Nie vergaß ich seine Liebe - Alison Roberts - E-Book

Nie vergaß ich seine Liebe E-Book

ALISON ROBERTS

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Beschreibung

Niemals hat Beth erwartet, Dr. Luke Savage hier in diesem abgelegenen Krankenhaus wiederzusehen. Warum hat er seine steile Karriere aufgegeben? Erneut wirbt der attraktive Chirurg um sie, aber Beth zögert, ihm zu vertrauen. Schon einmal hat Luke sie verlassen ...

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IMPRESSUM

Nie vergaß ich seine Liebe erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Ralf MarkmeierLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2005 by Alison Roberts Originaltitel: „The Surgeon’s Engagement Wish“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA PRÄSENTIERT ÄRZTE ZUM VERLIEBENBand 12 - 2008 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Susanne Albrecht

Umschlagsmotive: GettyImages_Vasyl Dolmatov

Veröffentlicht im ePub Format in 06/2019 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733747381

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

Dieser Wagen hatte hier nichts zu suchen. Ein uralter, verrosteter Ford Mustang stand zu zwei Dritteln in der breiten Automatiktür der Notaufnahme des Ocean-View-Krankenhauses.

Schwester Elizabeth Dawson war alarmiert. Ein solcher Wagen stellte ein Statussymbol in finsteren Kreisen der Gesellschaft dar, die sich keinen Deut um irgendwelche Gesetze scherten. Der Typ, der ausstieg, wirkte noch einschüchternder. Die abgetragene Lederkluft mit dem Emblem seiner Gang auf dem Rücken und die zahlreichen Tattoos hätten jeden Mitarbeiter einer Notaufnahme beunruhigt.

Und Beth Dawson fühlte sich im Augenblick keineswegs selbstsicher. Erst vor zwei Stunden hatte sie ihre neue Stelle in einer fremden Stadt angetreten, und sie kannte sich noch überhaupt nicht aus.

Doch die aggressive Ausstrahlung des Banden-Mitglieds kam ihr leider nur allzu bekannt vor. Trotz ihrer Furcht flammte plötzlicher Zorn in ihr auf. Genau diese Art von Bedrohung war der Grund für ihren Wechsel von einem großen Krankenhaus in Auckland in diese ländliche Gegend gewesen. Rasch drückte sie den Notrufknopf, und ihr Mund wurde trocken, als zwei weitere Männer aus dem Wagen stiegen.

Vergeblich versuchte die Automatiktür immer wieder, sich zu schließen. Das hinderte die beiden Männer jedoch nicht daran, den letzten Passagier vom Rücksitz des Wagens zu zerren. Auf mögliche Verletzungen des offenbar bewusstlosen Opfers wurde keine Rücksicht genommen, sodass seine Füße über den Boden schleiften und eine breite Blutspur hinterließen.

Zwei Krankenschwestern eilten herbei, dicht gefolgt von Mike Harris, dem einzigen diensthabenden Arzt in der Notaufnahme. Alle drei blieben abrupt stehen, sobald sie das Auto im Gebäude sahen. Aber Beths Blick war auf die zusammengesunkene Gestalt gerichtet. Instinktiv wich Beth zurück, als der Fahrer auf sie zukam.

„Jackal ist angeschossen worden.“ Der Mann hatte abgebrochene Zähne und roch stark nach Alkohol. „Tun Sie was.“

Die Leute waren zweifellos bewaffnet. Vermutlich hatten sie Messer in den Springerstiefeln. Mindestens einer der Männer trug einen Schlagring, und Beth war ziemlich sicher, dass mehr als nur ein abgesägtes Gewehr in dem Wagen lag.

Ein halb ersticktes Lachen entschlüpfte ihr. Sie hatte ein großes Stadtkrankenhaus verlassen, wo es genaue Anweisungen gab, wie mit derartigen Vorfällen umzugehen war. Innerhalb von Sekunden war genügend Sicherheitspersonal vorhanden und das nächste Polizeirevier nur wenige Minuten entfernt. Doch selbst das hatte Beths beste Freundin Neroli nicht davor bewahrt, dass ihr ein Messer an die Kehle gehalten wurde.

Beth war in das kleinstädtische Krankenhaus an der Spitze der Südinsel Neuseelands gekommen, um ihrem Leben in einer friedlichen Umgebung eine neue Richtung zu geben. Gerade hatte sie ihre erste Nachtschicht in der kleinen Notaufnahme angetreten, und schon fand sie sich mitten in ihrem schlimmsten Albtraum wieder.

Gibt es im Ocean View überhaupt einen Sicherheitsdienst? Und wie weit ist die nächste Polizeistation?

Die Anspannung erhöhte sich, als der Sprecher der Gang noch näher kam und mit der geballten Faust auf den Arzt zeigte. „Sofort!“

Tu, was er sagt, Mike, flehte Beth stumm. Bitte! Aber Dr. Harris zuckte nicht einmal mit der Wimper.

„Klar.“ Seine Miene war gelassen, und plötzlich fühlte auch Beth sich wieder etwas sicherer. Mit Mitte fünfzig hatte der leitende Arzt der Notaufnahme wahrscheinlich mehr als genug Erfahrung mit solchen Situationen. „Aber ich dulde nicht, dass meine Mitarbeiter oder sonst irgendjemand von Ihnen eingeschüchtert wird.“

Es entstand ein kurzes Schweigen, das durch ein Stöhnen des Verletzten unterbrochen wurde.

„Was genau ist passiert?“ fragte Dr. Harris.

„Er wurde angeschossen, Mann. Hab ich doch schon gesagt.“

„Ja, aber wo? Und wie lange ist das her? Wie viel Blut hat er verloren?“ Ruhig ging Mike auf das Opfer zu. Beth schaute zu ihren Kolleginnen hin. Chelsea wirkte genauso nervös wie sie selbst, und Maureen sah grimmig aus.

Sie nickte ihnen zu. „Chelsea, du holst mit Beth eine Trage. Ich bleibe hier und helfe Mike.“ Sie drehte den Gang-Mitgliedern den Rücken zu. „Ruf die Polizei“, flüsterte sie leise, wobei sich ihre Lippen kaum bewegten. „Schnell.“

Chelseas Nervosität schien wie weggeblasen, sobald ihr eine Aufgabe zugewiesen worden war. Sie grinste Beth sogar an, als sie zusammen davoneilten. „Tja“, meinte sie beinahe fröhlich. „Schon wieder.“

Beths Stimmung sank noch mehr. „Soll das heißen, das passiert hier regelmäßig?“

„Wir haben ab und zu mal Probleme mit Gangs.“ Chelsea blieb stehen und griff nach dem Wandtelefon. „Du bist so was bestimmt von Auckland gewöhnt, oder?“

„Ja, aber ich habe nicht damit gerechnet …“ Beth brach ab, als Chelsea mit jemandem am anderen Ende der Leitung sprach.

„Wir haben Alarmstufe Gelb in der Notaufnahme“, erklärte sie rasch und hörte dann kurz zu. „Super … Danke.“

Beth nahm den hinteren Teil der Trage, und sie kehrten sofort zurück, sobald Chelsea aufgelegt hatte.

„Was ist Alarmstufe Gelb?“

„Schwierigkeiten mit Gangs.“

Du liebe Güte! Es geschah also so oft, dass es dafür sogar einen eigenen Code gab?

„Und was passiert bei Alarmstufe Gelb?“

„Zuerst erscheint Sid, unser Nachtwächter und Sicherheitsmann in einem. Dann kommt einer unserer hiesigen Polizisten her, der gleich unten an der Straße wohnt.“ Chelsea, die Beth einen Blick über die Schulter zuwarf, schien beinahe abenteuerlustig. „Und wenn er es für nötig hält, ruft er in Nelson an. Die schicken dann eine bewaffnete Einheit per Hubschrauber rüber.“

„Aber wir haben doch nur einen Patienten!“

„Bis jetzt.“ Chelsea sah sie fragend an. „Das nimmt dich ziemlich mit, stimmt’s?“

„Mir geht’s gut.“ Beth wollte in ihrer allerersten Schicht auf keinen Fall einen unfähigen Eindruck machen. „Wie du schon gesagt hast, ich bin das gewohnt. Vielleicht ein bisschen zu sehr. Vor nicht allzu langer Zeit wurde einer Freundin von mir ein Messer an den Hals gehalten.“

Chelsea war entsetzt. „Wurde sie verletzt?“

„Körperlich nicht. Aber sie hat ihren Beruf als Krankenschwester aufgegeben und arbeitet jetzt im Café ihrer Schwester in Melbourne.“

„Bist du auch deshalb weggegangen?“

„Zum Teil.“ Beth lächelte ironisch. „Ich habe tatsächlich gehofft, ich könnte solche Situationen vermeiden, wenn ich hierherziehe.“

„Hoffentlich war das nicht der Hauptgrund“, meinte Chelsea mitfühlend.

„Nein.“

Als sie in den vorderen Bereich der Notaufnahme zurückkamen, stellten sie fest, dass die Trage inzwischen überflüssig war. Denn die Freunde des Verletzten hatten es geschafft, ihn bis zur Liege in dem leeren Schockraum zu ziehen.

„Ich hab gesagt, Sie sollen ihm die Lederkluft nicht aufschneiden, Mann!“

„Wir müssen ihm die Jacke abnehmen, damit ich seine Atmung überprüfen kann.“ Noch immer klang Mikes Stimme ruhig, aber Beth merkte, dass die Linien in seinem Gesicht sich vertieft hatten.

Maureen steckte die Zuleitung der Sauerstoffmaske ein. „Ich lege Ihnen das jetzt aufs Gesicht“, warnte sie den Patienten vor.

Bei dem obszönen Wortschwall, der daraufhin folgte, verfinsterte sich ihre Miene noch mehr. „Atemwege frei“, sagte sie trocken zu Mike und trat zurück, als zwei Gang-Mitglieder dem stöhnenden Mann unsanft die Lederjacke abstreiften. Da bemerkte sie die beiden jüngeren Schwestern. „Vielleicht könnt ihr schon mal Schockraum 2 frei machen.“ Obwohl sie äußerlich gelassen erschien, war der drängende Unterton in ihrer Stimme nicht zu überhören.

Kein Wunder, denn der Mann im benachbarten Raum sah beunruhigt aus, und seine Frau wirkte völlig verängstigt. Glücklicherweise war bei ihm lediglich eine Angina Pectoris diagnostiziert worden und kein Herzinfarkt. Sonst hätte sich durch die Aufregung sein Zustand womöglich stark verschlechtert.

Es dauerte ein paar Minuten, bis sie den Patienten von seinen Kabeln befreit hatten und aus dem Schockraum schoben. Der Verletzte im Schockraum 1 war jetzt allein mit Mike und Maureen. Die übrigen Gang-Mitglieder waren verschwunden. Gleich darauf hörte man das Aufheulen eines dröhnenden Motors, als der Wagen, der die Automatiktür blockierte, angelassen wurde.

„Zuerst müssen wir nach Möglichkeit alle anderen Patienten wegschicken“, erklärte Chelsea, während sie und Beth die Liege des Angina-pectoris-Patienten über den Flur rollten. „Und die Notaufnahme wird geschlossen.“

Die Frau des Patienten lief neben dem Bett her und hielt ihre Handtasche mit beiden Händen fest. „Haben die Kerle irgendwas davon gesagt, dass sie sich an demjenigen rächen wollen, der geschossen hat?“

„Jedenfalls sind sie erst mal alle draußen“, antwortete Chelsea. „Auf diese Weise hat die Polizei genug Zeit, sich um die Sache zu kümmern, bevor es hier richtige Probleme gibt.“

Als sie und Beth zurückkamen, herrschte gespannte Ruhe in der Abteilung. Mike machte gerade einen Ultraschall von dem tätowierten Bauch des Patienten, und Maureen hängte einen neuen Beutel an den Tropf.

Am Kopfende der Liege stand ein stämmiger Mann in Uniform mit verschränkten Armen, und am Fußende hatte sich ein ähnlich kräftig aussehender Polizist in derselben Pose aufgebaut. Beide warfen Beth neugierige Blicke zu.

„Hallo“, sagte der Wachmann. „Sie sind wohl neu hier, stimmt’s?“

„Das ist Beth“, stellte Chelsea sie vor. „Sie hat heute Abend ihre erste Schicht. Beth, das sind Sid und Dennis.“

Das Nicken und Lächeln der beiden Männer war herzlich und mitfühlend zugleich. Keine tolle Art, einen neuen Job anzufangen, schienen sie zu sagen. Aber sie freuten sich, Beth kennenzulernen, und würden für ihre Sicherheit sorgen. Beth lächelte zurück. Auf einmal fand sie das alles nicht mehr ganz so schlimm. In einer Kleinstadt zu arbeiten machte eben doch einen Unterschied.

„Wer hat heute Bereitschaft als Chirurg?“, fragte Mike.

„Luke“, erwiderte Maureen.

„Gut. Ihm macht es nichts aus, wenn man ihn weckt. Kannst du ihn bitte anrufen, Chelsea?“

„Klar.“

Beth wusste, dass fünf Chirurgen im Ocean View Hospital arbeiteten – und einer davon hieß ausgerechnet Luke. Wie oft würde sie heute Nacht wohl noch daran erinnert, dass man seiner Vergangenheit nie wirklich entkommen konnte? Sie beugte sich hinunter, um die zerrissenen Verpackungen aufzusammeln, die auf dem Fußboden verstreut lagen.

Ich bitte dich, das ist sechs Jahre her, schalt sie sich. Dass dich dieser Name immer noch aus der Fassung bringt, ist wirklich armselig. Aber vielleicht lag es ja auch nur daran, dass sie sich in ihrer neuen Umgebung so fremd fühlte.

„Er ist unterwegs“, berichtete Chelsea. „Soll ich auch noch ein OP-Team zusammenrufen?“

Mike, der den Ultraschallbildschirm aufmerksam betrachtete, nickte. „Ja, bitte. Ich schätze, jemand muss sich Jackal wohl etwas genauer von innen anschauen.“

„Auf keinen Fall!“, knurrte Jackal böse. „Ihr schneidet mich nicht auf! Ich bin weg hier.“

„Stopp!“, brüllten Sid und Dennis. Das hielt Jackal jedoch nicht davon ab, sich heftig aufzurichten, wobei der Tropf aus seinem Arm gerissen wurde, und die Füße auf den Boden zu setzen.

Die Beamten packten ihn an beiden Armen, und er sackte in sich zusammen. Zwei Sekunden später wurde er grün im Gesicht und musste sich übergeben. Mit angewidertem Ausdruck hielten die Beamten ihn fest, doch das war nicht mehr nötig.

„Legt ihn wieder hin“, meinte Mike müde. „Und pass auf das Blut auf, Sid.“ Der Wachmann trug zwar Handschuhe, aber Jackals Vene blutete stark. Mike beugte sich zu dem Patienten hinab. „Hören Sie, Kumpel. Sie haben eine Kugel im Bauch. Sie können froh sein, dass Sie nicht tot sind, aber Sie verlieren eine Menge Blut. Wenn Sie jetzt aufstehen, machen Sie alles nur noch schlimmer.“

Trotz seines geschwächten Zustands stieß Jackal eine Flut ordinärer Flüche aus.

Ungerührt streifte Mike sich frische Handschuhe über. „Ich leg die Kanüle noch mal neu. Ich glaube nicht, dass er sich bei dem niedrigen Blutdruck noch großartig wehrt.“

Beth reichte ihm Kanüle und Zugang.

„Hat Sally sich schon gemeldet?“, erkundigte sich Mike.

Bedauernd hob Beth die Schultern. „Ich weiß nicht, wer Sally ist.“

„Sally ist unsere Sanitäterin“, erklärte Maureen. „Der Krankenwagen wurde gerufen, kurz nachdem Jackals Freunde von hier abgehauen sind. Gleichzeitig haben wir auch Polizeiverstärkung angefordert.“

Kurz darauf knisterte das Funkgerät am Anmeldetresen. „Ambulanz an Notaufnahme. Schreibt ihr mit?“

„Soll ich?“, fragte Chelsea.

„Ich mach das.“ Mike nahm die Handschuhe ab und sah Beth an. „Können Sie die Flüssigkeitszufuhr erhöhen?“

„Natürlich.“ Beth befestigte einen weiteren Beutel mit Kochsalzinfusion an dem Venenzugang und hörte dabei Mike zu.

„Mike hier, Sally. Was habt ihr?“

„Ein Unfallopfer. Auto gegen Fußgänger.“

„Roger.“ Kopfschüttelnd zog er einen Stift aus der Kitteltasche. Jeder wusste, wie unwahrscheinlich es war, dass es sich hier um einen Verkehrsunfall handelte. „Vitalzeichen?“

„Herzfrequenz 130. Atmungsfrequenz 36. Sauerstoffsättigung ist runter und Blutdruck kaum vorhanden. Verletzungen an Kopf und Brust. Mehrfache Brüche.“

Der Krankenwagen sollte in zehn bis fünfzehn Minuten ankommen, und die Ruhe in der Notaufnahme schwand schlagartig. Innerhalb kürzester Zeit traf weiteres medizinisches Personal ein, und Beth und Chelsea wurden damit beauftragt, den zweiten Schockraum vorzubereiten.

„Was passiert hier mit schweren Brustraumverletzungen?“, fragte Beth, die das gebrauchte Laken von der Liege abzog. „Wir haben hier doch keinen Thorax-Chirurgen, oder?“

„Nein. Wir stabilisieren die Patienten und lassen sie mit dem Hubschrauber nach Wellington fliegen.“ Chelsea breitete ein frisches Laken über der Matratze aus. „Bei Kopfverletzungen genauso. Einen Neurochirurgen haben wir nämlich auch nicht zu bieten.“ Sie nannte Beth die Namen der zahlreichen neuen Kollegen. „Das ist Kelly, unsere Röntgenassistentin. Seth ist der Assistenzarzt, der heute Bereitschaft hat. Sieht aus, als ob Rowena uns auch helfen will. Sie ist eigentlich unsere Hebamme. Und da ist Luke.“

Beth drehte sich abrupt um, konnte jedoch nichts sehen, weil Dennis ihr im Weg stand.

„Der Krankenwagen ist da“, sagte er. „Ich schau mal, ob sie Hilfe brauchen.“

Rasch wurde der neue Patient in Schockraum 2 gebracht.

„Vermutlich wurde er mit einer Geschwindigkeit von mehr als sechzig Stundenkilometern getroffen und ist zwanzig bis dreißig Meter durch die Luft geflogen“, berichtete die blonde Sanitäterin.

Maureen drückte Beth eine große Schere in die Hand. „Schneide so viel wie möglich von der Kleidung auf.“

„Spannungspneumothorax links“, meinte Mike knapp. „Kann mir bitte jemand ein Dekompressionspaket geben?“

„Das kann ich doch machen.“

Beim Klang der ruhigen Stimme klappte Beth die Schere in ihrer Hand mit einem metallischen Geräusch zu. Erschrocken schaute sie auf und vergaß für einen Moment, was sie gerade tat.

Luke.

Das konnte nicht sein.

Aber er war es. Luke Savage. Im Ocean View Hospital?

Wenn Beth sich den unwahrscheinlichsten Ort hätte ausdenken wollen, wo sie diesen Mann wiedersehen würde, wäre ein Kleinstadtkrankenhaus ganz oben auf ihrer Liste gewesen. Er hatte sie nicht bemerkt, sondern war voll darauf konzentriert, eine Nadel zwischen die Rippen des Opfers einzuführen, um die im Brustraum enthaltene Luft abzusaugen, die die Lungenfunktion beeinträchtigte.

„Becken instabil.“ Mike untersuchte den Patienten nach weiteren größeren Verletzungen.

Seine Feststellung genügte, dass Beth sich wieder ihrer Aufgabe widmete. Ihr kleiner Aussetzer war zum Glück niemandem aufgefallen. Sie entfernte die Lederhose vom rechten Oberschenkel. „Offener Bruch des Oberschenkelknochens“, erklärte sie.

„Decken Sie ihn ab“, wies Mike sie an. „Dafür haben wir jetzt keine Zeit.“

Beth befeuchtete ein großes Stück Gaze mit Kochsalzlösung, musste dabei jedoch wieder zu Luke hinschauen.

Anscheinend hatte er ihre Stimme nicht so leicht erkannt wie sie seine.

Jemand steckte den Kopf zur Tür herein. „Luke? Der OP ist vorbereitet.“

Sein Blick ging an Beth vorbei, die mit dem Verband die klaffende Wunde im Bein des Patienten abdeckte.

„Danke, ich komme hoch, sobald ich kann.“

Mike nahm die Kanüle, die Beth ihm hinhielt. „Können Sie Sid helfen, Jackal nach oben zu bringen?“

„Sicher.“ Sie war froh, flüchten zu können.

Verhielt Luke sich einfach nur professionell, indem er sie ignorierte? Es war aber auch möglich, dass er sie wirklich nicht erkannt oder auch nur bemerkt hatte. Andererseits war es ihm vielleicht auch einfach nur egal. Doch warum sollte ihr das etwas ausmachen?

Beth wandte sich ab. Da ertönte plötzlich das Krachen von splitterndem Glas, und alle hielten unvermittelt inne.

„Was zum Teufel war das?“

„Wir haben die Türen abgeschlossen, als wir reingekommen sind.“ Der männliche Sanitäter kam herbei. „Hört sich an, als ob jemand unbedingt rein will.“

Hinter ihm tauchte ein Polizeibeamter auf. „Der Helikopter landet in zwei Minuten. Allerdings haben wir draußen auf dem Parkplatz ein ziemliches Getümmel.“

Ein Schuss war zu hören.

In diesem Moment fing auch der Monitor des Patienten an zu piepen.

„Kammerflimmern!“, warnte Luke.

Mike hatte bereits die Defibrillatoren in der Hand. „Alle zurück!“

„Niemand rührt sich von hier weg, bevor wir Verstärkung haben“, befahl der Polizist.

„Zurücktreten!“

Beth wich zurück und drängte sich zusammen mit Chelsea und dem Sanitäter in eine Ecke des Raumes.

Sie sahen zu, wie Maureen Luft in die Lungen des Patienten pumpte und Luke sich zur Herzmassage bereitmachte, sobald die erste Schockserie vorüber war. Beth schloss flüchtig die Augen. Das alles hier war so grotesk, dass es schon fast wieder komisch war. Ein riesiger kosmischer Witz. Und wer auch immer dafür sorgte, in welcher Richtung die Winde des Schicksals wehten, schien sie gerade schallend auszulachen.

Sie war hergekommen, um dem Stress gewalttätiger Auseinandersetzungen zu entkommen, und befand sich nun mitten in dem schlimmsten Geschehen, das sie je erlebt hatte. Außerdem wollte sie die Erinnerungen an Luke Savage endlich hinter sich lassen. Schließlich hatte sie ihre nur äußerst kurz dauernde Verlobung mit Rob gelöst, weil ihr klargeworden war, dass das Einzige, was sie an ihm anziehend fand, diejenigen Eigenschaften waren, die sie an Luke erinnerten.

Der Gedanke, ihm tatsächlich eines Tages wieder über den Weg zu laufen, hatte Beth schon wesentlich länger verfolgt als die Angst davor, dasselbe zu erleben wie Neroli. Der Umzug in eine Kleinstadt wie Hereford war ihr als die perfekte Möglichkeit erschienen, beidem zu entkommen.

Doch hier stand sie nun, nur wenige Meter von Luke entfernt. Und es fühlte sich an wie damals, als sie ihn das allererste Mal gesehen hatte. Er war ebenso attraktiv wie damals, aber vor allem hatte seine Ausstrahlung sie angezogen. Das Gefühl, dass dieser Mann jeder Situation gewachsen war, egal welcher. Und jetzt empfand sie genau das Gleiche. Luke hatte sich überhaupt nicht verändert.

Es war unfassbar. Vielleicht hätte ich ja doch Nerolis Vorschlag annehmen und mit ihr nach Melbourne gehen sollen, dachte Beth.

Nach dem dritten Elektroschock zeigte sich ein Muster auf dem Monitor, das innerhalb weniger Sekunden zu einem normalen Herzrhythmus wurde. Draußen hörte man gedämpfte Schreie und den zunehmenden Lärm des sich nähernden Hubschraubers.

Alle atmeten erleichtert auf, und erst in diesem Augenblick trafen sich Beths und Lukes Blicke. Die vertrauten dunkelgrauen Augen unter dem dichten schwarzen Haarschopf weiteten sich, und Beth erkannte, dass Luke sie sicher nicht ignoriert hatte. Er hätte nicht so schockiert ausgesehen, wenn er gewusst hätte, wie nahe sie ihm war.

Ihre Anwesenheit war für ihn eine Überraschung, und zwar keine angenehme. Eigentlich hätte Beth nicht verletzt sein dürfen, doch sie war es, und sie wollte so schnell wie möglich weg von hier. Da kam ihr Mikes erneute Aufforderung, beim Transport von Jackal zum OP behilflich zu sein, gerade recht.

Beth verließ den Schockraum, merkte jedoch schnell, dass sie nicht weit kommen würde. Schwarz gekleidete, behelmte und bewaffnete Mitglieder eines Sondereinsatzkommandos kamen in die Notaufnahme gelaufen. Aber der Kampf vom Parkplatz hatte sich inzwischen auch hierher verlagert. Irgendwie war es einem von Jackals Kumpels gelungen, sich Zutritt zu verschaffen. Mit gezücktem Messer stand er vor Schockraum 1, während ein Mitglied einer offenbar rivalisierenden Gang auf ihn zustürmte. Und Beth war versehentlich genau dazwischen geraten.

Es war niemand in der Nähe, der ihr hätte helfen können. Aber anstatt sich von ihrer Angst lähmen zu lassen, war diese plötzlich wie weggeblasen.

„Denk nicht mal dran!“, fauchte Beth.

Sie richtete sich zu ihrer vollen Höhe von nicht gerade eindrucksvollen ein Meter sechzig auf. Doch ihr Mangel an körperlicher Größe hatte keinerlei Bedeutung, denn die Niedergeschlagenheit über die Ironie des Schicksals, die sie hierhergebracht hatte, war in glühenden Zorn umgeschlagen.

„Du da!“ Wütend stieß sie dem Mann in Leder, dem sie in den Weg getreten war, den Zeigefinger entgegen. Er war mindestens einsachtzig groß und hatte eine stark blutende, gezackte Wunde in seinem bärtigen Gesicht. „Setz dich hin und benimm dich anständig!“

Dann fuhr sie zu Jackals Freund herum. Die Polizisten, die ihr zu Hilfe eilen wollten, verlangsamten ihre Schritte und starrten sie mit offenem Mund an. „Lass das Messer fallen!“, befahl sie. „Nein!“, schrie sie fuchsteufelswild, als beide Männer jeweils einen Schritt auf sie zu machten. „Tut verdammt noch mal, was ich euch sage! Ich habe wirklich überhaupt keinen Bock auf so einen Mist!“

Zu ihrem Erstaunen blieben die Männer stehen. Der eine ließ die Hand mit dem Messer sinken, und auf einmal waren die Polizisten da. So schnell, wie die ganze Sache passiert war, so schnell war sie auch wieder vorbei.

Beth spürte, dass ihr die Knie weich wurden. Langsam wandte sie sich um und sah ihre Kollegen aus dem Schockraum 2, die sie verblüfft anstarrten.

„Wow!“, rief Chelsea bewundernd aus. „Du gehst aber ran!“

Ein erstauntes Grinsen zeigte sich auf Mikes Gesicht, aber Beths Blick blieb an Luke hängen. Er schaute sie an, als wäre sie eine völlig Fremde. Wenn auch eine ziemlich beeindruckende Fremde.

Als sie energisch die Schultern straffte, schwand das schwache Gefühl in ihren Beinen sofort. Sie wollte eigentlich ein selbstbewusstes Lächeln aufsetzen, doch mehr als ein verlegenes Grinsen kam nicht dabei heraus. Aber das tat dem Respekt, den sie bei ihrem Publikum wahrnahm, nicht den geringsten Abbruch.

Und auch Luke Savage gehörte mit zu diesem Publikum.

2. KAPITEL