Neyla und die geheimnisvolle Unterwasserwelt - Eckhard Müller - E-Book

Neyla und die geheimnisvolle Unterwasserwelt E-Book

Eckhard Müller

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Beschreibung

Ein Surfbrett in ihrer Lieblingsfarbe pink und ein Gutschein für einen 4 tätigen Wellenreitkurs auf Fuerteventura. Das sind die geheimen Zutaten, die Neyla, ein 12 jähriges Mädchen während der Sommerferien in die spannendsten Abenteuer ihres bisherigen Lebens stürzen. Plötzlich erhält sie tierische Unterstützung des lilafarbenen Tintenfisches Juan, der mit ihr in menschlicher Sprache sprechen kann. Durch seine liebenswerte, witzige Art, freundet sich Neyla sofort mit ihm an und lernt über ihn den intelligenten, weißen Tümmler Santos kennen. Gemeinsam führt er Neyla und ihre neue Surffreundin Mira durch die einzigartige Unterwasserwelt vor den Kanarischen Inseln. Welche Gefahren werden dort auf sie lauern? Neugier und Ehrgeiz sind geweckt und treiben die Mädchen zu sportlichen Höchstleistungen an, wobei ihr Können zu guter Letzt in einem hart umkämpften Surfwettbewerb auf die Probe gestellt wird. Wird Juan helfend zur Seite stehen und wer hat am Ende die Nase vorn und landet auf dem Siegertreppchen? Außergewöhnliche Freundschaften mit ungewöhnlichen Tieren, die ein ungewohnt menschliches Verhalten zeigen, prägen und verändern Neyla und stellen ihr bisheriges Leben völlig auf den Kopf.

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Seitenzahl: 220

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Dieses Buch widme ich vor allem meiner achtjährigen Tochter. Mit ihrer unerschöpflichen lebhaften Energie hat sie mich dazu inspiriert, mein erstes Buchprojekt in die Tat umzusetzen und letztlich fertig zu stellen. Dank ihr und meiner Familie, habe ich viele tolle Anregungen und Tipps erhalten, die mir das Schreiben sehr erleichtert haben.

Ich wünsche allen kleinen und großen Wasserratten viel Spaß beim Lesen und Schmökern.

Euer Ecki Müller

Über den Autor

Eckhard »Ecki« Müller, geboren in Dresden, entdeckte schon in jungen Jahren seine Leidenschaft für das Malen und Zeichnen, bevor er sich zum Mediengestalter ausbilden ließ.

Vor etwa fünf Jahren wurde seine Begeisterung für das Schreiben durch seine damals dreijährige Tochter geweckt, als er begann, ihr Kinderbücher vorzulesen. Seine langjährige Erfahrung im Windsurfen und seine Liebe zur Natur sind die Grundlage für seine Geschichten. Deshalb ist es ihm wichtig, die Schönheit der Natur und die Bedeutung des Umweltschutzes zu vermitteln. Er möchte Menschen dazu inspirieren, sich für den Erhalt der Umwelt einzusetzen und die Wunder der Natur zu schätzen.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1: Das ersehnte Geschenk

Kapitel 2: Ankunft auf Fuerteventura

Kapitel 3: Surfkurs Tag 1

Kapitel 4: Ein neues Kleid

Kapitel 5: Surfkurs Tag 2

Kapitel 6: Unheimliche Begegnung im Meer

Kapitel 7: Dritter Surftag – Neylas neuer Freund

Kapitel 8: Besuch der blauen Grotte

Kapitel 9: Bootsausflug zum weißen Riff

Kapitel 10: Letzter Kurstag

Kapitel 11: Die geheime Unterwasserstadt

Kapitel 12: Vorbereitung zum Surfcontest

Kapitel 13: Surfcontest - Wettkampf

Kapitel 14: Das große Finale

Kapitel 15: Die Siegesfeier

Kapitel 16: Letztes Wiedersehen mit Juan

Kapitel 17: Der letzte Tag auf Fuerteventura

Kapitel 18: Rückflug – Abschied von Mira

Wichtige Begriffe aus dem Buch und zum Thema Surfen

Kapitel 1

Das ersehnte Geschenk

Heute war Neylas großer Tag. Sie konnte es kaum noch abwarten, endlich ihren zwölften Geburtstag zu feiern. Seit Tagen fieberte sie darauf hin und es kam ihr wie eine Ewigkeit vor. Insgeheim dachte sie: »Hoffentlich kommen alle meine Freunde. Dann könnten wir richtig feiern und nebenbei gibt es auch mehr Geschenke.«

Neylas beste Freundinnen Mia, Anna, Clara und Sofie – mit denen sie schon die Kindergartenzeit verbracht hatte – sowie ihr neuer Schulfreund Julius Wachtel aus der Parallelklasse 6b waren eingeladen. Seit dem letzten Jahr ging ihr jedoch nur noch eine einzige Sache durch den Kopf, nachdem sie die Sommerferien auf der Ostseeinsel Rügen verbracht hatte.

Wie an jedem Morgen lief sie nach dem Frühstück mit ihren Eltern an den Strand.

Als ihr Blick übers vom Wind aufgewühlte Meer schweifte, erkannte sie mehrere Jungs in ihrem Alter beim Wellenreiten. Sie surften so flink und geschickt, dass es ihr vorkam, als schwebten sie über den Wellen, ohne ein einziges Mal ins Wasser zu fallen.

Hektisch zeigte Neyla mit der Hand in ihre Richtung und rief: »Mama, Mama, schau doch mal, die Jungs, wie die surfen. Die haben es richtig drauf. So was möchte ich auch machen – das ist voll cool.«

»Täusch dich da bloß nicht! Das ist ein sehr schöner Sport, sieht aber viel leichter aus als es ist. Außerdem brauchst du dafür ein richtiges Surfbrett«

»Deshalb möchte ich ja auch so eins haben, bitte Mama«, flehte Neyla mit einem unwiderstehlichen Hundeblick und zusammengefalteten Händen.

»Halt mal die Luft an. So ein Surfbrett ist nicht billig. Das besprechen wir erstmal in aller Ruhe zu Hause«, erwiderte ihre Mutter.

Neyla ließ sich von ihrer Reaktion nicht entmutigen und gab sich kämpferisch: »Pah! Denen werde ich es schon zeigen. Sobald ich auch so ein tolles Board habe, werde ich die beste Wellenreiterin aller Zeiten und jeder wird mich beneiden. Die werden schon noch sehen!«

Ihre Eltern, beide Mitte dreißig, sportlich und gut durchtrainiert, waren dem Element Wasser seit jeher verbunden. Seit sie sich als Teenager in einer Windsurfschule kennengelernt hatten, sind sie begeisterte Windsurfer. Sie haben bereits an vielen organisierten Ausflügen in Surfcamps in Italien sowie an beliebten Surfrevieren in Dänemark und Holland teilgenommen.

Meistens verbrachte Neyla ihre Sommerferien an der Nord- und Ostsee, in St. Peter Ording, auf Sylt, Fehmarn oder wie zuletzt auf Rügen. Nur eine Fahrstunde von zu Hause entfernt, fuhren sie an den Wochenenden zu dem idyllisch in der Natur gelegenen Stausee. Er bot ideale Windbedingungen zum Surfen und war ein gefragter Treffpunkt für viele Windsurfer. An warmen, windstarken Tagen verwandelte sich der ganze See dann in ein farbiges Meer aus bunten Segeln.

Neyla ist davon überzeugt, dass ihre Mama aufgrund ihrer Körpergröße deutlich besser das Windsurfen beherrscht und sich auch bei stärkerem Wind nicht vom Surfen abhalten lässt. Ihr Vater ist dagegen mit seinen knapp zwei Metern Körpergröße ein echtes Schwergewicht.

Sein Surfbrett hat im Vergleich zu dem ihrer Mutter ein Schwert, ist breiter, länger und schwerfälliger, dafür aber auch stabiler und weniger wacklig. Neyla verglich es mit einem langsam fahrenden Fischkutter. So oft sie sich selbst auch bemühte, auf einem Surfbrett sicher zu stehen, schaukelte und wackelte sie beim Hochziehen ihres eigenen kleinen Segels so stark hin und her, dass sie zum Ärger und zur Belustigung – vor allem ihres Vaters – in einer Tour ins Wasser fiel.

Daher legte sie sich lieber gleich auf den Bauch und paddelte mit dem stabileren Brett ohne Segel mit den Händen drauf los. Als gute Schwimmerin beschleunigte sie damit wie ein wendiges Rennboot und fuhr mit hoher Geschwindigkeit auf den See hinaus.

Bei jeder sich bietenden Gelegenheit drängte Neyla ihre Eltern, endlich das oberste Geschenk auf ihrer Wunschliste zu kaufen: ein Surfbrett in den Lieblingsfarben Pink oder Rosa. Jedoch erfüllte sich ihr Wunsch zu Weihnachten so sehr sie es auch erhofft hatte, nicht. Stattdessen bekam sie ein neues Schnorchelset geschenkt, worüber sie sich überhaupt nicht freuen konnte, obwohl sie das Schnorcheln seit Kindheitstagen über alles liebte.

Zum Erstaunen ihrer Eltern beschwerte sie sich: »Was soll ich denn mit dieser albernen neumodischen Taucherbrille? Damit lachen mich die anderen doch nur aus.«

»Von wegen albern. Mit der Taucherbrille hast du eine Rundumsicht von 180 Grad und kannst durch Nase und Mund atmen. Das ist momentan das Beste, was es gibt. Normalerweise hättest du dich doch darüber gefreut, oder nicht?«, reagierte ihr Vater verärgert.

»Ja schon, aber ihr wisst doch, dass ich mir so sehr ein Surfbrett wünsche«, sagte Neyla betrübt.

»Na, da musst du dich doch noch ein wenig gedulden. Freu dich jetzt erstmal über dein Geschenk«, versuchte ihre Mutter sie ein wenig aufzuheitern.

Neyla ließ jedoch nicht locker und setzte ihre Eltern bis kurz vor ihrem Geburtstag noch mehr unter Druck: »Mama, Papa, bald ist doch mein großer Tag und ihr wisst ganz genau, wie gern ich ein Surfbrett hätte. Zu Weihnachten habt ihr mir nur dieses Schnorchelset geschenkt, was ich gar nicht wollte.«

»Langsam Neyla, jetzt werde nicht undankbar. Zum Wellenreiten bist du noch viel zu jung. Du weißt doch, dass das auf dem Meer nicht ungefährlich ist!«, entgegnete ihr Papa.

»Nein, das stimmt nicht!«, protestierte Neyla und stampfte mit den Füßen auf den Boden.

»Die Jungs an der Ostsee waren genauso alt wie ich, und ihre Eltern hatten auch nichts gegen das Wellenreiten. Außerdem stand ich schon oft genug auf einem Surfbrett!«

»Haha, das stimmt. Dafür bist du aber jedes Mal wieder ins Wasser gefallen«, machte er sich lustig.

»Na, ich finde, wir können ja mal drüber nachdenken«, mischte sich ihre Mutter beschwichtigend ins Gespräch. Vorwurfsvoll sah sie Neylas Papa an: »Jetzt sei doch nicht so streng, wir haben selbst in ihrem Alter mit dem Windsurfen angefangen. Warum sollen ausgerechnet wir ihr das Wellenreiten verwehren?«

Ihre Worte klangen wie Musik in Neylas Ohren, und die Hoffnung, ihr größter Wunsch könnte sich bald erfüllen, keimte wieder auf.

»Na gut. Ich halte mich da raus, das müsst ihr entscheiden. Ich bleibe beim Windsurfen; da brauch ich nur ein bisschen Wind und keine großen Wellen«, erwiderte ihr Vater und wandte sich mit einem Kopfschütteln von beiden ab, um die Fische seines Aquariums zu füttern.

Neylas große Geburtstagsparty am 25. Juni fiel dieses Mal auf einen Freitag, und stand nun kurz bevor. Die letzten Wochen waren außergewöhnlich heiß, und am liebsten wäre sie mit ihrem pinkfarbenen Wunschbrett den ganzen Tag von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang auf dem Meer gesurft. Wie im letzten Jahr feierte sie wieder im Garten ihrer Großeltern, der ganz in der Nähe ihrer Wohnung liegt. Dort gibt es einen aufblasbaren Swimmingpool, ein Trampolin und sogar ein Baumhaus mit einer Strickleiter direkt am Baumstamm, das ihr Opa extra für sie in den großen Walnussbaum gebaut hatte.

»Neyla beeilst du dich bitte mit dem Anziehen und trödelst nicht so herum. Du weißt, wir müssen noch alles für deine Feier vorbereiten, bevor die Gäste kommen, Oma und Opa können das schließlich nicht alleine machen!«, drängte ihr Vater.

»Jaja, Papa, bin gleich fertig. Darf ich vorher schon mein Geschenk haben? Ich bin so gespannt und will nicht mehr länger warten«, bettelte sie.

»Neyla, du musst dich schon noch gedulden! Unser Geschenk wird gemeinsam mit den anderen ausgepackt, nicht vorher. Keine Widerrede!«, drohte Mama.

Gerade als ihre Eltern und Großeltern die Vorbereitungen der Geburtstagsfeier abgeschlossen und das Essen mit den Getränken auf den Tisch gestellt hatten, kamen auch schon die ersten Gäste.

Nach und nach fanden sich ihre Freundinnen Mia, Anna, Clara und ihr Schulfreund Julius ein, mit dem sie seit gut einem Jahr befreundet ist und der nun zum ersten Mal zu ihrem Geburtstag eingeladen war.

Sofie, ihre allerbeste Freundin, war ausgerechnet die Einzige, die nicht kommen konnte und kurzfristig absagte, da sie mit Grippe und hohem Fieber im Bett lag. Neylas Vorfreude sank rapide, weil sie bisher noch nie gefehlt hatte. Nachdem sich alle Gäste eingefunden hatten, konnte sie endlich die Geschenke entgegennehmen. Vom 42-teiligen Schminkkoffer über einen Bluetooth-Lautsprecher mit Licht bis hin zu einer aktuellen Ausgabe des Guinnessbuchs der Rekorde von Julius war alles dabei. Gerade als sie das Geschenk ihrer Großeltern auspacken wollte, erschien ihre Mama mit einem langen breiten, mit grauem Packpapier umwickelten Paket und ging auf sie zu: »So, wir wollen deine Ungeduld jetzt nicht überstrapazieren. Wenn du möchtest, kannst du erst einmal das Geschenk von mir und Papa haben.«

Das ließ sich Neyla nicht zweimal sagen, da sie es vor Neugier kaum noch aushielt. Sehnsüchtig hoffte sie, dass ihre Mutter genau das in der Hand hielt, was sie sich so lange gewünscht hatte.

Es war viel schwerer und länger als all die anderen Geschenke. Ohne Zögern riss sie das Papier auf, unter dem sich eine Tragetasche aus schwarzem Stoff verbarg. Hektisch öffnete sie diese mit dem umlaufenden Reißverschluss, und eine abgerundete pinkfarbene Spitze aus Kunststoff sah sie frech an. Neyla war außer sich vor Freude und nicht mehr zu halten. Überstürzt zog sie die Tasche ganz herunter und wie erwartet kam ein Surfbrett in ihrer Lieblingsfarbe zum Vorschein.

Vor Freude hüpfte sie auf und ab und drückte Mama und Papa fest an sich.

Unter den erstaunten Blicken ihrer Gäste jubelte sie: »Ja, endlich. Ich hab es, ich habe es.«

Dabei fiel das Brett beinahe noch auf den Boden, das für seine Länge von gut zwei Metern und einem Gewicht von nicht einmal sechs Kilo verhältnismäßig leicht war.

An der Spitze, in der Surfersprache »Nose« genannt, befand sich eine Leine oder »Leash«, die um den Fuß gebunden wird und beim Reinfallen ins Wasser das Abtreiben des Surfbrettes verhindert. Vor lauter Freude vergaß Neyla alles um sich herum. Sie ärgerte sich auch nicht mehr darüber, dass ihre beste Freundin Sofie fehlte. Die anderen Geschenke fand sie erst einmal uninteressant, genauso wie ihre bunt dekorierte Geburtstagstorte mit den zwölf brennenden Kerzen, die darauf warteten, von ihr ausgepustet zu werden. Papa kam auf sie zu und unterbrach ihren Freudentaumel.

»Na, haben wir dir zu viel versprochen? Jetzt hast du endlich, was du wolltest, und kannst uns nicht mehr damit auf den Nerv gehen. Die Farbe gefällt dir doch oder nicht? Ist doch deine Lieblingsfarbe.«

»Ja, und wie Papa, ihr wisst gar nicht, wie sehr ich mich darüber freue! Genau so ein Surfboard habe ich mir schon so lange gewünscht, danke, danke!«

»Nur zu deiner Info, es ist ein Sieben-Fuß-Mini-Malibu mit drei Finnen, die vor dem Surfen montiert werden müssen. Es ist besonders gut für Anfänger zum Fahren auf den ersten Wellen geeignet.« Eine Finne, das wusste Neyla vom Windsurfen ihrer Eltern, dient zur Stabilisierung der Fahrt, um ein Hin- und Herschlingern zu vermeiden und die Fahrtrichtung beizubehalten.

Plötzlich verschwanden seine tiefen Stirnfalten und sein Gesicht hellte sich auf: »Das ist aber noch nicht alles! Schau mal bitte, was auf der Unterseite deines Brettes klebt!«

Gespannt sah sie darunter und entdeckte einen rosafarbenen Umschlag, den sie vor lauter Aufregung völlig übersehen hatte. Darauf stand dick und fett geschrieben: »Für Neyla zum 12. Geburtstag.«

Sie öffnete ihn und zog mit zittrigen Händen eine farbig verzierte Karte heraus. In diesem Moment wurde sie von ihrer neugierigen Oma bedrängt, den Inhalt laut vorzulesen. Sie klappte die Karte auf und las mit unsicherer Stimme die dicken schwarzen Druckbuchstaben darauf ab:

Gutschein für einen 4-tägigen Surfkurs

in der Wellenreitschule El Cotillo auf

Fuerteventura

für unsere liebe Tochter zum 12.Geburtstag.

Liebe herzliche Grüße, Mama & Papa

Ratlos blickte sie zu ihren Eltern und fragte: »Mama, was hat das zu bedeuten? Wieso Fuerteventura und El Cotillo?«

»Na ja, mit deinem neuen Board solltest du vorher wenigstens einen Surfkurs besuchen. Das Wellenreiten erlernt man am besten in einer Surfschule, und Fuerteventura ist der ideale Standort dafür, denn dort gibt es die geeigneten Wellen. Daher haben wir uns dazu entschlossen, in den Sommerferien eine Woche auf Fuerteventura zu verbringen. Während du dein neues Brett ausprobierst, werden dein Papa und ich die Zeit zum Windsurfen nutzen!«

»Wahnsinn! Ich glaub es einfach nicht, danke noch mal für alles, ihr seid die Besten!«, jubelte Neyla. Sie fühlte sich wie in die Zeit vor ihrem Geburtstag versetzt, als sie es kaum noch abwarten konnte, ihre Geschenke zu erhalten. In diesem Augenblick dachte sie nur noch an eine einzige Sache: »Hoffentlich vergehen die Tage bis zum Abflug nach Fuerteventura so schnell wie möglich.« Jeden einzelnen der noch verbliebenen elf Tage strich sie von nun an in ihrem exotisch bunten Tierkalender mit einem roten Strich durch. Die Sommerferien fingen bereits in einer Woche an und reichten bis in den August hinein. Von ihrem neuen Urlaubsort El Cotillo auf Fuerteventura hatte sie bisher noch nie gehört.

Eiligst kramte sie daher ihren angestaubten Globus mit Innenbeleuchtung hervor, den sie von ihrer Oma vor einem Jahr geschenkt bekommen hatte. Schnell drehte sie ihn immer wieder um die eigene Achse und suchte alle Länder systematisch ab. Jedoch konnte sie das neue Urlaubsziel, so lange sie auch suchte, nicht finden. Endlich kam ihre Mama zur Hilfe und zeigte in wenigen Sekunden darauf. Während der Urlaubsvorbereitungen hatte sie sich schon ausführlich mit dem Land beschäftigt und kannte die genaue Stelle. Lehrerhaft erklärte sie: »Fuerteventura ist die zweitgrößte Kanarische Insel und gehört zu Spanien. Die Insel liegt im Atlantischen Ozean vor der Nordwestküste Afrikas. Das ganze Jahr ist es dort warm, und es weht ein konstanter und gleichmäßiger Wind. Wie du dir sicher denken kannst, war das einer der Gründe, dir einen Surfgutschein auf Fuerteventura zu schenken.«

Während ihre Mutter am Erzählen war, schweiften Neylas Gedanken an den letzten Flug vor zwei Jahren nach Griechenland ab. Dort verbrachten sie die Sommerferien auf der Insel Santorin.

Zu ihrem Ärger, war der Strand zu weit vom Hotel entfernt, sodass sie auf einen Bus oder Taxi angewiesen waren, um ans Meer zu gelangen. »Liegt unser Hotel eigentlich direkt am Meer?«, unterbrach sie Mama spontan.

»Na ja, wenn du damit etwa zweihundert Meter vom Strand entfernt meinst und keine zehn Minuten zu Fuß, dann ja.«

Neyla war nicht mehr zu halten und fiel ihrer Mutter vor Freude um den Hals und sagte: »Super – besser geht es nicht, jetzt kann ich jeden Tag an den Strand und mein neues Surfbrett ausprobieren.«

Kapitel 2

Ankunft auf Fuerteventura

Der mehr als vier Stunden andauernde Flug kam Neyla endlos lang und anstrengend vor. Nach einer nochmals knapp einstündigen Fahrt mit dem Transferbus vom Flughafen bis zum Hotel wollte sie so schnell wie möglich an den Strand, um ihr neues Surfboard auszuprobieren.

Ihr Urlaubsort El Cotillo mit knapp zweitausend Einwohnern liegt an der Nordwestküste, einem der beliebtesten Plätze für Surfer auf Fuerteventura, nicht weit entfernt von der Inselhauptstadt Puerto del Rosario. Je mehr sie sich dem Ort näherten, umso deutlicher erkannte Neyla durch die Fensterscheiben des Busses die kargen Berge aus Vulkangestein und den Vulkan Calderón Hondo. El Cotillo hat zudem noch einen Leuchtturm und einen Fischereihafen.

Genervt dachte sie: »Wann sind wir denn endlich da? Wo soll denn bitte schön das Meer sein, hier gibt es doch weit und breit nur langweilige Felsen und Berge. Nicht mal richtige Bäume. Ist doch voll öd.«

Endlich am Hotel angekommen, sprang Neyla vor Freude jubelnd aus dem Bus und sagte: »Wow, das ist ja richtig cool, Mama. Ich dachte, es wäre so ein typischer Bettenbunker wie überall.«

»Dann haben wir ja noch mal Glück gehabt und genau deinen Geschmack getroffen. Lass uns jetzt schnell die Sachen ins Hotelzimmer bringen und uns etwas ausruhen.«

Neyla war dagegen ganz und gar nicht nach Ausruhen zumute. Viel mehr dachte sie unentwegt daran, ihr Surfboard auszuprobieren.

Im Gegensatz zu Santorin lag ihr neues Urlaubsdomizil ganz in der Nähe des breiten, in einer Lagune gelegenen, weißen Sandstrand und war schnell und leicht zu Fuß zu erreichen. Es war untypisch klein und unscheinbar und hob sich mit seiner blockförmigen Bauweise vom Durchschnitt anderer Hotels ab. Auf den ersten Blick erschien es eher wie ein überdimensionierter Bungalow, ähnlich den Häusern auf Santorin. Die Fassaden strahlten in der Sonne so grell weiß, dass es Neylas Augen blendete, während sich die dunklen Fensterrahmen kontrastreich abhoben.

Die Hotelanlage umgab eine große Mauer aus Natursteinen und ein weitläufiger, kurz gemähter, grüner Rasen, auf dem kleine und größere Palmen wachsen.

Im hinteren Bereich befanden sich zwei Swimmingpools mit einem Schwimmer- und einem Nichtschwimmerbereich. Direkt daneben gab es auch ein Plantschbecken und einen Spielplatz für die ganz Kleinen. Nicht weit davon entfernt stand auf einem Hügel eine alte, aber gut erhaltene weiße Windmühle mit vier hölzernen Flügeln, die äußerlich den Windmühlen aus den Geschichten von Don Quijote und Sancho Panza ähnelte. Davor grasten drei zerzauste abgemagerte graue und schwarze Esel, die sich nur mühsam auf den Beinen hielten. Windmühlen gab es auf Fuerteventura sehr viele, die überall in der hügeligen Landschaft verstreut standen.

Im stilvoll eingerichteten Zimmer ließen sich alle drei erschöpft auf das große Doppelbett fallen. Über dem Bett hing ein Bild mit der Meeresbrandung und dem Leuchtturm El Cotillos, fast so breit wie das Bett selbst. Ihre Eltern waren von der langen Anreise so geschafft, dass sie nicht einmal die Koffer auspacken wollten. Neylas Bett stand neben der doppelt verglasten Balkontür, die sich von beiden Seiten aufschieben ließ. Die Vorhänge der Fenster waren im gleichen ockerfarbenen Farbton wie der Bettüberzug gehalten, jedoch mit Blumenmustern und Ornamenten verziert. Der mit grauen Steinfliesen verlegte Fußboden bildete einen schönen Kontrast zu den hellen cremefarbenen Wänden und der weißen Decke, an der ein chromfarbener Kristallkronleuchter im Retro-Stil hing. Neyla war so euphorisch, dass sie auf dem Sprung war, mit ihrem schnittigen Malibu-Surfbrett ans Meer zu laufen. Zu allem Pech stellte sich ihre Mutter ihr entgegen. Mit verschränkten Armen und finsterer Miene sagte sie: »Tut mir leid, meine Liebe, aber heute kannst du auf gar keinen Fall mehr aufs Wasser. Du weißt, dein Kurs fängt morgen früh um zehn Uhr an. Bevor du das Wellenreiten nicht beherrscht, darfst du nicht allein aufs Meer! Außerdem ist es schon spät, und wir müssen uns von der anstrengenden Reise ausruhen. Später gehen wir noch zum Abendessen.«

»Na gut, wenn es unbedingt sein muss«, gab sich Neyla geschlagen und sah traurig aufs Surfboard, das einsam in einer Ecke neben ihrem Bett lag.

In Fuerteventura war es erst 6 Uhr, während es in Deutschland eine Stunde später war. An diese Zeitverschiebung musste sich Neyla erst noch gewöhnen.

Nach dem gestrichenen Surfausflug sank ihre Laune weiter, bis sie ihr auf den Magen schlug. Sie konnte bis zum nächsten Tag nichts mehr essen. Sogar eine ihrer absoluten Lieblingsspeisen verschmähte sie. Nachdem sie mit ihren Eltern in einem nahegelegenen Strandrestaurant zum Abendessen frisch gegrillte Tintenfischringe, auch Calamares genannt, bestellte.

Kapitel 3

Surfkurs Tag 1

Mit aufgeregten Schritten begleitete Neyla ihren Vater am nächsten Morgen zum weißen Sandstrand, an dem sich die Surfschule von El Cotillo befand. Es war kurz vor zehn, die Sonne brannte schon richtig heiß und ein leichter warmer Wind strich über das Meer. Überall ragten Palmen mit ihren grünen Blättern in den Himmel. Zwischen ihnen befanden sich strohgedeckte Hütten, Sonnenschirme und Liegestühle. Das klare türkisblaue Wasser des Meeres wirkte ruhig und einladend im Gegensatz zur oft aufgewühlten Ostsee. Neyla schaute auf die Wellen hinaus und sah die ersten Wind- und Kitesurfer, die mit ihren bunten Segeln über das Wasser rasten und den aufkommenden Sommerwind nutzten.

Papa trug ihr Brett in der schwarzen Umhängetasche, in der Surfersprache auch »Boardbag« genannt, über seiner Schulter. An der Surfschule angekommen, traf Neyla auf ältere Kinder, die gerade in ihre Surfanzüge schlüpften und auf den Beginn des Kurses warteten.

»Ob die schon in der siebten oder achten Klasse sind?«, überlegte sie nervös an ihren Haaren zupfend. Ein braungebrannter durchtrainierter Mann Ende dreißig mit muskulösen Oberschenkeln und Oberarmen, langem dunkelblond gelocktem Haar, einer bis zu den Knien reichenden Shorthose mit grau-weißen Tarnflecken, einer dunklen Sonnenbrille und einer Halskette mit einem großen Fischzahn um den Hals, kam den beiden mit ausgestreckten Armen entgegen und begrüßte sie mit einem temperamentvollen: »Hola ¿cómo estas?«

Sein Anblick erinnerte sie an den attraktiven Rettungsschwimmer David Hasselhoff aus alten Folgen der beliebten US-Kultfernsehserie »Baywatch«, die sie mit ihren Eltern immer wieder gern ansah. Zum Glück beherrschte sie schon einige Wörter Spanisch, die ihre neue Mitschülerin Smeralda ihr beigebracht hatte. Smeralda stammte ursprünglich vom spanischen Festland, genauer gesagt aus Madrid. Mit ihren Eltern und Geschwistern unterhielt sich Smeralda meist in ihrer spanischen Muttersprache, wenn sie von ihnen aus der Schule abgeholt wurde. Neugierig lief Neyla dann immer zu ihr und drängte sie dazu, ihr den Inhalt ihrer Unterhaltung zu verraten. Voller Stolz übersetzte Smeralda ihr dann die Wörter ins Deutsche.

»Hola heißt hallo, hab ich recht?«, entgegnete Neyla.

»Richtig und cómo estas heißt wie geht es dir … und wer bist du, wenn ich fragen darf?«

»Neyla«, nuschelte sie schüchtern, ohne ihm in die Augen zu sehen.

»Neyla?!«, wiederholte der Mann mit spanischem Akzent. »Bonito – ein sehr schöner und seltener Name.«

»Ja, ich weiß. Die Bedeutung meines Namens aus dem Arabischen heißt übersetzt die ihr Ziel erreicht oder die Erfolgreiche«.

»Oha, hört sich gut an. Dann dürfte dir das Lernen hier bestimmt um einiges leichter fallen, als deinen neuen Mitschülern. Bevor wir uns aber verquasseln, ich bin dein Surflehrer. Du möchtest also auch das Wellenreiten erlernen?«

Neyla fühlte sich von seiner Fragestellung herausgefordert. Wie aus der Pistole geschossen antwortete sie: »Ja natürlich, deshalb bin ich doch hier, weil ich die beste Wellenreiterin von ganz Fuerteventura werden will!«

Der Mann warf ihr einen erstaunten Blick zu, der einzufrieren schien. Offenbar hatte er nicht mit so einer selbstbewussten Reaktion gerechnet.

»Schon gut, eins nach dem anderen. Ehrgeiz ist die beste Voraussetzung dafür, und den hast du unverkennbar!«

Neylas Vater übergab ihr das Surfbrett und reichte dem Lehrer den Gutschein für den viertätigen Wellenreitkurs. Abschließend sagte er: »So, ich lass dich mal allein. Ich muss zum Hotel zurück und mit Mama noch ein paar wichtige Sachen erledigen. Am Ende vom Kurs komme ich wieder und hole dich ab. Viel Spaß beim Lernen!« Hilflos sah sie ihm nach und rief: »Papa, bleib doch bitte noch hier«

Es gefiel ihr überhaupt nicht, mit den neuen und für sie fremden Teilnehmern zurückzubleiben. Ihr Vater lief jedoch weiter, ohne sich umzudrehen und auf ihren Ruf zu reagieren.

Rasch überflog sie die Anzahl der Schüler, wobei sie überraschend feststellte, dass sechs Jungs, aber nur ein Mädchen anwesend waren. Instinktiv wollte sie ihrem Papa folgen, als eine Hand auf ihrer Schulter sie zurückhielt. Schreckhaft zuckte sie zusammen und drehte sich verängstigt um.

»Keine Angst, ich beiß nicht. Ich bin nur dein neuer Lehrer und hatte leider vergessen, mich vorhin richtig vorzustellen. Komm, die anderen warten schon auf uns. Du willst doch bestimmt auch mit dem Training anfangen!«, drängte er und nahm ihr das Brett ab.

»Dein Malibu-Board ist sehr schön, dazu noch in pink. Gefällt mir, ein ›Thruster‹, wegen der drei Finnen. Eigentlich hättest du es aber gar nicht mitbringen brauchen, wir haben hier unsere eigenen Übungssurfbretter!«

Die kamen für Neyla auf gar keinen Fall in Frage. Trotzig mit verschränkten Armen sagte sie: »Mir egal, ich benutze trotzdem meins. Das ist hundertmal schöner und in meiner Lieblingsfarbe!«

»Bueno, gut, gut«, beruhigte Miguel sie kopfschüttelnd und machte ein abfälliges mit der Zunge schnalzendes Ts-ts-ts.

»Ich mach mal eine Ausnahme. Du kannst deins behalten, aber nur heute, versprochen?« Neyla war überglücklich: »Danke Miguel, versprochen!«

»Ich stelle dich jetzt erstmal den anderen Teilnehmern vor.«

Misstrauisch musterten die anderen Neyla von Kopf bis Fuß. Sie spürte die prüfenden Blicke der vor ihr stehenden Jungs und bemerkte, dass sie rot im Gesicht anlief und noch unsicherer wurde, als sie es eh schon war. Wegen der Neoprenanzüge dachte sie unwillkürlich an ihre Eltern, die beim Windsurfen ähnlich angezogen waren. Als ob Miguel ihre Gedanken lesen konnte, sagte er sehr bestimmend: »Neyla, würdest du dich jetzt endlich umziehen, wir fangen gleich an. Im Übrigen sind die Surfhose und das »Lycra« oder »Wetshirt« wie wir sagen, sehr nützlich, da sie dich warmhalten und schützen. Dazu gibt es morgen noch passende Surfschuhe, damit du nicht gleich vom Brett abrutschst!«

Neyla meldete sich energisch mit den Fingern schnippend zu Wort: »Die kenne ich, solche haben meine Eltern auch!«

Dann kam Miguel im Laufschritt mit einer dunklen Neoprenhose, die nur bis zu den Knien reichte, auf sie zu. Das langärmlige türkisfarbene Oberteil hatte einen schmalen schwarzen Streifen an den Ärmeln. Er reichte ihr den Anzug.

»Der hier müsste dir passen! Probier ihn einfach mal an.«

Im Gegensatz zu den normalen Surfanzügen bestanden die Surfhemden aus leicht dehnbarem, dünnem Material. Auf dem Brustbereich befand sich ein großes Logo mit dem Namen der Wellenreitschule El Cotillo, einer Palme und einem Surfbrett aufgedruckt.

Als Neyla die Farben sah, fragte sie: »Habt ihr den Anzug auch in Pink oder Rosa?«

Miguel beugte sich zu ihr herab und machte mit seinen dunklen Augenbrauen ein bedrücktes Gesicht: »Leider nicht, tut mir leid, lo siento.«