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"Wenn man glaubt, das Leben könnte nicht besser werden, schafft Blake Pierce ein weiteres Thriller Meisterwerk voller Mysterien! Dieses Buch ist voller Wendungen und das Ende bringt eine überraschende Enthüllung, die man nie erwartet hätte. Ich empfehle jedem Leser, der Freude an einem sehr gut geschriebenen Thriller hat, dringend sich dieses Buch zuzulegen. " --Bücher und Filmkritiken, Roberto Mattos NICHTS ALS STERBEN ist Buch Nr. 1 in einer neuen FBI-Thriller-Serie von USA Today Bestsellerautor Blake Pierce, dessen Bestseller Nr. 1 VERSCHWUNDEN (Buch Nr. 1) (ein kostenloser Download) über 1.000 Fünf-Sterne-Kritiken erhalten hat. Die FBI-Spezialagentin Adele Sharp ist eine deutsch-französische, aber in den USA aufgewachsene, Amerikanerin mit dreifacher Staatsbürgerschaft - und ein unschätzbarer Gewinn, wenn es darum geht, Kriminelle beim Überqueren der amerikanischen und europäischen Grenzen vor Gericht zu bringen. Als ein Serienmörder-Fall, der sich über drei US-Bundesstaaten erstreckt, kalt wird, kehrt Adele nach San Francisco zu dem Mann zurück, den sie zu heiraten hofft. Doch nach einer schockierenden Wendung taucht eine neue Spur auf und Adele wird nach Paris geschickt, um die Leitung einer internationalen Verbrecherjagd zu übernehmen. Adele kehrt in das Europa ihrer Kindheit zurück, wo die vertrauten Pariser Straßen, alte Freunde aus der DGSI und ihr entfremdeter Vater ihre schlummernde Besessenheit von der Aufklärung des Mordes an ihrer eigenen Mutter wieder entfachen. Sie muss sie den teuflischen Mörder jagen, muss in die dunklen Ecken seines psychotischen Geistes eindringen, um zu erfahren, wo er als Nächstes zuschlagen wird - und das nächste Opfer retten, bevor es zu spät ist. Eine actiongeladene Mysteryreihe voller internationaler Intrigen und fesselnder Spannung. Mit NICHTS ALS STERBEN werden Sie bis spät in die Nacht blättern. Die Bücher Nr. 2 und Nr. 3 der Reihe – NICHTS ALS RENNEN und NICHTS ALS VERSTECKEN – können bereits jetzt vorbestellt werden!
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2020
NICHTS
ALS
STERBEN
(Ein Adele Sharp Mystery – Buch 1)
B L A K E P I E R C E
Blake Pierce
Blake Pierce ist der USA Today Bestseller-Autor der RILEY PAGE Mystery-Serie, die sechzehn Bücher (und es werden noch mehr) umfasst. Blake Pierce ist auch der Autor der Mystery-Serie MACKENZIE WHITE, die dreizehn Bücher umfasst (Tendenz steigend); der Mystery-Serie AVERY BLACK, die sechs Bücher umfasst; der Mystery-Serie KERI LOCKE, die fünf Bücher umfasst; der Mystery-Serie MAKING OF RILEY PAIGE, die fünf Bücher umfasst (Tendenz steigend); der Mystery-Serie KATE WISE, die sechs Bücher umfasst (Tendenz steigend); der psychologischen Krimireihe CHLOE FINE, die fünf Bücher umfasst (Tendenz steigend); der psychologischen Krimireihe JESSE HUNT, die fünf Bücher umfasst (Tendenz steigend); der psychologischen Krimireihe AU PAIR, die zwei Bücher umfasst (Tendenz steigend); der Krimireihe ZOE PRIME, die zwei Bücher umfasst (Tendenz steigend); und der neuen Krimireihe ADELE SHARP.
Als begeisterter Leser und lebenslanger Fan der Mystery- und Thriller-Genres liebt es Blake, von Ihnen zu hören. Besuchen Sie www.blakepierceauthor.com, um mehr zu erfahren und in Kontakt zu bleiben.
Urheberrecht © 2020 von Blake Pierce. Alle Rechte vorbehalten. Mit Ausnahme der Bestimmungen des U.S. Copyright Act von 1976 darf kein Teil dieser Publikation ohne vorherige Genehmigung des Autors in irgendeiner Form oder mit irgendwelchen Mitteln vervielfältigt, verbreitet oder übertragen oder in einer Datenbank oder einem Datenabfragesystem gespeichert werden. Dieses eBook ist nur für Ihren persönlichen Gebrauch lizenziert. Dieses eBook darf nicht weiterverkauft oder an andere Personen verschenkt werden. Wenn Sie dieses Buch an eine andere Person weitergeben möchten, erwerben Sie bitte für jeden Empfänger ein zusätzliches Exemplar. Wenn Sie dieses Buch lesen und es nicht gekauft haben oder es nicht nur für Ihren Gebrauch gekauft wurde, dann geben Sie es bitte zurück und kaufen Sie Ihr eigenes Exemplar. Danke, dass Sie die harte Arbeit dieses Autors respektieren. Dies ist ein Werk der Belletristik. Namen, Charaktere, Unternehmen, Organisationen, Orte, Ereignisse und Vorfälle sind entweder das Produkt der Fantasie des Autors oder werden fiktiv verwendet. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Personen, ob lebendig oder tot, ist völlig zufällig. Jackenbild Copyright Zadiraka Evgenii
BÜCHER VON BLAKE PIERCE
ADELE SHARP MYSTERY-SERIE
NICHTS ALS STERBEN (Buch #1)
NICHTS ALS RENNEN (Buch #2)
NICHTS ALS VERSTECKEN (Buch #3)
DAS AU-PAIR
SO GUT WIE VORÜBER (Band #1)
SO GUT WIE VERLOREN (Band #2)
SO GUT WIE TOT (Band #3)
ZOE PRIME KRIMIREIHE
GESICHT DES TODES (Band #1)
GESICHT DES MORDES (Band #2)
GESICHT DER ANGST (Band #3)
JESSIE HUNT PSYCHOTHRILLER-SERIE
DIE PERFEKTE FRAU (Band #1)
DER PERFEKTE BLOCK (Band #2)
DAS PERFEKTE HAUS (Band #3)
DAS PERFEKTE LÄCHELN (Band #4)
DIE PERFEKTE LÜGE (Band #5)
DER PERFEKTE LOOK (Band #6)
CHLOE FINE PSYCHOTHRILLER-SERIE
NEBENAN (Band #1)
DIE LÜGE EINES NACHBARN (Band #2)
SACKGASSE (Band #3)
STUMMER NACHBAR (Band #4)
HEIMKEHR (Band #5)
GETÖNTE FENSTER (Band #6)
KATE WISE MYSTERY-SERIE
WENN SIE WÜSSTE (Band #1)
WENN SIE SÄHE (Band #2)
WENN SIE RENNEN WÜRDE (Band #3)
WENN SIE SICH VERSTECKEN WÜRDE (Band #4)
WENN SIE FLIEHEN WÜRDE (Band #5)
WENN SIE FÜRCHTETE (Band #6)
DAS MAKING OF RILEY PAIGE MYSTERY-SERIE
BEOBACHTET (Band #1)
WARTET (Band #2)
LOCKT (Band #3)
NIMMT (Band #4)
LAUERT (Band #5)
TÖTET (Band #6)
RILEY PAIGE MYSTERY-SERIE
VERSCHWUNDEN (Band #1)
GEFESSELT (Band #2)
ERSEHNT (Band #3)
GEKÖDERT (Band #4)
GEJAGT (Band #5)
VERZEHRT (Band #6)
VERLASSEN (Band #7)
ERKALTET (Band #8)
VERFOLGT (Band #9)
VERLOREN (Band #10)
BEGRABEN (Band #11)
ÜBERFAHREN (Band #12)
GEFANGEN (Band #13)
RUHEND (Band #14)
GEMIEDEN (Band #15)
VERMISST (Band #16)
EINE RILEY PAIGE KURZGESCHICHTE
EINST GELÖST
MACKENZIE WHITE MYSTERY-SERIE
BEVOR ER TÖTET (Band #1)
BEVOR ER SIEHT (Band #2)
BEVOR ER BEGEHRT (Band #3)
BEVOR ER NIMMT (Band #4)
BEVOR ER BRAUCHT (Band #5)
EHE ER FÜHLT (Band #6)
EHE ER SÜNDIGT (Band #7)
BEVOR ER JAGT (Band #8)
VORHER PLÜNDERT ER (Band #9)
VORHER SEHNT ER SICH (Band #10)
VORHER VERFÄLLT ER (Band #11)
VORHER NEIDET ER (Band #12)
VORHER STELLT ER IHNEN NACH (Band #13)
AVERY BLACK MYSTERY-SERIE
DAS MOTIV (Band #1)
LAUF (Band #2)
VERBORGEN (Band #3)
GRÜNDE DER ANGST (Band #4)
RETTE MICH (Band #5)
ANGST (Band #6)
KERI LOCKE MYSTERY-SERIE
EINE SPUR VON TOD (Band #1)
EINE SPUR VON MORD (Band #2)
INHALT
KAPITEL EINS
KAPITEL ZWEI
KAPITEL DREI
KAPITEL VIER
KAPITEL FÜNF
KAPITEL SECHS
KAPITEL SIEBEN
KAPITEL ACHT
KAPITEL NEUN
KAPITEL ZEHN
KAPITEL ELF
KAPITEL ZWÖLF
KAPITEL DREIZEHN
KAPITEL VIERZEHN
KAPITEL FÜNFZEHN
KAPITEL SECHZEHN
KAPITEL SIEBZEHN
KAPITEL ACHTZEHN
KAPITEL NEUNZEHN
KAPITEL ZWANZIG
KAPITEL EINUNDZWANZIG
KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG
KAPITEL DREIUNDZWANZIG
KAPITEL VIERUNDZWANZIG
KAPITEL FÜNFUNDZWANZIG
KAPITEL SECHSUNDZWANZIG
KAPITEL SIEBENUNDZWANZIG
KAPITEL ACHTUNDZWANZIG
KAPITEL NEUNUNDZWANZIG
KAPITEL DREIßIG
KAPITEL EINUNDDREIßIG
KAPITEL ZWEIUNDDREIßIG
Neunundzwanzig, achtundzwanzig, siebenundzwanzig ...
Die Zahlen kreisten nur so durch Adeles Kopf, wie Sandkörner, die durch eine Sanduhr rieseln. Sie rutschte auf dem Sitz umher und versuchte das Nackenkissen, das sie auf dem Flughafen von Central Wisconsin gekauft hatte, irgendwie in eine bequeme Position zu bekommen. Sie drückte ihre Stirn gegen die kalte Scheibe der Boeing 737 und ihr Blick folgte den vor ihr befindlichen Flügelstabilisatoren und wanderte dann über die Wolkenfelder, die über den ansonsten blauen Himmel verteilt waren. Wie oft hatte sie so aus dem Flugzeugfenster gestarrt? Zu viele Male, um sie zu zählen.
Sechsundzwanzig, fünfundzwanzig ...
Warum hatte sie bei fünfundzwanzig aufgehört?
Adele schloss wieder die Augen und versuchte, die Gedanken aus ihrem Kopf herauszudrücken wie Eiter aus einer Wunde. Sie brauchte ihren Schlaf. Angus würde zu Hause auf sie warten; sie konnte unmöglich mit Augenringen und völlig erschöpft bei ihm aufzutauchen, vor allem nicht bei dem, was sie für heute Abend geplant hatten.
Der Gedanke an ihren Freund ließ sie einige ihrer Sorgen vergessen und zauberte ein kleines Lächeln auf ihre Lippen. Sie blickte mit halb verquollenen Augen auf ihre linke Hand hinunter. Adele hatte nicht viel für Schmuck übrig, aber ihre Finger schienen ihr dennoch zu nackt zu sein. Mit zweiunddreißig Jahren hatte ein kleiner, verborgener Teil in ihr gehofft, dass zumindest ihr Ringfinger inzwischen besetzt sein würde.
Bald. Konnte man Jessicas Nachrichten Glauben schenken und die kryptische Botschaft von Angus' letztem Anruf richtig interpretieren - dann wäre ihre Hand bald nicht mehr so leer.
Sie lächelte wieder.
Warum hatte sie bei fünfundzwanzig aufgehört?
Ihr Lächeln fror ein, als sich ihre Gedanken wieder einschalteten. Sie hätte fast nach der Aktentasche gegriffen, die sie unter ihrem Sitz verstaut hatte, atmete dann aber tief durch ihre Nase aus und ihre Nasenlöcher weiteten sich, als sie versuchte, sich zu beruhigen. Sie brauchte jetzt Schlaf. Der Fall konnte warten.
Aber konnte er das wirklich? Er hatte bei fünfundzwanzig aufgehört. Man nannte ihn den Benjamin-Killer, nach der Geschichte von Benjamin Button - ein krasser, unbeholfener Spitzname für einen bösartigen Mörder. Er tötete seine Opfer aufgrund ihres Alters. Das Geschlecht, das Aussehen und die ethnische Herkunft waren ihm gleichgültig. Er hatte mit diesem neunundzwanzigjährigen Mann angefangen - einem Mittelschullehrer, der nur wenige Jahre jünger gewesen war als Adele. Das nächste Opfer war eine Frau mit blonden Haaren und grünen Augen gewesen, genau wie Adele. Es war ihr nahe gegangen, als sie die Fotos der Frau zum ersten Mal gesehen hatte.
Sie arbeitete nun schonfast sechs Jahre lang mit dem FBI zusammen und sie hatte geglaubt, dass sie gut in ihrem Job sei. Bis jetzt. Der Benjamin-Killer verspottete sie. In den letzten drei Wochen hatte Adele die Wohnsitze der Opfer besucht um nach einer Spur zu suchen, nach allem, was ihr einen Hinweis auf diesen Mistkerl geben könnte.. Alle zwei Wochen wurde eine weitere Leiche aufgefunden, aber sie war immer noch weit davon entfernt, einen Verdächtigen ausfindig zu machen.
Dann, letzten Monat, hörte das Muster auf. Die Morde hatten aufgehört. Adeles wochenlange Arbeit, die sie von Wisconsin nach Ohio und Indiana führte, um ein Muster zu erstellen, hatte nichts ergeben. Es war eine Sackgasse.
Drei Wochen waren an die kranken Gedanken eines Psychopathen verschwendet worden. Manchmal fragte sich Adele, warum sie überhaupt zum FBI gegangen war.
Das FBI hatte sich direkt nach dem Studium an sie gewandt, aber sie hatte ihre Optionen erwägen wollen. Natürlich war das, angesichts ihrer drei Staatsbürgerschaften - Deutsch, Französisch und US-amerikanisch - fast unvermeidlich gewesen, vermutete sie. Ihr Pflichtgefühl, ihre Loyalität gegenüber dem Gesetz, war von ihrem Vater nur noch weiter angefacht worden. Es war ihm nie gelungen, im Laufe seiner langen und ehrwürdigen Karriere über den Rang eines Feldwebels in der Unteroffizierslaufbahn hinauszukommen, aber er war ein Beispiel für all das, was Adele an den Mitarbeitern im Dienst bewunderte. Ihr Vater war ein Romantiker. Er war in Bamberg, Deutschland, stationiert gewesen und hatte ihre französische Mutter geheiratet, die Adele auf einer Reise in die USA zur Welt gebracht hatte. Eine Tochter mit dreifacher Staatsbürgerschaft, für die der Gedanke, in nur einem Land zu leben, einen schweren Fall von Lagerkoller auslöste.
Einige Leute nannten es Fernweh. Aber „Fernweh“ implizierte keine Richtung. Adele hatte immer eine Richtung; sie war nur nicht immer offensichtlich für diejenigen, die von außen hineinschauten.
Sie griff nach oben und strich sich ihr blondes Haar aus den Augen. In der Spiegelung des Glasfensters sah sie jemanden, der sie über ihre Schulter anstarrte.
Der Anwalt, der auf 33F saß. Er hatte ihr nachgeschaut, seit sie ins Flugzeug gestiegen war.
Sie drehte sich langsam um, wie eine Katze, die sich nach einem Sonnenstrahl ausstreckte, und spähte über den ausladenden Bauch des neben ihr schlafenden Mannes mittleren Alters hinüber, dessen Schnarchen ein leichtes Abstauben des Ambientes der Kabine bewirkte.
Sie zwinkerte dem Anwalt kurz zu. Er sah nicht schlecht aus, aber er hatte gut zwanzig Jahre mehr auf dem Buckel und die Augen eines Raubtiers. Nicht alle Psychopathen begingen mitten in der Nacht Gräueltaten. Einige von ihnen führten ein einfaches Leben, geschützt durch ihren Beruf und ihr Prestige.
Und doch hatte Adele eine Nase für sie, wie ein Bluthund mit einer Fährte.
Der Anwalt zwinkerte zurück, schaute aber nicht weg. Sein Blick verweilte einen Moment auf ihrem Gesicht, dann glitt er ihr Kostüm herunter und wanderte über ihre langen Beine. Adeles französisch-amerikanischen Gene hatten ihre Vorteile, wenn es um die Art von Attraktivität ging, die Männer oft als „exotisch“ bezeichneten. Aber es gab auch Nachteile.
In diesem Fall eine fünfzigjährige Kehrseite in einem billigen Anzug und noch billigerem Kölnischwasser. Sie hätte schon allein aufgrund seiner Aktentasche vermutet, dass er Anwalt war, auch wenn er seine Visitenkarte nicht „aus Versehen“ hätte fallen lassen, als er sie an ihm vorbei auf ihren Sitz gleiten sah.
„Wollen Sie meine Nüsse?“, sagte er und lächelte sie mit Krokodilzähnen an. Er winkte mit einer kleinen blauen Tüte Mandeln in ihre Richtung.
Sie starrte ihm kühl in die Augen. „Wir sind seit einer Stunde in der Luft und das ist der Anmachspruch, für den Sie sich entschieden haben?“
Der Mann lächelte. „Ist das ein Ja?“
„Ich fühle mich geschmeichelt“, sagte Adele, obwohl ihr Ton etwas anderes vermuten ließ. „Aber ich bin kurz davor mich zu verloben, vielen Dank.“
Der Anwalt zuckte mit den Lippen, eine so unverbindliche Geste, wie sie wahrscheinlich noch nie in einem Gerichtssaal zu sehen war. „Ich sehe keinen Ring.“
„Heute Abend“, sagte sie. „Nicht, dass Sie das etwas angehen würde.“
„Sie haben noch Zeit. Wollen Sie sie haben?“ Er bot ihr seine Mandeln wieder an.
Adele schüttelte den Kopf. „Ich mag diese Sorte nicht. Zu salzig, zu klein und zu alt - an Ihrer Stelle würde ich das Verfallsdatum überprüfen.“
Das Grinsen des Mannes wirkte eher gezwungen. „Kein Grund unhöflich zu werden“, murmelte er kaum hörbar. „Miststück“, fügte er im Nachhinein hinzu.
„Vielleicht.“ Adele wandte sich von dem Mann ab, rollte ihre Schultern so zurück, dass ihre Anzugsjacke aufging und der Mann die 9mm Glock 17, die an ihrer Hüfte befestigt war, perfekt sehen konnte.
Sofort wurde der Mann blass, seine Augen quollen aus seinem Kopf hervor. Er begann zu würgen, während er versuchte, eine Mandel auszuhusten, die sich in seiner Kehle festgesetzt hatte.
Der Beitritt zum FBI war mit seinen Vorteilen verbunden. Adele drehte sich um, drückte ihre Stirn noch einmal gegen das Fenster und versuchte erneut, etwas Schlaf zu finden.
***
Ihr Uber-Fahrer fuhr vor den kleinen Wohnkomplex und hielt quietschend auf dem Bordstein gegenüber einer großen Reihe von Briefkästen an. Auf dem grauen Bürgersteig leuchteten Straßenlampen, die im Dunkeln den Beton und Asphalt beleuchteten. Adele holte ihren Koffer und ihre Aktentasche von der Rückbank. Die Arme waren ihr schwer vom Reisetag.
Drei Wochen, seit sie Angus das letzte Mal gesehen hatte. Drei Wochen waren eine lange Zeit. Sie atmete sanft aus und neigte den Kopf nach hinten, so dass ihr Kinn praktisch zum Nachthimmel zeigte. Sie rollte ihre Schultern zurück und streckte sich. Auf dem Flug hatte sie es geschafft, ein wenig zu schlafen, aber es war in einer eher seltsamen Position gewesen und sie konnte immer noch das Kribbeln in ihrem Nacken spüren.
Das Auto schälte sich mit einem weiteren Quietschen und einem Kreischen vom Bordstein ab, als der Fahrer, auf der Suche nach seinem nächsten Fahrgast, wieder losfuhr. Adele beobachtete das Fahrzeug und drehte sich dann um, wobei sie unter den geschmackvoll platzierten Palmen entlanglief, die der Vermieter im Vorjahr gepflanzt hatte. Sie blickte auf das orangefarbene Leuchten im zweiten Fenster von rechts.
Angus wartete immer noch auf sie. Es war erst neun Uhr abends, aber Angus war Programmierer für ein paar Start-ups in der Stadt und hatte oft ungewöhnliche Arbeitszeiten. San Francisco: der Dreh- und Angelpunkt des Goldrauschs der Technik – oder des Silicon-Rausch, wie einige es nannten.
Adele hatte nie damit gerechnet, wohlhabend zu werden, aber mit den Aktien, die Angus von seiner letzten Firma erhalten hatte, sollten sich die Dinge nun ändern. Und seinen Worten des letzten Telefonat nach zu urteilen, hatte Adele das Gefühl, dass sich die Dinge sehr bald ändern würden.
„Ich muss mit dir über etwas reden“, hatte er gesagt. „Es ist wichtig.“
Und dann hatte ihre Freundin Jennifer, eine alte Mitbewohnerin vom College, Angus vor Preeve & Co. in der Post Street entdeckt. Wenn jemand die Juweliere in dieser Stadt kannte, dann war es Jennifer.
Adele näherte sich der Wohnung und drückte die Klingel. Würde er die Frage heute Abend stellen? Natürlich würde sie ja sagen. So sehr sie das Reisen liebte - so sehr sie auch das Entdecken und das Abenteuer im Blut hatte - so sehr hatte sie sich doch immer gewünscht, jemanden zu finden, mit dem sie reisen konnte. Angus war perfekt. Er war nett, lustig, reich und noch dazu gutaussehend. Er erfüllte alle Kriterien, die Adele sich vorstellen konnte. Sie hatte eine No-Go-Regel über Verabredungen mit Kollegen - das hatte in der Vergangenheit nie gut funktioniert.
Nein, die Verabredung mit einem Zivilisten war viel mehr ihr Stil.
Als Adele mit dem Aufzug in den zweiten Stock fuhr, konnte sie das Lächeln, das sich auf ihrem Gesicht ausbreitete, nicht kontrollieren. Diesmal war es nicht der einseitige, schiefe Blick der Resignation, den sie im Flugzeug hatte, als sie versucht hatte, einzuschlafen. Vielmehr konnte sie fühlen, wie sich ihre Wangen von der Anstrengung, ihr Grinsen zu kontrollieren, verkrampften.
Es war gut, wieder zu Hause zu sein. Sie kam auf dem Weg zu ihrer Wohnung an den Wohnungen dreiundzwanzig und fünfundzwanzig vorbei. Für einen Moment schwankte ihr Lächeln. Sie blickte zurück auf die goldenen Zahlen, die in die Metalltüren der Wohnungen gestanzt waren. Ihr Blick wanderte von einer Ziffer zur nächsten, ihre Stirn runzelte sich über ihre müden Augen.
Sie schüttelte den Kopf, legte ihre beunruhigenden Gedanken beiseite, kehrte ihnen den Rücken zu und ging zielstrebig zur Wohnung siebenundzwanzig. Zuhause.
Leise klopfte sie an die Tür und wartete. Sie hatte ihren eigenen Schlüssel, aber sie war zu müde, um ihn aus ihrem Koffer zu fischen.
Würde er ihr die Frage gleich an der Tür stellen? Würde er ihr etwas Zeit geben, um sich zu beruhigen?
Sie griff halb nach ihrem Telefon und fragte sich, ob sie den Sergeant anrufen sollte, bevor sie zu Bett ging. Ihr Vater würde lange genug aufbleiben, um die Wiederholung von 8 out of 10 Cats, seiner britischen Lieblingsspielshow, zu sehen, so dass noch Zeit war, ihn anzurufen und ihm die gute Nachricht zu überbringen.
Aber vielleicht war sie auch ein bisschen voreilig.
Nur weil Angus vor einem Juweliergeschäft gesichtet worden war, hieß das noch lange nicht, dass er den Ring bereits gekauft hatte. Vielleicht hatte er noch gesucht.
Adele versuchte, ihre Aufregung unter Kontrolle zu bringen, indem sie sich mit einer kleinen Atemübung beruhigte.
Dann ging die Tür auf.
Angus starrte sie an und blinzelte eulenhaft hinter seiner dünn gerahmten Brille hervor. Er hatte einen dicken Kiefer, wie ein Footballspieler, aber das lockige Haar einer Amorstatue. Angus war einige Zentimeter größer als sie, was angesichts Adeles eigener Größe von einem Meter siebenundsiebzig beeindruckend war.
Sie trat über die Schwelle, stolperte fast über etwas in der Tür, streckte dann aber die Arme aus und umarmte Angus. Sie beugte sich vor, küsste ihn sanft, schloss für einen Moment die Augen und atmete den vertrauten Duft von Zitrusfrüchten und Kräuter-Moschus ein.
Er zog sich zurück, ganz leicht. Adele runzelte die Stirn und versteifte sich. Sie öffnete die Augen und schaute zu Angus auf.
„Äh, hey, Addie“, sagte er und nannte sie bei dem Spitznamen, den er benutzt hatte, als sie anfingen, sich zu verabreden. „Willkommen zurück.“ Er kratzte sich nervös an seinem Kinn und Adele bemerkte, dass er etwas über die Schulter geschnallt hatte.
Einen Seesack.
Sie machte einen zögerlichen, unbeholfenen Schritt zurück und stolperte erneut fast über den Gegenstand in der Tür. Sie blickte nach unten. Ein Koffer, nicht ihrer. Ihr Koffer und ihre Aktentasche standen noch im Flur, wo sie sie zurückgelassen hatte.
Sie blickte vom Koffer zu Angus' Seesack und dann zurück zu ihrem Freund.
„Hallo“, sagte sie zögernd. „Ist alles in Ordnung?“
Als sie ihn nun genauer anschaute, erkannte sie, dass Angus' Brille sie von seinen rot umrandeten Augen abgelenkt hatte. Er hatte geweint.
„Angus, geht es dir gut?“
Sie streckte erneut die Hand nach ihm aus, aber dieses Mal wich er der Geste aus. Ihre Arme fielen wie Blei zu den Seiten und sie starrte ihn an, wobei alle Euphorie, die im Aufzug in ihrer Brust aufgestiegen war, wie die Luft aus einem Ballon aus ihr entwichen war.
„Es tut mir leid, Addie“, sagte er leise. „Ich wollte damit warten, es dir persönlich zu sagen.“
„Was genau? ”
Angus Stimme zitterte, als er ihr in die Augen sah. „Gott, ich wünschte, es müsste nicht so sein“, sagte er. „Das wünschte ich wirklich.“
Adele konnte ihre eigenen Tränen schon spüren, aber sie unterdrückte sie. Sie war schon immer gut im Umgang mit ihren Emotionen gewesen. Sie machte eine weitere kleine Atemübung; kleine Gewohnheiten, die sie sich mit der Zeit antrainiert hatte. Sie sah Angus in die Augen und hielt an seinem Blick fest.
Er schaute weg und rieb mit kurzen, nervösen Gesten seine Hände über den Gurt an seinem Seesack.
„Das war’s“, sagte er leise. „Ich werde dich nicht belästigen. Die Wohnung gehört dir. Ich zahle meinen Teil der Miete für das nächste Jahr. Das sollte dir Zeit geben.“
„Zeit für was?“
„Um eine neue Wohnung zu finden, wenn du möchtest. Oder einen anderen Mitbewohner.“ Er verschluckte sich halb an diesem letzten Wort und hustete. Er räusperte sich.
„Ich verstehe nicht... Ich dachte... Ich dachte...“ Auch hier unterdrückte sie den Schwall der in ihr aufkommenden Emotionen. So wie es die Tochter eines Sergeants zu tun wusste. So wie ein ausgebildeter Agent es zu tun wusste. Sie scannte ihn von oben bis unten und entdeckte die silbern schimmernde Rolex an seinem Handgelenk.
Jennifer hatte Recht. Er hatte ein Juweliergeschäft besucht. Die Uhr war etwas, das er sich schon seit einer Weile gewünscht hatte.
„Gott, Addie, komm schon. Mach es mir nicht so schwer. Du wusstest, dass das kommen würde. Du musstest es kommen gesehen haben ...“
Sie starrte ihn einfach an, seine Worte gingen wie ein Windhauch über sie hinweg. Sie schüttelte den Kopf und versuchte, sich die Situation zu erklären. Aber obwohl sie ihn hören konnte, klang es, als würde seine Stimme aus einem tiefen Brunnen widerhallen.
„Ich habe es nicht kommen sehen“, sagte sie einfach.
„Typisch“, sagte Angus mit einem Seufzer. Er schüttelte den Kopf und zeigte auf den Küchentisch. „Mein Schlüssel ist dort. Alle Rechnungen sind bezahlt und die Kontoauszüge sind unter dem Kaffeetablett. Du müsstest Gregory füttern und ihm etwas zum Trinken hinstellen, aber ich habe genug für den Monat eingekauft.“
Adele hatte nicht an die Schildkröte gedacht, die sie zusammen gekauft hatten. Sie hatte nicht viel Zeit gehabt, sich um sie zu kümmern. Zumindest hatte Angus sich um sie gekümmert.
„Was meinst du?“, fragte sie.
„Wegen Gregory? Ich dachte mir, dass du ihn vielleicht haben möchtest. Ich nehme ihn, wenn du ihn nicht willst, aber ich wollte ihn dir nicht wegnehmen, wenn es dich interessiert oder...“
„Du kannst die verdammte Schildkröte haben. Ich meine, warum hast du "typisch" gesagt? Was ist typisch?“
Angus seufzte wieder. „Wir müssen das wirklich nicht tun. Ich weiß nicht, was ich noch sagen soll.“
„Etwas. Du hast nichts gesagt. Ich komme von einer dreiwöchigen Arbeitsreise nach Hause, um meinen Freund nach zwei Jahren Beziehung auf reisefertig gepackten Koffern vorzufinden. Ich habe das Gefühl, ich verdiene eine Erklärung.“
„Ich habe dir eine gegeben! Über das Telefon. Ich sagte, wir müssen reden, wenn du zurückkommst. Nun, hier ist das Gespräch. Ich muss gehen, mein Uber kommt gleich.“
Vage fragte sich Adele mit einem dumpfen Humor, ob derselbe Uber-Fahrer Angus abholen würde.
„Über das Telefon? Du hast von einem Filmabend gesprochen, richtig? Du sagtest etwas über Ausgehen mit deinen Freunden.”
„Ja, Addie und ich habe gesagt, dass ich es satthabe, dich nicht bei mir zu haben. Erinnerst du dich an diesen Teil? Gott, für eine Ermittlerin bist du wirklich schlecht darin, herauszufinden, was direkt unter deiner Nase ist. Du warst zwanzig Tage lang weg, Addie! Das ist das dritte Mal in diesem Jahr. Manchmal fühlt es sich an, als würde ich mit einer Telefonapp ausgehen und dann hat man nur Zeit für einen kurzen zehnminütigen Anruf.“
Adele schüttelte den Kopf. Sie trat zurück, holte ihr eigenes Gepäck aus dem Flur und schleppte es über den Koffer in der Tür. Sie schüttelte den Kopf, während sie das tat und runzelte die Stirn. „Das ist nicht fair.“
„Ist es nicht so?“
„Ich dachte...“ Sie ging wieder und schüttelte immer noch den Kopf. Sie blickte auf ihre linke Hand hinunter und fühlte eine plötzliche Welle der Verlegenheit. Erniedrigung war die einzige Emotion, die sie nie ganz zu unterdrücken gelernt hatte. Sie fühlte, wie sie durch sie hindurchgewirbelt wurde und in ihrem Bauch wie heißer Teer sprudelte. Sie fühlte, wie ihr Temperament in ihr aufstieg und ihr die Zähne zog. Da sie mit drei Pässen, drei Nationalitäten und drei Loyalitäten aufgewachsen war, war Adele gezwungen, alle möglichen Bemerkungen und Sticheleien über ihr Aussehen und ihre Herkunft zu ertragen. Sie hatte eine dicke Haut, bei vielen Themen. Perverse an Bord von Flugzeugen waren einfach genug zu handhaben.
Aber Verwundbarkeit? Intimität? Wenn sie in diesen Bereichen versagte, hinterließ sie immer eine tiefe Grube des Selbsthasses, die durch Erniedrigung und Angst gebildet wurde. Sie spürte, wie es sich jetzt durch sie hindurchkratzte, ihre Ruhe zerriss und ihre Fassade einriss.
„Gut“, sagte sie, ihr Gesicht eiskalt. „Wenn du gehen willst, dann geh‘.”
„Schau, es muss nicht so sein“, sagte Angus und sie konnte den Schmerz in seiner Stimme hören. „Ich kann es einfach nicht, Addie. Ich vermisse dich zu sehr.”
„Du hast eine verdammt gute Art, das zu zeigen. Willst du wissen, was witzig ist? Jesus - ich kann es nicht einmal glauben.“ Sie schnaubte vor Ekel über ihre eigene Dummheit. „Ich dachte, du würdest mich heiraten. Ich dachte, du wolltest mir einen Antrag machen. Ha!“
Angus schüttelte den Kopf in kleinen, gezackten Bewegungen, die sein lockiges Haar verrutschen ließen. „Du bist bereits verheiratet, Adele. Und du bist loyal - ich weiß, dass du das nicht betrügen wirst.“
„Wovon sprichst du?”
„Ich hätte es wissen müssen, als wir anfingen, uns zu verabreden. Die Zeichen waren da. Aber du bist einfach so verdammt hübsch, sexy und klug. Du bist der ehrgeizigste Mensch, den ich kenne. Ich schätze, ich wollte es nicht sehen. Aber du bist mit deinem Job verheiratet. Ich komme an zweiter Stelle. Jedes Mal.”
„Das ist nicht...“
„Stimmt das? Ist das wahr? Sag es, wenn du das glaubst. Sag es mir, wenn du das nächste Mal einen Anruf erhältst, mit dem Auftrag für drei Wochen den Staat zu verlassen, dass du ablehnen wirst. Du wirst darum bitten, hier im Büro zu bleiben. Sag mir, dass du das tun wirst und ich bleibe. Zum Teufel, ich gehe sofort wieder in unser Zimmer und packe aus. Sag mir, dass du nein sagst, wenn sie anrufen.”
Adele starrte ihn an, der Schmerz in seiner Stimme und in seinen Augen stachelte ihren Stolz an und sie atmete wieder tief aus. Sie studierte seine Augen hinter der Brille. Sie hatte nicht bemerkt, wie lang seine Wimpern über seinem dunklen Blick waren. Es tat weh, ihn anzuschauen, also wandte sie ihren Blick ab.
„Weißt du“, sagte er nach einer Schweigeminute. „Das geht nicht. Du kannst nicht versprechen, dass du dich zuerst für mich entscheiden wirst. Ich hoffe, es lohnt sich, Addie. Es ist nur ein Job.”
Er begann, an ihr vorbei in den Flur zu gehen.
Adele drehte sich nicht um, sondern starrte lieber blind durch den kleinen Raum ihrer engen Wohnung.
„Das ist es nicht“, sagte sie, als sie den Rückzug von Angus' Schritten hörte. „Es ist nicht nur ein Job...“ Sie ballte ihre Fäuste an den Seiten. „Das ist es nicht.”
Sie hörte, wie er tief aufseufzte. Sie spürte, wie er sie beobachtete und hielt in der Mitte des Flurs inne. Einen Moment lang hoffte sie halb, er würde sich umdrehen und ihr sagen, dass das alles ein großer Fehler war. Aber nach einem Moment sagte er: „Es ist Essen in der Mikrowelle, Addie. Ich habe dir auch ein paar Reste im Kühlschrank aufgehoben. Du solltest ein paar Tage lang gut versorgt sein.”
Dann klingelten die Fahrstuhltüren, es gab das Geräusch schlurfender Füße und rollender Räder und als Adele sich wieder umdrehte, war Angus verschwunden.
Die Sterne zwinkerten Marion zu wie schüchterne Lichtblitze, die die vierundzwanzigjährige Frau auf ihrem Weg aus dem kleinen Café hinaus in das Herz der Stadt begleiteten. Die vielen Gerüche der Seine wehten durch die Luft und der Duft von Flussmoschus und den Bäckereien, die bis zum Morgen geschlossen hatten, stiegen ihr in die Nase. Das Hupen ungeduldiger Autofahrer ersetzte die üblichen Laute der Glocken, die normalerweise in der ganzen Stadt läuteten. Sie hörte ein leises, summendes Geräusch. Sie musste nur einen Moment lang überlegen, bevor ihr klar wurde, dass es das Geräusch eines Touristenbootes war, das unter dem Gewölbe der Pont d'Arcole entlangfuhr.
Marion atmete leise aus, als sie aus dem Café auf den Bürgersteig trat und alles in sich aufnahm. Dies war ihre Stadt. Sie hatte ihr ganzes Leben hier gelebt und hatte nicht die Absicht, jemals von hier wegzugehen. Man konnte hier alt werden und immer noch nicht alle Abenteuer erlebt haben, die an diesem historischen Ort versteckt waren. Sie nickte einem älteren Ehepaar zu, das vorbeiging, und erkannte sie daran, dass sie ihrer nächtlichen Routine folgten.
„Auf in die Nacht, wie ich sehe?", sagte der alte Mann in einem kratzigen, abgekürzten Französisch, das klang, als wäre er auf dem Land aufgewachsen. Er zwinkerte ihr im Vorbeigehen zu und zuckte dann zusammen, als die ihn begleitende Madame ins Ohr zwickte.
„Wie immer, Monsieur“, rief Marion zurück und er lächelte. „Ich bin unterwegs, um ein paar Freunde zu treffen.”
Sie verabschiedete das Paar mit einem Nicken und einem Sprung im Schritt. Dann schlenderte sie den Bürgersteig hinauf, ging auf den Fluss zu und bog an der Ecke ab. Oft ging sie spät nachts allein spazieren - es hatte sie noch nie gestört. Dieser Teil der Stadt war gut beleuchtet, schließlich gab es Unmengen an Bewegungsmeldern und Verkehrsampeln, die von den vielen Fenstern der Wohnungen und Geschäfte reflektiert wurden.
Sie ging auf den Bürgersteig und bog eine weitere Straße in Richtung des Clubs ab, wo ihre Freunde auf sie warten würden. Sie schlenderte entspannt durch die beleuchteten Straßen, als sie ihr Handy checkte und eine ungeöffnete Nachricht entdeckte.
Bevor sie die Nachricht lesen konnte, hörte Marion jedoch ein Geräusch hinter sich, das sie für einen Moment von ihrem Telefon ablenkte. Sie blickte die beleuchtete Straße hinunter und suchte die Steintreppen und Treppenhäuser der vielen sich abzeichnenden Gebäude ab. Nur einen Steinwurf entfernt humpelte ein Mann, der ein kleines Bündel in einem Arm hielt. Ein Moment verging. Dann gab das Bündel ein weinendes Geräusch von sich und der Mann wandte verlegen seinen Kopf ab, machte tröstende Geräusche und versuchte, das Kind zu beruhigen.
Marion lächelte den Mann und sein Baby an und lenkte ihre Aufmerksamkeit dann wieder auf ihr Telefon. Sie tippte auf den Bildschirm, um die Nachricht zu lesen. Aber bevor sie das tun konnte...
„Hallo, kleine Dame, ist alles gut und schön?”
Sie drehte sich um, erschrocken aufgrund des gebrochenen Französisch ebenso wie durch die plötzliche Nähe des Mannes und seines Kindes. Er lief nun neben ihr und machte alle paar Schritte gurrende Geräusche in Richtung des Bündels in seinen Armen. Sie runzelte für einen Moment die Stirn und sammelte sich. Dann verstaute sie ihr Telefon. Die Nachricht musste warten. Sie wollte nie einsehen, dass es hieß, Paris sei so unheimlich, wie es sich einige in den Touristenvierteln wünschten.
Der Mann hatte ein Lächeln wie mit Make-up aufgemalt und seine Augen funkelten so freundlich, es erinnerte sie an die spärlichen Sterne, die sich die durch die Lichter der Stadt gekämpft hatten.
„Es ist alles in Ordnung“, sagte sie und nickte. „Wie ist Ihr Abend?”
Der Mann zuckte mit den Achseln, wodurch die Wollmütze auf seinem Kopf ein wenig verrutschte. Er griff nach oben, zog sie mit der freien Hand ab und verstaute sie auf dem Bündel in seinem Arm.
Dies kam ihr etwas merkwürdig vor und das sagte sie auch. Es war, wie ihre Mutter immer sagte: Die Frauen von Paris sollten sich nie davor fürchten ihre Meinung zu sagen.
„Sie werden das Kind noch ersticken“, sagte sie und zeigte auf den Hut.
Der Mann nickte, als ob er einverstanden wäre, machte aber keine Anstalten, das Kleidungsstück wegzunehmen. Er schien fast auf etwas zu warten. Er kratzte sich an seinen roten Haaren, die ihm in losen, fettigen Strähnen rechts und links neben seinem Gesicht hingen.
Nach einem Moment sah er ihr in die Augen. „Das Kind liebt die Dunkelheit“, sagte er. Sein Französisch hatte immer noch einen starken Akzent. „Sagen Sie, kennen Sie den Weg zu - wie sagt man? - der Wasserstruktur? Nein, der Brücke!“
Marion schüttelte kurzzeitig verwirrt den Kopf, lächelte dann aber zurück und sah ihn mit einem freundlichen Gesichtsausdruck an. „Es gibt ein paar Brücken hier. Die nächstgelegene ist die Straße runter und über die Treppe in der Nähe des Kais.”
Der Mann zuckte verwirrt zusammen, schüttelte den Kopf und klopfte an sein Ohr. „Was ist das?”
Sie wiederholte die Anweisungen sorgfältig. Offensichtlich war dieser Mann ein Tourist, der sich verlaufen hatte, obwohl sie seinen Akzent nicht ganz zuordnen konnte.
Wieder zuckte der Mann zusammen, hielt entschuldigend die freie Hand hoch und schüttelte erneut den Kopf.
Marion seufzte. Sie blickte über die Schulter und ging die Straße in Richtung des Clubs zurück. Ihre Freunde würden warten. Dann wandte sie sich wieder dem Mann und seinem Kind zu. Als sie seinen flehenden Blick sah, empfand sie Mitleid.
„Ich werde es Ihnen zeigen, in Ordnung? Es ist nicht weit. Folgen Sie mir, Sir.“
Sie drehte sich um und ging den Weg zurück, den sie gekommen war. Sie unterdrückte all die negativen Gedanken über Touristen, die in der halben Stadt kursierten. Sie mochte die Touristen, auch wenn es manchmal ein bisschen zu viele waren.
Der Mann schien sie diesmal gut genug zu verstehen, lief mit ihr im Gleichschritt und hielt sein Kind mit der Mütze im Gesicht auf dem Arm.
„Du bist ein Dämon“, sagte der Mann in einem dankbaren Tonfall.
Marion lächelte darüber.
Der Mann zögerte und korrigierte sich dann ganz schnell: „Nein, ich meine Engel. Es tut mir sehr leid. Nicht Dämon - Sie sind ein Engel!”
Marion lachte und schüttelte den Kopf. Mit einem Augenzwinkern sagte sie: „Vielleicht bin ich auch ein bisschen dämonisch, hm?”
Diesmal war der Mann an der Reihe zu lachen. Das Baby weinte wieder unter dem Hut und der Mann drehte sich um und flüsterte seinem Kind süßlich zu.
Sie überquerten die Straße und Marion führte den Mann am Kai die Treppe hinunter. Die Brücke war bereits in Sichtweite, aber der Mann schien von seinem Kind so abgelenkt zu sein, dass Marion ein schlechtes Gewissen hatte, weil sie ihn im Stich gelassen hatte, ohne ihn direkt hinzuführen.
Als sie die Treppe hinabstiegen und an einer feuchten, steinernen Überführung ankamen, war dieser Teil der Stadt kaum beleuchtet. Es waren jetzt viel weniger Menschen in der Nähe.
„Hier wären wir“, sagte der Mann, in plötzlich deutlich besserem Französisch.
Marion blickte ihn an und bemerkte etwas Merkwürdiges an ihm. Der Mann bemerkte ihren Blick und zuckte dann entschuldigend mit den Achseln. Er ließ die Decke fallen. Ein kleines Spielzeugbaby – eines von denen, die weinten, wenn man ihnen auf den Bauch drückte – war am Unterarm des Mannes befestigt. Die Plastikaugen des Babys schauten Marion an.
Der Mann zwinkerte ihr zu. „Ich habe Ihnen gesagt, dass er die Dunkelheit mag.”
Marion runzelte verwirrt die Stirn.
Adele stand vor den Steintreppen der Schule und beäugte die Menge der Kinder mit größtem Misstrauen. Sie schüttelte einmal den Kopf und blickte dann zu ihrer Mutter auf. Sie brauchte nicht weit zu schauen; Adele war jetzt schon größer als die meisten ihrer Klassenkameraden. Sie hatte einen Wachstumsschub erlebt als sie noch mit dem Sergeant in Deutschland gelebte hatte und der schien erst in diesem Jahr aufzuhören.
Adele, die jetzt fünfzehn Jahre alt war, stellte fest, dass die Jungs in Paris ihr mehr Aufmerksamkeit schenkten als die Jungs in Deutschland. Dennoch konnte sie, als sie den Strom der Schüler in die zweisprachige Sekundarschule beobachtete, nicht umhin, eine Angst zu verspüren.
„Was ist los, meine Cara?“, fragte ihre Mutter und lächelte ihre Tochter liebevoll an.
Adele rümpfte bei dem Spitznamen die Nase, wischte sich die Hände an der Vorderseite ihres Schulpullovers und drehte an den Knöpfen der Baumwollärmeln herum. Ihre Mutter war in Frankreich aufgewachsen und hatte eine besondere Vorliebe für die Carambar-Karamellbonbons, die in Süßwarenläden und Tankstellen immer noch beliebt waren. Sie sagte oft, dass die Witze, die auf der Außenseite der Karamellverpackungen standen, Adele sehr ähnlich seien: außen clever und innen weich und süß. Diese Beschreibung brachte Adele zur Weißglut.
Adele Sharp hatte die Haare und das gute Aussehen ihrer Mutter, aber sie dachte oft, sie hätte den Blick und die Auffassungsgabe ihres Vaters.
„Sie sind so laut“, antwortete Adele auf Französisch, die Worte gingen ihr nur langsam und etwas unbeholfen von der Zunge. Die ersten zwölf Jahre ihres Lebens hatte sie in Deutschland verbracht; sich wieder an das Französische zu gewöhnen dauerte einige Zeit.
„Es sind Kinder, meine Cara. Sie müssen laut sein; du solltest das auch mal versuchen.”
Adele runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. Der Sergeant hatte lärmende Kinder nie gebilligt. Lärm sorgte nur für Ablenkung. Er war das Werkzeug von Dummköpfen und langsamen Denkern.
„Es ist die beste Schule in Paris“, sagte ihre Mutter und streckte ihre kühle Hand nach ihr aus, um über die Wange ihrer Tochter zu streichen. „Versuch‘ es doch mal, hm?”
„Warum kann ich nicht wie letztes Jahr zu Hause unterrichtet werden?”
„Weil es nicht gut für dich ist mit mir in der Wohnung eingesperrt zu sein - nein, nein.“ Ihre Mutter schnalzte mit der Zunge und machte ein Zickzack-Geräusch. „Das ist nicht gut für dich. Du bist in deiner alten Schule doch gerne geschwommen, nicht wahr? Naja, es gibt hier ein ausgezeichnetes Team. Ich habe mit meiner Freundin Anna gesprochen und sie sagt, dass ihre Tochter im ersten Jahr ein Probetraining gemacht hat.”
Adele zuckte mit den Schultern und lächelte mit nur einer Seite des Mundes. Sie seufzte und zog dann ihren Kopf ein, um nicht so sehr über die anderen Kinder herauszuragen.
Ihre Mutter gab ihr einen Kuss auf die Wange, den Adele halbherzig erwiderte. Sie drehte sich zum Gehen um und hievte ihre Schultasche über eine Schulter. Als sie sich in Richtung Schule schleppte, verstummte der Klang der Glocke und der kreischenden Kinder. Die Sekundarschule blinkte auf und die Wände wurden grau.
Adele schüttelte verwirrt den Kopf. Sie drehte sich wieder zum Bordstein hin. „Mutter?“ sagte sie mit zitternder Stimme. Plötzlich stand sie nachts im Park.
„Cara“, flüsterten Stimmen um sie herum von den hohen, dunklen Bäumen herab.
Sie starrte. Zweiundzwanzig Jahre alt. Mit zweiundzwanzig war alles zu Ende.
Ihre Mutter lag am Rande des Radweges, im Gras, blutend.
Blut, Blut, überall Blut…
Ihre toten Augen blickten ihre Tochter an. Adele war keine zweiundzwanzig mehr. Jetzt war sie dreiundzwanzig und trat in die DGSI ein, wo sie ihren ersten Fall - den Tod ihrer Mutter - bearbeitet hatte. Dann war sie sechsundzwanzig und arbeitete für das FBI. Nun war sie zweiunddreißig.
Tick-tack. Blut.
Elise Romei fehlten an jeder Hand drei Finger; außerdem waren ihre Augen durchbohrt worden. Schnitte, die in seltsamen, schönen Mustern in ihre Wangen geschnitten waren, wie in Filz geritzt, glitzernd rot.
Tick-tack. Adele schrie, als sich das Blut um ihre Mutter herum ansammelte, den Radweg füllte, das Gras und den Schmutz überschwemmte und sie zu verzehren und gar überwältigen drohte...
Adele wurde keuchend wach, mit den Zähnen biss sie kräftig in den Rand ihrer Decke, um den Schrei in ihrer Kehle zu stoppen.
Sie lag in ihrem Bett, in ihrer und Angus' kleiner Wohnung, starrte durch den abgedunkelten Raum und atmete schnell. Es war alles in Ordnung, es war vorbei. Es ging ihr gut.
Sie streckte die Hand aus und tastete nach der wohligen Wärme von Angus, aber ihre Fingerspitzen streiften nur kühle Laken. Dann erinnerte sie sich an die vorangegangene Nacht.
Adele biss die Zähne zusammen und schloss für einen Moment die Augen. Die Luft wurde plötzlich kühl. Sie griff nach oben und strich sich die Haare zurück. Jede Faser ihres Körpers wollte sich wieder hinlegen und zur Wärme und Sicherheit ihrer Decke zurückzukehren. Sie hatte oft Alpträume, aber ihr Bett war immer ein sicherer Hafen.
Sie zwang sich dazu ihre Augen offen zu halten und ballte eine Faust unter der Bettdecke.
Sicherheit und Wärme brachten Schwäche hervor. Der Sergeant hatte in ihrer Jugend oft gesagt, dass der Unterschied zwischen Faulpelzen und Gewinnern ihre erste Entscheidung am Morgen sei. Diejenigen, die den Kopf wieder ins Kissen legten, würden im Leben nie viel ausrichten können.
Und da sie kein kleines sechsjähriges Mädchen mehr war, schwang Adele ihre Beine über die Bettkante und trat ihre Decke zur Seite, wobei sie ihre Füße gegen den Vinylboden schlug. Mit geübten und geschickten Bewegungen machte sie ihr Bett, ordnete ihre Laken und steckte die Ecken der Decken unter die Matratze.
Sie ging quer durch den Raum in Richtung der Schildkröte, die in ihrem Terrain saß. Sie und Angus hatten sich über das Geschlecht der Kreatur gestritten - sie waren sich immer noch nicht sicher. Angus hielt ihn für einen Jungen, doch für Adele war die Schildkröte eindeutig ein Mädchen. Der Gedanke an Angus versetzte ihr einen Schlag in die Magengrube und sie schluckte, um die Gefühlswelle zurückzudrängen.
Mit dem zugehörigen Löffel maß sie das Futter der Schildkröte ab, platzierte es im Aquarium und beobachtete, wie die Kreatur langsam durch ihren Lebensraum aus kleinen Steinen und falschen Blättern kroch. Gregory war vor ihr aufgewacht - wie peinlich.
