NINJA - Chris Bradford - E-Book

NINJA E-Book

Chris Bradford

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Beschreibung

Ein rasantes Action-Abenteuer aus der Welt der Samurai- und NINJA-Kämpfer

Der 14-jährige Taka hat nur ein großes Ziel: seine NINJA-Ausbildung zu vollenden und auf seine erste Mission geschickt zu werden. Am liebsten gegen die Erzfeinde seines Clans: die Samurai unter der Führung von Lord Oda. Der bekämpft die NINJA bis aufs Blut und ist verantwortlich für den Tod von Takas Vater. Der junge NINJA-Kämpfer schwört, seine Familie zu rächen und zieht mit seinen Freunden aus, um blutige Rache an Lord Ona und den Samurai zu nehmen.

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Seitenzahl: 149

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DER AUTOR

© Danny Fitzpatrick

CHRIS BRADFORDrecherchiert stets genau, bevor er mit dem Schreiben beginnt: Für seine Bestsellerserie »Bodyguard« belegte er einen Kurs als Personenschützer und ließ sich als Leibwächter ausbilden. Bevor er sich ganz dem Bücherschreiben widmete, war Chris Bradford professioneller Musiker und trat sogar vor der englischen Königin auf. Seine Bücher wurden in über zwanzig Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet.

Von Chris Bradford bereits erschienen:

Bodyguard – Die Geisel (Band 1)

Bodyguard – Das Lösegeld (Band 2)

Bodyguard – Der Hinterhalt (Band 3)

Bodyguard – Im Fadenkreuz (Band 4)

Bodyguard – Der Anschlag (Band 5)

Bodyguard – Die Entscheidung (Band 6)

Super Bodyguard

Mehr Informationen zur Bodyguard-Serie unter:

www.cbj-verlag.de/bodyguard

Mehr zu cbj und cbt auf Instagram @hey_reader

CHRIS BRADFORD

Aus dem Englischen von Karlheinz Dürr

Mit Illustrationen von David Wyatt

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
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Drei der Geschichten erschienen bereits als E-Book-Ausgaben unter den Titeln: »Ninja – Der erste Krieger«, »Ninja – Der Angriff der Samurai«, »Ninja – Im Schatten des Schwertes« © 2019 der deutschsprachigen Ausgabe cbj Kinder- und Jugendbuchverlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten © 2011, 2013, 2014, 2016 Chris Bradford Die Originalausgabe dieser Ninja-Abenteuer erschien 2016 unter dem Titel »Shadow Warriors« bei Barrington Stoke Limited, London Übersetzung: Karlheinz Dürr Innenillustrationen: © David Wyatt Umschlaggestaltung: Carolin Liepins, München unter Verwendung der Abbildung von: © Shutterstock (Ensuper, KPG_Payless, Emir Simsek) MP · Herstellung: UKSatz: KompetenzCenter, Mönchengladbach ISBN 978-3-641-23473-7 V002
www.cbj-verlag.de

Für Leo, meinen kleinen Ninja

1. Der erste Auftrag

Japan, im Jahr 1580

Ich lauere unter den Dielen.

Versteckt, seit über einer Stunde, unbeweglich wie ein Stein.

Mein Name ist Taka. Dies ist meine erste Mission als Ninja. Ich darf nicht versagen.

Die Schiebetür wird aufgeschoben. Ich spähe durch einen Spalt zwischen den Dielen. Sehe einen Mann in den Raum kommen; seine Füße gehen dicht an meinem Gesicht vorbei. Er trägt eine golddurchwirkte Seidenrobe; auf dem Rücken ist ein schwarzer Adler eingestickt. Zwei Samuraischwerter hängen an seinem Hüftgurt. Über die rechte Wange zieht sich eine lange rote Narbe.

Dieser Mann ist der Daimyō Oda – der Kriegsherr der Samurai. Auf ihn warte ich.

Der Daimyō weiß nicht, dass ich hier bin. Er kann mich hier, unter den Dielen, nicht sehen. Er setzt sich auf sein Bett, öffnet eine Schriftrolle und beginnt zu lesen.

»Nie hätte ich mir träumen lassen, dass so etwas möglich ist«, murmelt er vor sich hin.

Nach einigen Minuten rollt er das Papier zusammen und verstaut es in einer Holzschatulle, die neben dem Kopfende steht. Er platziert das Schwert neben dem Bett, bläst die Kerze aus und legt sich schlafen.

Inzwischen ist der Mond über der Burg aufgegangen. Sein bleiches Licht fällt durch ein kleines Fenster, direkt auf das grausame Gesicht des Kriegsherrn. Oda ist der Erzfeind der Ninja. Und ich muss ihn daran hindern, unseren Clan zu vernichten. Das ist mein Auftrag.

Jetzt ist es so weit.

Sachte und äußerst leise schiebe ich die losen Dielen über mir beiseite und steige aus meinem Versteck. Wie alle Ninjas habe ich gelernt, mich lautlos anzuschleichen. In der Dunkelheit bin ich fast unsichtbar: durch die schwarzen Kleider und die Kapuze bin ich kaum mehr als ein dunkler Schatten. Nur meine Augen sind zu sehen.

Als ich mich dem Samurai nähere, bemerke ich, dass meine Hände zittern.

Schaffe ich das überhaupt?, frage ich mich.

Mein ganzes Leben lang wurde ich zum Spion und Attentäter ausgebildet. Aber ich bin erst vierzehn. Besitze ich schon alle Fähigkeiten, die ich brauche, um diese Mission erfolgreich durchzuführen? Vielleicht hätte ich doch auf Cho warten sollen. Kann ich, ich ganz allein, unseren Ninja-Clan retten?

Ich muss einfach beweisen, dass ich es kann. Jetzt, in dieser Nacht.

Mittlerweile habe ich mich dem Daimyō Oda so weit genähert, dass ich ihn atmen hören kann. Als ich die Hand ausstrecke, wirft mein Arm im Mondlicht einen Schatten auf sein Gesicht.

Ein kleiner Fehler. Aber ein fataler.

Urplötzlich schlägt der Kriegsherr die Augen auf. Einen Herzschlag lang starren wir uns entsetzt und erschrocken an.

Dann brüllt er: »WACHE!«

Am Tag zuvor …

Ich halte den silbern glänzenden Shuriken fest in der rechten Hand, ziele kurz und schleudere den Wurfstern auf das Ziel. Er fliegt wie ein winziger Lichtblitz durch die Luft.

Mit dieser Waffe übe ich jeden Tag; trotzdem kann ich es kaum glauben, als der Shuriken den Baumstamm genau in der Mitte trifft.

»Beachtlich«, lobt Sensei Shima und kommt zu mir herüber. »Das gibt fünf von fünf möglichen Punkten.«

Ich verbeuge mich und knie wieder in der Reihe der anderen Ninjaschüler nieder. Hier, auf einer Lichtung im Wald, üben wir die Ninja-Kampfkunst. Ein Mädchen mit langem schwarzem Haar lächelt mir kurz zu – Cho. Sie ist eine Kunoichi, ein weiblicher Ninja, und ist ein Jahr älter als ich. Im Clan gibt es niemanden, der ihre akrobatischen Fähigkeiten übertrifft.

»Gut gemacht. Du hast sogar Renzo geschlagen!«, flüstert sie mir zu und weist mit einer Augenbewegung auf einen großen sechzehnjährigen Jungen mit muskulösen Armen und kahl rasiertem Schädel.

Renzo starrt wütend zu mir herüber. Normalerweise wird er nie Zweiter.

Es gefällt ihm ganz und gar nicht, dass jemand besser ist als er.

»Zählt nicht«, knurrt er.

»Warum nicht?«, protestiere ich.

»Du bist kein echter Ninja. Hast noch keine Mission hinter dir.«

Renzo genießt es, mir diese Tatsache bei jeder Gelegenheit unter die Nase zu reiben. Meine Freude über den glänzenden Wurf des fünfschneidigen Shuriken versiegt.

»Du bist ja nur neidisch«, sagt Cho.

»Taka hat einen Zufallstreffer gelandet, das ist alles«, schnaubt Renzo. »Wartet mal ab, ob er so einen Wurf auch noch hinkriegt, wenn es hart auf hart zugeht, zum Beispiel bei einer Mission.«

Sensei Shima klatscht in die Hände. »Wir machen jetzt mit dem unbewaffneten Kampftraining weiter«, ruft er. »Sucht euch einen Partner.«

Ich blicke Cho fragend an, aber Renzo steht bereits vor mir, er überragt mich um fast einen Kopf.

Bevor ich auch nur reagieren kann, packt er meine beiden Arme. Ich versuche, seine Hände abzuschütteln, aber er ist zu stark. Renzo wirft mich zu Boden. Ich kämpfe gegen ihn an, versuche, wieder auf die Beine zu kommen, aber er lässt sich auf mich fallen und presst einen meiner Arme mit dem Knie auf den Boden. Ich stöhne vor Schmerzen, als er mich mit seinem ganzen Gewicht niederdrückt.

»Genau wie ich dachte«, grinst er und verdreht mir den Arm, bis die Schmerzen fast unerträglich werden. »In einem echten Kampf würdest du nicht lange überleben.«

Ich muss mich ergeben. Widerwillig klopfe ich auf den Boden.

»Gegnerwechsel!«, befiehlt der Sensei.

Ich stehe auf und reibe den Arm. Er pocht vor Schmerzen.

Cho kommt herüber, meine Partnerin für den nächsten Kampf. »Wie geht es dir?«, fragt sie.

»Geht so«, antworte ich. »Er ist zu stark für mich.«

Meinem Arm geht es wieder besser. Aber mein Stolz ist verletzt. Ich werde mir niemals die Achtung der anderen erwerben, solange ich nicht meine erste Mission erfolgreich hinter mich gebracht habe.

»Jeder hat einen Schwachpunkt«, sagt Cho. »Ich bin zwar klein, aber nur wenige können mich schlagen.«

Ohne jede Vorwarnung rammt sie mir den Finger in die Vertiefung direkt hinter dem Schlüsselbein. Dort befindet sich ein Nervenpunkt; ein weißglühender Schmerz zuckt durch meinen Körper, meine Beine geben nach und ich gehe zu Boden.

»Der Nervenpunkt wird auch Drachentor genannt«, erklärt sie und grinst ein bisschen hinterhältig. »Ein Druckpunkt, der sogar den größten und gemeinsten Gegner in die Knie zwingt.«

»Zeigst du ihn mir noch einmal?«

Cho wiederholt den Griff. Danach darf ich ihn an ihr ausprobieren. Ich stoße den Finger kräftig auf die Stelle und sie bricht wie eine Lumpenpuppe zusammen.

»Tut mir leid – hab ich zu fest zugepackt?«, frage ich und strecke die Hand vor, um ihr auf die Füße zu helfen.

»Nein, das war genau richtig.« Plötzlich fasst sie mein Handgelenk und wirft mich mit einer blitzschnellen Drehung auf den Rücken. »Aber es war das letzte Mal, dass ich dich so leicht gewinnen lasse.«

»Übungen beenden!«, befiehlt Sensei Shima.

Tenshin, unser Clanführer, kommt vom Dorf her auf uns zu. Er trägt seinen schwarzen Gi, die Ninja-Kampfkleidung, mit dem Symbol unseres Clans – zwei Falken – auf der Brust.

»Wir brauchen sämtliche verfügbaren Ninja für eine wichtige Mission«, verkündet Tenshin.

Endlich! Das ist meine Chance! Ich springe auf.

»Du nicht, Taka«, sagt Tenshin. »Diese Mission ist nur für Schwarze Gürtel.«

»Das wird meine zehnte Mission«, prahlt Renzo am nächsten Morgen, als sich das Ninja-Team auf den Abmarsch vorbereitet. »Sag mir noch mal, Taka, wie viele Missionen hast du schon hinter dir?«

Ich achte nicht auf ihn, sondern arbeite weiter. Ich habe den Auftrag, am Dorfbrunnen die Wasserflaschen des Teams zu befüllen.

»Du hast noch nicht einmal die Prüfung für den Schwarzen Gürtel vor dem Großmeister abgelegt!«, schnaubt Renzo verächtlich. »Bist du sicher, dass du schon ganz allein unsere Wasserflaschen auffüllen darfst?«

Ich werde rot vor Verlegenheit und Scham. Die anderen Ninja schaffen es nicht ganz, ihr spöttisches Gelächter zu unterdrücken.

Der Großmeister des Ninjutsu, der geheimen Kampfkunst der Ninja, ist unser Oberhaupt. Sobald ein paar Schüler vierzehn Jahre alt sind, lädt sie der Großmeister in seinen Tempel ein, wo sie aus seiner Hand eine Blume nehmen müssen. Sie dürfen dabei jedoch nicht entdeckt werden. Auch der Großmeister selbst darf nichts spüren oder fühlen, soll nicht einmal merken, dass sie da sind. Er ist alt und blind, aber die Aufgabe ist trotzdem keineswegs leicht. Denn im ganzen Tempel sind Fallen aufgestellt.

Es ist der schwierigste, der ultimative Test in unentdecktem Anschleichen, den ein Ninja bestehen muss, und als Lohn dafür erhält er seinen Schwarzen Gürtel.

Sensei Shima ist der einzige Ninja, der diese Prüfung gleich beim ersten Versuch bestand. Das war vor zehn Jahren. Hat ein Ninja erst einmal den Schwarzen Gürtel erworben, kann er für jede Mission eingesetzt werden.

Ich habe bereits zwei Versuche hinter mir. Beide Male wurde ich entdeckt. Langsam habe ich Zweifel, ob ich den Test jemals bestehen und meinen Schwarzen Gürtel bekommen werde.

Während ich die Wasserflaschen verteile, beobachte ich meine Ninja-Kameraden, die ihre Ausrüstung ein letztes Mal überprüfen. Wie ich mir wünsche, mit ihnen gehen zu dürfen! Aber auch Cho ist heute nicht dabei. Ich blicke mich nach ihr um. Sie kommt vom Dorfplatz zu mir herüber.

»Der Großmeister will dich sehen«, sagt sie.

Entsetzt starre ich Cho an. »Mich? Aber … warum?«

»Was glaubst du wohl?«, fragt sie zurück und grinst.

»Die Prüfung für den Schwarzen Gürtel?«, rufe ich aus. »Aber ich bin doch gar nicht darauf vorbereitet!«

Renzo hat mich gehört und bricht in grausames Lachen aus. »Ha! Ein Versager wie du ist immer darauf vorbereitet zu scheitern!«

»Achte nicht auf ihn«, rät mir Cho, als wir davongehen. »Ich hab dich jeden Tag bei deinen Übungen beobachtet. Du bist so weit.«

Wir überqueren die Reisfelder, gehen durch den Wald und folgen einem Pfad, der zu den Hügeln hinaufführt. Je näher wir dem Tempel kommen, desto nervöser werde ich.

»Was ist, wenn ich noch einmal versage?«, frage ich unsicher.

»Mach dir keine Sorgen. Ich habe auch zwei Versuche gebraucht.«

»Aber das ist schon mein dritter!«

Cho bleibt stehen und schaut mich an. »Ich verrate dir jetzt mal ein Geheimnis. So stark und geschickt Renzo auch ist – er hat sogar fünf Versuche gebraucht, um seinen Schwarzen Gürtel zu bekommen. Nicht zwei, wie er immer behauptet!«

Das ist mir neu, und sofort fühle ich mich ein wenig besser. Aber ich mache mir trotzdem Sorgen, die Prüfung nicht zu bestehen.

Wir steigen die lange steinerne Treppe hinauf, die zu einem großen Holztor führt. Cho bleibt vor dem Tempeleingang stehen.

»Wir treffen uns später wieder, unten im Dorf«, sagt sie.

»Bist du denn bei der Mission nicht dabei?«

Cho schüttelt den Kopf.

»Aber ich dachte, alle Ninja werden eingesetzt?«

»Ich bin vom Großmeister für eine besondere Aufgabe ausgewählt worden«, sagt sie, dreht sich um und geht wieder die Treppe hinunter. Ich raffe meinen ganzen Mut zusammen, doch bevor ich das Tor aufstoße, ruft sie mir noch zu: »Viel Glück! Und pass besonders bei der zweiten Stufe auf!«

2. Der Großmeister

Ich gehe durch das Tor und betrete den Tempelhof. Vor mir liegt ein großer, offener Platz mit grauen Kieselsteinen. Auf der gegenüberliegenden Seite steht der Tempel – eine große Pagode aus Holz, auf deren Dach eine Turmspitze wie ein Speer in den Himmel ragt. Links liegen die schönen, gepflegten Steingärten, durch die ein kleiner Gebirgsbach fließt, der in einen Teich mündet.

Der Platz liegt völlig verlassen vor mir. Aber ich weiß, dass der Großmeister im Tempel auf mich wartet.

Gerade als ich den Fuß auf den Kies setzen will, zögere ich – und ziehe den Fuß zurück.

Ich muss sehr nervös sein, dass ich das beinahe vergessen hätte. Genau hier habe ich bei meinem ersten Versuch versagt. Der Kies soll die Fähigkeiten eines Ninja im geräuschlosen Anschleichen auf die Probe stellen. Der Großmeister würde das Knirschen meiner Schritte auf den Steinen hören, wenn ich mich dem Tempel nähere.

Ich hole dreimal tief Luft, um mich zu beruhigen, dann beginne ich noch einmal. Genau wie Sensei Shimas es mit uns geübt hat, senke ich die Zehen und setze sie zuerst auf. Ganz langsam drücke ich den Fuß fester auf, nach den Zehen die Außenseite, erst dann die Ferse. So verursache ich keine Geräusche.

Als ich die Kiesfläche halb überquert habe, wende ich mich dem Garten zu.

Ich will den Fehler nicht wiederholen, den ich beim zweiten Versuch gemacht habe. Der Großmeister ist blind, doch umso empfindlicher sind sein Geruchssinn und sein Gehör. Letztes Mal konnte er den erdigen Geruch der Reisfelder an meinen Füßen riechen. Das war eine weitere Lektion, wie man unsichtbar bleiben kann – ein Ninja muss jeden Geruch vermeiden oder überdecken, der ihn verraten könnte.

Ich stelle mich in den Gebirgsbach, um mir den Dreck von den Füßen spülen zu lassen. Neben dem Bach wächst ein Wacholderstrauch. Ich erinnere mich, dass der Großmeister gern Wacholderholz im Tempel verbrennt, daher reiße ich ein paar Zweige ab und reibe die Nadeln über meinen Körper. Der typische Waldgeruch überdeckt meinen eigenen Geruch. Als meine Füße trocken sind, schleiche ich weiter über den Hof.

So weit, so gut.

Ich betrete den Tempel. Die Haupthalle ist dunkel und kühl. Ein polierter Holzboden endet an einer Treppe, die zu dem Podest hinaufführt, auf dem der Schrein steht. Im Mittelpunkt des Tempels thront ein Buddha aus Bronze. Die Statue schimmert im Licht zweier Kerzen.

Auf dem Podest, vor dem Schrein, sitzt der Großmeister.

Er sitzt mit untergeschlagenen Beinen auf einem Kissen; die Hände ruhen im Schoß. Er ist so still, dass er eine Statue sein könnte. Sein Gesicht ist alt und faltig, mit langem grauem Bart. Seine Augen blicken mich direkt an, sehen aber nichts.

In der rechten Hand hält er eine blutrote Blüte.

Ich schleiche lautlos durch den Raum und habe die Treppe zum Schrein fast erreicht, als mir Chos Warnung einfällt.

Pass auf die zweite Stufe auf.

Ich schaue mir die Stufe genauer an. Eine Reihe von Nägeln ragt aus dem Holz. Die waren beim letzten Mal nicht da.

Ich steige über die zweite Stufe hinweg, ohne sie zu berühren. Nur noch ein paar Schritte, dann bin ich beim Großmeister.

Ich bin so darauf konzentriert, ohne das geringste Geräusch zu ihm zu gelangen, dass ich die zweite Falle fast nicht bemerke. Doch ein Lichtschimmer macht mich auf die Gefahr aufmerksam. Dünn wie ein Spinnenfaden, der von einem Sonnenstrahl gestreift wird, ist ein Baumwollfaden auf Knöchelhöhe quer durch den Raum gespannt. An einem Ende ist eine kleine Glocke befestigt.

Jetzt bin ich dankbar für die unerbittlichen Lektionen des Sensei Shima. Bei den Übungen ließ er uns immer wieder durch den Wald schleichen, wobei wir auf die geringsten Anzeichen einer Falle achten mussten – Steine, über die wir nachts stolpern könnten, Bäume, hinter denen ein Feind lauern, oder Büsche, in denen er sich verbergen könnte. Immer wieder bläute er uns ein: »Wichtig ist nicht das, was ihr anschaut, sondern das, was ihr seht.«

So vorsichtig wie möglich steige ich über den Faden und nähere mich dem Großmeister. Ich kann die Blüte fast berühren, und noch immer hat sich der alte Mann nicht bewegt.

Einen Herzschlag lang zögere ich. Ich kann es kaum glauben, dass ich kurz davor bin, meinen Schwarzen Gürtel zu erringen. Es muss noch eine weitere Falle geben! Aber ich sehe sie nicht.

Ich gebe mir einen Ruck, greife entschlossen nach der Blüte – und im selben Augenblick packt der Großmeister mein Handgelenk.

Eine Schmerzwelle schießt von meinem Arm durch den Körper. Der Großmeister presst hart auf einen Nervenpunkt am Handgelenk. Ich erstarre.

Der Großmeister wendet mir das Gesicht zu.

»Denke nie, ein Mann ohne Augenlicht sehe nichts.«

»Ich werde nie ein Ninja«, klage ich und lasse den Kopf hängen.

»Dein Leben ist ein unbekannter Weg«, antwortet der Großmeister, als wir auf dem steinernen Pfad durch den Tempelgarten gehen. »Wie kannst du da so sicher sein?«

»Aber ohne Schwarzen Gürtel kann ich an keiner Mission teilnehmen.«

Der Großmeister blickt mich aus blinden Augen an.

»Der Schwarze Gürtel ist nichts weiter als ein Gürtel um deine Taille. Ein Schwarzer Gürtel zu sein, ist ein Zustand des Geistes. Erst wenn dein Geist wirklich bereit ist, kannst du ein Schwarzer Gürtel werden.«

»Aber ich habe schon dreimal versagt!«

»Jedes Versagen ist ein Erfolg, wenn man daraus lernt.«