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Das junge Einhorn Nightmane findet eine Feder ihres seit Langem verschwundenen Vaters Nightwing. Lebt er noch? Gemeinsam mit der Jägerstochter Annabell begibt sie sich auf die abenteuerliche Suche nach dem Pegacorn. Die Suche führt sie in ein Dorf, in dem ein Fluch auf den Bewohnern liegt, dessen Ursprung ein Zauberer in Nightwings Feder erkennt. Mithilfe dieser Fährte spüren sie den vermissten Pegacorn auf. Doch was hat Nightwing mit dem Fluch des Dorfes zu tun? Und warum setzt Annabell ihr Leben für ein fremdes Einhorn aufs Spiel?
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Seitenzahl: 120
Veröffentlichungsjahr: 2024
C. O. Hagen
Nightmane
Im Bann der sieben Ringe
Nightmane: Im Bann der sieben Ringe
© C. O. Hagen, November 2024
C. O. Hagen
c/o WirFinden.Es
Naß und Hellie GbR
Kirchgasse 19
65817 Eppstein
Korrektorat: Dominique Daniel, Inh. „Korrektorat Rechtschreibretter“ Gesamtgestaltung: saje design, www.saje-design.de Druck und Vertrieb: tredition GmbH
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C. O. HAGEN
IM BANN DER SIEBEN RINGE
Cover
Halbe Titelseite
Urheberrechte
Titelblatt
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Anhang
Über den Autor
Cover
Urheberrechte
Titelblatt
Kapitel 1
Kapitel 15
Cover
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1
In Gedanken versunken, blickte Takeshi von seinem Posten im Baum zum Vollmond am Nachthimmel hinauf. Das Mondlicht erleuchtete das Land fast taghell und färbte die umliegenden Wiesen silbern, wenn er sich nicht gerade hinter einer der vorbeiziehenden Wolken versteckte. Eine leichte Brise raschelte in den Blättern. In der Ferne heulte ein Wolfsrudel. Dann und wann drang der Schrei eines Kauzes zu Takeshi durch.
Doch das alles nahm Takeshi gelassen. Zum einen hatte er schon genug solcher Nächte erlebt, um zu wissen, dass es keinen Grund zur Aufregung gab, höchstens zur Vorsicht. Zum anderen war ihm klar, dass Wölfe nicht auf Bäume klettern. Also konnte er sich ganz dem Mond und den Wolken widmen.
Da riss ihn ein langsam blinkendes gelbes Licht am Himmel aus seinen Gedanken. Schnell nahm Takeshi seine Taschenlampe aus der Westentasche und gab Antwort. Auf das Lichtzeichen hin drehte Nightwing noch eine Runde um den Platz, ehe er sanft am Waldesrand landete.
Nightwing war eine prachtvolle Erscheinung, ein großer und kräftiger Pegacorn Hengst, ein Einhorn mit den Flügeln eines Pegasus, schwarz wie die Nacht selbst. So Ehrfurcht gebietend wie ein wahrer König. Das kurze gewundene Horn über seinen Augen glänzte, als bestünde es aus schwarzen Perlen. Der einzige Makel an ihm war eine große Narbe, die quer über seine ganze Brust verlief. Auf seinem Rücken trug er einen speziellen Sattel für Flugtiere, an dessen hinterem Ende Satteltaschen befestigt waren, die sich jetzt unter Nightwings angelegten Flügeln verbargen.
Takeshi sprang vom Baum hinunter. Dank seiner eigenen Flügel konnte er genauso leicht und sicher landen wie Nightwing, denn er war ein Tengu, halb Mensch, halb Krähe. Sein Gesicht wurde von einem großen Schnabel beherrscht und war von schwarzen Federn bedeckt. Die Arme und Beine endeten in Vogelkrallen. Takeshi trug einen dunkelblauen Overall, dazu eine olivgrüne Weste mit vielen Taschen und einen Helm, der seinen Kopf umschloss. Zwar machte der Tengu einen eher schmächtigen Eindruck, doch das wusste er zu seinem Vorteil zu nutzen.
»Wie ist es gelaufen?«, fragte Takeshi krächzend.
»Superleicht«, erwiderte Nightwing.
»Konnte ja nicht ahnen, dass die Herzogin zur Kur ist und ihren gefräßigen Neffen als Schlosssitter eingesetzt hat.«
»So wie bei dem verreisten Baron und seiner schokoladeversessenen Nichte? Ich habe Stunden gebraucht, um die ganzen Flecken aus meinem Fell zu bekommen. Der Bursche heute konnte die Limonade nicht wegstellen.«
»Es war ja das letzte Mal. Krah. Wenn die Ausbeute stimmt.«
Nightwing streckte seinen rechten Flügel vor und gab die prallvolle Satteltasche preis. Takeshi öffnete sie und sah unzählige Goldstücke sowie herrlichste Edelsteine im Mondlicht glänzen. Für einen Moment schien es, als würde der Tengu mit seinem Schnabel extrabreit grinsen.
Plötzlich trat Nightwing einen großen Schritt zur Seite. Durch den Ruck verlor Takeshi beinahe sein Gleichgewicht.
»Wir werden erwartet«, erinnerte Nightwing ihn mit einem schelmischen Unterton.
Takeshi stieg in den Sattel und hielt sich an den Griffen fest.
Mit nur wenigen Flügelschlägen erhoben sich Ross und Reiter wieder in den Nachthimmel. Beim rasanten Aufstieg, löste sich eine Feder von Nightwings Flügel, die vom Wind davongetragen wurde.
Viele Stunden tanzte die Feder in der Luft übers Land, bis sie beim Anbruch des neuen Morgens in einem kleinen Tal zu Boden sank, wo sie sich in den Zweigen eines Busches verfing.
2
Wie jeden Morgen ging Nightmane durch den dichten Wald zu einer kleinen Lichtung, um zu trinken und sich im spiegelnden Wasser des Teiches zu betrachten. Sie war sehr zierlich und besaß eine Anmut, wie man sie sonst nur von Schwänen kannte, die auf Teichen dahinglitten. Ihr Fell strahlte weiß wie feiner Meeresschaums. Im Kontrast dazu schimmerten ihre Mähne und ihr Schweif im Morgenlicht seidenschwarz wie die Federn eines Raben, was ihr perlmuttfarbendes, kurzes gewundenes Horn noch betonte.
Die Schönheit eines Einhorns vermochte jeden in ihren Bann zu schlagen, nicht einmal es selbst konnte sich widerstehen. Auch Nightmane machte da keine Ausnahme und konnte sich an ihrem Spiegelbild einfach nicht sattsehen. Als sie sich so darin verlor, kam ihr eine Idee. Ihr Horn begann bläulich zu leuchten und sogleich erfüllte ein prächtiges Farbenfunkeln, wie von einem sprühenden Feuerwerk, die Luft um sie herum und verlieh ihrer Gestalt den regenbogenfarbenen Schein von poliertem Opal.
»Nightmane!«
»Mama!«
Vor Schreck verlor Nightmane die Kontrolle über den Farbenzauber. Dieser explodierte in einem grellen Lichtblitz, der tief zwischen die Bäume drang und alles blendete.
Langsam erholten sich ihre Augen von dem Blitz und Nightmane konnte ihre Mutter Lyra deutlich vor sich sehen. Nightmane war ihr wie aus dem Gesicht geschnitten. Natürlich war Lyra ein gutes Stück größer als ihre heranwachsende zweijährige Tochter, die sich für Einhornverhältnisse im besten Teenageralter befand und im Laufe der Jahre hatte sich ihr Fell im Vergleich ein klein wenig verdunkelt, sodass Lyra von Kopf bis Huf im Weiß frischen Schnees bei Nacht leuchtete. Leider war ihr Horn abgebrochen und nur noch etwa ein Drittel seiner einstigen Länge vorhanden. Zwar hatte es schon begonnen sich zu erneuern, jedoch waren erst nur einige Zentimeter nachgewachsen.
Mit sanfter, doch merklich verstimmter Stimme fragte Lyra: »Was hatten wir zu ›hübsch, aber auffällig‹ besprochen?«
»Frag erst die Vögel, ob was Gefährliches in der Nähe ist«, antwortete Nightmane reuevoll. In diesem Moment hörten beide den Schrei eines Milans, der ihnen Entwarnung gab.
»Tja, hast noch mal Glück gehabt. Nichtsdestotrotz, du musst vorsichtig und konzentriert sein beim Zaubern. Vor allem dann, wenn du es mit einem neuen Zauber versuchst. Denk an deine Tante Seraphina. Ohne dieses fliegende Rentier säße sie heute noch am Südpol fest. Dabei wollte sie nur ein paar alte Äpfel auffrischen. Und im Gegensatz zu dir hat sie nicht die Kraft des Pegasus.«
»Ich werde vorsichtiger sein.«
»Das kannst du gleich beweisen. Komm, es wird Zeit für den Unterricht.« Kaum hatte sich Lyra umgewandt, warf Nightmane noch schnell einen letzten Blick in den Teich, um zu sehen, ob ihre Mähne noch richtig saß, ehe sie zu ihrer Mutter aufschloss.
Nightmane und Lyra lebten in einem kleinen Tal, das durch hohe Felswände von der Außenwelt fast gänzlich abgeschieden war. Nur da, wo der Fluss die Felsen zerschnitten hatte, gelangte man hinaus. So geschützt, konnte sich die Natur an diesem Ort ungestört entfalten.
Als sie nach einem kurzen Stück Weg eine andere Lichtung erreichten, ließ ein Rascheln im Unterholz die zwei Einhörner innehalten. Grunzend trat ein Wildschwein auf die Lichtung, erwies den beiden mit einem kurzen Kopfsenken seinen Respekt und verschwand sogleich wieder auf der anderen Seite im Unterholz. Lyra führte Nightmane zu den Spuren des Schweins.
»Also, wie spürt man ein Lebewesen auf beziehungsweise ihm nach?«
»Meistens mit Riechen, Hören und Sehen.«
»Stimmt, aber wir Einhörner haben noch eine Technik.«
»Welche denn?«
»Nun, neben solchen Spuren wie hier, hinterlassen alle Lebewesen eine Spur, die von ihrer Lebenskraft stammt. Wir nennen es ›Aurafährte‹. Der kann man aber nicht so leicht folgen. Ich zeig’s dir.«
Unter sichtlicher Konzentration und Anstrengung begann Lyras gebrochenes Horn zu leuchten. Es flackerte wie eine Kerze im Sturm und gelegentlich schossen kleine Funken heraus. Nightmane konnte spüren, wie der Zauber auf sie übergriff. Eine Art feiner grünlicher Nebel, der auf der Spur des Wildschweins lag, wurde sichtbar. Doch als sie einen Schritt darauf zuging, verschwand der Nebel plötzlich. Lyra hatte den Zauber beendet und schnaufte wie nach einem gestreckten Galopp. Die Anstrengung, Magie durch ihr beschädigtes Horn zu leiten, verlangte seinen Preis.
»Mama?«
»Schon gut … ich muss nur … Luft holen … Es ist ein … einfacher Zauber … Aber jemanden mit einzubeziehen, ist eben … noch was anderes. Wo waren wir? Ach ja. Dieser Zauber erleuchtet die Aurafährten für uns. Wie ein Sonnenstrahl, der durch die Wolken dringt. Ansonsten gelten im Wesentlichen dieselben Regeln wie für Gerüche, nur dass man Aurafährten auch unter widrigen Umständen und sogar durch den Himmel folgen kann.«
Nightmane kicherte, als sie sich ausmalte, wie ein fluguntüchtiges Einhorn das »Folgen durch den Himmel« wohl damit bewerkstelligte, dass es mit den Vorderbeinen schlug.
Lyra fuhr fort: »Für den Anfang wird es aber reichen, das Wildschwein zu finden.«
Nightmane machte es ihrer Mutter nach. Beim ersten Versuch geschah nichts. Beim zweiten zeigten sich schon erste vage Konturen, die immer mehr an Substanz gewannen, bis sich die Aurafährte völlig zeigte.
»Ich habs geschafft!«, freute sie sich riesig über ihren kleinen Erfolg.
»Gut und nun hinterher.«
Nightmane folgte der Fährte des Schweins in den Wald, die um Steine, unter Baumstämmen durch und gelegentlich im Kreis führte. So kamen sie zu einem Bach an dem viele Tiere ihren Durst löschten, entsprechend viele Fährten leuchteten hier im Schein des Zaubers auf, von Rehen, Luchsen, Vögeln und vielen anderen Waldbewohnern. Auf der Suche nach der des Wildschweins bewegte Nightmane den Zauber langsam über das Gelände wie ein Suchlicht. Dabei streifte sie einen Busch in dessen Zweigen eine große schwarze Feder hing, die im Zauberschein glitzerte.
Schnell schwenkte sie zurück zur Feder, deren Aura sich in einer Spirale in die Luft hob. »Äh, soll das so glitzern?«
Etwas verwundert sah sich Lyra die Aurafährte nun selbst an. Sie war wirklich anders als alle anderen hier. Sie hatte ein silbernes Glitzern, wie Sterne, die durch Wolkenschleier funkelten.
Mit einem Mal erschrak Lyra zutiefst. Zu Nightmanes Überraschung stürmte ihre Mutter zu der Feder und schnupperte ausgiebig daran.
»Kein Zweifel.« Mit einem Ausdruck aus Staunen, Erleichterung und überwältigender Freude wandte sich Lyra zu Nightmane. »Diese Feder ist von Nightwing, deinem Vater. Er lebt!«
»Wirklich?« Nightmane konnte es kaum fassen.
»Wenn ich es dir doch sage.« Überschwänglich umarmten sich Mutter und Tochter auf ihre Art. »Ich kann es ja selbst kaum glauben, nach allem was war. Doch es ist wahr.«
»Was machen wir jetzt? Gehen wir ihn suchen?«
»Immer langsam mit den jungen Einhörnern. Ich muss erst mal meine Nerven beruhigen. Komm, wir gehen zu dem richtig guten Klee.«
Da ließ sich Nightmane nicht zweimal bitten. Doch zuvor nahm sie sich mit einem Schwebezauber die Feder und ließ sie hinter ihr Ohr in die Mähne gleiten.
Den Rest des Tages verbrachten die beiden im Klee. Lyra wurde nicht müde, von Nightwing und seinen Taten zu erzählen, und auch wenn sie die ein oder andere Geschichte schon bestens kannte, hörte Nightmane aufmerksam zu.
Gegen Abend suchten sie einen Hang auf und betrachteten zum Ausklang des Tages die goldenen Wolken am Himmel, die von den letzten Strahlen der untergehenden Sonne erhellt wurden.
»Sag mal, Mama, wie sollen wir Papa am besten suchen?«
Lyra seufzte. »Gar nicht.«
Nightmane konnte nicht glauben, was ihre Mutter da sagte. »Was? Warum nicht?«
»Hör mir gut zu. Ich habe sehr gründlich darüber nachgedacht. Ich liebe dich und deinen Vater über alles. Aber die Wahrheit ist, dass keine von uns dieses Tal verlassen kann. Die Welt ist im Grunde ein guter, aber auch ein harter Ort, wo Gefahren lauern, vor denen sich selbst ein Drache hüten muss. Du bist zu unerfahren und unwissend, um ihnen alleine zu begegnen und ich bin mit meinem gebrochenen Horn nicht imstande, dich besser zu schützen.« Nightmanes Blick fiel kurz auf Lyras gebrochenes Horn.
»Papa kann uns doch schützen«, entgegnete Nightmane hoffnungsvoll. »Wenn er nicht in der Nähe wäre, könnte seine Feder doch nicht hier sein.«
»Nähe ist relativ. Er muss die Feder im Flug verloren haben, sie kann ewig im Wind getrieben sein. Und beim Fliegen überwindet man große Strecken recht schnell. Also weiß nur der Himmel, wo er jetzt steckt.«
»Die Vögel können uns doch helfen.«
»Auch die schärfsten Adleraugen erkennen bei Weitem nicht alles.« Wieder seufzte Lyra. »Ich ahne, was in dir vorgeht. Jedoch habe ich alles durchdacht und hier ausharren ist und bleibt unsere beste Möglichkeit.«
Für Nightmane hätte Lyra nichts Niederschlagenderes sagen können.