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"Wenn man glaubt, dass das Leben nicht besser werden kann, dann hat Blake Pierce ein weiteres Meisterwerk an Thriller und Mysterium geschaffen! Dieses Buch ist voller Wendungen und das Ende bringt eine überraschende Enthüllung. Ich empfehle dieses Buch jedem Leser, der sich an einem sehr gut geschriebenen Thriller erfreut, es sich anzuschaffen. " -Autor und Filmkritiker, Roberto Mattos (Fast So Gut Wie Vorüber) NICHTS ALS RENNEN ist Buch Nr. 2 in einer neuen FBI-Thriller-Serie von USA Today Bestsellerautor Blake Pierce, dessen Bestseller Nr. 1 Verschwunden (Buch Nr. 1) (ein kostenloser Download) über 1.000 Fünf-Sterne-Kritiken erhalten hat. Ein Serienmörder wütet in der amerikanischen Expat-Gemeinde in Paris, seine Morde erinnern an Jack the Ripper. Für FBI-Spezialagentin Adele Sharp ist es ein wahnsinniger Wettlauf gegen die Zeit, um in seinen Verstand einzudringen und das nächste Opfer zu retten - bis sie ein Geheimnis aufdeckt, das dunkler ist, als man es sich vorstellen kann. Von der Ermordung ihrer eigenen Mutter verfolgt, stürzt sich Adele in den Fall und taucht in die grausige Unterwelt einer Stadt ein, die sie einst ihr Zuhause nannte. Kann Adele den Mörder aufhalten, bevor es zu spät ist? Eine actiongeladene Mysterienreihe voller internationaler Intrigen und fesselnder Spannung. Mit NICHTS ALS RENNEN können Sie bis spät in die Nacht umblättern. Buch #3 - NICHTS ALS VERSTECKEN - ist jetzt zur Vorbestellung erhältlich.
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Veröffentlichungsjahr: 2020
N I C H T S
A L S
R E N N E N
(Ein Adele Sharp Mystery – Buch 2)
B L A K E P I E R C E
Blake Pierce
Blake Pierce ist der USA Today Bestseller-Autor der RILEY PAGE Mystery-Serie, die sechzehn Bücher (und es werden noch mehr) umfasst. Blake Pierce ist auch der Autor der Mystery-Serie MACKENZIE WHITE, die dreizehn Bücher umfasst (Tendenz steigend); der Mystery-Serie AVERY BLACK, die sechs Bücher umfasst; der Mystery-Serie KERI LOCKE, die fünf Bücher umfasst; der Mystery-Serie DAS MAKING OF RILEY PAIGE, die fünf Bücher umfasst (Tendenz steigend); der Mystery-Serie KATE WISE, die sechs Bücher umfasst (Tendenz steigend); der psychologischen Krimireihe CHLOE FINE, die fünf Bücher umfasst (Tendenz steigend); der psychologischen Krimireihe JESSE HUNT, die fünf Bücher umfasst (Tendenz steigend); der psychologischen Krimireihe AU PAIR, die zwei Bücher umfasst (Tendenz steigend); der Krimireihe ZOE PRIME, die zwei Bücher umfasst (Tendenz steigend); und der neuen Krimireihe ADELE SHARP.
Als begeisterter Leser und lebenslanger Fan der Mystery- und Thriller-Genres liebt es Blake, von Ihnen zu hören. Besuchen Sie www.blakepierceauthor.com, um mehr zu erfahren und in Kontakt zu bleiben.
Urheberrecht © 2020 von Blake Pierce. Alle Rechte vorbehalten. Mit Ausnahme der Bestimmungen des U.S. Copyright Act von 1976 darf kein Teil dieser Publikation ohne vorherige Genehmigung des Autors in irgendeiner Form oder mit irgendwelchen Mitteln reproduziert, verteilt oder übertragen oder in einer Datenbank oder einem Retrievalsystem gespeichert werden. Dieses eBook ist nur für Ihren persönlichen Gebrauch lizenziert. Dieses eBook darf nicht weiterverkauft oder an andere Personen verschenkt werden. Wenn Sie dieses Buch an eine andere Person weitergeben möchten, erwerben Sie bitte für jeden Empfänger ein zusätzliches Exemplar. Wenn Sie dieses Buch lesen und es nicht gekauft haben, oder wenn es nicht nur für Ihren Gebrauch gekauft wurde, dann geben Sie es bitte zurück und erwerben Sie Ihr eigenes Exemplar. Vielen Dank, dass Sie die harte Arbeit dieses Autors respektieren. Dies ist ein Werk der Belletristik. Namen, Charaktere, Unternehmen, Organisationen, Orte, Ereignisse und Begebenheiten sind entweder das Produkt der Phantasie des Autors oder werden fiktiv verwendet. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Personen, lebendig oder tot, ist völlig zufällig. Jackenbild Copyright JakubD
BÜCHER VON BLAKE PIERCE
ADELE SHARP MYSTERY-SERIE
NICHTS ALS STERBEN (Buch #1)
NICHTS ALS RENNEN (Buch #2)
NICHTS ALS VERSTECKEN (Buch #3)
DAS AU-PAIR
SO GUT WIE VORÜBER (Band #1)
SO GUT WIE VERLOREN (Band #2)
SO GUT WIE TOT (Band #3)
ZOE PRIME KRIMIREIHE
GESICHT DES TODES (Band #1)
GESICHT DES MORDES (Band #2)
GESICHT DER ANGST (Band #3)
JESSIE HUNT PSYCHOTHRILLER-SERIE
DIE PERFEKTE FRAU (Band #1)
DER PERFEKTE BLOCK (Band #2)
DAS PERFEKTE HAUS (Band #3)
DAS PERFEKTE LÄCHELN (Band #4)
DIE PERFEKTE LÜGE (Band #5)
DER PERFEKTE LOOK (Band #6)
DIE PERFEKTE AFFÄRE (Band #7)
DAS PERFEKTE ALIBI (Band #8)
CHLOE FINE PSYCHOTHRILLER-SERIE
NEBENAN (Band #1)
DIE LÜGE EINES NACHBARN (Band #2)
SACKGASSE (Band #3)
STUMMER NACHBAR (Band #4)
HEIMKEHR (Band #5)
GETÖNTE FENSTER (Band #6)
KATE WISE MYSTERY-SERIE
WENN SIE WÜSSTE (Band #1)
WENN SIE SÄHE (Band #2)
WENN SIE RENNEN WÜRDE (Band #3)
WENN SIE SICH VERSTECKEN WÜRDE (Band #4)
WENN SIE FLIEHEN WÜRDE (Band #5)
WENN SIE FÜRCHTETE (Band #6)
WENN SIE HÖRTE (Band #7)
DAS MAKING OF RILEY PAIGE MYSTERY-SERIE
BEOBACHTET (Band #1)
WARTET (Band #2)
LOCKT (Band #3)
NIMMT (Band #4)
LAUERT (Band #5)
TÖTET (Band #6)
RILEY PAIGE MYSTERY-SERIE
VERSCHWUNDEN (Band #1)
GEFESSELT (Band #2)
ERSEHNT (Band #3)
GEKÖDERT (Band #4)
GEJAGT (Band #5)
VERZEHRT (Band #6)
VERLASSEN (Band #7)
ERKALTET (Band #8)
VERFOLGT (Band #9)
VERLOREN (Band #10)
BEGRABEN (Band #11)
ÜBERFAHREN (Band #12)
GEFANGEN (Band #13)
RUHEND (Band #14)
GEMIEDEN (Band #15)
VERMISST (Band #16)
AUSERWÄHLT (Band #17)
EINE RILEY PAIGE KURZGESCHICHTE
EINST GELÖST
MACKENZIE WHITE MYSTERY-SERIE
BEVOR ER TÖTET (Band #1)
BEVOR ER SIEHT (Band #2)
BEVOR ER BEGEHRT (Band #3)
BEVOR ER NIMMT (Band #4)
BEVOR ER BRAUCHT (Band #5)
EHE ER FÜHLT (Band #6)
EHE ER SÜNDIGT (Band #7)
BEVOR ER JAGT (Band #8)
VORHER PLÜNDERT ER (Band #9)
VORHER SEHNT ER SICH (Band #10)
VORHER VERFÄLLT ER (Band #11)
VORHER NEIDET ER (Band #12)
VORHER STELLT ER IHNEN NACH (Band #13)
VORHER SCHADET ER (Band #14)
AVERY BLACK MYSTERY-SERIE
DAS MOTIV (Band #1)
LAUF (Band #2)
VERBORGEN (Band #3)
GRÜNDE DER ANGST (Band #4)
RETTE MICH (Band #5)
ANGST (Band #6)
KERI LOCKE MYSTERY-SERIE
EINE SPUR VON TOD (Band #1)
EINE SPUR VON MORD (Band #2)
INHALT
KAPITEL EINS
KAPITEL ZWEI
KAPITEL DREI
KAPITEL VIER
KAPITEL FÜNF
KAPITEL SECHS
KAPITEL SIEBEN
KAPITEL ACHT
KAPITEL NEUN
KAPITEL ZEHN
KAPITEL ELF
KAPITEL ZWÖLF
KAPITEL DREIZEHN
KAPITEL VIERZEHN
KAPITEL FÜNFZEHN
KAPITEL SECHZEHN
KAPITEL SIEBZEHN
KAPITEL ACHTZEHN
KAPITEL NEUNZEHN
KAPITEL ZWANZIG
KAPITEL EINUNDZWANZIG
KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG
KAPITEL DREIUNDZWANZIG
KAPITEL VIERUNDZWANZIG
KAPITEL FÜNFUNDZWANZIG
KAPITEL SECHSUNDZWANZIG
KAPITEL SIEBENUNDZWANZIG
KAPITEL ACHTUNDZWANZIG
KAPITEL NEUNUNDZWANZIG
KAPITEL DREIßIG
Unter dem Abendhimmel, an dem sich noch die letzten Lichtstreifen der untergehenden Sonne abzeichneten, warf Adele einen Blick auf die zitternden Hände ihres Partners, Agent Masse. Seine Oberlippe war mit Schweißperlen übersät und sein Adamsapfel zuckte, während er auf den Lauf seiner Dienstwaffe starrte. Adeles neuer Partner bemerkte ihren Blick und lächelte unsicher, gefolgt von einem kurzen Daumen nach oben. Diese Geste veranlasste Masse dazu, seine Waffe kurzzeitig mit einer Hand loszulassen, bevor er sie wieder fest in beide Hände nahm.
Adele widersetzte sich dem Drang, ihm einen finsteren Blick zuzuwerfen. Ihre Augen verengten sich, glitten über ihre eigene Dienstwaffe, mit der sie in Richtung des zweiten Stockwerks des Motels zielte. Zu ihrer Rechten bildete nur ein dünnes, klappriges weißes Geländer, das zudem noch halb verrostet war, eine prekäre Barriere zwischen dem Flur, in dem sie stand, und dem darunter liegenden Innenhof. Die Verstärkung ließ auf sich warten - über Funk hatte sie mitbekommen, dass die meisten Einheiten aufgrund eines bewaffneten Überfalls an einer Tankstelle umgeleitet worden waren. Aber sie konnten nicht warten. Hernandez hatte sich in der Vergangenheit als unbeständig erwiesen. Im Moment hatte sie nur Masse und ihre eigene Vorahnung.
Adele blickte über das Geländer auf den rechteckigen Pool hinunter; das unnatürlich blaue Wasser reflektierte das verbleibende Abendlicht in sanften Bewegungen auf der Oberfläche. Ein Sprungbrett auf der gegenüberliegenden Seite befand sich direkt neben einer metallenen Einstiegsleiter. Der beißende, aufsteigende Chlorgeruch in der Luft vermischte sich mit dem Gestank der vorbeifahrenden Autos der benachbarten Straße. Durch die Lücken zwischen den beiden Gebäudeblöcken des Motels konnte man flüchtige Blicke auf die parkenden Autos erhaschen.
„Konzentration“, murmelte Adele leise.
Sie stand mit dem Rücken gegen die Holzfassade des billigen Motels gepresst und fühlte, wie der Staub ihren Nacken herunterrieselte, aber sie ignorierte es. Sie bahnte sich ihren Weg, weiter an der Wand entlanggleitend, in Richtung ihres Ziels. Eine Frau schaute auf der anderen Seite des Hofes aus einem Fenster und beobachtete wachsam die sich nähernden FBI-Agenten.
Adele warf der Frau aus der Ferne einen Blick zu und schüttelte leicht den Kopf. Die Person duckte sich sofort und verschwand wieder hinter dem, mit fettigen Fingerabdrücken, übersäten Fenster und aus dem Blickfeld der Agenten.
Agent Masse folgte dicht hinter Adele, die ihre Aufmerksamkeit wieder auf Zimmer A7 richtete. Sie warf ihrem neuen Partner einen finsteren Blick zu. „Vorsicht“, murmelte sie im Flüsterton.
Masse hob besänftigend die Hand und löste seinen Griff wieder von seiner Dienstwaffe. Innerlich unterdrückte Adele ihre Frustration. So streitsüchtig er auch war, eines konnte man über John Renee sagen: Er verachtete Amateure. Jetzt, zurück in San Francisco, stellte Adele fest, dass sie den großen französischen Agenten mit dem Narbengesicht vermisste.
Rein professionell, natürlich. Aber natürlich. John war ein ausgezeichneter Schütze, zuverlässig, wenn er sich in Gefahr befand, und - was am wichtigsten war - er würde nicht immer wieder von hinten in sie hineinrennen, wenn sie sich direkt vor dem Motelzimmers eines Mörders befanden.
„Würden Sie bitte damit aufhören?“, flüsterte sie schließlich nach dem dritten Knie, das versehentlich in ihrem Oberschenkel gelandet war, während beide die Treppe hinaufschlichen.
„Entschuldigung“, sagte Agent Masse, ein bisschen zu laut.
Adele versteifte. Aus dem Inneren von A7 glaubte sie, Schritte zu hören. Sie starrte auf die Tür, ihr Puls dröhnte ihr in den Ohren. Dann verstummten die Geräusche.
Adele wartete und befeuchtete den Rand ihrer Lippen, ihre Ohren spitzten sich, ihre Augen waren auf den silbernen Türgriff unter dem Kartenscanner gerichtet.
Jason Hernandez wurde in zwei Fällen verdächtigt, seine Opfer barbarisch ermordet zu haben. Adele hatte in der Woche zuvor die toxikologischen Berichte durchgesehen. Jason hatte seine Opfer mit Methamphetamin vollgepumpt, bevor er sie im Wohnzimmer ihrer eigenen Wohnung zu Tode geprügelt hatte.
Angeblich sagte sie zu sich selbst und Bilder schossen ihr durch den Kopf. Sie stellte sich karminrote Flecken auf einem kunstvoll gemusterten türkischen Teppich vor. Sie erinnerte sich an die entsetzten Gesichtsausdrücke des Reinigungspersonals, das Jasons Tatort gefunden hatte. Und natürlich waren die Verbrechen in den Hills geschehen. Ein reiches und berühmtes Paar wird ermordet? Keine Chance, liebes Morddezernat -hallo, FBI.
Adele nickte zur Tür und hob ihre Waffe. Ihr neuer Partner zögerte.
Sie versuchte, nicht mit den Augen zu rollen, sondern sagte in einem energischen Flüsterton: „Schlüsselkarte. Beeilung!”
Agent Masse erstarrte wie ein Hirsch im Scheinwerferlicht. Der junge Agent starrte an Adeles Gesicht vorbei ins Leere, bevor ihre Worte endlich bei ihm ankamen. Er bewegte sich nun zu schnell, als wollte er die verlorene Zeit aufholen, eilte an ihr vorbei und schlitterte dabei an dem verrosteten weißen Geländer, das Richtung Pool zeigte, entlang. Seine Hand schnellte dann zu seiner rechten Tasche, wo er mit dem Verschlussknopf zu kämpfen hatte.
Adele starrte ihn ungläubig an.
Masse errötete und murmelte Sorry, während er immer noch an seinem Knopf herumfummelte. Er schien es nicht fertig zu bringen, ihn zu öffnen. Mit einem Ruck steckte Masse seine Waffe in den Holster, griff mit beiden Händen nach oben und knöpfte die Tasche auf. Schließlich zog er, immer noch mit der Waffe im Holster, die Schlüsselkarte heraus, die ihm der Motelangestellte gegeben hatte. Mit noch zitternder Hand schob der junge Agent die Karte in die Tür. Ein kleines grünes Licht blinkte über dem L-förmigen Griff auf.
Masse trat zurück, sein junges Gesicht musterte Adele.
Sie nickte in Richtung seiner Hüfte.
Wieder blickte sie in ein leeres Gesicht.
„Ihre Waffe“, sagte Adele, durch zusammengebissene Zähne.
Masses Augen weiteten sich, er zog schnell seine Waffe ein zweites Mal aus dem Holster und richtete sie auf die Tür. Die Fenster zu Zimmer A7 waren geschlossen und die Vorhänge dunkelten das Zimmer vollständig ab.
„Er ist bewaffnet und gefährlich“, sagte Adele außer Atem. Normalerweise schien der zweite Teil dieses Satzes überflüssig, aber bei Masse konnte sie sich nie sicher sein. „Wenn Sie eine Waffe sehen, geben Sie ihm nicht die Gelegenheit, sie zu benutzen. Verstanden?”
Agent Masse starrte sie an, zitterte, nickte aber. Adele schluckte und versuchte, ihre eigenen Nerven zu beruhigen. Sie festigte ihren Griff und spürte die kalte, schwere Waffe in ihren Händen. Sie bemühte sich, sich ihre eigene Aversion gegenüber ihrer Schusswaffe nicht anmerken zu lassen. Der Umgang mit Waffen war immer der ungeliebteste Teil ihrer Arbeit gewesen.
Masse nahm auf der gegenüberliegenden Seite der Tür Stellung. Mit einem eindringlichen Blick in ihre Richtung streckte er seine rechte Hand aus, mit der linken immer noch seine Waffe haltend, und drückte den Türgriff hinunter.
Die Tür schlug auf. Ein wilder Schrei ertönte von innen und jemand drückte sich von der anderen Seite gegen das falsche Holz und ließ Masse taumeln.
Ihr Partner schoss einmal, zweimal - ohne zu zielen. Agent Masse stolperte durch den anhaltenden Schwung der Tür und fiel zu Boden. Die Kugeln trafen die Decke. Im Inneren des Motelzimmers war nun eine dunkle Gestalt zu erkennen, deren Umrisse sich in den Schatten auf dem Fußboden spiegelten. Die Person hielt etwas Metallisches in ihren Händen.
Eine Waffe?
Nein. Zu klein. Die Gestalt lief weder nach links noch nach rechts, sondern nahm stattdessen Anlauf, sprang mit einem Satz über das Geländer und stürzte sich in Richtung des darunter liegenden Pools. Adeles Fluchen ertönte gemeinsam mit einem lauten Platsch!
Adele positionierte ihre Waffe und machte drei schnelle, kontrollierte Schritte in Richtung des Geländers. Ihre Augen scannten den Pool, dann fasste sie die umliegende Hecke ins Auge. Sie richtete ihre Waffe auf die sich entfernende Gestalt unter ihr ...
... und erkannte ihn sofort mit seinem kahlrasierten Kopf und dem Tattoo der beiden in sich verschlungenen Schlangen, das hinter seinen Ohren begann und sich bis zum Ende seines Halses erstreckte. Die Zungen der beiden Schlangen bildeten einen Knoten zwischen seinen Schulterblättern. Jason Hernandez trug kein Hemd. Er hatte ein leichtes Bäuchlein und seine ausgebeulte Hose klebte nun klatschnass an seinen Beinen, was ihn aber nicht davon abhielt, sich mit einem lauten Stöhnen aus dem Wasser zu hieven, dann vom Rand zu robben und tropfnass und völlig außer Atem in Richtung Hecke zu humpeln. Am Ende stolperte er über die knackenden Äste, landete im Gebüsch, bevor er - auf Spanisch fluchend - wieder auf die Beine kam und über die Freifläche der beiden Gebäudeblöcke des Motels zur belebten Straße eilte.
Adeles hatte den Finger fest am Abzug, die Zähne zusammengepresst.
„Stopp!“, rief sie.
Aber er hielt nicht an. Wieder entdeckte sie etwas Metallisches, das er in seiner rechten Hand hielt. Ein Messer?
Ein guter Schuss. Sie hatte ihn im Visier. Aber nein, er war unbewaffnet. Die meisten Mörder brauchten allerdings auch keine Waffen, um gefährlich zu sein. Der mutmaßliche Mörder, korrigierte sie sich erneut selbst. Adele senkte ihre Waffe und raste an ihrem Partner vorbei, der sich immer noch von dem Schmerz erholte, den die Tür in seinem Gesicht hinterlassen hatte. Aus seiner Nase strömte Blut und er sah benommen aus, während er noch immer auf dem Boden saß und sein Kinn massierte.
Adele stürmte an ihm vorbei und schrie: „Er haut ab!“ Sie rannte zum Ende des Ganges, ohne sich umzusehen. Sie konnte keine weiteren Schritte hören, die ihr folgten, was darauf hindeutete, dass ihr neuer Partner zumindest für eine Weile außer Gefecht gesetzt worden war. Adele dehnte nochmals ihren Kiefer, bevor sie die metallene Wendeltreppe erreichte und gleich drei Stufen auf einmal nahm, um so schnell wie möglich unten anzukommen.
Schusswaffen waren nicht ihre Stärke. Aber Kriminelle zu finden schon. Flink wie ein Wiesel tänzelte sie spielendleicht die Treppe hinunter und sah zu, wie Jason auf die Straße rannte.
Adele verlor ihn aus den Augen, als sie das Ende der Treppe erreicht hatte und sich ebenfalls in Richtung Straße bewegte. Aber nach ein paar Schritten zögerte sie, hielt kurz inne und legte keuchend neben dem bräunlichen Gestrüpp, das den Pool säumte, eine Pause ein.
Würde Jason wirklich über die belebte Straße fliehen? Die Leute würden ihn erkennen. In diesem Teil der Stadt gab es viel Polizei und ebenso viele Kontrollen. Jason wusste das. Ihre Gedanken kehrten zu dem metallischen Gegenstand zurück, den sie in seiner Hand entdeckt hatte. Ein Messer? Nein. Eine Waffe? Zu klein.
Ein Schlüssel. Das musste es sein.
Ihre Augen blickten kurz zurück in Richtung des Flurs vor den Zimmern des Motels. Die Schlüssel zum Motel? Nein. Sie hatten eine Schlüsselkarte benutzt. Sie wandte sich von der Straße ab, ihre Augen erfassten die Länge des zweiten Gebäudekomplexes des Motels, hinter dem der Verdächtige verschwunden war. Würde er umkehren?
Autoschlüssel – etwas anderes kam doch nicht in Frage, oder? Jasons Truck stand auf dem Parkplatz des Motels; sie hatten ihn auf dem Weg hierher gesehen.
Adele nickte sich selbst zu und dann, anstatt auf die Baulücke zwischen den Gebäuden, die zur Straße führte, zuzulaufen, drehte sie sich um und sprintete in die entgegengesetzte Richtung. Der Parkplatz des Motels befand sich hinter den Gebäuden, war mit einem großen Holzzaun gesichert und wurde an allen vier Ecken von neuen roten Müllcontainern mit schwarzen Deckeln begrenzt.
Es war nur eine Ahnung, aber manchmal war eine Ahnung alles, was ein Agent haben musste.
Adele konnte Sirenen in der Ferne hören, aber sie waren immer noch schwach. Sie war auf sich allein gestellt. Sie blickte über ihre Schulter zurück in Richtung Treppe und bemerkte, wie ihr Partner langsam nach unten kam und sich ihr mit einem noch benommenen Blick auf dem Gesicht, kopfschüttelnd näherte. Er taumelte ein wenig und das Blut strömte immer noch aus seiner Nase.
Adele seufzte verzweifelt, als sie in Richtung des Parkplatzes lief. Sie hüpfte über eine weitere kleine Hecke, dankbar für all die Zeit, die sie morgens mit Joggen verbrachte. Sie passierte die Rezeption und kam dann an einem Maschendrahtzaun und einem roten Müllcontainer vorbei, der hinter den Büros stand. Der Geruch von zwei Wochen altem Müll wehte in der Luft und setzte sich in ihrer Kleidung fest. Sie ignorierte den Geruch und stöhnte, als ein hervorstehender Balken des Zauns ihren Anzug erwischte; ein leises Reißen, ein kurzer stechender Schmerz. Aber sie riss sich zusammen und ignorierte das Loch in ihrem Outfit.
Adele hockte sich zwischen den Maschendrahtzaun und den stinkenden Müllcontainer, bevor sie kurz aufstand und den großen schwarzen Lastwagen mit hervorstehenden Spiegeln anstarrte. Das Fahrzeug parkte auf halber Strecke zwischen ihr und einem Minivan, dazwischen befanden sich zwei leere Parklücken.
Die Vordertür des Trucks stand offen.
Jason krabbelte bereits auf den Fahrersitz. Er warf einen Blick in ihre Richtung, fluchte dann lauthals, bevor er die Vordertür zuschlug und seine Schlüssel in die Zündung steckte. Sie hörte ein dumpfes Rasseln und eine Reihe von Flüchen auf Spanisch.
Sie hob ihre Waffe und richtete sie auf das Fenster. „Bleiben Sie stehen oder ich schieße!“, rief sie.
Aber Hernandez ignorierte sie. Er fummelte weiter an den Schlüsseln herum. Endlich sprang der Motor an. Jason starrte sie aus dem Fenster mit panisch weit aufgerissen Augen an. Seine Schlangentätowierung am Hals pulsierte merklich und dicke Adern ragten aus seinen Schläfen.
Er murmelte etwas, das sie durch die geschlossene Scheibe nicht hören konnte, und legte dann den Gang ein. Er trat das Gaspedal voll durch. Die Reifen quietschten, der Truck schoss nach vorn und kollidierte fast mit dem Gebäude. Jason fluchte unhörbar und legte den Rückwärtsgang ein, bevor er über seine Schulter blickte.
Im Gegensatz zum Motel war Jasons Truck in einwandfreiem Zustand. Die Fenster waren sauber und der Truck selbst hatte weder Kratzer noch Delle. Einige der Augenzeugen, die gesehen hatten, wie Hernandez seinen angeblichen Opfern nach Hause gefolgt war, hatten behauptet, alles habe begonnen, als Mr. Carter Jasons Truck beinahe hinten aufgefahren war.
Adele hielt ihre Waffe am Abzug und stand fest mit abgespreizten Schultern und Füßen am Boden. „Stopp, FBI!“, rief sie.
„Agent Sharp!“, rief eine Stimme über ihre Schulter. Für den Bruchteil einer Sekunde zuckte sie zusammen und blickte zurück.
Masse stolperte durch das Gebäude, das Jason am nächsten lag - offensichtlich war er außenherum über die Straße gekommen und den längeren Weg gegangen. Aber jetzt bedeutete das, dass er näher am Truck war als sie. Masse entdeckte Jason; die Augen des jungen Agenten weiteten sich und er erhob seine Waffe.
„Warten Sie!“, brüllte Adele.
Aber Masse hatte bereits drei Kugeln abgefeuert. Zwei trafen die Motorhaube des Trucks, die dritte zerschlug beide Scheiben, wobei sie die eine durchlöcherte und die andere komplett zerbrach. Keine von ihnen traf Jason Hernandez.
Aber durch das nun überall verstreute Fensterglas konnte Adele Jasons Gesichtsausdruck durch den leeren Fensterrahmen des Lastwagens genau erkennen.
Er fummelte nicht mehr am Lenkrad oder an der Zündung herum. Er starrte durch das zerbrochene Glas, seine Augen weit aufgerissen und so blass, als hätte er einen Geist gesehen. Er starrte auf die zerbrochenen Glasscherben und dann wanderten seine Augen über die Motorhaube seines Wagens in Richtung der beiden Einschusslöcher in der Front seines geliebten Fahrzeugs.
„Puta!“, schrie er. Hernandez krabbelte über den Sitz und riss die Beifahrertür auf, bevor er hinausstolperte. Er befand sich nun auf der zu Adele gegenüberliegenden Seite des Fahrzeugs, näher an Masse.
Adele versuchte, Haltung zu bewahren, stöhnte aber frustriert; sie hatte den Augenkontakt verloren. Sie bewegte sich schnell, immer noch mit kontrollierten Bewegungen, und versuchte, die beiden Größen im Blickfeld zu halten, während sie hastig über den Parkplatz schritt.
Jason ging auf Agent Masse zu und ignorierte die Waffe, die ihm ins Gesicht gehalten wurde genau wie Adele, die sich ihm von hinten näherte. Als sie sich neu positionierte, sah Adele flüchtig seinen Gesichtsausdruck: Jasons Augen waren geweitet, die Blutgefäße in seinem Nacken und auf seiner Stirn kurz vorm Explodieren.
„Kavron!“, schrie er und blickte von seinem zerstörten Truck auf den FBI-Agenten, der auf ihn geschossen hatte. Die Waffe in Masses noch immer zitternden Händen schien ihm völlig gleichgültig zu sein.
Adeles Anweisung, zu warten, schien bei Masse erst jetzt angekommen zu sein. Sein Zeigefinger war immer noch am Abzug, aber er war wie erstarrt. Er wartete, zögerte, lies seinen Blick zwischen Adele und der sich nähernden Gestalt von Hernandez hin und her gleiten. Er zögerte eine Sekunde zu lange.
„Nein, nicht!“, rief Adele, aber es war zu spät.
Jason stürmte nach vorne, wich der Schusslinie von Masse aus und griff den jungen Agenten an der Taille, so dass beide hart auf dem Bürgersteig aufschlugen.
Adele eilte nach vorne, suchte nach der passenden Gelegenheit und hob ihre Waffe. Der kalte Beton des Parkplatzes und die Sicherheitsbarriere bildeten eine harte Oberfläche, gegen die Masses Schulterblätter einmal knallten, zweimal als er versuchte, sich zu erheben. Doch Jason knurrte, schlug zu und kratzte dem Agenten die Augen aus. „Runter von ihm!“, rief Adele. Dann schoss sie.
Masse schrie erschrocken auf. Hernandez jedoch stöhnte vor Schmerz, taumelte wie ein Kreisel und ging neben dem Agenten, den er angegriffen hatte, zu Boden.
„Für’s erste war das nur der Arm“, schnappte Adele, die Waffe weiterhin auf Hernandez gerichtet. „Kämpf weiter und der nächste geht in deine Brust, verstanden?”
Das Geräusch des Fluchens und Weinens verstummte aus Jasons Richtung, wo er hin- und her rollte. Seine Zähne blitzten, als sie vor Schmerz zusammenknirschten, und er drückte seinen Kopf gegen den rauen Bürgersteig. Rote Blutströme färbten seine Finger. Alle paar Augenblicke schaute er von seinem verletzten Arm weg, drehte sich zu seinem dampfenden Truck um und schüttelte den Kopf erneut vor Angst.
Adele seufzte und legte dann ihre Hand an ihr batteriebetriebenes Funkgerät. „Wir brauchen einen Krankenwagen“, sagte sie.
Sie warf einen Blick auf ihren Partner, der immer noch wackelig auf den Beinen war, und auf Hernandez, der sich vor Schmerzen am Boden wandte. Sie seufzte wieder.
„Macht besser zwei daraus.“ Dann ging sie mit einem Augenrollen und Handschellen in der Hand auf Jason zu.
Adele atmete erleichtert aus, als sie endlich das Knarren der Scharniere ihrer Haustür hörte, die sich langsam hinter ihr schloss. Nach vier Stunden lächerlichem Papierkram und Befragungen war Adele froh, wieder zu Hause zu sein.
Sie schaltete das Licht ein und blickte in den kleinen Raum, während sie ihre Schultern nach hinten kreisen ließ, um einem plötzlichen Schmerzimpuls entgegenzuwirken. Adele blickte ihre Taille hinunter und bemerkte zum ersten Mal einen roten Fleck auf ihrer weißen Bluse unter ihrem Anzug.
Sie runzelte die Stirn. Wieder zuckte sie zusammen, während sie ihre kleine Wohnung durchsuchte und schließlich vor ihrer Küchenspüle resigniert die Bluse vorsichtig unter ihrem Gürtel hervorzog.
Eine neue Wohnung. Der Mietvertrag war jeweils auf nur zwei Monate begrenzt. Es war zu teuer gewesen, in ihrer alten Wohnung zu bleiben. Nachdem Angus ausgezogen war, hatte Adele allein einfach nicht mehr genug verdient, um die überdurchschnittliche Miete aufzubringen, die Angus und seine Programmierfreunde problemlos bezahlen konnten. Nun, da sie nach Brisbane umgezogen war, stellte sie fest, dass ihr der Wechsel nichts ausmachte. Es war nicht laut - wofür sie ihren Nachbarn wohl danken sollte - obwohl die Wohnung nicht viel mehr als eine Küche, einen Fernseher und ein Schlafzimmer mit eigenem Bad hatte. Alles, sogar der Fernseher, roch ein wenig modrig.
Es war ohnehin nicht so, dass sie viel Zeit zu Hause verbrachte.
Adele zuckte erneut zusammen, als sie ihre Bluse aus dem Gürtel zog und den langen Kratzer auf ihrer Haut untersuchte. Als sie sich erinnerte, wie es dazu gekommen war, verzog sie das Gesicht. Zweifellos hatte sie mit dem Maschendrahtzaun Bekanntschaft gemacht.
„Verdammte Neulinge“, murmelte sie etwas angestrengt.
Agent Masse war jung. Er hatte erst vor wenige Monaten seine Ausbildung beendet. Adele bezweifelte, dass sie bei ihrem ersten Einsatz viel besser gewesen war, aber dennoch ... es war katastrophal gewesen. Sie vermisste John. Das letzte Mal, als sie sich getroffen hatten, war die Situation etwas unangenehm gewesen. Sie erinnerte sich an das nächtliche Schwimmen in Roberts Privatpool. Daran, dass John versucht hatte, sie zu küssen und daran, wie sie fast reflexartig zurückgesprungen war.
Adele runzelte die Stirn bei diesen Gedanken und wünschte sich sofort, sie könnte ihn zurücknehmen. Stattdessen griff sie nach einem sauberen Stück Küchenpapier von der Theke und begann, heißes Wasser laufen zu lassen. Sie öffnete den Schrank über dem Kühlschrank und schnappte sich eine Flasche Franzbranntwein. Sie tupfte sie gegen das Handtuch und drückte das behelfsmäßige Desinfektionstuch an ihre Rippen, wobei sie erneut zusammenzuckte.
Sie ging in Richtung des einzigen Stuhls in der Küche, während sie sich gegen den halbhohen Tisch lehnte und mit dem Gesicht zur Wand hin Platz nahm, wobei sie das stark riechende Papiertuch gegen ihren Kratzer tupfte. Endlich, als sie sich zurücklehnte, konnte sie durchatmen.
Geistesabwesend blickte sie über ihre Schulter zur Tür. Zwei Riegel und ein Kettenschloss schmückten den Metallrahmen, ein Überbleibsel von den Vormietern.
Der Stuhl knarrte, als sie einen Ellbogen auf den Tisch stützte und auf die glatte Holztischplatte starrte. Sie bewegte sich wieder, allein schon wegen des Geräuschs. Die Wohnung war so still. Als sie noch mit Angus zusammengelebt hatte, lief immer eine Fernsehsendung oder ein Podcast, der aus seinem Zimmer dröhnte, während er an einem Projekt arbeitete. In den paar Wochen, die sie mit Robert in Frankreich verbracht hatte, befand sie sich oft im selben Zimmer wie ihr alter Mentor und genoss seine Gesellschaft am Kaminfeuer, während er ein Buch las oder durchs Radio Konzerte hörte.
Aber jetzt, in der kleinen, stickigen Wohnung in San Francisco ... war es wieder so ruhig.
Adele bewegte sich noch einmal und lauschte dem Knarren und Protestieren des schlecht konstruierten Stuhls. Ein Satz aus ihrer Kindheit, einer der Lieblingssätze ihres Vaters, kam ihr in den Sinn. „Einfache Dinge erhellen einfache Gemüter.“ In einer Art Phantomprotest wackelte Adele an dem Stuhl, hörte ein letztes Mal dem seltsam tröstlichen Knarren des Holzes zu, bevor sie die Zähne zusammenknirschte und das behelfsmäßige Desinfektionstuch weiter gegen ihre Wunde drückte. Dann stand sie wieder auf und stapfte den Flur hinunter.
„Verdammter Renee“, murmelte sie.
Jason Hernandez hätte nie abhauen können, wenn John da gewesen wäre. Sie vermisste Frankreich. Nach dem Interview mit Interpol hatte sie einige Zeit mit Robert verbracht. Eine schöne Zeit - auf ihre eigene Art erfrischend. Es hatte ihr Gelegenheit gegeben, nach dem Mörder ihrer Mutter zu suchen.
Adele öffnete die Badezimmertür am Ende des Flurs und betrachtete sich im Spiegel. Es war ein kleines, beengtes Badezimmer. Die Dusche reichte aus, da Adele seit fast sechs Jahren kein Bad genommen hatte. Duschen war viel effizienter. Der Sergeant - ihr Vater - hatte wahrscheinlich sein ganzes Leben lang kein einziges Mal gebadet.
Sie seufzte erneut, als sie sich auszog, in die Dusche stieg und das heiße Wasser aufdrehte, aber der Sprühstrahl war immer noch nur lauwarm. Ein weiterer kleiner Makel der neuen Wohnung. Der Wasserdruck war auch nicht großartig, aber es musste reichen.
Als Adele unter dem lauwarmen Nieselregen stand, schloss sie ihre Augen und ließ ihre Gedanken schweifen, vorbei an den Ereignissen des Tages, den letzten paar Monaten in den USA.
Worte tanzten ihr durch den Kopf.
„Ehrlich gesagt, es ist komisch, dass du Paris verlassen hast, weißt du das? Besonders wenn man bedenkt, wo du gearbeitet hast.”
Sie seufzte, als das Wasser ihr Haar durchtränkte und begann, in langsamen, ungleichmäßigen Strömen über ihre Nase und Wangen zu tropfen, passend zu den unkoordinierten Strahlen aus dem Duschkopf. Dennoch hielt sie ihre Augen geschlossen und grübelte immer noch über diese Worte nach. Sie hallten in ihrem Kopf wider - manchmal sogar, wenn sie schlief.
Das hatte der Mörder gesagt.
Zurück in Frankreich. Ein Mann, der seine Opfer aufgeschlitzt und dabei zugesehen hatte, wie sie hilflos und allein verbluteten. Sie und John hatten den Serienmörder gefasst, aber nicht, bevor er ihren Vater fast ermordet hatte. Er hatte auch Adele fast getötet.
Der Bastard hatte den Mörder ihrer Mutter angebetet. Ein weiterer Mörder – es gab so viele von ihnen.
Adeles runzelte die Stirn unter dem Wasserstrom, als sie ihre Hände zu Fäusten ballte und ihre Knöchel gegen den kalten, glatten weißen Kunststoff hämmerte, der vorgab, Porzellan zu sein.
John hatte den Serienmörder getötet, bevor dieser Adele töten konnte, aber das hatte nur noch mehr offene Fragen zurückgelassen. Ein Teil von ihr wünschte sich, er wäre am Leben geblieben.
Warum war es komisch, dass sie Paris verlassen hatte? Dieser Satz verfolgte sie jetzt immer und immer wieder. Er ging ihr ständig durch den Kopf. Komisch, dass Sie Paris verlassen haben ... vor allem, wenn man bedenkt, wo Sie gearbeitet haben ... Fast so, als wollte er sie necken. Sie hatten über den Mörder ihrer Mutter gesprochen.
Paris. Sie war jetzt fast sicher. Der Mörder ihrer Mutter hatte in Paris gelebt. Vielleicht tat er das immer noch. Wie alt wäre er heute, fünfzig? Adele schüttelte den Kopf und die Wassertropfen ihres nassen Haares perlten von der Wand ab und verteilten sich dann auf dem glatten Boden.
Sie knirschte mit den Zähnen, als nur noch mehr lauwarmes Wasser in ungleichmäßigen Schüben aus den Düsen drang.
Frustriert drehte sie den Knopf ganz nach rechts, aber das Wasser wurde nicht warm. Adele blinzelte. Sie starrte verärgert auf den Duschknauf, dessen Pfeil eindeutig auf die heißeste Stufe der Dusche deutete.
„Na gut, dann eben nicht“, murmelte sie.
Sie griff nach dem Knauf und drehte ihn in die andere Richtung. Kleine Routinen verfestigten sich mit der Zeit. Das kalte Wasser begann, über ihren Kopf zu fließen, und bereitete ihr an den Armen eine Gänsehaut. Adeles Zähne begannen innerhalb weniger Augenblicke zu klappern und der Schmerz in ihrer Taille verklang zu einem tauben Frösteln, während das Wasser immer kälter wurde.
Trotzdem blieb sie in der Dusche.
Der Mörder hatte sie verspottet. Als ob er etwas gewusst hatte. Etwas, das ihr entgangen war. Etwas, das die Behörden übersehen hatten. Was war relevant an ihrem Arbeitsplatz? Dieser Teil beunruhigte sie am meisten. Es war fast so, als ob ... Sie schüttelte wieder den Kopf und schob den Gedanken zurück.
Aber ... was, wenn es stimmte?
Was wäre, wenn der Mörder ihrer Mutter irgendwie mit der DGSI in Verbindung stand? Vielleicht nicht mit der Behörde selbst, sondern mit dem Gebäude. Vielleicht gab es eine Gemeinsamkeit. Wie sonst würden seine Worten einen Sinn ergeben?
Besonders wenn man bedenkt, wo Sie gearbeitet haben ...
Der Mann, den John erschossen hatte, hatte etwas über den Mörder ihrer Mutter gewusst. Aber er hatte es mit ins Grab genommen. Und der Spade-Killer, der Mann, den er verehrt hatte, der Mann, der ihre Mutter getötet hatte, war immer noch da draußen.
Das kalte Wasser tropfte weiter den schrägen Winkel ihrer Schultern hinunter und sie machte kleine, schnelle Atemzüge gegen die Empfindung, weigerte sich aber immer noch, sich zu bewegen.Nächstes Mal würde sie dahinterkommen. Sie war gebeten worden, sich bei Bedarf einer Task Force Interpol anzuschließen. Aber Adele wollte unbedingt nach Europa zurückkehren. Sie mochte Kalifornien und sie arbeitete gern mit dem FBI zusammen, insbesondere mit ihrem Freund Agent Grant als Vorgesetzten. Aber ihr Wunsch, den Mord an ihrer Mutter aufzuklären, erforderte ein gewisses Maß an Nähe.
Als Adele schließlich einen Unterarm gegen die Glastür drückte und dabei keuchte, schaltete sie das Wasser ab.
Gnädigerweise stoppte das eiskalte Wasser sofort. Sie stand für einen Moment zitternd an der geöffneten Glas- und Plastiktrennwand, während das Wasser leise abtropfte.
Wer auch immer das Badezimmer entworfen hatte, hatte den Handtuchhalter auf der Rückseite der Tür auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes angebracht. Sie brauchte ein paar Schritte, um dorthin zu gelangen, und obwohl sie einen Badvorleger auf dem Boden hatte, um Wasser aufzufangen, zog sie es vor, in der Dusche zu warten, um sich etwas abtropfen zu lassen, bevor sie hinausging.
Und so wartete sie, nachdenkend und zitternd. Sie erinnerte sich an eine andere Situation, in der sie nass gewesen war und gezittert hatte …
Sie errötete. Sie dachte an das Schwimmen in Roberts Pool - John war für einen Abend zu ihr gekommen ...
Er war unerträglich. Er war unhöflich, unausstehlich, nervig, unprofessionell.
Aber auch gutaussehend, sagte ein kleiner Teil von ihr. Zuverlässig. Gefährlich.
Sie schüttelte den Kopf und verließ die Dusche, was dazu führte, dass die Glas- und Metalltür quietschte und gegen die gelbe Wand prallte; einige Farbsplitter fielen von der Decke. Adele seufzte und blickte nach oben. Unter der Beschichtung hatten sich bereits Schimmel gebildet. Der Vormieter hatte ihn übermalt, was nur dazu geführt hatte, das Problem zu verschleiern.
Vielleicht sollte sie John eine Nachricht schreiben.
Nein, das wäre zu vertraut. Dann eine E-Mail? Zu unpersönlich. Ein Anruf?
Adele zögerte einen Moment lang und griff nach ihrem Handtuch, zog es von der Halterung und trocknete sich die Haare ab. Ein Anruf wäre schön. Sie berührte den Kratzer auf ihrer Taille und zuckte sofort wieder vor Schmerz zusammen.
Einige Wunden heilten langsam. Aber manchmal war es am besten, eine Wunde gänzlich zu vermeiden. Vielleicht wäre es besser, John überhaupt nicht anzurufen.
Sie war wahnsinnig erschöpft, als sie durch die Wohnung zum Schlafzimmer ging. Ihre Augen begannen bereits, zuzufallen. Die Überstunden, in denen Papierkram ausgefüllt und die Schießerei gerechtfertigt werden musste, hatten ihren Tribut gefordert.
Es war ein schrecklicher Gedanke, aber Adele begann, sich einen Fall in Europa zu wünschen.
Vielleicht etwas, bei dem niemand allzu sehr verletzt worden war. Nur etwas, um sie aus Kalifornien herauszuholen. Aus der kleinen, beengten Wohnung. Es war zu ruhig. Manche Menschen mochten die Geräusche anderer Menschen, die sich bewegten und ihr Leben genossen. Das hinderte sie daran, sich einsam zu fühlen.
Adele seufzte wieder, als sie ihr Zimmer betrat und ihre Schlafsachen anzog. Sie verband ihren Kratzer erneut und versuchte, jeden weiteren Gedanken der Feindseligkeit gegenüber ihrem neuen jungen Partner zu verdrängen. Sie schlüpfte ins Bett und lag dort einige Minuten lang wach.
In der Vergangenheit hatten sie und Angus oft den Fernseher laufen lassen, während sie einschlief. Manchmal las er ein Buch und las es Zeile für Zeile laut vor, damit auch sie es genießen konnte. Ein anderes Mal kuschelten und unterhielten sie sich einfach ein paar Stunden lang, bevor sie in den Tiefschlaf glitt.
Jetzt aber lag sie in ihrem Bett. Kein Fernseher. Keine Bücher. Nur Stille.
Melissa Robinson ging die Treppe zu ihrer Wohnung hinauf und summte leise vor sich hin. In der Ferne hörte sie die Kirchenglocken aus der Stadt. Sie hielt inne und lauschte. Ihr Lächeln wurde breiter. Sie lebte nun seit sieben Jahren in Paris, doch die Geräusche der Stadt bereiteten ihr auch nach dieser langen Zeit immer noch eine Gänsehaut.
Schnell stieg sie den nächsten Treppenabsatz hinauf. Es gab keine Fahrstühle in diesem Haus. Die Gebäude waren zu alt. Aber es ist Kultur, dachte sie sich.
Sie lächelte wieder und nahm eine Treppenstufe nach der anderen. Sie war nicht in Eile. Mit dem Neuankömmling, den sie treffen wollte, hatte sie vierzehn Uhr vereinbart. Jetzt war es 13:58 Uhr. Melissa hielt oben auf dem Treppenabsatz inne und blickte aus dem großen Fenster in die dahinterliegende Stadt. Sie war zwar nicht in Paris aufgewachsen, aber der Ort war wunderschön. Sie beobachtete die alten, vergilbten Gemäuer der Gebäude, die älter waren als manche Länder. Sie bemerkte die Muster der sich kreuzenden Straßen, das sich durch den gesamten Stadtkern zogen, in denen sich zahlreiche Wohnungen und Cafés befanden.
Mit einem weiteren zufriedenen Seufzer erreichte Melissa die Tür im dritten Stock, streckte höflich die Hand aus und klopfte. Einige Augenblicke vergingen.
Keine Antwort.
Sie lächelte, hörte immer noch den Glocken zu und blickte dann wieder aus dem Fenster. Sie konnte gerade noch sehen, wie der niedrige Kirchturm von Sainte-Chapelle am Horizont verschwand.
„Amanda“, rief sie mit ihrer angenehmen Stimme.
