1,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 1,99 €
Wie durch ein Wunder entgeht ein junger Mann einem Anschlag. Unabsichtlich störte er einen Spionagering auf. Seine Retterin, die sich mit ihm gemeinsam auf die Flucht begibt, wächst ihm unmerklich ans Herz. Aus Sicherheitsgründen werden sie voneinander getrennt und fangen ein neues Leben in unterschiedlichen Ländern an. Sie hätten äußerlich betrachtet keine Chance, sich wiederzusehen. Doch die Träume haben ihr Eigenleben und lassen sich nicht verbieten. Ob ihre Sehnsüchte je erfüllt werden?
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2023
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
27. Kapitel
28. Kapitel
29. Kapitel
30. Kapitel
31. Kapitel
32. Kapitel
33. Kapitel
34. Kapitel
35. Kapitel
36. Kapitel
Nachwort
Bücher von diesem Autor
Wundersame Sandspuren
Was Toby auf der Welt erlebte
Ein kleiner Androide
Gute Früchte des Geistes
Drei volle Tage quälte sich Etienne mit einer algorithmischen Aufgabe. Die Lösung schien schon in greifbarer Nähe zu sein, auch die Implementierung glückte. Aber die Tests zeigten hartnäckig die roten Lämpchen auf dem Bildschirm und bewiesen damit den falschen Einsatz. Wie ein Mondsüchtiger schlafwandelte Etienne mit offenen Augen im Zimmer herum und merkte nichts. Genauso wie gestern, als er um die Mittagszeit die Tür aufriss und in dieser stehen blieb. Der Welt entrückt, schaute er in den Durchgang und hatte keinen blassen Schimmer von dem, was er sah. Nur bruchteilig wie eine Szene aus einem immer wieder abreißenden Stummfilm, vernahm er eine Bewegung. Die Tür in den Kopierraum ging auf und der Herr Grosche trat heraus. Er hielt in einer Hand eine gewöhnliche feste Büromappe. Schweigend passierte er Etienne und schaute ihn kurz mit bösen Augen an.
»Was hat er?«, rührte sich schwach bei Etienne ein Gedanke, der sogleich unwiderruflich verschwand. Nur ein undefiniertes Restunbehagen verblieb.
Auch heute erfasste Etienne eine peinigende Unruhe und trieb ihn zum Durchmessen des Zimmers. Er dachte angestrengt nach. »Nein, auch so geht es nicht«, urteilte er. Etienne fasste die Türklinke an und versteinerte zur Salzsäule. Unwillkürlich hielt er den Atem zurück. »Wieder Fehlanzeige«, fand Etienne ein Gegenargument, stieß die Luft aus und öffnete die Tür. Herr Grosche ging mit der gleichen Mappe vorbei. Eingedenk der gestrigen Verstimmung scherzte Etienne daraufhin: »Wieder heimlich die topsecret Unterlagen kopiert, Herr Grosche?« Etwas Unbestimmtes malte sich auf dem Gesicht des Herren über die Geheimdokumente. Er lächelte schief, machte eine undefinierbare Bewegung mit dem Kopf und schwebte vorbei. Die etwas krampfartige Regung könnte alles mögliche bedeuten – volle Zustimmung, totale Verneinung oder auch eine Begrüßung.
»Vielleicht …« Eine neue Idee durchbrach sich die Bahn. Etienne lief zum Rechner und tippte energisch den Code herunter. Nach dem Start der Testumgebung wurde die Hälfte der Tests grün. »Aha!«, triumphierte er und griff wieder in die Tastatur.
Der Kampf dauerte bis zum Abend und kostete sogar Überstunden. Aber endlich wurde die Aufgabe bewältigt und die Lösung im Verwaltungssystem auf dem Server gespeichert. Etienne blickte auf die Uhr des Rechners und erschrak. Er hatte wie gewöhnlich vergessen, auf die Zeit zu achten. Nach Hause zu gehen, war schon zu spät. Wenn er jetzt den Bus genommen hätte, käme er zur Bibelstunde zu früh. Obwohl die bequem zu erreichende Bushaltestelle schräg gegenüber lag und gut aus den Fenstern sichtbar war, verzichtete Etienne. Er wählte die herkömmliche Variante – ein belegtes Brötchen zu ergattern und bis zum Stadtrand zu bummeln. Etienne verließ das Amt und bog in die Seitengasse ein. Der Bus wurde nicht zum ersten Mal verschmäht und der Weg zu Fuß zurückgelegt. Unterwegs erstand Etienne ein Käsebrötchen und stärkte sich. Dann folgte er ohne Überlegen dem Straßenverlauf und ließ die Gedanken schweifen. Es dämmerte und die Luft war unverkennbar herbstlich frisch. Die Bäume waren schon bis zur Hälfte entlaubt und freuten das Auge mit bunten Farben. Etienne atmete tief ein und lächelte zufrieden. Das Leben war so schön! Das Studium verlief erfolgreich und an die Teilzeitstelle kam er unverhofft durch einen Kommilitonen. Die Arbeit gefiel dem angehenden Informatiker und der Lebensweg schien ihm glücklich vorgezeichnet.
In seiner gedankenlosen Versenkung erreichte Etienne eine Baustelle. Ein mehrstöckiger Haus wurde in einigem Abstand von der Straße gebaut. An der Straßenfront würde voraussichtlich noch ein Hochhaus entstehen. In den Abendstunden ruhten die Bauarbeiten. An der anderen Straßenseite lag ein Wohnhaus, vorne standen die für die Müllabfuhr abgestellten Biotonnen. Genau an dieser Stelle kam dem Wanderfreund ein auf dem Gehweg unachtsam liegengelassener Ast fast unter die Füße. Wie Etienne so ordentlich war, bückte er sich, um den Zweig wegzuräumen. Sonst kämen noch Menschen im Abenddunkeln zu Schaden. Gerade in diesem Moment spürte er, wie sein Kopfhaar berührt wurde. Peng! Ein Einschlag am Haus zeigte ihm an, dass es kein Insekt war. Etienne hatte genug Freunde unter den Schützen, um ein Geschoss nicht zu erkennen. Augenblicklich warf er sich flach und robbte hinter die Container. Dass er so reagieren würde, hätte Etienne selbst nie geglaubt. Auch wenn bei ihm im Kopf das völlige Chaos ausbrach, wusste der Körper anscheinend, was zu tun sei. Komischerweise ergriff er dabei mechanisch das Holz und schleppte es mit.
»Ob es überhaupt mir galt?«, war der erste vernünftige Gedanke, den Etienne fasste. Es war ganz einfach zu prüfen. Etienne zog seine leichte Mütze aus der Tasche und setzte sie auf das untere Ende des Astes. Dann streckte er die Hand hoch und zeigte die Kappe knapp über die Tonne. Peng! Die Kopfbedeckung bekam ein Loch und der Fragesteller die Gewissheit. Die Sache war ernst. Was nun?!
In dieser bodenlosen Ausweglosigkeit hörte er eine Stimme flüstern: »Komm her!«
Etienne drehte den Kopf nach rechts und links und sah niemand. »Wohin denn?«, flüsterte er zurück.
»Ich bin hinten am Kellerfenster, Du Trottel!«, tönte es wiederum gedämpft. »Schlüpfe hier hinein, schnell!«
Etienne zögerte nicht eine Sekunde. Unter der Deckung der Tonnen krabbelte er zum Fenster und ließ sich bäuchlings mit Füssen nach vorne gerichtet, herunter. Im Raum war es ausnehmend dunkel, aber man könnte etwas erkennen. Etienne erfasste einige Regale, eine Matratze auf dem Boden und zum Sperrmüll verkommene Gegenstände an der freien Wand.
»Folge mir nach, trödele nicht!«, mahnte erneut das eindringliche Flüstern von der Tür her.
Die eher kleine Gestalt trug Hosen und hatte leichtes Jäckchen an. Das undeutlich belichtete Gesicht rahmten blonde Locken ein. Ein Mädchen! Verblüffte Etienne schloss trotz der Aufforderung zur Eile sorgfältig das Fenster zu und folgte erst dann durch einen Gang. Die beiden gelangten in einen größeren Raum, der mit Waschmaschinen und Trocknern vollgestopft war. Das Mädel raffte einen Sitzhocker und stellte ihn zum Fenster hin. Dann riss es die Luke auf, sprang auf den Hocker und kroch wieselflink ins Freie. Etienne blieb hinterher, zog jedoch wohlüberlegt das Kellerfenster zu. Im Hof angelangt, eilte die Göre zu einem riesigen Baum und machte Anstalten, auf der Rückseite des Stammes heraufzuklettern.
»Die Eiche ist ja schon fast entlaubt«, wagte Etienne halblaut zu warnen.
»Da gibt es eine passende muldenartige Verästlung. Man legt sich hin mit eingezogenen Knien. Sehr knapp zu zweit, aber es soll noch gerade reichen. Außerdem schaut niemand so sehr nach oben.«
Einem Eichhörnchen gleich erkletterte das Mädchen den Baumstamm. Die Überbleibsel der abgeschnittenen Äste und die alte, raue und rissige Rinde erleichterten den Aufstieg. Dem Vorbild nachahmend, versuchte Etienne sich ebenfalls zu behaupten. Was so einfach und spielerisch aussah, war keineswegs genauso leicht zu wiederholen. Mit Grauen dachte Etienne an den demnächst bevorstehenden Abstieg. Oben angelangt, zog sich auch der junge Mann zusammen. Dies glückte nicht besonders. Die forsche Dame schaffte es perfekt, was auf einen biegsamen und gut trainierten Körper deutete.
»Hast wohl nur Bücher und Computer im Kopf gehabt«, ätzte das Mädchen. »Weiß nichts mit Händen und Füssen anzufangen.«
Das stimmte auch gewissermaßen. Nur konnte Etienne die Beschimpfung nicht unbeantwortet lassen. »Ich spielte Fußball.«
»Na ja, hast brav die Bälle nachgetragen«, lautete der bissige Kommentar. »Jetzt aber sei still.« Und im nächsten Augenblick: »Oh, Dein Smartphone!« »Schalte fix aus.«
Beide hantierten hastig mit ihren Geräten und rührten sich anschließend nicht mehr.
Die Warnungen wurden zwar unhöflich, aber rechtzeitig ausgesprochen. Im Hof hallten kurz darauf die eiligen Schritte. Sie entfernten sich vorerst, kehrten dann bald zurück und letztendlich verdoppelten sich. Eine halblaute, mit gedämpften Stimmen geführte Unterhaltung war sehr aufschlussreich.
»Bist Du sicher, das er ins Haus gelangte? Alle Frontfenster sind zu. Hier sehe ich auch kein geöffnet.«
»Das hat nichts zu sagen. Um sicherzugehen, müssen wir sie anstoßen. Das ist aber gefährlich, die Bewohner könnten Alarm schlagen. Ansonsten war mir die Sicht durch die Büsche versperrt. Ich habe jedoch ein Schließgeräusch gehört.«
»Ich hätte gerne das Haus gesprengt.«
»Um Dein Mütchen zu kühlen? Du müsstest besser zielen.«
»Ich glaube, er hätte sich plötzlich gebückt. Der Junge hat einen starken Engel. Außerdem wurde mir nicht längst mein Silberkreuz gestohlen. Auf der letzten Fete habe ich zu viel aufgenommen und ein Mädchen hätte es ausgenutzt. Ich wüsste nur zu gerne, welches.«
Sein Kumpan lachte kurz auf. »Was? Ein frommer Profikiller?«
»Meine Großmutter veranlasste die Taufe und hängte mir das Kreuz um. Seitdem trug ich es. Das musste so sein, für etwas war es bestimmt gut. Nie verfehlte ich früher mein Ziel.«
»Ach so! Das nennt man Aberglaube, nicht Glaube. Da bin ich beruhigt. Sonst könntest Du Dich unserem Jungen anschließen. Er eilte gerade zur Bibelstunde. Und wenn er nicht betet, dann lernt er oder arbeitet. Nur nachts träumt der Mensch züchtig von der zukünftigen Eva.«
»Hör auf! Zur Sache, was sollen wir jetzt machen?«
Ihr Disput wurde jäh unterbrochen. Im Waschraum wurde plötzlich das Licht eingeschaltet und das zugehörige Fenster hart geschlossen.
»Da ist die Antwort! Dort entschlüpfte der Junge. Sehr wahrscheinlich, dass jemand ihm half. Sonst hätte er sich nicht so schnell zurechtgefunden.«
»Und weiter?«
»Wir werden jetzt keine große Verstärkung anfordern. Zwei Männer reichen — den Keller durchsuchen und vorsorglich Posten stehen. Wir trennen uns. Du fährst zu seiner Kirche und fängst ihn dort ab. Nimm Deinen speziellen Regenschirm mit. Jetzt muss er in jungen Jahren am Schlaganfall sterben. Der Plan A mit dem untergeschobenen Koks ist dank Dir ins Wasser gefallen. Ich prüfe seine Wohnung und dringe, falls es nötig ist, ein. Wenn er zu Hause ist, wird es ein Raubüberfall. Sonst wird der Stich nach dem Plan B wie bei Dir auf der Straße ausgeführt.«
»Chef, mir ist noch etwas eingefallen. Hast Du seine mobile Nummer? Vielleicht ist er gar nicht so weit.«
»Stimmt! Ich habe es in der Hektik ganz vergessen. Gleich rufe ich ihn an.«
Nach einer Weile hieß es: »Freizeichen, er hebt nicht ab.«
»So ein Pech.«
»Wir bleiben in ständigem Kontakt. Höchstens anderthalb Stunden können wir noch aufwenden. Danach wird die Operation unter allen Umständen beendet. Sie fortzusetzen, wird zu riskant.«
Die Schritte verhallten in der Ferne und die Stille kehrte zurück.
Das Mädchen hob sich und streckte die Hände nach oben. Es tastete kurz an einem Ast und holte ein zusammengelegtes Seil.
»Kannst Du damit umgehen?«
»Es wird schon gehen.«
Etienne nahm den Strick und zog ihn stramm an, das Ende abwerfend. Dann klammerte er sich am Seil fest, dieses sofort zwischen der linken Fußsohle und dem rechten Fuß einklemmend. So glitt er herunter, sich mit den Händen und Füssen wechselweise stützend.
Danach zog das Mädchen den Strick direkt ein und verstaute ihn auf dem alten Platz. Geschickt stieg es ab, sich am Stamm anschmiegend und zum Halten die kleinsten Unebenen benutzend. Einmal unten angelangt, atmete es vernehmlich ein und aus und fragte rasch: »Was hast Du nun vor?« Die Frage war nicht leicht zu beantworten.
Etienne sammelte sich und schwieg vorerst. Dann meinte er: »Ich würde mich gerne an die Polizei wenden.«
»Bist Du nicht von der Mafia?«, stellte sich das Mädchen naiv.
»Nein«, antwortete Etienne mit Nachdruck. »Wie ich verstanden habe, hätten sie mich so gerne dargestellt.«
»Was hast Du denn eigentlich ausgefressen? Einen braven Jungen will man nicht ohne Ursache umbringen.«
»Ich weiß es nicht«, gab Etienne ehrlich zu. »Ich bin so weit von solchem Menschenschlag, dass es mir unbegreiflich ist.«
»Sie haben Dich nicht verwechselt, die wissen von Dir viel zu viel. Was bist Du überhaupt?«
»Ich studiere Informatik und arbeite nebenbei.«
»Hm. Man soll in solchem Fall systematisch vorgehen. Hast Du Feinde?«
»Nicht, dass ich wüsste.«
»Hast Du in den letzten Tagen Ärger gehabt?