No Shame - Jessica Libbertz - E-Book
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No Shame E-Book

Jessica Libbertz

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Beschreibung

Wir kennen alle das Gefühl, uns zu schämen. Das bohrend schlechte Gewissen, die Schamesröte im Gesicht, der plötzliche flache Atem und die qualvolle innere Überzeugung des eigenen Versagens. Aber was ist eigentlich Scham und wieso zählt sie zu den größten Tabus unserer Gesellschaft? Warum darf man sein Schamgefühl nicht offen zeigen – obwohl viele ständig davon betroffen sind, vor allem Frauen? Doch die gute Nachricht lautet: Es gibt einen Ausweg aus der Schamfalle! Die Autorin Jessica Libbertz (geb. Kastrop), erfolgreiche TV-Moderatorin, zeigt, wie es geht. Sie ist gutaussehend und kompetent im Job - und fühlt sich dennoch jahrelang nicht gut genug, stolpert durch verschiedene Krisen. Erst als sie den Schlüssel zum wahren Kern ihrer Probleme findet, gelingt ihr die persönliche Wende. Die Autorin erzählt von ihrem Kampf und dem Sieg über die Scham – und zeigt uns Wege aus dem Teufelskreis. Ein motivierendes Beispiel und eine wunderbare Anleitung zum Glück.

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Seitenzahl: 265

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Impressum

© eBook: GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, München, 2019

© Printausgabe: GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, München, 2019

Alle Rechte vorbehalten. Weiterverbreitung und öffentliche Zugänglichmachung, auch auszugsweise, sowie die Verbreitung durch Film und Funk, Fernsehen und Internet, durch fotomechanische Wiedergabe, Tonträger und Datenverarbeitungssysteme jeder Art nur mit schriftlicher Zustimmung des Verlags.

Projektleitung: Maria Hellstern

Lektorat: Alexandra Bauer, Karin Leonhart

Covergestaltung: independent Medien-Design, Horst Moser, München

eBook-Herstellung: Lena-Maria Stahl

ISBN 978-3-8338-6932-7

1. Auflage 2019

Bildnachweis

Coverabbildung: Tobias Volkmann

Illustrationen: Claudia Lieb

Fotos: Tobias Volkmann

Syndication: www.seasons.agency

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Die GU-Homepage finden Sie im Internet unter www.gu.de

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Wichtiger Hinweis

Die Gedanken, Methoden und Anregungen in diesem Buch stellen die Meinung bzw. Erfahrung der Autorin dar. Sie wurden von der Autorin nach bestem Wissen erstellt und mit größtmöglicher Sorgfalt geprüft. Sie bieten jedoch keinen Ersatz für persönlichen kompetenten medizinischen Rat. Jede Leserin, jeder Leser ist für das eigene Tun und Lassen auch weiterhin selbst verantwortlich. Weder Autorin noch Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gegebenen praktischen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen. Die persönlichen Angaben in den Fallbeispielen wurden von der Autorin geändert.

WIR SCHÄMEN UNS. IMMER NOCH. TÄGLICH.

Eine uns ganz eigene Selbstscham und die Angst vor dem Nicht-Genügen treiben uns dabei immer weiter in einen destruktiven Teufelskreis.

JESSICA LIBBERTZ nimmt uns in diesem eindrucksvollen Buch auf eine Reise mit, bei der wir unsere Schamfallen erkennen und loswerden. Mit der von ihr entwickelten Methode MEDS – bestehend aus Meditation, Ernährung, Dynamik und Schlaf – gibt sie uns wirkungsvolle Techniken an die Hand, um unser Leben wieder zurückzuerobern. Und ebnet uns so den Weg, zufriedener mit sich zu sein, sich zu akzeptieren – und auf diese Weise nicht nur glücklich, sondern auch gesund zu werden. Denn: Scham lässt sich überwinden

Wenn wir einen Menschen

glücklicher und heiterer machen können,

so sollten wir es in jedem Fall tun,

mag er uns darum bitten oder nicht.

HERMANN HESSE

Für Roman

Jai Hanuman!

VON ANFANG AN

EINFACH BESCHÄMEND!

Ich schäme mich. Ganz egal wie groß oder klein das vermeintliche Vergehen war, ob ich mich nun zu spät auf eine SMS gemeldet oder eine Frage nicht richtig beantwortet habe. Ich schäme mich. Um dagegen anzukommen, kaufe ich, esse ich und hungere ich, aber es hilft alles nichts. Ich schäme mich. So wie wir alle. Wir wollen es nur nicht wahrhaben – und da beginnt das eigentliche Dilemma …

Wer kennt das nicht: Der Atem wird plötzlich flach, das Gesicht puterrot, uns wird heiß und kalt zugleich. Auf einen kurzen Moment des Schocks folgt die qualvolle Gewissheit, versagt zu haben. Nichts kann uns Erleichterung verschaffen. Die Zeit verrinnt in Superzeitlupe, alles steht so gut wie still. Von innen pocht das Blut gegen das Trommelfell. Dann bricht sie wie eine Flutwelle über uns zusammen: die Scham.

Sie überfällt uns hinterrücks und lässt uns nicht mehr los. Sie findet zig Mittel und Wege, um uns das Leben so schwer wie möglich zu machen. Überall lauern Schamfallen, ständig werden wir konfrontiert mit unseren eigenen Unzulänglichkeiten. Aber was ist eigentlich Scham? Woher kommt sie, wie und warum geißelt sie uns, und wieso zählt sie zu den größten Tabus unserer Gesellschaft? Warum darf man sich eigentlich nicht schämen – und dennoch tut es jeder, manche nur einen Augenblick, andere ein ganzes Leben lang? Was sind die Unterschiede zwischen dem akuten unguten Gefühl, das wir bei einer kleinen Peinlichkeit empfinden, und der langfristigen, destruktiven Scham, die weite Teile des Lebens bestimmt, ohne dass wir es überhaupt merken? Die Antworten finden Sie in diesem Buch.

Seit meiner Recherche zu »No Shame« frage ich die Menschen, denen ich begegne, wann sie sich das letzte Mal geschämt haben. Die Antworten sind wirklich verblüffend! Niemand ist frei von diesem Gefühl, wirklich niemand. Wer ist noch nicht in die Farbe einer sonnengereiften Tomate geschlüpft, wenn ihn eine Peinlichkeit unvermittelt überrumpelt hat? Wir erröten, wenn wir uns vor anderen unmittelbar schämen, doch die Scham sabotiert uns auch ganz mühelos ohne Publikum.

Denn sie macht beim Erröten, beim klassischen »Sich-ertappt-Fühlen«, noch lang nicht halt. Im Gegenteil! Wissenschaftler haben mittlerweile herausgefunden, dass Scham nachweislich einen äußerst negativen Einfluss auf unser Immunsystem hat und sogar krank machen kann!

Scham hat sich zu einer unerkannten Seuche entwickelt, die die Gesellschaft unterwandert, den Einzelnen ins Unglück stürzt und unser Sozialleben immens beeinflusst. Und das ganz sicher nicht zum Positiven. Scham ist eine schmerzhafte, selbstbewusste Emotion, in der man das gesamte Selbst als fehlerhaft empfindet. Mit dieser äußerst destruktiven Scham beschäftigen wir uns in diesem Buch.

»Scham ist eine schmerzhafte, selbstbewusste Emotion, in der man das gesamte Selbst als fehlerhaft empfindet.«

Top-Manager schämen sich, weil sie im Grunde ihres Herzens spüren, dass sie die Vaterrolle der Karriere zuliebe verdrängen und die Verantwortung für die Kinder komplett der Mutter überlassen. Die weniger Gebildeten schämen sich, weil sie schlecht Englisch sprechen. Und beinahe jede Frau schämt sich, weil sie nicht dem bizarren, ausgehungerten Schönheitsideal entspricht. Es gibt Millionen Frauen auf der Welt, die gern ihren Körper eintauschen würden gegen den eines hyperdürren Supermodels. Aber von dieser komischen Laune der Natur gibt es doch nur ein paar Handvoll! Auf dem gesamten Erdball! Und die waren wiederum als Kinder die Dummen, über die die Mitschüler die Nase rümpften und mit denen man NICHT tauschen wollte. Eben weil sie so lang und dürr waren.

Wir schämen uns, weil wir älter werden, weil wir schwindeln, etwas vergessen haben, zu spät kommen, nicht perfekt sind, der Hund zu wenig draußen war, das Bad dreckig, das Auto unordentlich, die Beförderung an uns vorbeigegangen ist. Wir schämen uns für Außenstehende genauso wie für unsere Familien, wir schämen uns, weil wir zu spät aufgestanden sind, nicht nett zu den Nachbarn waren. Wenn Ihnen all das überhaupt nichts ausmacht, dann zählen Sie zu den bereits Befreiten und dürfen das Buch gern weglegen. Alle anderen: bitte weiterlesen!

Wer von Ihnen erinnert sich denn nicht an den Nachhauseweg mit der Last einer schlechten Note oder im späteren Leben an die Scham über nächtliche Fressanfälle, gepaart mit krümeligen Spuren der Schuld am Morgen? Oder war es einfach nur Faulheit oder ein Fehler, der uns in die Schambredouille brachte? Der wohl berühmteste Satz in der Philosophie überhaupt stammt von Descartes: »Ich denke, also bin ich.« Abgewandelt könnte das heißen: »Ich denke, also leide ich.« Und so macht die Scham vor wirklich niemandem halt.

Ein Großteil des Gehirns bildet sich bis zum Alter von vier Jahren aus, danach tut sich bis zur Pubertät auch noch jede Menge. Anschließend aber ist das Feld so gut wie bestellt. Natürlich können wir viel lernen in unserer hoffentlich langen Lebenszeit, aber die Grundstrukturen und die Verknüpfungen unseres neuronalen Gitterbetts sind weitgehend festgelegt. Ebenso erlernen wir sehr früh das Leistungs- und Belohnungsprinzip.

Genau in diesem Stadium entwickelt sich auch die Scham, denn wir sind zu 100 Prozent verletzlich. Da ist einerseits die ewige Angst, nicht gut genug zu sein, Mama und Papa nicht zu gefallen, damit möglicherweise ausgeschlossen zu werden – und am Ende die Angst zu sterben.

Da wir allein nicht überleben können, und das für eine sehr lange Zeit, sind wir auf das »Alles-richtig-machen«-Prinzip angewiesen. Unseren Eltern ist kein Vorwurf zu machen, sie entstammen einer Nachkriegsgeneration, in der es nur ums knallharte Überleben ging. Die Prinzipien von bedingungsloser Liebe und Verbundenheit hier einzufordern, übersteigt das Vorstellbare.

Und so hat sich die Scham in unserer Gesellschaft unbemerkt eingenistet und verbreitet, heimlich befeuert zusätzlich vom Schuld-und-Sühne-Faktor der christlichen Religion. Jesus liebt jene, die folgsam sind – und so glauben wir, dass wir geliebt werden, wenn wir funktionieren.

Sei brav, halt die Klappe, und du wirst geliebt.

Benimmt dich anständig, und du wirst geliebt.

Hau deine Schwester nicht, und du wirst geliebt.

Liebe aber erfordert keine Leistung. Eines der berühmtesten Zitate von Paulo Coelho lautet: »One is loved because one is loved. No reason is needed for loving.«1 Übersetzt will er uns in etwa damit sagen: Du wirst geliebt, weil du geliebt wirst. Für die Liebe gibt es keinen Grund. Exakt! Liebe braucht keine Begründung. Sie existiert.

Wir Erwachsenen müssen jedoch über eine große Klippe springen, um unsere Scham zu überwinden. Denn es gilt, den Teufelskreis der destruktiven Scham zu verlassen und einen riesigen Schritt ins Ungewisse zu wagen. Sie haben aber einen Teil des Schlüssels bereits in der Hand, denn Sie lesen dieses Buch.

Ich gebe es ganz ehrlich zu: Für mich gestaltet es sich selbst heute noch schwierig, mich bedingungslos anzunehmen. Es gelingt mir auch nicht immer, und vielleicht wird mir die Scham bis zum Ende meiner Tage ab und an zu schaffen machen. Sie übermannt mich, wenn ich zu viel gegessen habe, wenn ich mein Tagespensum nicht erreiche, wenn ich einfach das Gefühl habe, versagt zu haben. Warum vermeintliche Kleinigkeiten uns aber im Gefühl zurücklassen, regelrecht versagt zu haben, und dies wiederum auch sehr quälend sein kann, dem wollen wir in diesem Buch nachgehen.

Ein persönliches Beispiel: Familienfeste hatten für mich immer einen ähnlichen Prüfungscharakter wie das Abitur – da bin ich auch nicht so wahnsinnig gern hingegangen. Schon im Vorfeld geriet ich in heillose Panik. Sie waren in meinem Gehirn der ultimative Gipfel des gesamten »Ich-bin-nicht-gut-genug-Universums«. Und das hatte überhaupt nichts mit der Verwandtschaft zu tun! Als ich etwa die Familie meines Mannes kennenlernen sollte, die ich bis dato noch nie gesehen hatte, überfiel mich die Scham hinterrücks und völlig unvermittelt. Zunächst tarnte sie sich allerdings als der altbekannte Klassiker: »Ich habe nichts anzuziehen«, krakeelte ich zunächst aus vollem Hals, um die Abfahrt zum Restaurant hinauszuzögern. Ich benahm mich wie eine bockige Dreijährige und brachte meinen armen Ehemann in eine verzwickte Situation – denn er hasst es, zu spät zu kommen, und bekommt im Taxi jedes Mal schweißnasse Hände, wenn wir bei irgendeinem Theater- oder Konzertbesuch in Verzug sind. Ich fühlte mich fürchterlich. Nichts passte, in allem kam ich mir fett und hässlich vor.

Ich fand also kein passendes Outfit und brachte auch noch meinen geliebten Ehemann in eine für ihn teuflische Situation. Na bravo! Ich ging ins Bad und schüttelte mich. Selbst wenn es vielleicht nicht wichtig erscheint, so wusste ich doch genau, dass ich in der Schamfalle saß und mich am Scheideweg befand. Big time. Ich konnte mich ihr beugen oder ihr den Nährboden entziehen. Es half in diesem akuten Fall nur ein einziges Mittel: Ehrlichkeit. Sich der Scham stellen, auch mit dem unangenehmen Wissen, für meinen Partner nicht im Geringsten der perfekten Ehefrau zu entsprechen. Mein Benehmen war mir schlichtweg peinlich. Aber aus mir sprach die kindliche Scham Dutzender Familien-»Feste«, die für mich immer ein psychischer 400-Meter-Hürdenlauf gewesen waren. Und wer schon einmal 400 Meter Hürden gelaufen ist, der weiß: Es tut weh.

Da stand ich also in diesem Hotelbadezimmer mit seinem Marmorwaschtisch, mit all meinen Erfahrungen und doch in einem völlig anderen Jetzt, das es zu akzeptieren galt. Mein Fluchtwille aber war ungebrochen. »Wir müssen uns unsere Mechanik verzeihen. Denn diese Mechanik ist unsere Überlebensstrategie«, sagt der bekannte Coach und Psychologe Jens Corssen. Wir können uns nur selbst unsere Mechanik vergeben. Denken Sie daran: Das Gehirn bildet sich hauptsächlich zwischen dem ersten Lebenstag und dem vierten Lebensjahr. Da haben Sie wenig zu sagen, und da werden die Grundstrukturen Ihrer Denkmuster gelegt. Also müssen Sie sich Ihre Mechanik sogar verzeihen – Sie können ja nichts dafür, mit welchen Sätzen Ihre neuronalen Bahnen gefüttert wurden.

Ich beschloss also im vorteilhaften Dämmerlicht des Badezimmers, mir meine Mechanik zu verzeihen und zu springen. Ich sprang ins Ungewisse. Noch nie zuvor hatte ich einem Menschen meine Ängste so schonungslos offenbart wie meinem frischgebackenen Ehemann. Und glauben Sie mir, es ist nicht schön, wenn man eine Neurose offenlegen muss. Es half nur nichts. »Ich fühle mich hässlich, weil ich Angst habe«, sagte ich und bemerkte, wie mir die Tränen in die Augen stiegen. »Ich habe Angst, vor deinen Verwandten zu versagen oder nicht gut genug zu sein. Ich bin nicht gut in Familienfesten, und ehrlich gesagt meide ich sie am liebsten«, gluckste ich und fügte dann, völlig in Scham zerflossen, hinzu: »Es tut mir außerdem wahnsinnig leid, dass ich dich auch noch in zeitliche Bedrängnis bringe.«

Mein Mann tat das einzig Richtige. Er nahm mich in den Arm und sagte: »Lass das Stöckchen los. Wir sind hier keine kindlichen Opfer, und du bist eine tolle, erwachsene Frau. Wir werden das gemeinsam rocken. Außerdem ist es mir völlig egal, ob dich irgendjemand mag oder nicht. Du bist meine Frau, das ist das Einzige, was zählt. Und ich liebe dich.«

Die Pfunde, die meine Kleider zwicken ließen und darin Falten warfen, purzelten zwar nicht, aber dafür fiel eine ganze Geröllhalde von meinem Herzen. Mein Mann liebte mich, und gerade in diesen Mangelsituationen sogar ein Stückchen mehr. Nicht weil er gern eine kleine, schwache Frau hat – im Gegenteil –, sondern weil wir in der Verletzlichkeit wir selbst sind, solange wir durchlässig bleiben und den inneren Widerstand gegen die Situation aufgeben.

Die Scham aber steht uns dabei immer wieder im Weg. Sie zwingt uns, in uralten Denkmustern stecken zu bleiben. Sie tut uns wenig Gutes, wenn wir sie nicht ehrlich betrachten. Die amerikanische Bestsellerautorin Brené Brown, seit über einem Dutzend Jahren auf dem Gebiet der Forschung über Scham und Verletzlichkeit tätig, bezeichnet sie als Epidemie, für Brown »der geheime Grund vieler Formen gestörten Verhaltens«. Sie bestimmt über unser Leben oft in völlig ungeahntem Ausmaß. In diesem Buch erfahren Sie, welche Auswirkungen die Scham hat und wie wir ihr Einhalt gebieten können. Sie sind es schließlich wert, ein wundervolles Leben zu leben und seine gesamte Fülle zu genießen.

Ich bin mit dem Grundgefühl aufgewachsen, nicht gut genug zu sein. Scham war mein ständiger Begleiter. Ich wurde in der Schule gehänselt, weil ich nicht den ortstypischen Dialekt sprach und meine Eltern Lehrer waren. Ich ging ungern zur Schule, obwohl ich sehr gute Noten hatte, da ich mich andauernd vor meinen Mitschülern schämte. Ständig wurde hinter meinem Rücken getuschelt, und anstatt mich zu wehren, versank ich in Scham. Es war die Quadratur des Kreises: Ich wollte beliebt sein, aber dafür hatte ich zu gute Noten. Lernen fiel mir leicht, doch ich wurde dafür bestraft.

Ich schämte mich so sehr, dass ich meine Leistungen runterschraubte und in der neunten Klasse begann, den pfälzischen Dialekt wie eine Fremdsprache zu lernen. Parallel entwickelte ich eine Essstörung, die ebenfalls mein Schamgefühl ständig befeuerte. Erst nach weiteren Krisen als Erwachsene, ich hatte die 40 bereits überschritten, führte mich das Schicksal nach Indien, wo ein Brahmane mich zur Seite nahm und zu mir sagte: »Weißt du, Jessica, ihr westlichen Frauen habt alle das gleiche Problem. Ihr wachst auf im Glauben, nicht gut genug zu sein. Das habt ihr intellektuell sogar begriffen. Aber ihr habt nicht verstanden, was darauf folgt. Denn auf das ›Ich bin nicht gut genug‹ folgt ›Ich verdiene Bestrafung‹. Und das ist euer größtes Problem.«

»Meine Scham für meine Unzulänglichkeit zwang mich geradezu, mich andauernd selbst zu bestrafen.«

Ich hielt den Atem an. Das war das Puzzleteil in all meinem Wahnsinn, das mir gefehlt hatte! Endlich begriff ich. Ich hatte mich selbst bestraft. Jahrzehntelang. Meine Scham für meine Unzulänglichkeit zwang mich geradezu, mich andauernd selbst zu bestrafen auf nahezu allen Ebenen – sei es mit destruktiven Gedanken, zerstörerischen Beziehungen oder öffentlichen Bewertungen jeglicher Art.

Ich hatte mich auch mit Dingen bestraft, die oberflächlich gar nicht als solche zu erkennen waren. Zum Beispiel mit überteuerter Kleidung – das Geld hätte ich viel besser angelegt, um mir finanzielle Sicherheit zu schaffen. Und auch das zählt zu den üblen Marotten der unterdrückten Scham: Man versucht, sein Belohnungszentrum durch die Hintertür zu aktivieren. Der kurzzeitige Shoppingrausch endet aber meist schon daheim mit dem finanziellen Kater. Und damit bin ich verdammt noch mal nicht allein. Eine Milliardenindustrie lebt sehr gut vom Schamgefühl von Männlein und Weiblein, wir hungern, wir cremen, wir shoppen – wir tun alles, um uns vom Kern der Wahrheit abzulenken. Und der lautet: Wir schämen uns. Immer noch. Täglich. Die gute Nachricht lautet an dieser Stelle:

Scham lässt sich überwinden, es gibt Wege zu deutlich besserer Gestimmtheit, und

aus der richtigen Perspektive gibt sie gute Hinweise für ein deutlich glücklicheres Leben.

Scham kann also auch ein Wegweiser sein, aber dazu müssen wir sie erst einmal erkennen und verstehen. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie mich auf die Reise in diesem Buch begleiten würden. Ich würde Sie gern mitnehmen, denn ich habe all die negativen Gefühle kennengelernt, ich weiß, wie schmerzhaft es ist, sich jahrzehntelang selbst zu geißeln, und ich kenne das Gefühl der Unzulänglichkeit aus all meinen Wurzeln heraus. Ich weiß, wie sich Depressionen anfühlen können, und ich kenne das Chaos im Kopf, das beinahe keinen Ausweg mehr duldet. Aber dank einiger wunderbarer Menschen und dank des Schicksals habe ich einen Weg entdeckt, der mich zu einem »happy human« gemacht hat, zu einem wirklich glücklichen Menschen.

Gestern war ich beim Arzt, um meine Laborwerte zu besprechen, und er teilte mir mit, dass mein Serotoninwert über dem Normbereich liege. Ich musste grinsen. Er lächelte auch und sagte: »Nach diesen Werten hier, Frau Libbertz, sind Sie ein glücklicher Mensch.« Und ja, ja, ja, das bin ich!

NO SHAME: Warum uns die destruktive Scham das Leben schwer macht

Dass Schwaches das Starke besiegt und

Weiches das Harte besiegt,

weiß jedermann auf Erden,

aber niemand vermag danach zu handeln.

LAOTSE

SCHAM – DER SUMPF DER SEELE

Versagen ist nicht nur eine Option. Versagen ist ein MUSS! In einer Welt der zyklischen Gesetze ist Versagen die einzige Möglichkeit zum lang anhaltenden Erfolg. Nehmen Sie die deutsche Fußball-Nationalmannschaft. Seit 2002 eine scheinbar unaufhörliche Erfolgsgeschichte. Der Erfolg aber ist im Misserfolg begründet und umgekehrt, so erinnere ich mich an eine der Weisheiten des Dalai-Lama. Deshalb war das Scheitern bei der letzten Weltmeisterschaft eingepreist. Ohne Scheitern kein Fortschritt. Scheitern ist notwendig, um im Zyklus von Erfolg und Misserfolg wieder in den Erneuerungsprozess zu gehen.

Wer nicht scheitert, hat keinen Erfolg. Und wer keinen Erfolg hat, scheitert nicht.

Ich habe oftmals versagt. In meiner eigenen Wahrnehmung täglich. Ich habe die schlimmen Kritiken aus meiner Anfangszeit beim Fernsehen auch noch gegoogelt, und wenn ich bei einer Sendung einen Fehler gemacht hatte, lag ich nächtelang wach und geißelte mich. Der Feind in meinem Kopf hämmerte ohne Unterlass auf mich ein: »Du bist eben nicht gut genug. Du bist nicht gut genug. Du bist einfach nicht gut genug. Das wird sicher in den Untergang führen. Ganz sicher. Schäm dich!« Mein Blut fühlte sich zehn Grad kälter an, während meine Selbstzweifel auf den Siedepunkt stiegen.

Es gab keinen Ausweg aus dem Grübelkarussell für mich, ich bestrafte mich damit, tagsüber nichts zu essen, um nachts sämtliche Kühlschränke unsicher zu machen. Und tatsächlich fällt es mir selbst heute nicht leicht, dies hier zu schreiben. Ich schäme mich immer noch dafür. Aber es ist wichtig, um die Scham zu verstehen. Denn sie ist wie der Sumpf der Seele.2

Wir können den Sumpf trockenlegen, und das werden wir auch, aber wir müssen uns zunächst einmal dort umsehen. Irgendwo zwischen den Schlingpflanzen und dem Morast stoßen wir auf die wahren Abgründe, die wir womöglich seit Jahrzehnten zu verbergen suchen. Und wann immer sich die Gelegenheit ergibt, bahnt sich die Scham ihren Weg, denn sie möchte nicht, dass wir sie näher betrachten. Das mag sie überhaupt nicht! Sie will nicht ins Rampenlicht, denn das Verrückte ist: Wir könnten aufatmen und uns voller Erleichterung umarmen, wenn wir die Scham in uns allen erkennen und ihr mit Empathie begegnen würden. Die Väter, die sich nicht kümmern, von denen buchstäblich bis zum Verrecken keine Anerkennung kommt. Die Mütter, die so erschöpft und enttäuscht vom eigenen Leben sind, dass sie keine Liebe mehr zeigen können. Die Mitschüler, die die Schule zur Hölle machen. Die Chefs, die niemanden wachsen sehen wollen. Sie alle sind omnipräsent. Sie schämen sich! Wir alle schämen uns! Aber anstatt uns zu vereinen, trennt uns die Scham immer weiter voneinander.

Ein guter Freund von mir hat eine außergewöhnliche Karriere bei einem Social-Media-Start-up hingelegt und ein irrsinniges Millionenvermögen angehäuft. Er liebte seinen Vater aufrichtig und lechzte nach dessen Anerkennung wie ein Welpe, der vor seinem Napf mit weit aufgerissenen Augen auf Futter wartet. Doch Carl wartete vergeblich. Als er mit Ende 40 sein Unternehmen verkaufte, sagte sein Vater zu ihm: »Sohn, deine Mutter und ich machen uns etwas Sorgen. Kannst du dir das denn überhaupt leisten, so früh ›in Rente‹ zu gehen?« Carl hielt den Atem an. Der Moment war gekommen. Er hatte es geschafft. Nie hätte er es gewagt, seinem intellektuellen Vater zu sagen, wie viel Geld er sich erarbeitet hatte, weil er insgeheim wusste, dass der Papa diese Art von Karriere einfach nicht würdigen wollte. Selten hatte der sich nach seinem Unternehmen erkundigt, immer auf die Erfolge der Schwester hingewiesen, die eine akademische Laufbahn eingeschlagen hatte.

Aber nun war es so weit. Jetzt konnte er endlich die Früchte seiner jahrelangen Arbeit vorzeigen. Zumindest die monetären, und Himmel, ja, ihm waren sie nun mal wichtig. Jeder Mensch hat eben sein eigenes Denk- und Angstsystem.3

Stolz nickte er und gestand seinem Vater vorsichtig, welch großen Geldbetrag er zur Verfügung habe und dass dieses Geld wohl bis ans Lebensende – des eigenen und auch der nächsten und der übernächsten Generation – reichen würde. Insgeheim erwartete er nun final die Anerkennung, die ihm über Jahrzehnte verwehrt geblieben war. Einmal, so wünschte er sich inständig, sollte sein Vater stolz auf ihn sein. Nur dieses eine Mal.

Der Vater machte eine kurze Pause, räusperte sich, sah seine Frau an und sagte: »Ach, mein Sohn, weißt du, deine Mutter und ich sind froh, dass wir uns im Leben mit solchen Beträgen nie auseinandersetzen mussten.« Das saß. Treffer. Versenkt.

Carl saß da mit seinem Berg von Geld und Scham, und im entscheidenden Moment blieb ihm wieder die Anerkennung versagt. Natürlich stellt sich hier die Frage: Warum kann der Vater nicht einmal über seinen Schatten springen und seinen Sohn loben? Aber wir vergessen immer gern, dass wir es mit einer Nach- oder Nochkriegsgeneration zu tun haben, die mit Liebe und Vergebung in Konflikt stand und steht aufgrund ihrer posttraumatischen Belastungssituation. Insofern wäre es wichtig für Carl, dass er seine eigene Schamursache erkennt und akzeptiert: Du kriegst den Papa nicht mehr rum.

Punkt.

Du kriegst den Papa nicht mehr rum.

Es funktioniert nicht, aber wer will schon gern aufgeben?

Wir alle spielen zuhauf das »Krieg-ich-dich-noch-rum?«-Spiel, ob in Beziehungen oder in der alten Verbindung zu den Eltern, obwohl wir im Grunde genommen wissen oder zumindest ahnen, dass der Weg mit Sicherheit immer wieder in die gleiche verflixte Sackgasse führt. Wir arbeiten uns ab an hoffnungslosen Beziehungen, weil wir endlich nach dem finalen »Erfolg« lechzen. Wir könnten dann nämlich sagen: Wir haben es geschafft. Stattdessen bahnt sich die destruktive Scham hinterrücks ihren Weg. »Schäm dich!« heißt es noch heute, wenn Kinder etwas vermeintlich falsch machen, und der Vollständigkeit halber lautet der Satz eigentlich: »Schäm dich, du hast versagt!«

Toni, der beste Freund meines Anwalts, lebt seit Jahren als Single in New York. Er ist attraktiv, erfolgreich, bewohnt ein schickes Apartment in Greenwich und gilt als ausgewiesener Womanizer. Doch der Schein trügt. Denn Toni sucht sich, obwohl er sich sehr einsam fühlt, mit traumwandlerischer Sicherheit Frauen, die KEINE Beziehung wollen oder nach wenigen Wochen mit ihm Schluss machen. Alle verkörpern die bereits verstorbene Mutter, deren Liebe er nie bekommen konnte. Und dieses Spiel will oder kann er nicht aufgeben. Wenn er eine von diesen Frauen »bekäme«, dann hätte er am Ende gewonnen. Danach strebt er, doch das Einzige, was er schmerzvoll sammelt, sind Körbe und Niederlagen.

Und so tummeln sich auf dem Schlachtfeld der »Ich-krieg-dich-noch-rum«-Kämpfer Millionen von Menschen, die mit ihrer Zeit und ihrer Energie mit großer Wahrscheinlichkeit Besseres anfangen könnten. Doch sie halten daran fest, weil die Scham zu tief im Sumpf ihrer Seele steckt. Sie sitzt da wie ein dicker Parasit, der nur darauf wartet, sich wieder durch die Schuld nähren zu können (siehe »Der Schamkörper«, >). Dabei könnte es viel leichter gehen! Wer erst einmal akzeptiert, dass dieses vermeintliche Versagen überhaupt keines ist, sondern nur die völlig logische Konsequenz eines neurotischen Verhaltens, das aus der Scham entspringt, der kann die Neurose abstellen. Und ohne Neurose kein Versagen. So einfach ist das.

Bei allen neurotischen Verhaltensweisen, die ihre Ursache in der Kindheit haben – so wie eigentlich fast alle Verhaltensweisen –, lohnt sich eine Reise in den eigenen Seelendschungel. Die Menschen in Peru zum Beispiel sind überzeugt von der Existenz des inneren Kindes, ein auch in den USA mittlerweile weitverzweigter psychologischer Ansatz. Doch die Peruaner glauben mit Sicherheit, dass das innere Kind existiert, und sie gehen gemeinsam mit ihm auf Seelenreise. Ich habe diese Seelenreise bei einer Schamanin aus den Anden unternommen. Das Verfahren ist identisch mit dem, das Hanscarl Leuner 1954 eingeführt hat unter dem Begriff »Katathym Imaginative Psychotherapie«. Diese erfolgreiche Psychotherapie, in der mit Tagträumen gearbeitet wird, wird in Deutschland übrigens als Krankenkassenleistung angeboten – nur damit Sie nicht glauben, ich will Sie zu irgendeinem Scharlatan schicken. Die Begegnung mit den Bildern der eigenen Seele hilft enorm, um alte Ursachen der Scham herauszufinden, kann aber auch bei posttraumatischen Belastungsstörungen sehr effektiv sein.

Als ich zu Beginn meiner eigenen Reise aus der destruktiven Scham heraus durch meinen Seelensumpf watete, kamen furchtbare Bilder zutage. Ich sah Gräueltaten von russischen Soldaten im Krieg, ich sah meine Mutter als kleines Kind auf der großen Flucht im Februar 1945, und parallel sah ich mich, wie ich als Erstklässlerin gehänselt und von einer meterhohen Spinne gejagt wurde, dem Tier, vor dem ich schon als Kind unglaubliche Angst hatte. Ich habe mich jahrelang geweigert, in meinem Elternhaus in den Keller zu gehen, weil dort handtellergroße Erdspinnen saßen (ich fürchte, ich übertreibe an dieser Stelle noch heute).

Es war, als würden sich meine Seelenbilder auch mit den Ängsten meiner Mutter vermischen. Erst nach einigen Sitzungen ließen die schlimmsten Bilder nach. Wenn ich heute auf Seelenreise gehe, erblicke ich nur friedliche Wesen und eine sonnige Blumenwiese. Die destruktive Scham hält mich nicht mehr im Schwitzkasten. Doch weil sie für so viele negative Verhaltensmuster verantwortlich ist, gilt es, ihre Herkunft zu erforschen.

»Die destruktive Scham hält mich nicht mehr im Schwitzkasten.«

Wir müssen verstehen, wie uns die Scham packt, welche weitreichenden Folgen sie für uns und unsere Beziehungen hat und warum sie für unser Glück mehr als hinderlich ist. Denn am Ende sollen Sie ein zufriedenes Leben führen, in dem Ihre Träume und Wünsche in Erfüllung gehen und Sie dem Rhythmus Ihrer Seele folgen können.

DIE WIEGE DER UNZULÄNGLICHKEIT

WIE DESTRUKTIVE SCHAM ENTSTEHT

Über die Entstehung der Scham sind sich die Forscher nicht ganz einig. Sicher ist aber: Scham betrifft jeden – und sie ist angeboren. Schon Babys drehen die Köpfe weg, wenn sie sich ertappt fühlen, was von einigen Wissenschaftlern bereits als »schamhaftes Verhalten« gewertet wird. Kinder zwischen dem ersten und zweiten Lebensjahr sind bereits in der Lage, Scham zu empfinden. In dieser Phase fangen die Kinder an, sich selbst im Spiegel zu erkennen. Sie entdecken langsam ihre eigene Welt und begreifen das Aktions- und Reaktionsprinzip. Und hier wird es interessant für uns, denn wir wollen uns nun der Scham widmen, um die es in diesem Buch geht. Der destruktiven Scham. Denn sie entsteht hauptsächlich bei kleinen Kinder, die zu oft eine »falsche« Rückmeldung erhalten. Sie erinnern sich: Das Gehirn entwickelt sich entscheidend im Alter von null bis vier. In dieser Zeit haben Sie möglicherweise ständig das »falsche« Feedback bekommen, Sie wissen es aber nicht mehr. Sie drücken andauernd auf den »Belohnungs-Button«, ernten aber eine verbale Ohrfeige!

Klein-Theo malt ein Bild, freut sich auf Lob – und wird missachtet. Er spielt später im Theater und erntet nur Kritik. Lea überwindet ihre Angst und turnt die schwerere Kür im Wettkampf – wird von ihren Eltern aber danach getadelt, weil sie nicht genügend Punkte erreicht hat. Julius verhält sich immer brav und angepasst, und trotzdem gibt es Prügel vom alkoholkranken Vater. Es besteht also ein anhaltendes Missverhältnis zwischen Handlung und Erwartung. Die Schamfalle schnappt zu. Hier steht die Wiege dieses Gefühls von Unzulänglichkeit, das uns unser gesamtes Leben zu schaffen macht, wenn wir uns ihm nicht stellen.

»Kinder zwischen dem ersten und zweiten Lebensjahr sind bereits in der Lage, Scham zu empfinden.«

Mit zunehmendem Alter werden die Unsicherheiten immer größer. Unter diesen Umständen ist es äußerst schwer, Vertrauen zu fassen – von Selbstvertrauen ganz zu schweigen. Kinder, die immer wieder vor nicht vorhersehbaren Reaktionen stehen, können keine Selbstsicherheit, keine sichere Identität entwickeln, da sie sich nicht auf ihre Umwelt und damit im Rückschluss auch nicht auf ihre eigenen Gefühle verlassen können. Sie werden auch deshalb besonders »schamanfällig« und sind ständig auf die Rückmeldung anderer angewiesen. Und wehe, die fällt nicht gut aus! Hier wird klar, warum Scham und Narzissmus gern im selben Boot sitzen: Sie entstehen meistens durch misslungene emotionale Kommunikation.

Im Umkehrschluss gebe ich Ihnen gern ein anderes Beispiel: Kein Fußballtrainer wird Erfolg haben, wenn er nicht zu 100 Prozent verlässlich ist. Denn nur dann vertraut die Mannschaft auf ihn und auf sich. Er darf seine eigenen Regeln nicht brechen. Wenn er seinem Team das Bier verbietet, aber selbst zur Flasche greift, wird er seine Mannschaft verlieren. Wenn er das Leistungsprinzip predigt, aber doch immer seine Lieblinge spielen lässt, hat er zu viel Kredit verspielt. Er muss einen klaren Tanzbereich abstecken, und diesen müssen alle einhalten. Und er darf im Grunde genommen keine Ausnahmen machen. Ausnahmen – wie bei vielen besonders guten Fußballern üblich – sind Gift für den Teamgeist. Es geht um ein klares und unumstößliches Gefüge von Aktion und Reaktion. Sind die Regeln klar und verlässlich, funktioniert das menschliche Zusammenspiel, denn hier liegt die Basis für Vertrauen. Der Ruf der deutschen Wirtschaft basiert seit Langem auf diesem vertrauenswürdigen Image, das der Diesel-Skandal, der BER, die Politik und die Deutsche Bank aber so langsam in die Knie zwingen.

»Meist haben unter Scham leidende Menschen bizarr hohe Ideale, die sie beim besten Willen nie erreichen können.«

Unzuverlässigkeit bedeutet Krise.