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Pizza mit der besten Freundin essen und das Teenagerleben genießen - gerade noch läuft alles normal, als Ninas Welt plötzlich kopfsteht: Eine missglückte Verkupplungsaktion, ein falscher Verehrer und eine fiese Mitschülerin, die die ganze Klasse samt Lehrerin gegen sie aufhetzt, machen ihren Alltag schlagartig zur Hölle. Dazu kommt der übliche Wahnsinn mit ihrer Mutter, die neuerdings nur noch Augen für ihren "tollen" Freund hat. Gerade als Nina mehr denn je Hilfe braucht, ist sie komplett auf sich allein gestellt. Bis sie unerwartet Unterstützung erhält ...
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Seitenzahl: 391
Veröffentlichungsjahr: 2020
Für Emilia.
Weil du einfach toll bist.
Kapitel
Kapitel
Kapitel
Kapitel
Kapitel
Kapitel
Kapitel
Kapitel
Kapitel
Kapitel
Kapitel
Kapitel
Kapitel
Kapitel
Kapitel
Kapitel
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Kapitel
Nachwort
„Mist! Verdammt, verdammt, verdammt!“, fluche ich hysterisch, während ich krampfhaft versuche, mein Fahrrad in den Fahrradständer zu zwängen. Es ist ein Naturgesetz, dass die Dinger immer viel zu eng sind und man niemals sein Rad dort hineinbekommt, ohne dabei wie ein aggressives Tier auszusehen. Wieder stütze ich mich mit meinem ganzen Körpergewicht auf den Lenker, doch das Teil lässt sich partout nicht in den Ständer befördern.
Das einzig Gute – und gleichzeitig auch das Schlimmste – an der Situation ist, dass es schon längst zur ersten Stunde geklingelt hat und der Schulhof somit menschenleer ist. Wäre ja noch schöner, wenn jemand sehen würde wie dämlich ich mich anstelle.
„Nina!“
Ähm…ich habe mich wohl geirrt. Na großartig. Von hinten höre ich Schritte, und als ich mich langsam umdrehe, steht er auch schon vor mir: Timo. Und nein, er ist nicht mein Freund. Auch wenn er das gerne hätte. Wir sind in derselben Klasse und seit zwei Jahren verfolgt er mich quasi. Ich weiß nicht, was an mir so interessant auf ihn wirkt, aber er hat mich wohl als seine zukünftige Ehefrau auserkoren. Erst fand ich es echt süß von ihm, wie er mir ständig helfen wollte und immer zur Stelle war, wenn er meinte, dass ich ihn brauchen könnte. Aber es war mir von Anfang an klar, dass ich nicht mit ihm zusammen sein will, und mittlerweile ist es einfach nur noch nervig, dass er ständig an mir dranhängt.
Außerdem macht er mir eine Menge Probleme, da Timo im Vergleich zu den anderen Jungs zugegebener Maßen ziemlich gut aussieht, was zur Folge hat, dass alle Mädchen außer mir in ihn verknallt sind. Und das wiederum bedeutet, dass diese Mädchen nicht besonders gut auf mich zu sprechen sind, da sie meinen, dass ich ihnen Timo „wegschnappen“ würde. Was natürlich nicht meine Absicht ist. Ich weiß nicht, warum er es nicht schon längst aufgegeben hat, ich bin nämlich nie auf seine Flirtversuche oder Date-Einladungen eingegangen.
Doch gerade weil so viele Mädchen auf ihn stehen, ist er ziemlich von sich selbst überzeugt. Er ist sich sicher, dass er jedes Mädchen auf dieser Welt herumkriegen könnte. Da das aber bisher bei mir nicht der Fall war, versucht er es so lange, bis auch ich zu seinem Fanclub gehöre. Jedenfalls ist das meine Vermutung. Er kann es einfach nicht ertragen, dass ihm mal jemand widerstehen kann. Aber damit muss er klarkommen, ich will nichts von ihm. Und das wird sich auch nicht ändern.
Ich unterdrücke mühsam ein Augenrollen, doch ein kleines Stöhnen entweicht mir dennoch.
„Hi“, meint er fröhlich und grinst mich an.
Ich versuche auch, mir ein Lächeln abzuringen.
„Hey…“, ich bemühe mich, nicht allzu genervt zu klingen.
Timo starrt mich an. Das macht er immer, er betrachtet mein Gesicht für ein paar Sekunden ganz genau. Heute ist mir das besonders unangenehm, da mir sämtliche Haarsträhnen aus dem Zopf gefallen sind, und nun verschwitzt in meinem Gesicht kleben. Und meine Gesichtsfarbe ist vermutlich auch nicht die natürlichste.
Als er mich endlich fertig abgescannt hat, fällt sein Blick auf mein Fahrrad. Klar, jetzt wird er natürlich gleich wieder den Gentleman spielen und…
„Oh, kann ich dir damit helfen?“
Hab ich’s nicht gesagt?
„Ähm, das geht schon“, sage ich abwehrend.
Ich will seine Hilfe nicht. Ich fühle mich schlecht, weil ich ihm nicht knallhart sagen kann, dass er sich eine andere Freundin suchen muss. Ich bringe das einfach nicht übers Herz. Ja, er ist ein ziemlich arroganter Typ, aber ich kann mir vorstellen, dass er trotzdem verletzlich ist. Doch es fühlt sich ebenso falsch an, ihn die ganze Zeit hoffen zu lassen, dass das mit uns irgendwann noch etwas wird. Es ist so eine Zwickmühlen-Situation. Beide Optionen sind blöd, aber irgendetwas muss ich tun.
„Unsinn, ich mach das schnell“, widerspricht er sofort und bevor ich darüber nachdenken kann, noch mal zu protestieren, hat er mein Vorderrad auch schon mit einem Ruck im Fahrradständer versenkt. War ja klar, dass er das so ohne Weiteres hinbekommt, an Muskeln fehlt es ihm schließlich nicht.
„Siehst du? Kein Ding!“, er grinst siegessicher.
Ich finde dieses überlegene Lächeln allerdings äußerst unsympathisch.
„Ja, ähm. Danke“, murmele ich und schultere schnell meinen Rucksack, bevor er mir den auch noch tragen will. Kein Witz, das ist schon vorgekommen.
„Ach, für dich immer gerne“, wirft er schmachtend hinterher und wir stapfen in Richtung Schulgebäude. Timo redet wie ein Wasserfall, während ich mir Gedanken darum mache, wie er es zwei Jahre lang durchhalten konnte, ständig nett zu mir zu sein. Wo ich ihm doch nicht mal halb so viel Freundlichkeit entgegenbringe.
„Hoffentlich rastet der Drache nicht komplett aus, weil wir fünf Minuten zu spät sind“, meint er gerade, doch es klingt nicht, als würde er sich deswegen ernsthaft Sorgen machen. Ich nicke nur.
„Aber weißt du was? Ich hab dir natürlich gerne geholfen. Auch wenn ich damit einen Klassenbucheintrag riskieren musste!“
Ha ha. Natürlich musste so ein Satz auch noch kommen. Timo fährt sich mit der Hand einmal quer durch seine blonden Haare (ein Move, von dem er glaubt, dass er mich beeindruckt), zwinkert mir zu und geht dann endlich vor mir in den Klassenraum, wo er von seinen Freunden johlend in Empfang genommen wird.
Ich lasse meinen Blick durch den Raum schweifen. Von unserer Klassenlehrerin Frau Tracht (alias „der Drache“) ist nichts zu sehen. Na, anscheinend habe ich heute doch noch ein bisschen Glück. Seufzend schiebe ich mich durch die Bankreihen und versuche, meine Laune wieder etwas in die Höhe zu treiben. An meinem Platz lasse ich meinen Rucksack fallen und umarme Ella, meine beste Freundin, zur Begrüßung. Wir kennen uns schon seit Ewigkeiten. Sie ist wirklich die allerbeste Freundin der Welt, und ich habe keine Ahnung, womit ich sie verdient habe.
„Na? Wieder mal der Kampf mit dem Fahrradständer?“, fragt sie schmunzelnd.
„Jep.“ Ich lasse mich auf meinen Stuhl fallen. „Und der Kampf mit Timo.“
Ella runzelt die Stirn.
„Schon wieder? Hat der nicht gestern schon gefragt, ob er dich nach Hause bringen kann?“
Ich seufze wieder.
„Ja. Meiner Ausrede nach habe ich dich übrigens zum Zahnarzt begleitet. Anders war er nicht loszuwerden.“
Ella verschränkt die Arme vor der Brust und guckt mich streng an. „Nina Charlotte Schreck. Du weißt ganz genau, dass ich gerne dein Alibi bin, aber nur unter der Bedingung, dass ich dabei wenigstens ein bisschen gut dastehe! Kannst du mich das nächste Mal nicht lieber zu einem Fotoshooting begleiten? Das wäre so viel cooler! Und, mal ehrlich: Warum solltest du mit zum Zahnarzt kommen wollen?“
Ich grinse. „Tja, vielleicht habe ich ja meinen neuen Traumjob gefunden?“
Ella knufft mich in die Seite.
„Okay, okay. Nächstes Mal sind wir bei einem Fotoshooting, weil du als Model entdeckt wurdest“, verspreche ich lachend.
Dabei wissen wir beide, dass Ella niemals Model werden möchte. Hübsch genug ist sie, aber sie ist so schüchtern gegenüber anderen, dass das nichts für sie wäre. Und für mich auch nicht.
Eigentlich sind wir beide ziemlich langweilige, ganz normale vierzehnjährige Mädchen. Mein einziges Hobby ist das Turnen. Dort gehe ich mit Ella zweimal pro Woche hin, ein Mal davon ist ein Einzeltraining, da wir in ein paar Wochen an einem großen Wettbewerb teilnehmen. Ella und ich dürfen gemeinsam mit einer Kür am Schwebebalken unser gesamtes Team vertreten. Darüber haben wir uns riesig gefreut.
Ansonsten lese ich ab und zu und höre gerne Musik, mal klassisch, mal modern. Aber wie gesagt, ich bin ein ziemlicher Durchschnittsteenager. Nicht übermäßig schlau, aber auch nicht dumm. Nicht modelmäßig hübsch, aber auch nicht so, dass ich das Bedürfnis verspüre, mein ganzes Gesicht zu überschminken. Und auch so habe ich nicht das Gefühl, dass irgendetwas an mir besonders ist. Auch wenn Timo da anderer Meinung zu sein scheint.
Ich hatte noch nie einen richtigen Freund, aber ich denke, das ist in meinem Alter nicht ungewöhnlich. Ich habe nur hier und da mal für einen Jungen geschwärmt, das war aber nicht der Rede wert. Bis ich mein Herz vor einem halben Jahr hoffnungslos an Leandro verloren habe.
Leandro: zwei Jahre älter als ich, zur Hälfte Italiener, sieht extrem gut aus, und wir haben uns richtig klischeehaft kennengelernt:
Es war auf dem Schulfest. Ich habe versucht, mich mit meinem Kirschsaft durch die Menge zu drängeln und wir sind zusammengestoßen. Mein T-Shirt war voller Kirschsaft. Er hat sich tausendmal entschuldigt und wir sind ins Gespräch gekommen. Das war übrigens bisher das einzige Gespräch, das wir jemals geführt haben. Und bis auf ganz kurze Herzstillstände, wenn ich ihm in der Schule begegne, passiert auch sonst nichts weiter. Aber weil ich mich bei unserem Zusammenstoß gefühlt habe wie in einer kitschigen Romatikkomödie, lässt mich die Hoffnung bis heute nicht los, dass noch etwas aus uns werden könnte.
Ach, ich weiß auch nicht. Ella meint, ich sollte langsam mal aufhören mit dem Schwärmen. Ich denke auch, dass sie recht hat, aber irgendwie finde ich ihn trotzdem so toll.
Und wer weiß, ob wir in ein paar Jahren nicht doch glücklich verheiratet sind und zwei Kinder haben? Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Das gilt auch für die Sache mit Timo. Keine Ahnung ob ich ihn vielleicht nicht ernst genug nehme und deshalb eigentlich ein ganz schrecklicher Mensch bin, weil ich mit den Gefühlen eines scheinbar hoffnungslos verknallten Typen spiele. Er hat mir schon mal einen Liebesbrief geschrieben, von dem ich lieber nicht genau verrate, was drinstand. Ich gebe nur die Stichworte: „schöne Augen“, „einfach perfekt“ und „füreinander bestimmt“, ich denke das spricht für sich selbst.
Und, nur damit das klar ist, ich bin in keinem dieser Punkte seiner Meinung. Okay, ich sollte mich vielleicht geschmeichelt fühlen oder sogar froh darüber sein, dass sich überhaupt ein Junge für mich interessiert, aber was nicht ist, das ist eben nicht. Und egal wie ich die ganze Sache analysiere, ich komme immer wieder zu dem Punkt, dass er der Auslöser für meine Probleme mit Jette ist.
Jette.
Dieses Mädchen ist echt eine Wissenschaft für sich, um es freundlich auszudrücken. Wir kennen uns seit dem Kindergarten, und seitdem ist sie auch meine Erzfeindin. Sie ist eine Zicke wie aus diesen amerikanischen Highschool-Filmen. Glänzende, lange blonde Haare, fünfzehn Schichten Makeup, pinkes Lipgloss und angeklebte Fingernägel. Wimpern hat sie sich auch schon mal angeklebt, aber nachdem die ihr im Unterricht plötzlich abgefallen sind und der Lehrer von dem
Aufstand, den sie gemacht hat, nicht besonders begeistert war, ist sie zu dem Schluss gekommen, dass sie das lieber sein lassen sollte.
Im Grunde ist sie einfach eine fiese Schlange, die es liebt, andere, vorzugsweise mich, fertig zu machen.
Sie hat immer ihr Gefolge, Jaqueline und Jenny im Schlepptau (wahrscheinlich dürfen nur Menschen mit J in ihren Zicken-Clan) und ist quasi die Arroganz in Person. Und hier ist der Punkt:
Jette ist ebenfalls in Timo verknallt. Ich denke zwar, dass sie eher in das Gefühl verknallt ist, ihn zu erobern und damit angeben zu können (in dieser Hinsicht sind die beiden sich wirklich ähnlich), aber das tut nichts zur Sache. Ich bin ihr im Weg und deshalb stehe ich ganz oben auf ihrer Liste von Menschen, denen sie das Leben schwer machen muss. Aber bisher habe ich ihren kindischen Schikanen ganz gut standhalten können. Selbstverständlich nur mit Ellas Hilfe, allein sähe das ganz anders aus.
Tja, das ist mein Leben. Ziemlich durchschnittlich und mit ein paar Höhen und Tiefen, aber alles in allem okay.
Ella und ich besprechen gerade, was wir beim nächsten Turntraining üben müssen, als Frau Tracht tatsächlich mal im Klasseraum auftaucht – mit zehn Minuten Verspätung. Nicht, dass das schlimm wäre, aber bei ihr, der überkorrekten, strengen Lehrerin, sind zehn Minuten wie zehn Jahre.
Am ersten Schultag war es quasi Hass auf den ersten Blick. Sie mochte uns nicht, wir mochten sie nicht und das ist bis heute so geblieben.
Sie begrüßt uns halbherzig, wir stehen auf und stimmen alle gemeinsam den super motivierten „Guten-Morgen-Frau-Tracht“-Singsang an. Ich frage mich, wie sich Lehrer das hundert Mal am Tag anhören können. Es ist mir wirklich ein Rätsel.
Der Drache beginnt, irgendwelche organisatorischen Dinge anzusprechen. Dumm nur, dass sie damit Ellas und meine Diskussion über verschiedene Aufgänge auf den Schwebebalken stört. Wir zucken zusammen, als sie mit ihrer schneidenden Stimme ruft:
„Nina Charlotte und Ella!“
Sofort ist es still, denn die Ansagen von Frau Tracht sind echt legendär, allein ihre Mimik! Nur wenn man selbst das Opfer ist, macht es nicht so viel Spaß, sie dabei zu beobachten.
Frau Tracht nimmt ihre Brille ab und presst die dunkelrot bemalten Lippen zusammen. Oh, oh.
„Ist es denn zu viel verlangt, dass ihr einfach mal still seid?! Das ist meine Unterrichtsstunde und ich verlange eure komplette Aufmerksamkeit! Haben wir uns verstanden?!“
Wir nicken gespielt reumütig und Frau Tracht wendet sich wieder der Tafel zu, an die sie gerade irgendwelche Daten schreibt. Doch bevor Ella und ich froh sein können, für ihre Verhältnisse einigermaßen glimpflich davon gekommen zu sein, dreht sie sich nochmal um und ersticht mich fast mit ihrem Blick. Mir bleibt kurz die Luft weg, weil ihre Augen so furchterregend wirken. Manchmal ist diese Frau wirklich gruselig.
„Ach, und Nina Charlotte“, setzt sie an und ich ahne Schlimmes. „Wie ich vorhin beobachten konnte, scheint Pünktlichkeit wohl immer noch nicht zu deinen Stärken zu gehören. Vielleicht solltest du dich vor der Stunde lieber auf den Unterricht vorbereiten, anstatt auf dem Schulhof mit Timo zu flirten. Das würde deiner Geschichtsnote sicher auch ganz guttun.“
Ella zieht neben mir scharf die Luft ein. Ein paar Leute kichern. Was war das denn? Das hat sie doch gerade nicht wirklich gesagt, oder? In mir wallt eine heiße Welle der Wut auf. Das ist doch echt unterstes Niveau! Hat sie mich ernsthaft vorhin aus dem Fenster beobachtet?! Hat sie denn nichts
Besseres zu tun?! Und das dann auch noch vor der ganzen Klasse zu sagen, ist das Allerletzte! Als ob ich mit Timo flirten würde!
Eigentlich bin ich nicht so rebellisch, doch das lasse ich nicht auf mir sitzen.
Bewusst freundlich sage ich: „Entschuldigen Sie, Frau Tracht, aber erstens habe ich nicht geflirtet, und zweitens finde ich nicht, dass Sie das irgendetwas angeht.“
Der Drache, der sich gerade wieder der Tafel zugewendet hat, fährt herum und guckt mich entrüstet an.
„Was erlaubst du dir?!“, ruft sie laut.
Beinahe hätte ich geantwortet: Das Gleiche könnte ich sie auch fragen, doch das wäre schon sehr unverschämt gewesen.
„So lasse ich nicht mit mir reden! Entweder du hältst deine Klappe oder das hat Konsequenzen!“, faucht sie.
Hui, so ausfallend wird sie selten. Ella stupst mich unter dem Tisch an, und ich sehe ein, dass ich zu meiner eigenen Sicherheit lieber den Mund halten sollte. Ich riskiere einen Blick zu Timo, der mich angrinst und einen Daumen in die Höhe reckt, was nicht dazu beiträgt, dass meine Wut weniger wird.
„Unverschämtheit!“, schnaubt Frau Tracht noch, dann dreht sie sich wieder um.
Ja, Unverschämtheit. Aber echt!
Der Rest des Schultages ist zum Glück nicht weiter erwähnenswert. Auch wenn ich immer noch leichte Aggressionen bekomme, wenn ich an Frau Trachts Auftritt von vorhin denke. Timo ist danach noch zu mir gekommen und meinte, jetzt hätte ich es ihr aber mal so richtig gegeben. Ha ha. Danke für diese Information.
Jetzt befinde ich mich auf dem Heimweg. Es ist herrliches Wetter, gerade so warm, dass man ohne Jacke aus dem Haus gehen kann. Alles blüht und überall zwitschern die Vögel. Von hier aus kann ich schon unser cremefarben angestrichenes Haus sehen. Ich wohne mit meiner Mutter in der Hagebuttenallee Nummer fünfzehn.
Sie ist Kinderärztin und verdient ganz gut, sodass wir uns eine relativ große Wohnung leisten können. Wir wohnen schon seit Ewigkeiten allein, da mein Vater abgehauen ist, als ich zwei Jahre alt war. Laut meiner Mutter ist er wohl mit einer anderen durchgebrannt und nach Australien ausgewandert. Ob das stimmt ist mir eigentlich egal. Viel mehr interessiert mich, dass meine Mutter eine echt schwierige Zeit durchmachen musste, so ganz allein mit einem Kleinkind. Bloß das schreckt mich schon ab, diesem Mann jemals begegnen zu wollen.
Meine Großeltern konnten Mama damals auch nicht helfen, die wohnen zu weit weg, um öfter mal herzukommen.
Auf jeden Fall schleppt meine Mutter seit ungefähr zwei Jahren regelmäßig einen neuen Typen an, mit dem sie erst stundenlang telefoniert, und nach der Trennung ebenso lange allein auf der Couch sitzt und heult. Ist ja klar, wer sie dann trösten muss.
Ihr momentaner Freund heißt Andreas. Er sieht zwar von den bisherigen am besten aus, ist aber meiner Meinung nach der unsympathischste. Er ist Lehrer an einer Grundschule und hat ein Faible für die deutsche Sprache. Oder vielmehr dafür, andere Menschen mit seiner ständigen Klugscheißerei zu nerven.
Ganz kurze Story, damit verständlich wird, warum ich ihn nicht leiden kann: Letztens kam er einfach so in mein Zimmer hereingeplatzt. Und bevor ich ihn darauf hinweisen konnte, dass er doch bitte so freundlich sein soll, anzuklopfen, hat er mir erklärt, dass auf dem Plakat über den Fuchs, das an meiner Wand hängt, ein Rechtschreibfehler ist. Man schreibt Fuchs nämlich mit „ch“ und nicht mit „ck“ und das sollte ich doch bitteschön auch in meinem Alter wissen.
Ah ja. Als ob ich das nicht bemerkt hätte! Da war es dann auch vorbei mit der Sympathie. Gutes Aussehen hin oder her. Dieses verdammte Plakat hing da seit der ersten Klasse, und ich musste das auch komplett allein anfertigen, ohne jede Hilfe! Und als ich ihm das dann erklärt habe, war er der Meinung, die Lehrer hätten doch dem Kind besser Schreiben beibringen sollen.
Eins war mir von da an klar: Jedes Kind, das von ihm unterrichtet wird, hat mein tief empfundenes Beileid. Das Plakat habe ich dann aber trotzdem abgenommen.
Ich bin angekommen und will gerade aufschließen, als sich die Tür ganz von selbst öffnet. Meine Mutter strahlt mich an. Ich bin kurz irritiert, doch dann fällt mir ein, dass sie ja dienstags immer ihren freien Tag hat. Dafür muss sie manchmal samstags arbeiten, weil sie im Krankenhaus Kinder verarztet und ihre Arbeitszeiten deshalb nicht selbst festlegen kann.
Kurz stöhne ich innerlich genervt auf, weil ich eigentlich gehofft hatte, einfach mal für mich zu sein. Doch dann ermahne ich mich, dass es doch eigentlich schön ist, auch mal Zeit mit Mama allein verbringen zu können. Das ist nämlich eine Seltenheit, seit sie ständig mit irgendjemandem zusammen ist.
„Hallo Mäuschen! Da bist du ja endlich! Ich habe mir schon Sorgen gemacht!“
Ja klar. Das tut sie immer. Scheint wirklich eine Mütterkrankheit zu sein.
„Hi Mama. Was gibt es denn zu essen?“, frage ich lächelnd.
„Weiß ich noch nicht“, meint sie.
„Hast du noch nicht gekocht?“, frage ich verwundert.
Ich höre einen Hauch Unsicherheit in Mamas Stimme, und habe sofort eine böse Vorahnung, als sie antwortet.
„Nein… Andreas will heute Kochen, aber er wollte mir nicht verraten, was.“
Und Bingo! Ich sollte Hellseherin werden! Augenblicklich verschwindet mein Lächeln und meine gute Laune erst recht. Also mal wieder Andreas! Warum kocht der bei uns Mittagessen, anstatt in seiner Schule zu sitzen und den Schülern zu erklären, dass man „Fuchs“ mit „ch“ und nicht mit „ck“ schreibt?!
Wütend rausche ich an Mama vorbei. Doch in der Küche halte ich noch mal an. Neugierig bin ich nämlich schon, und hungrig noch dazu. Aber Fehlanzeige. Ich kann absolut nichts erkennen, was nach Essen aussieht, weil mir der Mann, der mit Schürze gekleidet am Herd herumwerkelt, nämlich die Sicht versperrt.
Er scheint mich nicht bemerkt zu haben, oder? Ich mustere ihn von oben bis unten. Wenn ich nicht wüsste, dass er Deutschlehrer ist, könnte er glatt als Sternekoch durchgehen.
Oder als Leistungssportler. Andreas hat breite Schultern und einen ziemlich athletischen Oberkörper. Wahrscheinlich ist es das, was Mama so an ihm liebt. Ein anderer Grund, in einen Typen, der ständig alles besser weiß, verliebt zu sein, fällt mir einfach nicht ein.
Plötzlich sagt er ohne sich umzudrehen:
„Hallo Nina! Alles in Ordnung?“
Ich rausche einfach wütend weiter, die Treppe hoch und in mein Zimmer. Im Türrahmen bleibe ich stehen und lausche. Mama und Andreas unterhalten sich.
„Was ist denn in deine Tochter gefahren?“, fragt Andreas gerade. Vor meinem inneren Auge sehe ich, wie Mama mit den Schultern zuckt und entschuldigend lächelt. Ich habe das Gefühl, dass sie sich immer verpflichtet fühlt, sich für mein Verhalten bei Andreas zu entschuldigen. Und manchmal denke ich auch, dass ich ihr peinlich bin. Aber das kann ich nicht ändern, ich bin wie ich bin, und für so jemanden wie Andreas werde ich mich ganz sicher nicht ändern.
„Keine Ahnung, aber man darf sie zurzeit sowieso nicht so ernst nehmen. Sind wahrscheinlich die Hormone.“
Bitte was?! Man darf mich nicht so ernst nehmen? Na herzlichen Dank auch. Und „die Hormone“? Was soll das denn jetzt heißen?!
Wütend knalle ich die Tür hinter mir zu, schmeiße ärgerlich meinen Rucksack aufs Bett und mich gleich hinterher. Meine gute Laune hat also rund drei Sekunden angehalten, und ER sorgt gleich dafür, dass sie wieder verfliegt! Was bildet der Typ sich eigentlich ein? Bevor er hier aufgekreuzt ist war Mama nie so merkwürdig wie jetzt. Er verändert sie total. Fehlt nur noch, dass er bei uns einziehen und die Wände mit ABC-Postern tapezieren will.
Oh Gott, daran hab ich noch gar nicht gedacht! Was ist, wenn er bei uns einziehen will? Bei dem Gedanken wird mir gleich schlecht. Dann ziehe ich aus! Ich hoffe natürlich, dass Andreas noch nicht einen Gedanken daran verschwendet hat, sich bei uns einzunisten. Genauso wenig, wie meine Mutter. Aber solange die noch bei gesundem Menschenverstand ist, wird sie es sich hoffentlich zweimal überlegen, einen Typen, den sie gerade mal zwei Monate kennt, weiter unser Leben auf den Kopf stellen zu lassen. Na ja, sie sollte jedenfalls noch in Erfahrung bringen, was ihre Tochter von den Umständen hält und deren Meinung zu Rate ziehen. Was meine Meinung wäre, ist ja klar. Nur befürchte ich, dass die in ihren Augen nicht besonders viel wert ist. Aber vielleicht, hoffentlich, habe ich eh viel zu weit gedacht und die beiden haben sich darüber noch gar keine Gedanken gemacht.
Ich weiß nicht, warum ich jedes Mal so wütend werde, wenn es um Andreas geht. Möglicherweise bin ich doch irgendwie eifersüchtig, weil ich meine Mutter nicht für mich allein habe. Aber dann müsste ich das ja eigentlich schon seit zwei Jahren sein und bei ihren anderen Freunden hatte ich nie solche Minderwertigkeitskomplexe. Muss wohl doch an Andreas selbst liegen.
Ich werde aus meinen Gedanken gerissen. Meine Mutter steht im Zimmer.
„Schätzchen, kommst du? Es gibt Essen. Ich weiß zwar noch nicht was, aber es wird sicher schmecken!“ Ihre Stimme klingt zuckersüß.
„Na sicher doch“, knurre ich, obwohl ich das eigentlich nur denken wollte.
„Was hast du gesagt?“, fragt meine Mutter.
„Ach, nicht so wichtig. Ich komm dann“, sage ich schnell.
So, jetzt habe ich zwei Möglichkeiten: Entweder ich gehe in die Küche und ertrage das alberne Getue der zwei Turteltäubchen. Das hätte den Vorteil dass ich was zu essen bekomme. Oder ich bleibe hier in meinem Zimmer auf dem Bett liegen, allerdings ohne Essen, hätte aber dann den Vorteil, behaupten zu können, dass dieser Andreas daran schuld ist, dass ich, Nina Charlotte Schreck, heute, am Dienstag, dem zwölften Mai auf meinem Bett jämmerlich verhungert bin.
Letztendlich entscheide ich mich für Variante eins, da mir aufgefallen ist, dass ich, wenn ich verhungert bin, ja schlecht noch jemanden beschuldigen kann. Ja, meine Gedankengänge sind sehr…speziell.
Unten in der Küche sitzt meine Mutter am Tisch, während Andreas das Geschirr hinstellt. Mama schaut ihn die ganze Zeit verliebt an und kichert ständig. Manchmal frage ich mich, wer von uns beiden hier der hormongesteuerte Teenager ist. Ich unterdrücke mühsam ein Augenrollen und setze mich an den Tisch.
„Na Mäuschen? Wie war´s heute in der Schule?“
Wunderbar.
Sonst interessiert sie die Schule nie, aber wenn ihr Lehrer-Freund dabei ist, muss sie so tun, als wäre ihr meine Schulbildung total wichtig.
Zum Glück kenne ich auch das schon, sodass ich viel Übung darin habe, ein genervtes Aufstöhnen zu unterdrücken und ein paar Sachen aus dem Ärmel zu schütteln.
„Na ja, der Drache war mal wieder völlig bescheuert.“ Beim Gedanken an die Aktion vorhin presse ich sofort wütend die Lippen aufeinander. Meine Mutter nickt mitleidig, denn sie kann Frau Tracht selbst nicht ausstehen. Diese behandelt nämlich nicht nur ihre Schüler äußerst unfreundlich, sondern auch deren Eltern.
Andreas hält inne. „Der Drache? Wer soll das denn sein?“
Meine Mutter winkt ab. „Ach, nur so ein Spitzname“, erklärt sie.
Plötzlich fängt Andreas an, wie bescheuert los zu prusten. Und zwar so sehr, dass ich Sorge habe, dass ihm gleich die Teller aus der Hand fallen. Mama fällt mit in seinen Lachanfall ein.
Ich sitze nur stumm da. Was ist daran denn jetzt auf einmal so lustig? Die Situation ist echt merkwürdig. Die beiden hören gar nicht mehr auf zu lachen, und ich verstehe einfach nicht, wieso. Fast komme ich mir vor, wie in einer Comedy-Show, in der regelmäßig die Lacher des Publikums eingeblendet werden. Nur dass man selbst dabei immer vor dem Fernseher sitzt und nicht mal mit der Wimper zuckt, weil es so unlustig ist.
Mit einem Mal hält Andreas inne und seine Miene wird komplett ernst. Als meine Mutter das bemerkt, wird sie auch still.
„Was ist denn?“, fragt Mama.
Andreas räuspert sich, und der Blick, den er aufgesetzt hat, erinnert mich stark an den von Frau Tracht, bevor sie ihre Schüler zusammenstaucht.
„Also Nina, es ist ja okay, dass du eine so blühende Phantasie hast, aber vielleicht solltest du diesen…Spitznamen nicht unbedingt laut aussprechen. Immerhin sind Lehrer Respektspersonen, und auch, wenn du deine Lehrerin nicht so sehr magst, solltest du sie nicht öffentlich als Drachen bezeichnen!“
Ähm, ja. Ich taufe Andreas hiermit auf den Namen Drache 2.0. Und am besten fange ich ab heute auch noch an, ihn zu siezen.
Mama und ich starren ihn verdattert an. Das kann doch nicht sein Ernst sein! Auch wenn ich weiß, dass es sinnlos ist, versuche ich mich zu rechtfertigen.
„Aber meine ganze Klasse nennt sie so, und wenn du diese Frau erlebt hättest, wüsstest du auch, was ich meine. Das hat absolut nichts mit Fantasie zu tun!“
Drache 2.0 schüttelt entschlossen den Kopf. Meine Güte! Er will mir jetzt nicht ernsthaft erklären, wie ich meine Klassenlehrerin zu nennen habe?! Ohne Witz, ich hab echt keine Lust mehr. Kann ich bitte einfach gehen? Andreas macht ein wichtiges Gesicht.
„Die ganze Klasse nennt sie so? Und ihr findet das im Ernst angebracht? Also an meiner Schule haben die Kinder mehr Respekt vor ihren Lehrern!“
Jetzt komme ich endgültig nicht mehr mit. Erst bekringelt er sich über den Namen, und dann macht er einen auf „Ich bin älter und schlauer als du, also musst du auf mich hören“.
Soll er sich doch wenigstens entscheiden: Entweder lachen oder rummeckern. Oder einfach still sein, bitte.
Es herrscht angespanntes Schweigen. Wäre echt schön, wenn meine Mutter auch mal etwas sagen und Andreas erklären könnte, dass ihn die ganze Sache nichts angeht. Aber was sie jetzt sagt, ist das ganze Gegenteil. Erst holt Mama tief Luft und meint dann:
„Also Nina, es ist gut, dass Andreas das jetzt angesprochen hat.“
Sie lächelt Andreas zu. Ich könnte kotzen.
„Denn ich habe dir das jetzt immer so durchgehen lassen, aber eigentlich fand ich das auch nie wirklich in Ordnung. Irgendwo gibt es schließlich Grenzen. Wenn du also diesen albernen Spitznamen in diesem Hause unterlassen würdest.”
Warum spricht sie plötzlich so förmlich? Ich soll den Spitznamen unterlassen?!
„Bitte!? Willst du mich veräppeln?“ Ich starre meine Mutter fassungslos an.
„Nein Nina, will ich nicht!“ entgegnet sie spitz und wendet sich von mir ab.
Für sie ist das Gespräch jetzt wohl beendet.
Okay, jetzt bin ich raus. Schleimiger geht es ja gar nicht. Da lässt sie mich ernsthaft allein doof dastehen, nur um Andreas nicht widersprechen zu müssen. Toll gemacht, Mama. Echt!
Drache 2.0 macht ein zufriedenes Gesicht. Sonst hat Mama mir immer erzählt, was sie ihren Lehrern früher für Spitznamen gegeben hat, und dann haben wir gemeinsam darüber gelacht.
Tja. Meine coole Mutter wird also jetzt zur strengen Erziehungsberechtigten, um ihrem dämlichen Freund zu gefallen!
Ich klappe den Mund wieder zu, weil Mama mir einen warnenden Blick zugeworfen hat. Andreas schaut in den Ofen. Da muss wohl sein Backwerk drin sein. Ich kann aber immer noch nicht erkennen, was es ist. Und das macht die Sache nicht unbedingt besser...
„Also, das Essen braucht noch ein paar Minuten“, meint er mit skeptischem Blick, setzt sich zu uns an den Tisch und faltet die Hände.
„Und Nina, wie läuft es denn nun so in der Schule? So allgemein meine ich.“
Schön, jetzt bin ich nun schon aus meinem Zimmer gekommen, um wenigstens etwas zu essen, da ist das Essen noch nicht mal wirklich fertig, und ich muss mich einem weiteren Verhör unterziehen. Soll ich ihm jetzt von meiner sensationellen drei minus in Geschichte erzählen, oder was? Weil ich nicht so recht weiß, was ich sagen soll, stelle ich mich einfach ein bisschen dumm.
„Wie allgemein?“
„Na erzähl doch einfach mal, welches Fach magst du besonders, oder wie kommst du so mit den Klassenarbeiten zurecht? Wenn du Probleme hast, kann ich dir gerne helfen!“
Meine Güte! Als ob ich Nachhilfe von so einem arroganten Typen haben will! Ich versuche, mich noch halbwegs zu kontrollieren, aber es fällt mir immer schwerer.
„Na ja, Kunst mag ich und Sport. Aber Nachhilfe brauche ich nicht …“ Meine Stimme klingt ziemlich gepresst.
Andreas nickt. „Und wie läuft es so mit den Jungs?“ Er grinst mich an und wackelt verschwörerisch mit den Augenbrauen.
Game over.
Jetzt ist die Grenze überschritten. Höchste Zeit, dieses Gespräch zu verlassen. Ich springe auf. „So, Fragerunde beendet. Ich wünsche guten Appetit!“
Dann stürze ich zur Treppe. Allerdings höre ich noch, wie Andreas fragt: „Oh, hab ich da einen wunden Punkt berührt? Hat sie etwa gerade die erste große Liebe hinter sich?“
Ohne Worte. Er ist echt nicht mehr ganz dicht.
Mein Magen knurrt. Verdammt, bin ich hungrig! Und verdammt, bin ich sauer! Mama und Andreas sind immer noch unten. Ich bin aber trotz meines Bedürfnisses nach Nahrung nicht bereit, nachzugeben. Dafür bin ich jetzt einfach zu stolz.
Mir ist so langweilig, dass ich kurzerhand beschließe, einfach mal heimlich zu gucken, was die beiden so machen. Ich glaube echt nicht, dass sie eine dreiviertel Stunde lang mittagessen.
Vorsichtig schleiche ich mich die Treppe herunter und blicke über das Geländer. Mama und Andreas sitzen auf der Couch und unterhalten sich. Ich bekomme nur einen kurzen Gesprächsteil mit.
„Wo ist denn eigentlich die Schule in der du arbeitest? Ich könnte dich morgen in der Mittagspause abholen, und wir gehen zusammen essen. Was meinst du, Schatz?“, fragt Mama.
Mir wird schlecht, und das liegt nicht am Hunger. Sie nennt ihn Schatz? Diesen Typen, den sie erst seit zwei Monaten kennt? Mir fallen ungefähr eine Million Begriffe ein, die besser passen würden.
„Nee du, das ist morgen ganz schlecht. Meine Klasse hat Wandertag, und da bin ich den ganzen Tag unterwegs.“
Ich meine, seiner Stimme etwas Unbehagen entnehmen zu können. Meine Mutter seufzt.
„Schade, aber wenn es nicht anders geht.“
„Nein, das geht echt nicht. Außer du willst inmitten von fünfundzwanzig schreienden Erstklässlern ein Butterbrot essen.“
Sie kichern beide. Ich verdrehe die Augen.
„Für dich würde ich das auf jeden Fall tun!“, beteuert meine Mutter schmachtend und ich muss mich sehr beherrschen, bei der nachfolgenden Knutschszene nicht ins Gästebad nebenan zu stürzen und mich zu übergeben.
Als sie nach einer ziemlich langen Weile fertig sind, meint Andreas:
„Aber wir können uns gerne mal am Abend in einer Bar treffen und wenn du willst kannst du danach mit zu mir kommen. Solange du jemanden für Nina findest.“
Ich unterdrücke krampfhaft ein empörtes Aufstöhnen. Das…das hat er nicht wirklich gesagt, oder? Er denkt nicht ernsthaft, dass ich mit meinen vierzehn Jahren einen Babysitter brauche! Herrgott, andere gehen in meinem Alter in irgendwelche Clubs und betrinken sich!
Wenigstens stellt Mama die Sache klar.
„Ach Quatsch, sie ist vierzehn, Schatz! Sie wird es auch eine Nacht mal ohne mich aushalten.“
Ja, liebend gern sogar.
Ich nicke zustimmend, auch wenn es niemand sieht. Die beiden verfallen wieder in eine nicht jugendfreie Handlung, was so plötzlich passiert, dass mir ein kleines Aufstöhnen entweicht. Deshalb stürze ich panisch zurück in mein Zimmer, in der Hoffnung, dass Mama nichts gemerkt hat.
Aber na ja, sie war ja sowieso beschäftigt.
Wieder in meinem Zimmer liege ich seit einer halben Stunde hungrig auf dem Bett und langweile mich. Gerade als ich überlege, ob ich Hausaufgaben machen oder lieber einen kitschigen Roman lesen und mein nicht vorhandenes Liebesleben betrauern soll, kommt meine Mutter ins Zimmer.
Ein weiteres Naturgesetz: Sie wird nie lernen, anzuklopfen. Ich habe mich schon vorher entschieden, sie erst mal zu ignorieren. Mütter müssen schließlich auch mal erzogen werden!
„Nina? Ich würde gern mit dir reden?“ Keine Antwort von meiner Seite.
„Na gut, dann rede eben nur ich. Du scheinst ja nichts dagegen zu haben.“
Okay, das mit dem Ignorieren war eine dumme Idee.
„Ähm, doch. Sehr viel sogar“, sage ich bitter.
Ohne darauf einzugehen setzt Mama sich auf die Bettkante.
„Sag mal, musstest du vorhin einfach so abhauen, ohne um Erlaubnis zu bitten?“, schießt sie sofort zurück und legt gleich einen strengeren Tonfall an den Tag.
Ah ja, in so eine Richtung geht das Gespräch also. Ich bin der Sündenbock. Nee, ganz bestimmt nicht.
„Wofür soll ich mich denn entschuldigen?“, frage ich giftig. Mama zieht die Augenbrauen hoch. Vermutlich teilt sie mir gleich mit, dass ich so nicht mit ihr zu reden habe.
„Nicht in dem Ton, Fräulein!“
Ich wiederhole: Ich sollte Hellseherin werden. Verdammt, ich glaube meine Selbstbeherrschung ist weg. Haltlos schmettere ich meiner Mutter alles entgegen, was mir einfällt, weil sich seit dem Mittagessen so viele bissige Kommentare in mir aufgestaut haben, dass ich es nicht mehr aushalte.
„Das ist mir gerade völlig egal! Du bist doch die, die hier unfair war! Nur weil du willst, dass dein heißgeliebter Klugscheißer zufrieden mit dir ist, musst du mich völlig doof dastehen lassen? Hast du wirklich nicht mal den Mumm, ihm deine eigene Meinung zu sagen? Was ist das bitte für eine Beziehung? Und dann darf er sich auch noch erlauben, mich über „Jungs“ auszufragen? Da ist es doch klar, dass ich keine Lust mehr auf eine Unterhaltung habe! Und anstatt, dass du mal sagst: Komm Andreas, jetzt halt dich mal zurück mit deiner Fragerei, verlangst du von mir eine Entschuldigung? Soll ich dir mal was sagen?! Dein blöder Andreas kann mich mal! Wenn das hier so weitergeht, dann will ich nicht mehr hier wohnen! Dann ziehe ich aus! Es ist ja wohl das Allerletzte, wenn man seine Tochter wegen eines dummen Typen, den man seit kurzem sogar Schatz nennt, im Stich lässt!“
Ja…eigentlich wollte ich nicht so durchdrehen. Jetzt schreit Mama mich nämlich auch an.
„Sag mal Nina, wie redest du eigentlich mit mir?!”
„Schieb’s doch auf die Hormone!“, zische ich.
Mama sieht aus, als würde sie gleich vor Wut überkochen.
„Es geht dich gar nichts an, wie ich mich Andreas gegenüber verhalte, aber wenn meine Tochter sich dermaßen unhöflich benimmt, dann muss ich mich echt dafür schämen! Und du kannst ja schon mal überlegen, wohin du ziehen willst, denn ich werde wohl noch eine Weile mit Andreas zusammenbleiben! Ich fühle mich nämlich viel besser, seitdem wir ein Paar sind, weil ich endlich mal wieder jemanden zum Unterhalten habe! Mit dir ist ja kein normales Wort mehr zu wechseln!“
Damit rast sie nach draußen und knallt die Tür hinter sich zu. Nur um sie sofort wieder aufzureißen, und mir entgegen zu schleudern:
„Und warum du Andreas und mich beim Knutschen beobachtest, kann ich mir auch nicht erklären! Wenn du eine Aufklärungsstunde brauchst, lässt sich das sicher auch anders regeln!“
Jetzt ist sie endgültig draußen. Ich lasse mich rückwärts auf mein Bett fallen. Verdammter Mist! Totale Eskalation mal wieder. Ich muss hier raus.
Noch im Rennen wähle ich Ellas Nummer.
„Komm schon! Geh ran!“, bettele ich innerlich.
„Hallo?“, sagt jemand am anderen Ende der Strippe.
„Ella? Ich bin´s! Bist du zu Hause? Bitte, sag ja!“, schnaufe ich ins Telefon.
„Äh… Ja, klar“, antwortet Ella verdutzt.
„Gut, dann bin ich in fünf Minuten bei dir!“, rufe ich und lege auf. Meine Schritte verlangsamen sich. Immerhin bin ich schon ein ganzes Stück von zu Hause entfernt, und Ella wohnt zum Glück nicht weit weg. Mann bin ich erschöpft! Ich sollte als Sportlerin eigentlich eine viel bessere Kondition haben. Mir stehen Schweißperlen auf der Stirn. Meine Kehle ist total ausgetrocknet, und einen Moment überlege ich, noch mal nach Hause zu rennen und etwas zu trinken. Aber dann wandern meine Gedanken wieder zu Mama und ihrem dämlichen Andreas und die Erschöpfung von eben verwandelt sich augenblicklich in pure Energie. Manchmal kann Wut echt nützlich sein, denn jetzt sprinte ich in vollem Tempo weiter. Völlig außer Atem klingele ich mit meiner letzten Kraft an Ellas Haustür.
„Hi. Bitte kann ich bei dir einziehen!“, keuche ich, als sie die Tür geöffnet hat.
„Ähm, was? Also von mir aus gerne, wir können auch nach Hollywood auswandern. Allerdings müsste ich dann vorher nochmal shoppen gehen.“
Normalerweise würde ich jetzt darüber lachen, aber das geht schlecht, wenn man keine Luft bekommt. Ella mustert mich besorgt.
„Na, dann komm erst mal rein.“
Sie legt einen Arm um mich, und ich merke mal wieder, wie lieb ich sie habe. Ich kann mich einfach immer auf sie verlassen. Immer.
Drinnen stellt sie mir einen Stuhl hin.
„So, jetzt pflanz dich da hin und erzähl mir, was passiert
ist!“
Ich kann vor Erschöpfung noch gar nicht sprechen und fühle mich, als würde ich gleich zerfließen. Das scheint Ella auch bemerkt zu haben.
„Magst du was trinken?“, fragt sie gutmütig. Ich nicke dankbar.
„Setzt dich auf die Couch und gib mir zwei Minuten.“
Sie geht in die Küche. Ich erhebe mich mühsam und lasse mich nach drei Schritten wieder auf die Couch fallen. Dann schaue ich mich um. Bei Ella sieht es immer total aufgeräumt aus. Hier liegt nie irgendwo eine Zeitung oder benutztes Geschirr herum wie bei uns. Na ja, wie bei uns nachdem Andreas gegangen ist. Bevor er kommt, hat Mama natürlich aufgeräumt. Oder mich dazu verdonnert. Ella kommt wieder und hält ein Tablett in den Händen.
„Bitte sehr, Madame!“, sagt sie, nachdem sie das Tablett auf dem Couchtisch abgestellt und sich neben mich gesetzt hat. Darauf stehen zwei Gläser, die mit eiskalter Limonade gefüllt sind, und ein riesiger Kochtopf, voll mit dutzenden Eiskugeln. Sie drückt mir einen dicken Esslöffel in die Hand, und kommandiert:
„Iss!“
Und dann essen wir, bis der komplette Topf leer ist. Als ich dann etwas abgekühlt bin, erzähle ich ihr von dem ganzen Mist.
„Ich habe mich total mit Mama gestritten“, beginne ich und seufze. „Mal wieder.“
„Warum das denn?“
„Drache 2.0.“
„Drache 2.0?“
„Ja. Neuer Name, um meinen Drang nach Rebellion zu stillen. Es geht um Andreas.“
Ella nickt verständnisvoll. „Klar, um wen denn sonst?“
Ja, um wen denn sonst?
„Er musste heute unbedingt unser Koch sein. Ich war erst mal total sauer, weil ich mal wieder ein bisschen Zeit mit meiner Mutter allein haben wollte. Und als ich dann schließlich bei den beiden am Tisch saß, hat sich herausgestellt, dass das Essen noch gar nicht fertig war. Das ist aber eigentlich gar nicht das, was mich so sauer gemacht hat, und weshalb ich mich dann mit Mama gestritten habe. Der Grund dafür ist, dass Andreas mich total zur Schnecke gemacht hat, weil wir Frau Tracht immer als Drachen bezeichnen.“
Ella grinst.
„Was gibt es denn da zu lachen?“, frage ich irritiert.
„Ach, ich kann mir schon vorstellen wie das gelaufen ist! Er hat irgend so einen Mist gefaselt, von wegen: Lehrer sind Respektspersonen, und so. Stimmt´s?“
Ich runzele die Stirn. „Woher weißt du das?“
„Weil genau das Gleiche passiert ist, als die Arbeitskollegin von Mama da war. Die hat mir auch eine ewig lange Predigt gehalten. Ich war total genervt und Mama übrigens auch. Sie hat zu ihr gesagt, dass wir alles super im Griff haben.“
„Na toll! Meine Mutter hat ganz anders reagiert! Sie hat mir, nur um Andreas nicht widersprechen zu müssen, vor seinen Augen verboten, Frau Tracht so zu nennen! Und Andreas war dann natürlich zufrieden. Ist das zu glauben?!“
Ich bin schon wieder richtig wütend, alleine vom Erzählen.
„Nein! Das hat sie nicht wirklich gemacht?“ Ella starrt mich fassungslos an. Ich nicke.
„Na, da wäre ich aber auch abgehauen!“
„Bin ich ja noch nicht mal! Ich bin aus reiner Höflichkeit bei denen sitzen geblieben. Aber dann hat Andreas mich total gelöchert. Erst hat er mir Nachhilfe angeboten, und dann hat er mich auch noch gefragt, wie es denn so mit den Jungs läuft! Da bin ich dann gegangen.“
„Und deine Mutter hat nicht irgendwie gesagt, dass Andreas sich mal zurückhalten soll?“
„Nein, eben nicht! Als Andreas weg war, kam sie in mein Zimmer und wollte wissen, warum ich es nicht geschafft habe, mich zu entschuldigen. Weil ich einfach so vom Tisch aufgestanden bin, ohne nachzufragen!“ In mir brodelt es schon wieder.
„Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder? Was ist denn mit deiner Mutter los? Die war doch sonst nicht so!“
Ich seufze. „Ja, das möchte ich auch gerne mal wissen! Ich habe sie dann total angebrüllt und ihr alle möglichen Sachen an den Kopf geworfen. Ich glaub ich bin echt ziemlich durchgedreht...“
„Das wäre ich aber auch“, meint Ella, und obwohl sie bei weitem nicht so temperamentvoll ist wie ich und niemals so krass ausrasten würde, geht es mir damit schon ein bisschen besser. Dann meint sie:
„Also Nina, das ist ohne Frage total blöd von deiner Mutter gewesen, aber vielleicht weiß sie auch, dass sie was falsch gemacht hat und traut sich nur nicht, dir das zu sagen…“
„Dann hätte sie mir aber bestimmt nicht noch mehr Vorwürfe gemacht! Und sie hätte nicht gesagt, dass ich ausziehen soll!“ Mit einem Mal wird mir klar, wie heftig diese Aussage ist. Mein Hals schnürt sich zusammen.
„Das hat sie wirklich gesagt?“, fragt Ella.
Ich nicke.
„Bist du sicher?“
„Na ja“, versuche ich mit belegter Stimme zu antworten.
„Ich habe ihr gesagt, dass ich nicht weiter bei ihr wohnen will, solange Andreas da ist, weil er einfach alles so durcheinanderbringt, und ich mich ständig mit ihr streite. Und dann hat sie gesagt…“, ich seufze kurz auf. „Sie hat gesagt, dass ich schon mal überlegen kann, wo ich hinziehen will, weil sie noch eine Weile mit Andreas zusammenbleiben möchte.“
„Ach, das hat sie bestimmt nicht so gemeint.“
„Ja, kann sein. Aber irgendwas muss sie trotzdem dazu bewegt haben, mir solche Worte entgegen zu pfeffern.“
Darauf weiß auch Ella nichts mehr zu erwidern.
„Was ist wenn…Was ist wenn meine eigene Mutter wirklich lieber mit ihrem Freund als mit ihrer Tochter zusammen wohnen will? Wenn ich ihr und ihrer glücklichen Beziehung einfach nur im Weg bin?“
Ella legt einen Arm um mich. „Das glaube ich nicht. Ihr habt euch gestritten und beide Dinge gesagt, die ihr gar nicht sagen wolltet.“
„Ja vielleicht. Aber das Schlimme ist, dass ich viele Dinge auch genau so gemeint habe, wie ich sie gesagt habe. Und so ging es Mama vermutlich auch.“
Mir steigen Tränen in die Augen, doch ich hole tief Luft und reiße mich zusammen. Als ob ich wegen so eines dummen Streits anfange zu heulen! Vielleicht ist doch was dran, an diesen Hormon-Stimmungs-Geschichten. Normalerweise bin ich nicht so nah ans Wasser gebaut.
Plötzlich springt Ella auf.
„Los, hoch mit dir! Wir tanzen jetzt!“ Sie macht Musik an und dreht die Lautstärke auf. Dann zerrt sie mich hoch und bringt mich irgendwie tatsächlich dazu, komplett zur Musik abzugehen und den Rest zu vergessen. Dieses Mädchen ist wirklich grandios.
Irgendwann können wir nicht mehr, aber mir geht es zehnmal besser. Plötzlich klingelt mein Handy. Ich schaue auf das Display: MAMA.
„Soll ich rangehen?“, frage ich.
„Würde ich nicht machen“, rät Ella. „Manchmal müssen sich Mütter auch hinten anstellen können“.
Ich nicke und drücke entschlossen auf die rote Taste.
„So, und jetzt machen wir was anderes! Worauf hast du Lust?“
Ich bin den ganzen Nachmittag bei Ella geblieben und wir haben allen möglichen Unsinn gemacht. Unter anderem haben wir auch ein wenig an unserer Choreographie gearbeitet und sind ein ganzes Stück vorangekommen. Mama hat noch ein paarmal angerufen, aber ich habe immer wieder abgelehnt.
Zum Abendbrot haben wir uns Pizza aufgebacken und erst halb neun habe ich mich auf den Weg nach Hause gemacht. Ich wäre noch länger geblieben, aber ich wollte dann doch gehen, bevor Ellas Mutter nach Hause kam. Die muss immer ziemlich lange arbeiten und ich wollte lieber den Müttern und Töchtern, die miteinander klarkommen, die Zeit zusammen lassen.
Gerade als ich mich auf den Weg gemacht habe, beginnt es in Strömen zu regnen. Ich renne nach Hause, doch innerhalb einer Minute bin ich schon komplett durchnässt. Hastig schließe ich unsere Haustür auf und schlüpfe ins Warme. Meine Mutter springt von der Couch auf.
„Kind! Was hast du denn gemacht? Ich bin fast gestorben vor Sorge!“
Sie umarmt mich so fest, dass ich fast keine Luft mehr bekomme. Da musst du dich wohl dran gewöhnen, wenn du willst, dass ich ausziehe!
„Ich war doch nur bei Ella!“
„Meine Güte! Wie siehst du denn aus? Schnell mit dir in die Badewanne! Am Ende bekommst du noch eine Lungenentzündung! Und danach kommst du bitte noch mal her und trinkst eine große Tasse Tee! Wenn du willst, kannst du dann auch noch ein Stück von Andreas' sensationeller Pizza kosten.“
„Ja ja, schon gut“, murmele ich auf dem Weg ins Bad.
Pizza hatte ich schon, und die war garantiert besser als die von Andreas. Wenigstens ist Mama nicht mehr sauer auf mich und wieder in ihren Mütter-Besorgtheitsmodus übergegangen. Ich habe beschlossen, diesen dummen Streit genauso zu vergessen, wie sie. Auch wenn ich immer noch ein bisschen sauer auf sie bin. Aber wenn sie sich noch mal so danebenbenimmt, gebe ich mich nicht so leicht geschlagen! Dann muss sie mal merken, wie sehr mich das aufregt, und das ich das so nicht weiter mitmache! Na ja, vielleicht ist die Sache mit Andreas doch irgendwann vorbei. Sonst hatte Mama immer nur vier oder fünf Wochen einen Freund, den sie dann irgendwann total bescheuert fand und sich von ihm getrennt hat. Oder er sich in seltenen Fällen von ihr. Danach ist sie in Selbstmitleid versunken und hat irgendwas von „Keiner will mich haben“ gemurmelt. Was ich allerdings total sinnlos finde, weil sie meistens die ist, die Schluss macht. So ist das eben mit alleinerziehenden Müttern. Und die Töchter müssen das alles aushalten. Na ja, was soll ich machen? Ich werde wohl noch eine ganze Weile so leben müssen. Fünf oder sechs Jahre bestimmt. Aber die halte ich auch noch durch.
Hoffentlich.