Nights on Ice - Thorid Larsson - E-Book

Nights on Ice E-Book

Thorid Larsson

0,0
4,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Alte Wunden heilen schwer, doch kann wahre Liebe sie überwinden?
Eine gefühlvolle Sports Romance über neue Möglichkeiten und Neuanfänge

Sieben Jahre nach dem enttäuschenden Winterball an der Highschool treffen Penny Fernandez und Jonah Bennett wieder aufeinander. Penny ist nun die talentierte Maßschneiderin bei Silverstuff und näht traumhafte Abendmode, während der einst aufstrebende Eishockeyspieler nach einem geplatzten NHL-Traum in seine Heimatstadt Mount Silver zurückkehrt. Jonah muss sein Image aufpolieren und wird zum Model für Silverstuff – und genau hier begegnet er Penny erneut. Die Funken sprühen, alte Gefühle erwachen. Doch Missverständnisse und verletzte Herzen stehen ihnen im Weg. Wird Jonah es schaffen, Pennys Vertrauen zurückzugewinnen und eine zweite Chance bei ihr zu bekommen?

Erste Leser:innenstimmen
„Eine tiefgründige und emotionale Liebesgeschichte!“
„Thorid Larsson schafft es, die Spannung und das Knistern zwischen den beiden perfekt einzufangen.“
„Die Rückkehr in die Heimatstadt, das Wiedersehen mit einer verflossenen Liebe – einfach perfekt!“
„Eine berührende Mischung aus Romantik, Missverständnissen und der Frage, ob man den Mut hat, alte Wunden zu heilen.“

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 347

Veröffentlichungsjahr: 2024

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Über dieses E-Book

Sieben Jahre nach dem enttäuschenden Winterball an der Highschool treffen Penny Fernandez und Jonah Bennett wieder aufeinander. Penny ist nun die talentierte Maßschneiderin bei Silverstuff und näht traumhafte Abendmode, während der einst aufstrebende Eishockeyspieler nach einem geplatzten NHL-Traum in seine Heimatstadt Mount Silver zurückkehrt. Jonah muss sein Image aufpolieren und wird zum Model für Silverstuff – und genau hier begegnet er Penny erneut. Die Funken sprühen, alte Gefühle erwachen. Doch Missverständnisse und verletzte Herzen stehen ihnen im Weg. Wird Jonah es schaffen, Pennys Vertrauen zurückzugewinnen und eine zweite Chance bei ihr zu bekommen?

Impressum

Erstausgabe Oktober 2024

Copyright © 2025 dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Made in Stuttgart with ♥ Alle Rechte vorbehalten

E-Book-ISBN: 978-3-98998-385-4 Taschenbuch-ISBN: 978-3-98998-631-2

Covergestaltung: Verena Kern unter Verwendung von Motiven von shutterstock.com: © Hakase_420, © vi73, © Jacob Lund, © Master1305, © Volodymyr TVERDOKHLIB, © e-salamander, © Ruslan Shevchenko, © Shariq Bukhari, © Krakenimages.com Lektorat: Kerstin Ruhkieck

E-Book-Version 18.02.2025, 12:12:26.

Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Sämtliche Personen und Ereignisse dieses Werks sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, ob lebend oder tot, wären rein zufällig.

Abhängig vom verwendeten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

Unser gesamtes Verlagsprogramm findest du hier

Website

Folge uns, um immer als Erste:r informiert zu sein

Newsletter

Facebook

Instagram

TikTok

YouTube

Nights on Ice

The power of finding beauty in the humblest things

makes home happy and life lovely.

(Louisa May Alcott)

Prolog

… sieben Jahre zuvor …

Penny

Argwöhnisch drehte ich mich vor dem Spiegel hin und her. Meine rabenschwarzen Haare waren auf der linken Seite lose nach hinten geflochten, während sich der Rest meiner dicken Haarpracht lockig über meine nackten Schultern ergoss. Einzelne Strähnen umrahmten mein rundliches Gesicht und gaben ihm die nötige Kontur. Mein Kleid saß eng am Dekolleté und brachte meine Vorzüge durch den herzförmigen Ausschnitt zur Geltung.

Der roséfarbene Stoff, der über und über mit kleinen silbernen Schneeflocken bestickt war, passend zum Motto Nights On Ice, harmonierte perfekt mit meinem dunklen Haar. Das tellerförmige Rockteil, welches mit mehreren Lagen von glitzerndem Tüll unterlegt war, kaschierte meine runden Hüften und die für meinen Geschmack zu wenig festen Oberschenkel.

Ich drehte mich im Kreis, sodass der ausladende Rock wie der einer Ballerina – nein, wie der einer Prinzessin – mitschwang. Es saß perfekt. Eine winzige Träne stahl sich aus meinem Augenwinkel, weil ich selbst kaum glauben konnte, dass ich das Mädchen im Spiegel war.

Ich, Penny Fernandez, das leicht pummelige Mädchen, das einfach da war, für das sich aber niemand sonderlich interessierte. Das Mädchen, das von den meisten nur als mäßig helle, aber dafür als umso seltsamer mit ihren selbstgenähten Klamotten und dem verträumten Blick abgestempelt wurde. Doch ausgerechnet Jonah Bennett hatte bemerkt, dass ich mehr als das war. Aus einer Partnerarbeit im Chemieunterricht war eine kurze Unterhaltung in der Pause geworden. Aus der Unterhaltung wurde eine gemeinsame Recherche in der Bibliothek zu einem Geschichtsprojekt, bei der wir mehr quatschten, als arbeiteten. Es waren Belanglosigkeiten, doch sie zeigten mir, dass Jonah auch nur ein Mensch war. Ein verdammt netter sogar. Ein knappes Lächeln hier, ein paar freundliche Worte dort, es war nicht viel, doch das sollte sich ändern. Denn niemand Geringeres als Jonah Bennet hatte mich auf den Winterball eingeladen. Also na ja, eingeladen war vielleicht übertrieben, aber er hatte gesagt: »Hey Penny, kommst du mit zum Winterball?«

Und ich hatte in coolster Manier geantwortet, obwohl ich kurz davor gewesen war, mir in die Hose zu machen: »Klar, warum nicht.« Er hatte mir sein umwerfendes Jonah-Lächeln geschenkt und gesagt: »Cool, dann um sieben im Marshmolly.« Und ich hatte genickt, vielleicht nicht mehr ganz so cool wie zuvor.

Jetzt stand ich hier, in meinem selbstgenähten Promkleid, mit kirschroter Farbe auf den Lippen, die nicht nur im krassen Gegensatz zu meinem hellen Kleid stand, sondern mich außerdem zu einer unwiderstehlichen Femme fatale machte, darauf wartend, dass meine Mamá mich und meine beste Freundin Kim ins örtliche Diner fuhr, wo Jonah mich abholen wollte. Die Zeiten, in denen der junge Mann in einer Limo vorfuhr und die Tochter samt Blumenanstecker abholte, waren von gestern. Heutzutage traf man sich eben ganz locker im Diner, um von dort aus gemeinsam den Weg anzutreten.

Mamá schien sichtlich überrascht ob dieser Entwicklung, ich hatte es ihr genau angesehen, auch wenn sie versucht hatte, es zu verbergen, doch das war mir egal. Denn Jonah Bennett, Star der U-18 Silver Crows, wollte, dass ich mit ihm und seinen Freunden auf den diesjährigen Winterball ging. Und das war schließlich alles, was zählte.

Papa pfiff anerkennend, als er mich sah. »Himmel steh mir bei, ob ich mein kleines Mädchen so gehen lassen kann?«

Ich rollte mit den Augen, bevor ich ihm einen Kuss auf die Wange gab. Er zwinkerte mir zu und ich konnte ihm einfach nicht böse darüber sein, dass er manchmal vergaß, dass ich nicht mehr sein kleines Mädchen war.

»Wo sind denn dein Mantel und deine Mütze?«, fragte er noch, doch da war ich schon zur Tür hinaus. Bestimmt würde ich mein hübsches Kleid nicht mit meinem dicken Daunenmantel verschandeln. Das kurze Lederjäckchen mit Kunstpelzkragen musste leider reichen.

Darauf bedacht, den zarten, empfindlichen Tüll nicht in der Tür einzuklemmen, stieg ich in unseren alten Ford. Bereits jetzt merkte ich, dass es beachtlich kühl in meinem offenherzigen Dekolleté wurde, dabei war es für Dezember dieses Jahr erstaunlich mild. Hieß, das Thermometer war noch kein einziges Mal unter die Null Grad gefallen, sondern stets knapp darüber geblieben. Immerhin waren meine Füße warm, die in robusten Dr. Martens steckten.

Die klobigen schwarzen Stiefel warteten schon seit einigen Monaten darauf, von mir ausgeführt zu werden, und ich hatte beinahe mein gesamtes Erspartes dafür ausgegeben, aber bisher hatte ich nicht den Mut gehabt, solch auffälliges Schuhwerk zur Schau zu tragen. Doch nun war der richtige Tag gekommen. Sie gaben meinem verträumten Outfit den allerletzten Schliff. Denn heute war ich nicht die seltsame, mollige Penny, sondern Penny, die verruchte Sexbombe.

Mamá, der ich mein Aussehen aufgrund ihrer spanischen Herkunft zu verdanken hatte, nur dass sie im Gegensatz zu mir nicht klein und rundlich war, sondern mittelgroß mit Kurven an den richtigen Stellen, bremste abrupt vor dem großen Einfamilienhaus ab, in dem meine Freundin Kim wohnte.

Kim war zwar äußerlich das krasse Gegenteil von mir und besaß keinerlei Rundungen, doch da sie genauso eigenbrötlerisch war wie ich, was bedeutete, dass sie sich nicht in den Vordergrund drängte wie die meisten unserer Mitschülerinnen, hatten wir eine Art Zweckgemeinschaft gebildet.

Aus der Zweckgemeinschaft war Freundschaft geworden, obwohl wir nicht unterschiedlicher als Tag und Nacht hätten sein können. Während ich sämtliche Kommentare meiner Mitschüler über mich ergehen ließ, hatte Kim für jeden eine selbstbewusste Antwort parat. Während ich mir wünschte dazuzugehören, war es ihr völlig egal, eine Einzelgängerin zu sein. Während ich alles liebte, was kreativ war, blätterte Kim in ihrer Freizeit lieber in unendlich dicken Wälzern. Trockene Themen vom Gesetzestext bis hin zu geschichtlichen ellenlangen Abhandlungen waren genau ihr Ding. Und trotzdem. Wir verstanden uns beinahe wortlos.

Auch jetzt brauchte sie nur zu grinsen und ich wusste ganz genau, dass dieses anerkennende Lächeln mir und meinem Ballkleid galt. Sie trug wie immer enge Jeans und darüber einen ausladenden Parka. Mein Versuch, sie zu überreden, mit auf den diesjährigen Winterball zu kommen, der erste und letzte unseres Senior Years, war kläglich gescheitert. Aber immerhin hatte sie sich erbarmt, mit mir im Diner zu warten, bis ich abgeholt werden würde.

Kims nussbraunes Haar war zu zwei Zöpfen geflochten, die unter einer putzigen Pudelmütze hervorlugten. Sie sah süß und arglos aus und man vermutete hinter ihrem unschuldigen Äußeren definitiv keinen messerscharfen Verstand oder gar eine spitze Zunge.

Glücklicherweise wären wir die Horde an selbstverliebten Muskelprotzen und perfekt frisierten und manikürten Cheerleadern bald los, da es nicht mehr lange dauerte, bis der Ernst des Lebens anfing. Noch gut ein halbes Jahr und wir hätten den Abschluss in der Tasche. Dann würde die Zeit anbrechen, in der Beliebtheit hoffentlich nicht danach definiert wurde, wie viele Kilos die Waage anzeigte oder ob man seine Freizeit lieber mit alten staubigen Büchern oder einer Nähmaschine verbrachte, die älter als man selbst war, anstatt mit dem Strom zu schwimmen.

Meine Mutter grinste in den Rückspiegel zu Kim. »Gut siehst du aus, Querida.« Dafür liebte ich meine Mamá. Sie war keine dieser steifen Mütter, die sich von den Freundinnen ihrer Tochter mit dem Nachnamen ansprechen ließ, sondern behandelte Kim wie meine Schwester. Für den konservativen Part war mein Dad zuständig, auch wenn er im Inneren genauso verrückt wie meine Mamá war. Er konnte es nur besser verstecken und hervorragend den steifen Bankangestellten mimen.

Kim lächelte zurück, winkte jedoch mit ihren schlanken langen Händen lässig ab. »Gracias, Carmen, aber an Penny komme ich heute nicht ran.« Grinsend wackelte sie mit dem Bommel ihrer violetten Mütze. »Sie sieht zum Anbeißen aus.«

Sie wippte mit den Augenbrauen und ich lief rot an, da ich mir im Vergleich zu meiner winterlich gekleideten Freundin beinahe etwas freizügig vorkam. Wie immer ließ ich mich viel zu schnell verunsichern, dabei hatte ich eben noch stolz in den Spiegel geblickt.

Gegen halb sieben bremste meine Mutter schließlich vor Mollys Diner, aus dem auch heute ein warmer Lichtschein und der unvergleichliche Geruch von gerösteten Marshmallows und saftigen Burgern drang. Da die zwei einzigen Parkplätze vor dem Diner belegt waren, hielt Mamá einfach mitten auf der Straße, unbeeindruckt davon, dass die anderen Fahrer und Fahrerinnen hinter uns bereits genervt hupten. Sie hatte sogar noch die Nerven, mir einen Kuss auf die Wange zu hauchen und eine kleine Folienverpackung zuzustecken. Oh Gott, Mamá, wirklich?

»Hier, mein Schatz, denk immer daran, ich liebe dich von ganzem Herzen und ich habe nie bereut, dich bekommen zu haben, aber trotzdem musst du es deiner alten Mamá nicht nachtun und noch vor der Hochzeit schwanger werden.«

Komplett verstört verstaute ich das mir dargereichte Kondompäckchen in meiner ledernen herzförmigen Umhängetasche, als Kim endlich die Beifahrertür aufriss und mich aus der peinlichen Situation befreite. Das Rouge hätte ich mir definitiv sparen können, denn ich war mir sicher, dass mein Gesicht krebsrot angelaufen war.

Schnell schnallte ich mich ab und sprang aus dem Auto. Den gut gemeinten Ermahnungen meiner Mutter setzte ich mit dem schnellen Knallen der Autotür ein vorzeitiges Ende. Bevor sie das Fenster herunterlassen konnte, um mich in aller Öffentlichkeit zu blamieren, griff ich nach Kims Hand und zerrte sie hinter mir her ins rettende Innere vom Marshmolly.

Außer ein paar Jugendlicher, die in einer der bequemen ledernen Sitznischen saßen und Milchshakes tranken, war nicht viel los. An Tagen wie heute, wenn die Highschool ihr Winterwunderland für den Ball präsentierte, war halb Mount Silver auf den Beinen, um mit anzupacken. Nicht nur zahlreiche Eltern und größere Geschwister hatten sich angeboten, als Aufsicht zu fungieren – meine zum Glück nicht –, sondern auch der lokale Handel unterstützte den Ball durch Spenden von Essen und Getränken.

Kim und ich rutschten in eine der Sitzbänke, von der wir nicht nur die Straße, sondern auch die Tür perfekt im Blick hatten. Molly höchstpersönlich kam an unseren Tisch, um unsere Bestellung aufzunehmen. Sie lächelte uns warmherzig an und murmelte etwas wie: »Was würde ich doch dafür geben, noch einmal jung zu sein …«

Kim bestellte Mollys berühmten Popcorn-Milchshake, der noch mit kandierten Haselnüssen und Salted-Caramell-Soße getoppt wurde. Fragend schaute Molly mich an, doch ich schüttelte nur ermattet den Kopf. Ich war einfach viel zu aufgeregt, um irgendwas herunterzukriegen. Außerdem hatte ich viel zu große Angst, dass ich im letzten Moment mein Kleid bekleckern würde.

Der kleine Zeiger der Uhr wanderte immer weiter Richtung sieben, während Kim unter lautem Schlürfen an ihrem Milchshake nuckelte. Zehn vor sieben, fünf vor sieben. Draußen in der schwachen Beleuchtung der Straßenlaternen liefen bereits Grüppchen an kichernden, aufgerüschten Teenagern vorbei, von denen mir das ein oder andere Gesicht bekannt vorkam. Doch Jonah und seine Freunde waren nicht dabei.

Kim, die bereits genüsslich ihren zweiten Milchshake inhalierte, schob mir nur wortlos ihr Glas hinüber und ich nahm nun doch einen Schluck des eisgekühlten süß-salzigen Getränks. Der Zucker, der sogleich durch meine Venen rauschte, sorgte jedoch nur dafür, dass ich noch nervöser wurde. Sieben Uhr. Nichts passierte, kein Jonah weit und breit. Fünf nach sieben, zehn nach sieben. Kims zweiter Milchshake war beinahe bis auf einen letzten Rest Schaum leer. Nervös rutschte ich neben ihr auf der dunkelroten abgewetzten Bank hin und her. Und dann ging die Tür auf.

Ich hob meinen Blick – und sah ihn. Ich schaute mitten in seine grünen Augen, in denen kleine goldene Sprenkel leuchteten, wie in den Iriden einer geheimnisvollen Katze. Sein Mund verzog sich zu einem zaghaften Lächeln, während er mit seiner Hand durch das etwas längere blonde Haar strich, das so kunstvoll verstrubbelt war, dass ich mir nicht sicher war, ob er es stundenlang in Form gebracht hatte, oder ob es einfach von selbst so dermaßen natürlich und doch systematisch zerzaust war.

Neben ihm lief ein Typ, der im Vergleich zu Jonah wie ein riesiger Schrank aussah und den ich noch nie gesehen hatte – wahrscheinlich ein Kumpel vom Eishockey. Als ich die zwei Mädels dahinter erblickte, wurde mir schlagartig schlecht.

Eine von ihnen war ausgerechnet Harlow Collins. Sie trug ein bronzefarbenes Kleid, das sich wie eine zweite Haut an ihren Körper schmiegte. Ihr braunes Haar mit den blonden Strähnen war lang und seidenglatt und schien im Luftzug zu flattern, den sie von draußen mitgebracht hatten. Und damit nicht genug. Sie war nicht nur wunderhübsch, ich wusste, dass sie auch in jedem Fach gute Noten schrieb. Obwohl ich stets den Eindruck hatte, dass sie alles andere als eine Streberin war – im Gegenteil, sie nahm an zahlreichen außerschulischen Aktivitäten teil und mit einem Buch in der Hand hatte ich sie noch nie angetroffen –, war sie eine absolute Musterschülerin. Die Lehrer und Lehrerinnen liebten es, sie in ihren Kursen zu haben. Ich hingegen konnte sie nicht ausstehen – und das lag nicht daran, dass ich vielleicht manchmal ein wenig neidisch darauf war, dass für sie alles so mühelos erschien.

Das andere Mädchen kam mir nur vage bekannt vor und ich glaubte, sie in der Schule schonmal gesehen zu haben. Daneben lief noch ein Typ, den ich nicht kannte, sowie Noel und Joel, Zwillinge und unsere Stufenclowns, vor denen niemand sicher war. Vor denen ich nicht sicher war. Ausgerechnet die beiden.

Ich straffte die Schultern und warf Kim einen fragenden Blick zu, die sowohl von Harlows als auch von der Anwesenheit der Zwillinge nicht sonderlich begeistert wirkte. Verständlich. Wann immer sich die Gelegenheit bot, die drei ließen kein gutes Haar an uns. Doch heute, wenn sie erst einmal sahen, dass Jonah mich eingeladen hatte, hätte alles ein Ende.

Er sah in dem dunkelblauen, eng sitzenden Anzug und dem weißen Hemd einfach zum Anbeißen aus. Jeder einzelne seiner Muskeln kam perfekt zur Geltung, ohne dass der Stoff angeberisch spannte. Und dann hob er den Kopf und sah mir mitten in die Augen.

Jonah

Da war sie, Penny Fernandez. Und sie sah einfach umwerfend aus. Im Gegensatz zu sonst hatte sie sich nicht unter übergroßen Klamotten versteckt, nein, sie funkelte wie ein Eiskristall. Ich verstand nicht, warum sie sich in der Schule so abschottete, denn es gab wahrlich nichts zu verbergen. Sie war liebenswürdig, kreativ und verdammt wunderhübsch war sie auch noch. Konnte denn nur ich das sehen?

Auch jetzt schaute sie beschämt zur Seite und flüsterte ihrer besten Freundin Kim etwas ins Ohr. Ich war bereits drauf und dran, auf die beiden zuzustürmen, als ich aus dem Augenwinkel ein hämisches Grinsen auf dem Mund von Noel sah. Er beugte sich zu Joel und gerade noch rechtzeitig erhaschte ich den Blick auf eine unauffällige Braunglasflasche, die er mit den Worten »… damit schafft sie es definitiv nicht rechtzeitig bis zur Toilette …« zurück in seine Anzugtasche gleiten ließ.

Harlow war beschäftigt damit, sich an mich zu drängen. Viel zu eng, dafür dass wir lediglich als Freunde hier waren. Gleichzeitig fragte ich mich, wie sie wohl reagieren würde, wenn sie mitbekam, dass ich für heute schon ein Date hatte. Eigentlich, denn als ich mich erneut zu den Zwillingen drehte, die dreinschauten, als könnte sie kein Wässerchen trüben, dabei jedoch Penny ungeniert musterten, machte es Klick. Die Zahnrädchen in meinem Kopf rasteten so laut ein, dass ich mir sicher war, dass das knackende Geräusch im ganzen Diner zu hören wäre. Holy Shit. Was hatte ich mir nur dabei gedacht, die Zwillinge in meinen Plan einzuweihen? Wie war ich bloß darauf gekommen, dass sie es einfach akzeptieren würden, wenn Penny mit uns käme? Mein Herz begann wie verrückt zu wummern und ein feuchter Film bildete sich unter meinem maßgeschneiderten Anzug. Der Kragen meines perfekt sitzenden Hemdes war plötzlich viel zu eng und schnürte mir die Luft ab. Panik machte sich in mir breit. Nein, es war die nackte Angst, weil ich keine Ahnung hatte, wie ich auf die Schnelle verhindern könnte, dass Penny zum Opfer von Noels und Joels Streichen wurde.

Harlow trippelte unruhig auf der Stelle und zog eine Schnute. »Was machen wir hier überhaupt? Und wieso winkt Fettnandez dir?«

Und Joel - oder war es Noel – ergänzte: »Wahrscheinlich will sie ihm ihr XXL-Tutu präsentieren!«

Harlows Kichern und das ihrer Freundin gellte in meinen Ohren und auch Alaric, mein Kumpel vom Eishockey, musste sich ganz offensichtlich ein Lachen verkneifen. Am liebsten hätte ich erst Alaric und dann Harlow am Kragen aus dem Diner geschleift, um anschließend den Zwillingen ihr Abführmittel selbst zu verabreichen. Da sie jedoch die Söhne unseres Hauptsponsors waren, war dies keine Option. Um ihnen die Freundschaft zu kündigen, war es zu spät. Ich hatte nicht nur mich, sondern auch Penny in die Scheiße geritten – im wahrsten Sinne des Wortes.

Die Zwillinge liefen bereits mit einem diebischen Grinsen in den unschuldigen Gesichtern auf Penny und Kim zu, während ich immer noch da stand wie zu Eis erstarrt. Mir blieben wahrscheinlich nicht einmal mehr fünf Sekunden, um zu handeln. Um Penny vor den Menschen zu beschützen, die ich meine Freunde nannte. Und das tat ich.

»Wer hat denn die beiden Freaks hierher bestellt?« Der ungläubige Blick auf Pennys Gesicht brannte sich in meinem Kopf ein und der schmerzvolle Ausdruck in ihren schönen dunklen Augen bohrte sich direkt in mein Herz. »Und vielleicht sagt ihnen mal jemand, dass das hier ein Dorf-Diner und nicht Disneyworld ist.«

Jetzt gab es kein Zurück mehr. Beinahe konnte ich sehen, wie ihr schönes rosarotes Herz aus ihrer Brust purzelte, auf den Boden knallte und zu tausenden Splittern zerschellte. Ich hasste mich für meine Worte und noch mehr hasste ich mich dafür, dass ich schuld daran war, dass es so weit hatte kommen müssen. Kim schaute mich fassungslos an, Hass loderte in ihren sonst so gelassenen Augen.

Dann hörte ich Mollys Stimme, die nichts mehr von der Wärme bereithielt, die sie normalerweise ihren Gästen entgegenbrachte. »Wenn ihr nichts essen oder trinken wollt, dann geht ihr besser. Wie ihr gerade selbst festgestellt habt, ist das hier ein Diner.«

Harlow warf den beiden Mädchen einen letzten abschätzigen Blick zu, ehe sie sich bei mir einhakte. »Komm, Jonah«, flötete sie, »lass uns endlich hier abhauen.« Und ich, ich spielte das Spiel mit und marschierte hoch erhobenen Hauptes aus dem Laden. Ich ignorierte Noels lautstarkes Gemecker, dass ich ihnen den Spaß verdorben hatte, und tat so, als wäre das hier von Anfang an mein scheiß Plan gewesen. Die Tür des Diners fiel krachend ins Schloss, doch ich hatte nicht nur meine Würde, sondern auch mein Herz in den hellerleuchteten vier Wänden des Marshmollys zurückgelassen.

Kapitel 1

… Heute …

Jonah

Da war ich wieder. Back in der Walachei, in good old Mount Silver. Nun ja, ob es gut war, die Frage stellte sich mir noch.

Jahrelang hatte ich mir den Arsch aufgerissen, hatte nach einer Saison die Silver Crows verlassen, um mein Glück an der Ostküste zu finden. Ich hatte große Pläne gehabt, nein, nicht große, überambitionierte würde es wohl eher treffen, und ich hatte tatsächlich geglaubt, meine Ziele erreichen zu können. Die NHL war mein Traum gewesen, für den ich einen großen Teil meiner Jugend, so manche Freundschaft und ein normales Leben geopfert hatte.

Im Alter von zarten zwanzig Jahren hatte ich Mount Silver den Rücken gekehrt und war nach Providence gegangen, um in einem Farmteam ausgebildet zu werden und Spielerfahrung zu sammeln. Bei den Bruins hatte ich auf meine große Chance gewartet, entdeckt zu werden, aber das war nicht passiert. Weder bei den Providence Bruins noch bei den Hershey Bears, geschweige denn bei den Colorado Eagles.

Über die American Hockey League war ich nicht hinausgekommen. Die National Hockey League war ein Traum geblieben, die wie eine zu groß geratene Seifenblase zerplatzt war, obwohl ich natürlich überzeugt gewesen war, ihn realisieren zu können.

Ganz vielleicht hatte ich mich damals, jung und dumm, wie ich gewesen war, dazu hinreißen lassen, der Presse zu erzählen, dass ich für Höheres als die ECHL, die East Coast Hockey League – zwar eine professionelle, aber dennoch drittklassige Liga – bestimmt war. Und möglicherweise war ich dementsprechend auch den Fans nicht in allzu guter Erinnerung geblieben, als ich die Ü-18 der Silver Crows nach nur einer Saison verlassen hatte.

Ich war gut gewesen – das war ich immer noch –, doch möglicherweise war mein Verhalten auch mindestens genauso arrogant gewesen. Während meine Kollegen Trikots signiert und Autogramme gegeben hatten, war ich mit Sonnenbrille an ihnen vorbeistolziert und hatte im besten Falle mal ein Foto mit einer wohlproportionierten Blondine gemacht, obwohl die eigentlich so null mein Fall waren, doch der junge, naive Jonah hatte geglaubt, so mit den ganz Großen mitspielen zu können.

Doch diese Starallüren hatten mir leider keinen Zutritt zur NHL verschafft. Ich war es leid gewesen, diverse Ausbildungsteams in der AHL zu durchlaufen, in denen ich nur einer von vielen war. Ich wollte wieder regelmäßig spielen, feiern und gefeiert werden. Und das war der Grund gewesen, warum ich zugesagt hatte, als ich hörte, dass Julien Decoup, der Mann, der mich schon in der Jugend trainierte, nun das Trainerteam des heimischen A-Kaders anführte.

Schnell waren wir uns einig geworden und ich hatte mein Ticket zurück nach Mount Silver gebucht. Und da war ich nun. Bereit für die kommende Saison mit den Silver Crows.

Das Vorbereitungstraining hatte ich zum größten Teil verpasst, worüber ich jedoch nicht allzu unglücklich war. Meinen neuen Mannschaftskollegen würde ich noch früh genug über den Weg laufen. Ausgenommen Mikkel Ingemarsson, ein Schwede, mit dem ich kurze Zeit in Providence gespielt hatte, kannte ich keinen meiner zukünftigen Mitspieler persönlich – vielleicht erinnerte ich mich auch einfach nicht an sie.

Doch immerhin hatten Mikkel und ich damals beinahe so etwas wie Freundschaft geschlossen und er war ein lustiger Zeitgenosse, der mir keine Probleme bereiten würde. Also konnte ich nur hoffen, dass die Einwohner und Einwohnerinnen Mount Silvers mein Verhalten von damals vergessen hatten und meine neuen Kollegen mir eine Chance geben würden. Das Wichtigste war schließlich nicht mein Charakter, sondern mein Talent, den Puck ins Tor zu befördern.

Heute aber würde ich den letzten freien Tag genießen. Um den Rest konnte ich mir morgen Gedanken machen, wenn es so weit war. Ich schaute hoch in die Sonnenstrahlen, blickte dann zu den Ausläufern der Rocky Mountains, bevor ich auf die Fußgängerzone zusteuerte, um mir ein leckeres Frühstück auswärts zu genehmigen.

Obwohl meine Wohnung unweit der Silvarena war, die sich am Rande meines Heimatstädtchens befand, also etwa zwanzig Minuten Fußweg in die Innenstadt, hatte ich die wenigen Meter mit meinem Jeep zurückgelegt, um nicht schon auf dem Weg auf alte Bekannte zu treffen. Zwar waren nach der Highschool die meisten meiner ehemaligen Mitschüler erstmal zum Studieren weggezogen, weil Mount Silver ja »soooo ein verschlafenes Kuhkaff« war, doch ich glaubte, einige von ihnen waren inzwischen zu ihren Familien zurückgekehrt.

Irgendwie war man halt doch mit seiner Heimat verwurzelt. Selbst ich musste mir eingestehen, dass es sich seltsam vertraut anfühlte, wieder an dem Ort zu sein, an dem ich aufgewachsen war. Dabei hatten selbst meine Eltern die Flucht ergriffen und waren nach Florida gezogen, sobald ich die Exams in der Tasche gehabt hatte …

***

Getarnt mit Sonnenbrille und Basecap schlenderte ich durch die gemütliche Innenstadt, in der sich nicht wirklich etwas verändert hatte. Beim Verlassen des Parkplatzes hatte ich bereits das Diner der guten alten Molly passiert. Bis heute schämte ich mich, ihr in die Augen zu sehen. Deshalb hatte ich einen neuen stylishen Coffeeshop im Internet ausfindig gemacht.

Das Cosy Coffee bot alle möglichen Leckereien von Rühreiern bis hin zu Pancakes an. Die Bildergalerie auf der Homepage versprach ein gemütliches Ambiente im Industrialstyle mit viel Holz und Metall, das durch zahlreiche Pflanzen verschönert wurde und genau nach meinem Geschmack war. Schließlich fand ich den etwas versteckten Eingang direkt neben der Dorfkirche. Interessante Wahl.

Auch wenn draußen auf dem Kirchplatz eine Reihe verschnörkelter Tischchen mit furchtbar unbequem wirkenden Klappstühlen standen, beschloss ich trotz der milden Herbsttemperaturen im Inneren Platz zu nehmen. Schließlich wollte ich ungestört sein. Ich drückte die rustikale Holztür auf und steuerte auf direktem Wege einen leicht abgenutzten braunen Ledersessel an, auf dem ich es mir bequem machte.

Nachdem ich einen Iced Coffee mit Pistazientopping sowie eine doppelte Portion Pancakes bestellt hatte, blätterte ich in den Zeitungen, die verstreut auf dem Tisch lagen. Die neuste Vogue, eine People und die aktuelle Mount Daily.

Mit Mode hatte ich nicht wirklich etwas am Hut und auf Promitratsch konnte ich ebenfalls gut verzichten. Deshalb entschied ich mich kurzerhand für die Lokalzeitung und blätterte lustlos durch die Seiten, als die Kellnerin einen unfassbar lecker aussehenden Kaffee vor mir abstellte.

Ich bedankte mich und wandte mich wieder der Zeitung zu, nahm genießerisch einen Schluck des eisgekühlten Getränks, als mich plötzlich ein Bild meiner Wenigkeit wütend anstarrte.

Genau in diesem Moment kam die Kellnerin zurück, um meine doppelte Portion Pfannkuchen zu bringen. Schnell schlug ich die Zeitung zu, bevor sie das Bild, das mich im Trikot der Eagles mit wütendem Blick auf der Bank zeigte, entdecken konnte. Ihr skeptischer Blick entging mir jedoch nicht.

»Alles in Ordnung bei dir?«

Ich nickte, wollte antworten, hatte jedoch vor lauter Aufregung noch immer einen großen Schluck Eiskaffee im Mund. Hastig würgte ich ihn herunter, bevor ich der armen Bedienung die Brühe auf den Tisch spuckte, wobei ich mich natürlich verschluckte und einen filmreifen Erstickungsanfall hinlegte.

Besorgt klopfte die junge Frau, bestimmt eine Studentin des Community Colleges, auf meinen Rücken, während ich wie ein Sterbender vor mich hin röchelte. Oh Mann, ich war noch keine zwei Tage hier und gab jetzt schon mein Bestes, erneut in der Zeitung zu landen.

Nachdem die Kellnerin sich versichert hatte, dass ich noch lebte, suchte sie das Weite. Unauffällig drehte ich mich um und checkte, dass mich niemand beobachtete, bevor ich die Zeitung erneut öffnete.

Wieder zuckte ich bei meinem Anblick zusammen, bevor ich die Überschrift las.

Fluch und Segen – Jonah Bennett ist zurück.

Auch wenn die Überschrift schon nicht besonders schmeichelhaft war, so war sie auch kein völliges Desaster. Was man von dem Artikel allerdings nicht behaupten konnte. Während ich las, schob ich mir einen meiner Buttermilch-Pancakes quer in den Mund, bevor mir noch der Appetit vollständig vergehen würde.

Die Silver Crows präsentieren ein neues Gesicht für die Saison 24/25. Jonah Bennett, der bereits in seiner Jugend von den Crows aufgebaut wurde, ist zurück in der Stadt und hat sich dazu bereit erklärt, das Team mit seinem Talent zu verstärken, da es für die NHL nicht gereicht hat.

Nachdem er vor rund fünf Jahren sein Heimatteam nicht schnell genug verlassen konnte, ist er jetzt wieder da. Ein ehemaliger Teamkollege verrät, dass Bennett sich mehr von seinem Ausflug in die AHL erhofft hatte, da er »für Größeres als die ECHL bestimmt« sei. Da dies anscheinend nicht der Fall ist, begrüßen wir den inzwischen Fünfundzwanzigjährigen zurück in Mount Silver.

Das Team der Crows klagte zuletzt über fehlenden Nachwuchs, den auch die Kooperation mit dem Community College nicht bringen konnte. Julien Decoup ließ verlauten, dass er sich mit Bennett nicht nur einen starken Angreifer gesichert habe, sondern auf diese Weise auch für Zuwachs aus den eigenen Reihen sorgen möchte. Wir jedenfalls wünschen ihm viel Glück dabei.

Auf eine erfolgreiche Saison bei den Silver Crows!

Ich stopfte einen weiteren Pancake in meinen Mund und kaute so wütend, dass die Gebissschiene, die ich während des Spiels trug, wahrscheinlich auch jetzt von Vorteil gewesen wäre. Was dachte sich dieses Schmierenblättchen bloß dabei, mich dermaßen durch den Dreck zu ziehen?

Wollten sie die Fans der Crows schon aus der Arena vertreiben, noch bevor die Saison überhaupt begonnen hatte? Mount Silver war eh nicht unbedingt bekannt für sein Eishockeyteam und wie ich nun gelesen hatte, war es auch ganz offensichtlich schwierig, den Betrieb am Laufen zu halten und neue Spieler zu gewinnen.

Mit Werbung dieser Art würde man bestimmt weder Fans, die das nötige Kleingeld brachten, noch neue Spieler anlocken. Die Silver Crows könnten ihre Tore dicht machen, bevor die Saison überhaupt angefangen hätte, und ich stünde wieder mal auf der Straße. Und das alles nur wegen einer Aussage, die ich als hirnloser Jungspund gemacht hatte.

Ich musste mir schnellstens etwas überlegen, damit ich nicht in Ungnade bei meinen neuen Kollegen fiel. Vielleicht war es nicht sonderlich förderlich gewesen, sämtliche Teambuildingmaßnahmen zu verpassen und das Sommeraufbautraining in Colorado zu absolvieren, bevor ich beschlossen hatte, zu den Silver Crows zurückzukehren.

Ich schob mir ein weiteres Stück des fluffig-fettigen Gebäcks in den Mund, doch der Appetit war mir gründlich vergangen.

Nachdem ich mich prüfend vergewissert hatte, dass mich niemand beobachtete, stopfte ich die Mount Daily in meinen Rucksack. So gab es zumindest schonmal ein Exemplar weniger. Ich spülte den Pfannkuchen, der in meinem Mund immer mehr zu werden schien, mit einem Schluck Kaffee hinunter und beschloss, das Weite zu suchen.

Vielleicht würde es mich aufmuntern, ein bisschen Deko für meine zwar möblierte, aber dennoch karge und langweilige Wohnung zu besorgen. Für Einrichtung hatte ich schon immer ein Händchen, auch wenn die wenigsten von meiner Leidenschaft für Interior Design wussten. Cleane, leere Männerwohnungen waren nämlich so gar nicht mein Fall, ich mochte es gemütlich, wenn nicht sogar ein bisschen plüschig, aber das war mein ganz persönliches kleines Geheimnis.

Abrupt sprang ich auf und bezahlte an der Theke, wobei ich mir dreimal so viele Gedanken über das Trinkgeld machte wie normalerweise, da dieses leider nicht wie üblich in der Rechnung enthalten war. Falls die Bedienung mich erkannt hatte, wollte ich weder knickerig noch großkotzig erscheinen.

Nachdem ich mich viel schneller als geplant verabschiedet hatte, schob ich mir meine braungoldene Sonnenbrille auf die Nase und holte meine Basecap aus dem Rucksack, unter der meine inzwischen lang gewordenen Haare kringelig hervorlugten. Mit meinem Hoodie und meiner Baggyhose sah ich aus wie jeder zweite Student hier. Die Tarnung saß.

***

Als Erstes steuerte ich einen Laden an, den es zwar früher schon gegeben hatte, der heute jedoch in neuem Glanz erstrahlte. Allein das Schaufenster versprach allen möglichen hyggeligen Krimskrams. Auch wenn ich in den USA lebte, gefiel mir das skandinavische Flair und ich hatte nichts dagegen, etwas dänische Gemütlichkeit in meine Wohnung zu bringen.

Neben einem Sisalteppich, den ich mir kurzerhand unter den Arm klemmte, erstand ich noch zwei farbenfrohe Bilder in rustikalen Holzrahmen und eine Ladung Kerzen mit Düften von Vanille bis Meersalz. Außerdem landeten zwei Kaffeebecher ohne Henkel, die wie handgetöpfert aussahen, in meinem Korb sowie eine hängende Kunstpflanze, die meinen nicht vorhandenen grünen Daumen hoffentlich überleben würde.

Zufrieden mit meiner Ausbeute machte ich mich auf den Heimweg, um nun meine Wohnung ein bisschen aufzuhübschen und ein wenig zu zocken, bevor morgen der Ernst des Lebens anfangen würde. Vielleicht sollte ich später schonmal Mikkel eine Nachricht bei Insta schicken – seine Handynummer hatte ich leider nicht –, um mir den ersten Verbündeten für das morgige Training zu sichern. Morgen würden wir das erste Mal zusammen als Team in neuer Konstellation aufs Eis gehen. Das durfte ich nicht versauen, doch jetzt würde ich den restlichen Tag genießen.

Wenigstens konnten der Strafzettel, der hinter der Scheibe meines Jeeps klebte, und die Taube, die just in diesem Moment mitten auf die Frontscheibe kackte, mir nicht mehr die Laune verderben. Das hatte der gottverdammte Zeitungsartikel bereits ganz alleine geschafft. Mit röhrendem Motor und quietschenden Reifen schoss ich aus der Parklücke und brauste in Richtung Stadtrand davon.

Die Gegend, in der ich wohnte, wurde von schicken Neubauten dominiert und passte so gar nicht zu dem lauschigen Ortskern von Mount Silver. Da jedoch auch hier trotz der geringen Einwohnerzahlen chronischer Wohnraummangel herrschte, war der neu entstandene Lebensraum insbesondere bei den wenigen, oft besser situierten Zugezogenen beliebt.

Fast fühlte ich mich ein bisschen schlecht, dass ich nun mir-nichts-dir-nichts eine Wohnung in einem teuren Neubau beziehen konnte, doch dafür hatte ich auch einige Opfer gebracht.

Ich ließ die Fenster hinunter, um mir den lauen Bergwind um die Nase wehen zu lassen, in der Hoffnung, dass er meine nagenden Gedanken und Ängste hinfort pusten würde.

Kapitel 2

Penny

»Pénélopéeeeeeeeee!« Ich rollte mit den Augen, als Madame Hiver mal wieder mit dramatischer Stimme nach mir rief. Nicht nur, dass sie mich immer bei einem Namen rief, der nicht meiner war, verschönert mit diversen Accent aigus, sie behandelte mich außerdem wie ihre Leibeigene. Nun gut, im Grunde genommen war ich das ja – zumindest so etwas in der Art.

Nach meiner Ausbildung zur Maßschneiderin, die ich nach der Highschool gemacht hatte, hatte ich einen der wenigen Jobs ergattert, die man mit diesem Beruf erlangen konnte, wenn man nicht ein eigenes Atelier eröffnen wollte.

Wollen tat ich das schon, aber es war gar nicht so einfach, dies zu tun, wenn man sein Tagesgeschäft nicht größtenteils mit dem Kürzen von Hosen und Brautkleidern fristen wollte. Es brauchte nicht nur eine Menge Kapital, um überhaupt ein solches Geschäft zu eröffnen, es brauchte viel mehr die entsprechenden Kunden, die bereit wären, ein kleines Vermögen für ein selbstgenähtes Kleidungsstück auszugeben, anstatt dieses einfach bei Target oder TJ Maxx zu erstehen. Ich selbst musste schließlich mit vierundzwanzig Jahren noch bei meinen Eltern wohnen, da mein Gehalt kaum ausreichte, um eine Miete zu finanzieren.

Umso glücklicher war ich damals gewesen, als ich die Stellenanzeige bei Silverstuff, der Abendmodeboutique schlechthin, entdeckt hatte. Silverstuff war ein traditionelles heimisches Unternehmen, das es schon gegeben hatte, als ich noch zur Schule ging. Damals war es von einem älteren Herren geführt worden, der sein Geschäft jedoch verkauft hatte, als es Zeit für die Rente wurde.

Heute waren Marguerite Hiver und ihr Sohn William Kopf des Unternehmens. Madame Hiver selbst war Designerin, während William sich um den Einkauf von Stoffen und die anfallenden betriebswirtschaftlichen Tätigkeiten kümmerte.

Man munkelte, dass Marguerite Hiver schon als junges Mädchen in Mount Silver gelebt hatte, damals jedoch noch Maggy Winter hieß. Sie selbst stritt dies jedoch vehement ab und behauptete steif und fest, in Paris aufgewachsen zu sein, bevor ihr Weg sie ganz rein zufällig nach Mount Silver geführt hatte. Wer es glaubte …

Die Näherei, in der Marguerites Träume aus Tüll und Seide gefertigt wurden, lag ein wenig außerhalb von Mount Silver und beschäftigte eine Handvoll Modenäherinnen.

Meine Aufgabe hingegen war es, im Atelier Musterstücke anzufertigen oder auch Änderungen für unsere Kunden und Kundinnen an Anzügen und Kleidern vorzunehmen. Hatte ich bei Antritt der Stelle geglaubt, selbst Ideen – und waren es noch so minimale – beim Design beisteuern zu dürfen, so hatte ich mich getäuscht. Ich durfte nicht mal die Farbe einer Schleife ändern, geschweige denn einen originellen Vorschlag bezüglich des Schnittes machen.

Madame Hivers Vorstellungen eines Abendkleides waren nämlich traditionell. Sehr traditionell. Und auch wenn ihre Designs wunderschön waren, so waren sie ein wenig langweilig und nur für Menschen mit Standardmaßen gemacht – zu denen ich schonmal nicht gehörte. Dabei gab es kaum ein Kleidungsstück, das Vorzüge auch bei einer etwas kurvigeren Figur besser zur Geltung brachte als ein rauschendes Abendkleid.

Marguerite Hivers Stimme wurde schriller. »Pénélopéeeeeeeee, wir brauchen hier deine Hilfe!«

Schnell legte ich die Bundfaltenhose, an der ich arbeitete, zur Seite und lief in Richtung Verkaufsraum, wo meine Chefin gerade eine Kundin beriet. Mrs Hobbs. Oh no. Die hatte mir gerade noch gefehlt. Trotzdem kleisterte ich mir ein professionelles Lächeln ins Gesicht, als ich auf die beiden zumarschierte. Ariana Hobbs, die nur wenige Häuser von uns entfernt wohnte, musterte mich von oben bis unten, als wollte sie sagen: Was will denn dieses impertinente Frauenzimmer hier? Dabei trug ich ein neues Kleid im Chanel-Stil, das bis zum Knie reichte, und eine schwarze Strumpfhose, sodass ihre gelifteten Augen nicht von meinen Oberschenkeln gequält werden konnten, die wahrscheinlich doppelt so dick waren wie ihre. Vielleicht lag es auch an meinen klobigen Mary-Janes, die zwar absolut im Trend waren, ihr jedoch nicht zusagten.

Das hellblaue Satinkleid schien auch nicht sonderlich begeistert von Mrs Hobbs, denn es hing undefinierbar an ihrem Körper herab. Meine Chefin hingegen wirkte völlig verliebt ob des grausigen Anblicks.

»Pénélopéeeeeeeee, da bist du ja, würdest du bitte das Kleid an der Taille abstecken, es ist einfach viel zu weit für Madame Hobbs traumhafte Figur.« Ich war kurz davor, mich mitten in den Showroom zu übergeben. »Außerdem soll es an der Seite geschlitzt werden, damit Arianas langen Beine besser zur Geltung kommen.«

An ihre Bekannte gewandt ergänzte sie: »Man wird dich auf dem Winterball kaum von den Schülern unterscheiden können. Nicht, dass du deiner Fille noch die Show stielst!«

Madame Hiver kicherte affektiert, während Mrs Hobbs sich gespielt überrascht an den aufgespritzten und trotzdem verkniffenen Mund fasste. »Ach, Marguerite, du Goldschatz, alles harte Arbeit.«

Ist klar … Ich unterdrückte ein genervtes Stöhnen, während ich mich mit meinem Nadelkissen an dem eigentlich schönen Traum aus Satin zu schaffen machte. Kurz war ich versucht, Mrs Hobbs eine der Stecknadeln versehentlich in die Seite zu rammen, aber da mir mein Job wichtig war, ließ ich dies lieber bleiben.

Nachdem ich das Kleid fertig abgesteckt hatte, fragte ich mich ernsthaft, ob noch etwas davon übrig bleiben würde. Ariana Hobbs verschwand in die Kabine, die durch schwere bordeauxrote Samtvorhänge verschlossen wurde, während meine Chefin wie ein aufgeregtes Kaninchen davor auf und ab hoppelte.

Schließlich kam ihre liebste Kundin in einem Etuikleid, zu dem sie Ugg-Boots mit einem riesigen Pelzumschlag trug, wieder hervorgestakst und drückte mir das Kleid in die Hand mit einem Blick, der mir sagte, dass ich mich lieber früher als später ans Werk machen sollte.

»Es soll ja rechtzeitig zum Winterball fertig sein!« Bis dahin waren es noch fast zwei Monate. Vielleicht konnte die arme Edison Hobbs, ein unauffälliges schüchternes Mädchen, ihre Mutter noch überzeugen, den Posten als Aufsichtskraft abzugeben. Sonst würde der Ball mit Sicherheit keine Freude für die Sechzehnjährige werden.

Bevor weitere Bilder, wie Mrs Hobbs ungeniert mit den Mitschülern ihrer Tochter flirtete, meinen Kopf fluteten, suchte ich das Weite.

Auch wenn das Anpassen von Kleidern nicht zu meinen liebsten Tätigkeiten gehörte, ging mir die Arbeit leicht von der Hand und um Punkt siebzehn Uhr ließ ich Nadel und Faden sinken, um in meinen wohlverdienten Feierabend zu starten.

Ich schlüpfte in meine Jeansjacke und schnappte mir das Kleid, um mich von meiner Chefin und William zu verabschieden. Marguerite Hiver prüfte mit Argusaugen jede Naht, die ich gesetzt hatte, doch schließlich nickte sie zufrieden. »Du hast wie immer gute Arbeit geleistet, Pénélopéeeee.«

Sie lächelte mich mit ihren schmalen rot bemalten Lippen an. Das musste man ihr lassen. Sie war zwar manchmal etwas seltsam und engstirnig, jedoch eine faire Chefin, die mich bei gutgetaner Arbeit lobte. Das war der Grund, warum ich immer noch für sie arbeitete, obwohl ich mir anfangs unter der Stelle eine etwas andere Tätigkeit vorgestellt hatte. Aber ich war nun mal Schneiderin und keine Designerin und man konnte es definitiv schlechter treffen.

Höflich winkte ich zum Abschied, ehe ich hinaus trat und die letzten Strahlen der Sonne an diesem Tag auf mich wirken ließ. Ich zog meine dünne Jeansjacke enger um mich und machte mich auf den Weg Richtung Diner, wo ich mit Kim verabredet war.

Das Atelier lag mitten in der Fußgängerzone und ich beschloss, noch einen kleinen Schaufensterbummel zu machen, um mir die Zeit zu vertreiben. Im Cosy Coffee gönnte ich mir einen Salty- Hazlenut-Latte für unterwegs. An meinem Kaffee nippend passierte ich die kleinen Geschäftchen, von denen es die meisten schon ewig gab. Doch auch wenn Mount Silver keine Metropole war, so ging man trotzdem mit der Zeit und auch hier entdeckte ich die neusten Trends in den Schaufenstern.

In Barb’s Corner fand ich ein paar coole knallpinke Wildledersneaker, in die ich mich auf der Stelle verliebte. Da Barb in ihrem Vintageshop nur gebrauchte Kleidung verkaufte, konnte sogar ich mir hier ab und an ein neues Teil leisten, um meinen Kleiderschrank aufzupeppen. Früher hatte ich viele meiner Klamotten selbstgenäht, doch dafür fehlte mir inzwischen oft die Zeit und Muße, seit ich selbst im Berufsleben stand.

Außerdem versuchte ich, meine Eltern so gut es ging daheim zu unterstützen, da auch sie dem Zahn der Zeit nicht entgehen konnten. Mamá war oft völlig ausgelaugt, wenn sie aus der Nursery School nach Hause kam, und auch wenn sie ihren Job mochte, so merkte ich doch, dass es sie mit den Jahren immer mehr anstrengte.

Ursprünglich hatte meine aus Europa stammende Mutter Spanisch und Kunst studiert, doch da ihr Studium in den Staaten nicht anerkannt worden war, hatte sie nicht wie geplant an der Highschool arbeiten können, sondern war in einer Kindertagesstätte gelandet.

Dad schob eine Überstunde nach der nächsten, um seinen Posten in der Bank zu halten, da immer mehr Filialen geschlossen und Mitarbeiter entlassen wurden. Doch auch wenn wir nie reich gewesen und die Zeiten nicht einfach waren, so waren wir glücklich, weil wir uns hatten. Das hätte ich für kein Geld dieser Welt eingetauscht.