose vornehmen und feststellen, dass Ihr Erregungsniveau zu niedrig ist, um wirksam zu sein, so gibt es verschiedene Möglichkeiten, es künstlich zu erhöhen.

Gedanken an etwas, das uns ein wenig Angst macht, selbst wenn diese Angst nicht mit der gegenständlichen Arbeit zusammenhängt, können das Noradrenalinniveau erhöhen und eine Person auf der Leistungsskala weiter nach rechts bewegen. Einer unserer Kollegen stellt sich einen rasch näher rückenden Fertigstellungstermin für ein Projekt vor, wenn er einen zusätzlichen Noradrenalinschub braucht, und malt sich die unglücklichen Gesichter der Beteiligten aus, weil er die Frist nicht eingehalten hat.

Wenn wir uns langweilen, unbeteiligt oder unmotiviert sind oder wenn die Arbeit einfach keinen Spaß macht, dann mangelt es uns vielleicht an Dopamin. Humor, positives Denken, ein Ortswechsel oder eine andere Vorgehensweise können helfen, um das Dopaminniveau zu erhöhen. Ein aerobes Training erleichtert es uns nicht nur, den Nachmittagsdurchhänger zu überwinden, sondern reißt uns auch mit einem willkommenen Dopaminschub aus der Eintönigkeit des Alltags.

Die Erregung verringern

Wenn wir kurz davor sind, den Panikknopf zu drücken, können wir einige wirksame Strategien anwenden, um die Reaktion auf eine Bedrohung zu dämpfen und uns auf der Leistungsskala nach links zu bewegen. Wir müssen uns in Erinnerung rufen, dass belastende Situationen oft das Ergebnis einer mörderischen Kombination von hohen Anforderungen und Kontrollverlust sind. Um für einen Augenblick den Fuß vom Gas zu nehmen, kann man sich einigen der täglichen Aktivitäten zuwenden, die man auch im Modus »Autopilot« bewältigen kann: Man kann den Schreibtisch aufräumen oder ein paar E-Mails löschen. Wenn man das Gefühl hat, die Kontrolle zu verlieren, kann man sich auf jene Aspekte des Prozesses konzentrieren, die man steuern kann, zum Beispiel auf die allgemeine strategische Ausrichtung der Lösungen für den Klienten anstatt auf die Entwicklungen an der Börse. Und dann ist da das körperliche Training, eine vielseitige Lösung, die zugleich die Energie erhöht und den Stress verringert. Ein bisschen Joggen zur Mittagszeit oder ein kurzer Lauf auf und ab durchs Treppenhaus können das Maß an schädlichem Cortisol im Blut verringern. Sind solche Übungen nicht möglich, so kann man dem Beispiel Louis Pasteurs folgen und im Flur vor dem Büro auf und ab gehen.

Louis Pasteurs nervöse Wanderungen im Flur vor seinem Labor in Lille machten sich schließlich bezahlt. Angetrieben von dem Wunsch, die menschliche Gesundheit zu verbessern, machte er es sich insgeheim zum Ziel, Infektionskrankheiten zu heilen.21

Eine Reihe bahnbrechender wissenschaftlicher Erkenntnisse ebneten den Weg zur Verwirklichung seines Traums. Die Entschlüsselung des Geheimnisses der Fermentation führte zur Entdeckung der Rolle von Mikroben, und dies schuf die Grundlage für Pasteurs Bemühungen, Infektionskrankheiten einzudämmen und auszurotten. Diese Forschung ebnete den Weg für die Entwicklung lebensrettender Impfstoffe gegen tödliche Krankheiten. Am vielleicht wichtigsten war, dass sein sorgfältiges Studium der Mikroorganismen das Vorgehen der Chirurgen bei Operationen revolutionierte. Die sterile Umgebung in einem modernen Operationssaal ist ein direktes Ergebnis der beharrlichen und leidenschaftlichen Forschungsarbeit Louis Pasteurs.

Für Gordo Cooper begannen die Schwierigkeiten in der neunzehnten von zweiundzwanzig Erdumrundungen, als das Stromversorgungssystem seiner Raumkapsel wiederholt ausfiel. Bei der folgenden Umrundung fiel die Höhenanzeige aus. Und als er die Erde nur noch einmal umkreisen musste, versagte das automatische Steuersystem plötzlich den Dienst.22 Von einem Moment auf den anderen bekam Cooper unaufgefordert das, was er und die anderen Astronauten von Anfang an gefordert hatten: die völlige Kontrolle über die Raumkapsel. Es war ein klassischer Fall von »Pass auf, was du dir wünschst«. Der Passagier war plötzlich Pilot.

Es war eine nervenaufreibende Zeit für die kettenrauchenden Techniker im Kontrollzentrum, aber Leroy Gordon Cooper Jr., der Inbegriff eines rechtsseitigen Höchstleisters, bewahrte die Ruhe. Er war hellwach und ganz in seinem Element. Wie Tom Wolfe in seinem Reportage-Roman Die Helden der Nation berichtet, bewältigte Gordo die Krise so gelassen, als säße er am Steuer eines Passagierflugzeugs. Seine Rückkehr zur Erde war alles andere als ereignislos, und doch gelang Cooper mit der vollkommen manuellen Steuerung beinahe eine Bilderbuchlandung: Es war eine der präzisesten in der Geschichte des US-amerikanischen Raumfahrtprogramms und ein Triumph der optimalen Leistung.23

Es mag den Anschein haben, als wäre es verblüffend einfach, das Leistungsoptimum zu erreichen, sofern man die DNA der Höchstleistung – Dopamin, Noradrenalin und Acetylcholin – im Auge behält. Allerdings lehrt uns die Erfahrung etwas anderes. Um zuverlässig Höchstleistungen zu erbringen, müssen wir zwei große Hindernisse überwinden: 1) die Stimmungsschwankungen, die unsere Fähigkeit zu klarem Denken erheblich beeinträchtigen können, und 2) unsere ausgeprägte instinktive Neigung, uns von Dingen in unserem Kopf und in unserer Umwelt ablenken zu lassen.

Um unser Leistungsoptimum zu erreichen, müssen wir lernen, unsere Emotionen zu regulieren und unsere Aufmerksamkeit auf ein Ziel zu richten. Genau mit diesen Fähigkeiten werden wir uns in den nächsten beiden Kapiteln beschäftigen.

Zusammenfassung

Kapitel 1 auf einen Blick

Kernaussagen von »Persönliche Bestleistung erreichen«

Es hängt von der Erregung ab. Voraussetzung für Höchstleistungen ist ein optimales Maß an emotionaler Erregung (normalerweise als Stress bezeichnet).

Es muss Spaß machen. Wenn wir Spaß haben, setzt unser Gehirn Dopamin frei. Ohne Spaß sind kognitive Höchstleistungen fast unmöglich.

Sich selbst fordern. Die besten Leistungen erzielen wir nicht, wenn wir uns langweilen oder in Panik geraten, sondern wenn wir uns ein wenig überfordert fühlen. Dann schüttet das Gehirn genau die richtige Menge Noradrenalin aus, um uns in Bestform zu bringen.

Des einen Speise, des anderen Gift. Wenn es darum geht, Höchstleistungen zu erzielen, kann eine Stimulation, die eine Person motiviert, eine andere überfordern.

Ein Typ von Höchstleistern ist nicht besser oder schlechter als der andere – sie sind einfach verschieden. Die Position auf der Leistungskurve hat nichts mit Intelligenz oder allgemeiner Leistungsfähigkeit zu tun. Personen auf der linken oder rechten Seite der Kurve erreichen ihr Optimum einfach unter verschiedenen Bedingungen.

Geschlecht und Alter können sich auf das Leistungsprofil auswirken. Frauen befinden sich im Allgemeinen eher im linken Bereich der Leistungskurve, während Männer überwiegend auf der rechten Seite angesiedelt sind. Die meisten von uns bewegen sich mit steigendem Alter auf der Kurve nach links.

Die Umgebung sollte dem persönlichen Leistungsprofil entsprechen. Wer am Arbeitsplatz ständig zu wenig oder übermäßig aktiviert ist, sollte sich unbedingt vergewissern, ob seine natürliche Prädisposition im Einklang mit seiner Umwelt steht.

Wir sollten eine optimale Umgebung für unsere Mitarbeiter schaffen. Wenn Sie eine Führungskraft sind, sollten Sie versuchen, die Arbeitsumgebung so anzupassen, dass Ihre Mitarbeiter im Einklang mit ihrem individuellen Leistungsprofil arbeiten können. Das Ziel sollten ausreichend flexible Arbeitsbedingungen sein, damit jeder sein Leistungsoptimum leichter erreichen kann.

Mentales Training soll nicht das Leben verändern, sondern dient der Feinabstimmung. Erst wenn Sie die richtige Umgebung gefunden haben, können Sie mentales Training einsetzen, um Ihr Erregungsniveau anzupassen, damit Sie genau dann, wenn Sie es brauchen, das Optimum aus sich herausholen können.

Kapitel 2Die Emotionen regulieren

Lernen Sie, Ihre emotionale Temperatur besser zu kontrollieren