No to Racism (E-Book) - Rahel El-Maawi - E-Book

No to Racism (E-Book) E-Book

Rahel El-Maawi

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Beschreibung

Dieses E-Book enthält komplexe Grafiken und Tabellen, welche nur auf E-Readern gut lesbar sind, auf denen sich Bilder vergrössern lassen. Wie gelingt es rassismuskritisch zu unterrichten und eine rassismussensible Schule zu gestalten? Dieses Grundlagenbuch verhilft zu einem vertieften Verständnis von Rassismus und zeigt Handlungsmöglichkeiten auf. Die Lesenden sind eingeladen, sich mit ihrer eigenen Erfahrung auseinanderzusetzen und anhand anschaulicher Beispiele zu verstehen, wie sich Rassismus in der Schule zeigt. Sie werden dazu befähigt, mit unterschiedlichen Methoden Schule rassismussensibel zu gestalten.

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Seitenzahl: 220

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Diese Publikation erscheint mit Unterstützung von:

Fachstelle für Rassismusbekämpfung FRB | éducation21

Migros-Kulturprozent

Stiftung Temperatio

Rahel El-Maawi, Mani Owzar, Tilo Bur

No to Racism

Grundlagen für eine rassismuskritische Schulkultur

ISBN Print: 978-3-0355-2164-1

ISBN E-Book: 978-3-0355-2165-8

Gestaltungskonzept: Salzmann Gertsch, Bern

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://portal.dnb.de/opac.htm abrufbar.

1. Auflage 2022Alle Rechte vorbehalten© 2022 hep Verlag AG, Bern

hep-verlag.com

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Weitere Materialien

Website mit Glossar: www.notoracism.ch

VORWORT

Die meisten Menschen in Deutschland, Österreich und der Schweiz sind keine Rassist*innen. Alle Menschen in Deutschland, Österreich und der Schweiz sind rassistisch sozialisiert.

Ja, ich gebe es zu, liebe*r Leser*in. Ich falle hier mit einer großen und auch sehr unangenehmen Wahrheit ins Haus. Vielleicht bist du jetzt irritiert, oder empört. Vielleicht bist du aber auch interessiert und neugierig. Vielleicht bist du auch beides. Um es vorwegzunehmen: Beides wäre normal. Es wäre normal, dass du irritiert oder empört bist, denn wir leben in einer Welt, die uns – Menschen der politischen Mitte oder auch der Linken – beigebracht hat, dass Rassismus schlecht ist. Dass wir Rassismus ablehnen sollen. Ebenso haben wir gelernt, dass diese Ablehnung von Rassismus alles ist, was wir tun müssen, um selbst nie rassistisch sein zu können. Rassismus? Das sind die Rechtsradikalen, die Nazis. Rassistisch sein bedeutet in dieser Logik schlecht sein. Moralisch verwerfliches Gedankengut hegen und vorsätzlich Böses tun.

Heftige Empörung muss die Reaktion sein, wenn das die vorherrschende Definition von Rassismus ist und ich dir sage, dass Rassismus etwas mit uns allen zu tun hat.

Wenn du eher der zweiten Gruppe angehörst, derjenigen der Neugierigen und Interessierten, dann bin ich froh, dass du dieses Buch in den Händen hältst. Übrigens, meine jahrelange Erfahrung als Vermittlerin für Rassismuskritik hat mir immer wieder gezeigt, dass aus Empörung und Irritation Erkenntnis und schließlich Motivation entstehen können.

Wir alle wurden in eine Welt geboren, die sich seit vielen Jahrhunderten in einer rassistischen Schieflage befindet. Eine Welt, in der Rassismus an jeder Stelle der Gesellschaft präsent ist und in der wir Rassismus quasi einatmen, ob wir wollen oder nicht. Dementsprechend sind wir alle rassistisch sozialisiert.

Sozialisierung findet vor allem durch Institutionen statt. Es gibt kaum eine Institution, mit der wir mehr zu tun haben als mit der Schule. Bis zu 13 Jahre besuchen wir täglich viele Stunden die Schule. Viele von uns kehren als Eltern von Schulkindern oder als Lehrpersonen, Schulpsycholog*innen, Schulsozialarbeiter*innen etc. wieder zurück an die Schule. Schule prägt uns. Rassismus als normalisierter Teil in Schulbüchern, Aufgabenstellungen, Sprache und rassistischer Sozialisierung von Lehrpersonen prägt uns. Rassismuskritische Bildung von allen Menschen, die mit dem System Schule zu tun haben, ist daher essenziell und dringend notwendig.

Rahel El-Maawi, Mani Owzar und Tilo Bur erweisen der Gesellschaft mit diesem Grundlagenwerk einen großen Dienst. Ein Werk, das Einzug in jede Schule, jede Lehrer*innenfort- und -ausbildung finden sollte.

Denn auch oder vielleicht besonders, wenn dich meine Worte und deren Dringlichkeit erschreckt haben sollten – es gibt eine wirklich gute Nachricht: Wir alle können an einer rassismuskritischen Gesellschaft mitwirken. Ein wichtiger Schritt auf dieser Reise ist die Lektüre dieses Buchs.

Tupoka Ogette

INHALT

Vorwort

Liebe*r Kolleg*in, liebe*r Schulakteur*in, liebe*r Leser*in

1 Einleitung

Mit welchen Begriffen arbeiten wir?

Anmerkungen

2 Was ist Rassismus?

2.1 Wir alle sind rassistisch sozialisiert

Fünf Schritte zu einer rassismus- und diskriminierungskritischen Haltung

2.2 Das Diskriminierungsverbot ist gesetzlich verankert

2.3 Wie erleben rassifizierte Personen Rassismus?

2.4 Manche haben die Wahl, sich mit Rassismus zu beschäftigen

Reflexion

Anmerkungen

3 Wie lässt sich Rassismus fassen?

3.1 Formen von Rassismus

Welche spezifischen Formen von Rassismus kennen wir?

3.2 Colorism

Was bedeutet Colorism oder Pigmentokratie?

3.3 Rassismus gegen weiße Personen? – Gibt es nicht

Was ist Fremdenfeindlichkeit/Ausländer*innenfeindlichkeit?

Reflexion

Anmerkungen

4 Rassismus in der Schweiz

4.1 Schutz vor rassistischer Diskriminierung

4.2 Einige Fakten zu rassistischer Diskriminierung in der Schweiz

4.3 Zugang zu Bildung

Reflexion

Anmerkungen

5 Auswirkungen des Kolonialismus in der Schweiz

Was sind die Ursprünge von Rassismus?

5.1 Auswirkungen bis heute

5.2 Stereotype in der Schule

Fragenkatalog zu Text- und Bildmaterial

Anmerkungen

6 Ebenen von Rassismus

Wie entsteht rassistische Diskriminierung?

Wirkungsebenen von Rassismus

6.1 Alltagsrassismus

Was sind Mikroaggressionen?

Reflexion

6.2 Institutioneller Rassismus

Reflexion

6.3 Struktureller Rassismus

Reflexion

Anmerkungen

7 Wie erlernen Kinder Rassismus?

Wie kannst du mit Kindern über Rassismus sprechen?

Fragenkatalog Kindermedien

Anmerkungen

8 Auswirkungen von Rassismus auf Kinder im Bildungssystem

Sherin Attoun

8.1 Einen Platz in der Gesellschaft finden

8.2 Entwicklung des eigenen Selbstbildes

8.3 Kompetenzerwerb bei Ungleichbehandlung

8.4 Chancenungleichheit

8.5 Psychosomatische Folgen

Wie reagieren Menschen, die diskriminiert werden?

Reflexion

Anmerkungen

9 Rassismussensibles Klassenzimmer

9.1 Welche Erfahrungen prägen mich?

9.2 Konfliktsituationen lösen

Wie kannst du auf Konflikte zwischen Kindern und Jugendlichen eingehen und dabei Rassismus entgegenwirken?

Reflexion

Wie kannst du reagieren, wenn dich ein*e Schüler*in darauf hinweist, dass du etwas Rassistisches getan hast?

9.3 Inklusivere Räume gestalten (mit Postern, Büchern, Lehrmitteln)

Reflexion

9.4 Repräsentation von rassismusbetroffenen Kindern und Jugendlichen

Anmerkungen

10 Rassismuskritisch handeln für Schulakteur*innen

10.1 Was bedeuten Privilegien im Kontext Schule?

Welche Privilegien haben nicht-rassismusbetroffene Lehrkräfte und andere Schulakteur*innen?

Fragenkatalog zu Stereotypen und Vorurteilen

10.2 Stereotype im Team

10.3 Ausschlussmechanismen

10.4 Rassismuskritisches Handeln etablieren

Wie kannst du reagieren, wenn dich ein*e Kolleg*in darauf hinweist, dass du etwas Rassistisches getan hast?

Reflexion

Checkliste zum rassismuskritischen Handeln für Schulakteur*innen

Anmerkungen

11 Rassismuskritische Schulkultur

11.1 Diskriminierungskritische Organisationsentwicklung

Erarbeitung eines Diversitäts- und Antidiskriminierungskonzepts

11.2 Umgang mit Widerstand

11.3 Konkrete Handlungsmöglichkeiten

Was gilt es, auf dem Weg zu einer rassismussensiblen Schule zu beachten?

11.4 Abschluss

Reflexion

Anmerkungen

12 Glossar

Anmerkungen

13 Literaturempfehlungen

13.1 Für die (weitere) rassismuskritische Auseinandersetzung

13.2 Mit Kindern und Jugendlichen lesen

13.3 Weitere Materialquellen

Anmerkungen

Quellen

Dank

Über die Autor*innen

LIEBE*R KOLLEG*IN,LIEBE*R SCHULAKTEUR*IN,LIEBE*R LESER*IN

Als Schulakteur*innen bemühen wir uns, gerecht zu sein und alle einzuschließen. Von Chancengleichheit im Schweizer Bildungssystem kann aber leider noch nicht die Rede sein. Besonders rassismusbetroffene Kinder und Jugendliche erleben oft Benachteiligungen. Internationale Menschenrechts­organe wie die OECD oder die UNO (Human Rights, der offizielle Bericht wird erst im September 2022 veröffentlicht) weisen die Schweiz regelmäßig auf ihre Mängel hin.[1] Wie sollte es auch anders sein? Ist die Schweiz doch eines der wenigen westlichen Länder, die über kein umfassendes Bundesgesetz gegen Diskriminierung oder eine umfassende Gleichstellungsbehörde verfügen. Als Land hat sich die Schweiz immer wieder politisch dagegen gewehrt, Gleichstellung aktiv umzusetzen und somit Menschenrechte angemessen zu schützen. Die Überzeugung, dass in der Schweiz im Hinblick auf Gleichstellung und Menschenrechte kein Handlungsbedarf besteht, hielt sich ziemlich lange und hält sich hinsichtlich bestimmter Themen noch immer.

2015 erklärten Bund und Kantone ihre gemeinsamen bildungspolitischen Ziele für die Bildungslandschaft Schweiz und rückten die Bildung für eine nachhaltige Entwicklung (BNE) in den Mittelpunkt.[2] Rassismuskritik und Rassismusprävention sind, wie jede Form von Diskriminierungssensibilisierung, entscheidend für die soziale Nachhaltigkeit. Im vom Dachverband Lehrpersonen Schweiz formulierten Berufsauftrag für Lehrer*innen werden dieselben explizit dazu angehalten, ein inklusives Lernumfeld zu schaffen, in dem Kinder und Jugendliche Respekt gegenüber anderen und «Andersartigen» lernen können.[3]

Wir als Lehrpersonen und andere Schulakteur*innen haben also eine bestimmte Verantwortung zu tragen. Doch Diskriminierung zu verstehen und ihr entgegenzuwirken, bekommt in der Aus- und Weiterbildung von Schulakteur*innen wie auch in der Gestaltung des Lebensraums Schule zu wenig Raum. Die durch Unwissen entstehende Unsicherheit führt dazu, dass viele von uns Rassismus ausschweigen und ihn so unbewusst weitertragen, anstatt ihm entgegenzuwirken. Rassismus ist eine von vielen Diskriminierungsformen, denen Menschen in unserer Gesellschaft ausgesetzt sind. Die Black-Lives-Matter-Bewegung hat auch in der Schweiz eindrücklich sichtbar gemacht, dass Rassismusprävention und Rassismuskritik Themen sind, derer wir uns gesellschaftlich annehmen müssen.

Spezifisch für den Kontext Schule sind in der Schweiz kaum Ressourcen für eine rassismuskritische Auseinandersetzung zu finden. Wir Autor*innen haben die Vision einer Institution Schule, in der Kinder und Jugendliche weder rassistischer noch anderer Diskriminierung ausgesetzt sind. Wir haben dieses Buch geschrieben, um möglichst viele Lehrpersonen, Schulleiter*innen und andere Schulakteur*innen dabei zu unterstützen, sich rassismuskritisch weiterzubilden. Wir wollen so einen Beitrag leisten, um unserer Vision eines gerechteren Bildungssystems jeden Tag näher zu kommen. Wir sind davon überzeugt, dass es in unser aller Verantwortung liegt, eine rassismuskritische Haltung einzunehmen und uns stetig weiterzubilden. Diskriminierungskritische Arbeit ist ein lebenslanger Weg, und mit dieser Publikation möchten wir mit dir zusammen ein Stück auf diesem Weg gehen.

Rahel El-Maawi, Mani Owzar, Tilo BurIm Sommer 2022

«Wir können nichts dafür, dass wir so viel rassistischen Unsinn beigebracht bekommen haben. Wir können ihn jetzt aber loswerden. Das bedeutet Arbeit und ist oft schmerzhaft und unbequem. Aber ich wünsche uns und den nächsten Generationen, dass diese Arbeit jetzt getan wird.»

Noah Sow[4]

Schön, dass du hier bist. Gleich zu Beginn möchten wir dir das kollegiale Du anbieten. So wie vermutlich auch du sind wir im Bildungsbereich beziehungsweise an einer Schule oder Hochschule tätig. Wir, das sind Rahel, Mani und Tilo. Wir freuen uns, dass wir zusammen auf eine rassismuskritische Reise gehen.

Das Thema Rassismus ist im Moment in aller Munde, wird jedoch häufig abstrakt und wenig lebens- oder schulnah diskutiert. Die Positionen sind teilweise sehr verhärtet und ein wirkliches Gespräch scheint oft unmöglich. Hier möchten wir Abhilfe schaffen, und zwar ganz ohne erhobenen Zeigefinger. Wir sind überzeugt, dass wir nur weiterkommen und Rassismus überwinden können, wenn wir alle gemeinsam Verantwortung übernehmen.

Dieses Buch richtet sich an Schulakteur*innen und alle, die es werden wollen, also an Menschen, die durch ihre Arbeit zur Schulkultur beitragen, wie etwa Lehrpersonen, Schulleitungen, Schulsozialarbeitende und Betreuungspersonal. Es richtet sich ebenfalls an Personen in Ausbildung in den genannten Bereichen, insbesondere an Studierende an pädagogischen Hochschulen.

Aus unserer eigenen Erfahrung wissen wir, dass Rassismus im Schulkontext häufig im Zusammenhang mit rassistischen Äußerungen zwischen Schüler*innen besprochen wird, wie zum Beispiel rassistische Bemerkungen in Klassenchats oder auf Social Media. Hierbei handelt es sich aber nur um die Spitze des Eisbergs. Unsere Hoffnung ist es, dass wir mit diesem Buch aufzeigen können, wie wichtig ein vertieftes Rassismusverständnis ist, damit wir auch in solch schwierigen Situation handeln können. Unser Schwerpunkt liegt aber darauf, zu verhindern, dass solche Situationen überhaupt erst entstehen.

Beim vorliegenden Buch handelt es sich um ein Grundlagenwerk für Schulakteur*innen auf aktuellem Wissensstand. Es ist grundsätzlich so aufgebaut, dass es Menschen, die sich neu auf den rassismuskritischen Weg begeben, begleitet. Es geht dabei nicht um Rassismus als Unterrichtsthema, sondern es werden die Grundlagen dafür geboten, dass du Rassismus im Unterricht thematisieren kannst. Wir beginnen zunächst mit allgemeineren Kapiteln zum Thema Rassismus und vertiefen in späteren Kapiteln bestimmte Konzepte. So kann es sein, dass in den früheren Kapiteln bestimmte Konzepte erwähnt werden, die erst später genauer erläutert werden.

Falls du einige Kapitel unabhängig voneinander lesen möchtest, empfehlen wir dir nach der Einleitung das Kapitel 2 als Einstieg, da es für das weitere Verständnis des Buchs zentral ist.

Um dir den Einstieg ins Kapitel zu erleichtern und einen Anhaltspunkt zu geben, worum es darin geht, haben wir zu Beginn jedes Kapitels eine oder zwei Fragen formuliert. In jedem Kapitel gibt es Reflexionsfragen, die zu rassismuskritischem Handeln anregen sollen, und teilweise Fragenkataloge oder eine Checkliste, die zum Beispiel zur Analyse von Unterrichtsmaterial geeignet sind.

Grundsätzlich sind die Kapitel aufeinander aufbauend, sie können aber auch für sich allein stehend gelesen werden. Aus diesem Grund werden einige Aspekte an unterschiedlichen Stellen wiederholt erläutert, jedoch nur einmal vertieft vorgestellt.

Es kann sein, dass du dir weniger theoretische Grundlagen und mehr praxisnahe Tipps erhofft hast. In diesem Fall bitten wir dich, dich dennoch auf die Reise einzulassen, denn der Aufbau dieses Buchs beruht auf unserer Erfahrung als Workshopleitende für Schulakteur*innen. Uns ist bewusst, dass uns als Schulakteur*innen häufig wenig Zeit bleibt, neben der Arbeit vertieft Theorie zu studieren. Wenn wir im Hinblick auf Rassismus etwas verändern und dessen Wirkweisen verstehen wollen, sind vertieftere Kenntnisse ein Muss. Dafür sind die Grundlagen im ersten Teil unbedingt notwendig. Rassistischen Strukturen kann nur begegnet werden, wenn wir uns unserer eigenen Haltung und deren Konsequenzen bewusst werden.

Wir Autor*innen leben und arbeiten in der Schweiz, und hier gibt es noch sehr wenig zugängliche Literatur zum Thema Rassismus. Aus diesem Grund gehen wir in einem Kapitel spezifisch auf den Schweizer Kontext ein. In den anderen Kapiteln diskutieren wir Entstehung, Auswirkungen und Handlungsmöglichkeiten – sie sind sicherlich auch für Leser*innen aus dem deutschen und österreichischen Raum gewinnbringend.

Zum Titel des Buchs: Wir sind überzeugt, dass eine gemeinsame Haltung notwendig ist, um effektiv Nein sagen zu können. Dieses Buch bietet die Grundlagen, um sich diese Haltung zu erarbeiten, damit wir alle gemeinsam unsere Verantwortung zu einem «No to Racism» wahrnehmen können.

Zu Beginn möchten wir einige elementare Begriffe definieren, um sicherzustellen, dass wir alle vom Selben sprechen. Alle wichtigen Begriffe, die nicht selbsterklärend sind, werden außerdem im Glossar am Ende des Buchs definiert (siehe auch www.notoracism.ch). Wissen ist nicht statisch, und gerade rassismuskritisches Wissen steckt vielerorts noch in den Kinderschuhen. Wir möchten daher betonen, dass sich Begriffe verändern. Was heute aktuell ist, kann in einigen Jahren schon wieder veraltet sein. Es ist daher zwar wichtig, diese Begriffe zu kennen, viel wichtiger ist es aber, zu erkennen, dass rassismuskritische Arbeit ein Prozess ist und wir alle stetig Lernende.

MIT WELCHEN BEGRIFFEN ARBEITEN WIR?

rassismuskritisch, rassismussensibel, antirassistisch

Eine rassismuskritische Perspektive einzunehmen bedeutet, dass wir Rassismus als System verstehen, das uns sowohl auf persönlicher als auch auf gesellschaftlicher Ebene beeinflusst. In diesem System werden Unterschiede zwischen Menschen gemacht, die wir häufig unbewusst reproduzieren, auch in der Schule. Rassismuskritisch sind wir dann, wenn wir uns dieser Mechanismen bewusst werden und entsprechend handeln. Die Begriffe «rassismussensibel» und «antirassistisch» werden in diesem Buch synonym verwendet.

rassismusbetroffen

Es gibt auch Menschen – besonders in europäischen Ländern und anders als in den USA, die rassismusbetroffen sind und sich nicht als BIPoC, also Black, Indigenous und People of Color, identifizieren. Aus diesem Grund sprechen wir in diesem Buch hauptsächlich von rassismusbetroffenen oder von rassifizierten Menschen. Diese beiden Begriffe nutzen wir da, wo es um spezifischen Rassismus gegen Menschen einer bestimmten Gruppe geht. Wie alle Begriffe hat auch der Begriff «rassismusbetroffen» Unzulänglichkeiten. Wie wir bereits angedeutet haben und noch ausführen werden, betrifft uns das rassistische System alle: Einige Menschen profitieren in gewissen Situationen davon und andere werden benachteiligt. In diesem Buch wird der Begriff für Menschen verwendet, die negativ von Rassismus betroffen sind.

rassifiziert, Rassifizierung

Rassifizierung bezeichnet einen Prozess und eine Struktur, in denen Menschen nach rassistischen Merkmalen (Aussehen, Lebensformen oder imaginäre Merkmale) kategorisiert, stereotypisiert und hierarchisiert werden. Während «Rasse» im deutschen Sprachgebrauch vor allem mit dem Nationalsozialismus und vermeintlich natürlichen Menschenkategorien in Verbindung gebracht wird, betont der Begriff «Rassifizierung», dass es sich um konstruierte Kategorien handelt, diese aber reale Auswirkungen haben, nämlich rassistische Diskriminierung. Rassifiziert und rassismusbetroffen werden in diesem Buch synonym verwendet.

weiß

Bei dem Begriff weiß handelt es sich nicht um eine Selbstbezeichnung, sondern um eine Position im rassistischen System. Weiß sein bedeutet, das Privileg zu haben, keine negativen Rassismuserfahrungen zu machen. Wenn eine Person weiß ist, bedeutet das nicht, dass sie es im Leben immer leicht hat. Sie hat jedoch in Bezug auf Rassismus leichteren Zugang zum Beispiel zum Arbeitsmarkt, zum Wohnungsmarkt, zur Gesundheitsversorgung und zu politischer Teilnahme. Sie kann aber selbst von ganz unterschiedlichen Diskriminierungsformen betroffen sein, wie Sexismus, Homophobie und vielen weiteren. Weiß wird kursiv geschrieben, um zu betonen, dass es sich nicht um eine Hautfarbe handelt.

Migrationshintergrund/Migrationserfahrung

Eine Person hat einen Migrationshintergrund, wenn sie selbst oder mindestens ein Elternteil nicht im Land geboren wurde, in dem sie wohnt. Dieser Begriff wird sehr breit und im Zusammenhang mit der Schule häufig anders verwendet, nämlich für rassifizierte Kinder und Jugendliche. So erfolgt eine Vermischung zwischen Rassismus und Migrationshintergrund. Einige Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund erleben keinen Rassismus, zum Beispiel weiße Kinder aus einigen anderen europäischen Ländern. Einige Kinder und Jugendliche, die Rassismus erleben, haben keinen Migrationshintergrund, zum Beispiel ein Schwarzes Kind schweizerischer Eltern. Wichtig ist, dass Kindern und Jugendlichen Mehrfachzugehörigkeiten nicht abgesprochen werden, indem etwa der Migrationshintergrund oder die Migrationserfahrung ständig betont wird, auch wenn sie nicht relevant sind.

In der Schweiz über Rassismus und Schule zu sprechen ist insofern etwas schwierig, als die Datenlage sehr schwach ist. Die Statistiken des Bundes benennen vor allem den Migrationshintergrund. Die UNO erwartet schon lange von der Schweiz, dass sie differenzierte Erfassungskriterien etabliert.[5]

Genderstern

Wir verwenden den Genderstern, weil wir eine geschlechtersensible Schreibweise anwenden möchten. Der Stern eignet sich, um darauf aufmerksam zu machen, dass es nicht nur weibliche und männliche Identitäten gibt, sondern noch viele weitere.

In Teamzimmern an Schulen scheint es manchmal so, als ob es bei Rassismus hauptsächlich um Sprache gehe und «man ja gar nichts mehr sagen» dürfe. Wir verstehen diesen Unmut gut und möchten Folgendes antworten: Während Begriffe zwar wichtig sind, ist es noch viel wichtiger, zu merken, dass das Thema Rassismus vom Gegenüber ernst genommen wird und sich Menschen darauf einlassen, ihre eigenen Vorurteile und Stereotype immer wieder zu hinterfragen, so wie wir dies auch tun. Wir wünschen uns einen gemeinsamen Lernprozess, bei dem konstruktive Kritik gegeben und angenommen wird.

Wir Autor*innen sind Fachpersonen, wenn es um das Thema Rassismus und die Sensibilisierung für diskriminierende Strukturen etwa in Organisationen geht. Selbstverständlich werden wir aber auch durch unsere eigene Erfahrung geprägt. Die eigene Brille beim Blick auf eine Situation abzunehmen, ist bis zu einem gewissen Grad möglich, vollständig kann dies jedoch nie geschehen. Aus diesem Grund wurden wir von einer Begleitgruppe unterstützt. Diese hat das ganze Buch gelesen und uns Feedback gegeben. Alle Rassismusdefinitionen wurden zusätzlich von betroffenen Menschen überprüft. Dennoch möchten wir hier auch unsere eigenen Positionierungen transparent machen.

Rahel El-Maawi identifiziert sich als queere feministische light-skinned-Schwarze Schweizerin, die christlich sozialisiert und mehrheitlich in der Schweiz aufgewachsen ist. Rahel hat als Kind den Schweizer Pass erhalten – einen der elf wertvollsten Pässe der Welt (ja, es gibt Rankings). Dieser gewährleistet Sicherheit und Bewegungsfreiheit – ein großes Privileg.

Mani Owzar identifiziert sich unter anderem als white passing Person of Color, queer und non-binär. Mani hat Migrationshintergrund, nicht weil einer von Manis Elternteilen im Iran geboren wurde, sondern weil Mani mit sieben Jahren mit den Eltern von Berlin nach Zürich migriert ist. Mani hat außerdem das Privileg, sich bei Kulturveranstaltungen nicht vorgängig informieren zu müssen, ob Manis Zugangsbedürfnisse berücksichtigt werden können.

Tilo Bur identifiziert sich ebenfalls als queer und light-skinned-Schwarz und ist mit Schweizer Pass in Zürich christlich sozialisiert aufgewachsen. Tilo ist zweisprachig und Kind eines weißen Schweizer Vaters. Dies hatte zu Schulzeiten den Vorteil, dass dieser den Umgang und die Regeln kannte. Er stand oft für Tilo und Tilos Bruder ein. Tilo hat eine zweite Heimat, die dominikanische Republik.

Diese Identifizierungen sind wichtig, weil sie in bestimmten Bereichen Diskriminierungserfahrungen bedeuten und in anderen Privilegien. Die genannten Identifizierungen sind selbstverständlich nicht abschließend, sondern sollen exemplarisch aufzeigen, dass Menschen, die in gewissen Lebensbereichen diskriminiert werden, in anderen dennoch privilegiert sein können.

Inhaltswarnung

Besonders für Menschen, die selbst von Rassismus betroffen sind, sprechen wir an dieser Stelle eine Inhaltswarnung aus. Es werden in vielen Kapiteln Beispiele rassistischer Diskriminierung erwähnt. Da Rassismuserfahrung immer auch eine Gewalterfahrung ist, kann dies eigene Erfahrungen wieder wachrufen. Wir versuchen, diese Beispiele im Sinne des Verstehens einzusetzen, sodass alle Schulakteur*innen ihr Handeln reflektieren und Schulsituationen analysieren können, um eine rassismuskritische Schulkultur zu fördern. Jene Kapitel, in denen explizite Beispiele von rassistischer Diskriminierung beschrieben werden, sind jeweils mit einer weiteren Inhaltswarnung versehen.

Eine diskriminierungs- und somit auch rassismusfreie Schulkultur und dazugehörige Lernsettings gibt es nicht. Was wir anstreben können, ist eine rassismuskritische Lehr- und Lernkultur, in der Rassismus thematisiert wird.

Nun bleibt uns nichts anderes mehr zu sagen, als eine anregende Lektüre zu wünschen, und danke, dass du dich mit uns auf diesen Weg begibst.

 

ANMERKUNGEN

[1] Vgl. humanrights.ch (2022). UNO-Arbeitsgruppe bemängelt Umgang mit anti-Schwarzem Rassismus in der Schweiz.

[2] Vgl. EDK (2015). Chancen optimal nutzen, Punkt III 4.

[3] Vgl. LCH, Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (2014). Der Berufsauftrag der Lehrerinnen und Lehrer.

[4] Noah Sow (2018). Deutschland Schwarz Weiß, S. 46.

[5] Stand: September 2022.

«Niemand will Rassist*in genannt werden – genauso wie niemand rassistisch beschimpft werden will.»

Rahel El-Maawi

«Selten fühlen sich weiße Menschen so angegriffen, missverstanden und allein wie dann, wenn man sie oder ihre Handlungen ‹rassistisch› nennt. Das Wort wirkt wie eine Gießkanne voller Scham, ausgekippt über die Benannten. Weil die Scham so groß ist, geht es im Anschluss selten um den Rassismus an sich, sondern darum, dass ich jemandem Rassismus unterstelle. Weiße Menschen haben so wenig Übung darin, mit ihrem eigenen Rassismus konfrontiert zu werden, dass sie meist wütend darauf reagieren, anfangen zu weinen, oder einfach gehen. Für viele Menschen wirkt das R-Wort so, als ob man eine Fliege mit einem Baseballschläger erschlagen würde. Wenn ich jemandes Handlung rassistisch nenne, dann hört dieser Mensch meist nicht, was ich ihm oder ihr sage. Was er oder sie hört, ist: ‹Du bist ein schlechter Mensch. Du bist böse. Du bist ein Nazi.› Das liegt auch daran, dass Menschen eine einseitige Vorstellung davon haben, was Rassismus ist.»

Alice Hasters[1]

Rassismus im engeren Sinn bezeichnet eine Ideologie, die Menschen aufgrund biologischer Merkmale in angeblich naturgegebene Gruppen – sogenannte «Rassen» mit unterschiedlichen Eigenschaften – einteilt und diese hierarchisiert. Menschen werden nicht als Individuen, sondern als Mitglieder einer biologisch dargestellten Gruppe beurteilt und behandelt. Diese konstruierte Einteilung in verschiedene Menschengruppen unterstützte die Machenschaften im Kolonialismus und diente der Rechtfertigung von Versklavung, der Verbrechen der Nazis und von Apartheidregimes.[2]

Diese Definition von Rassismus basiert auf dem Begriff «Rasse» und der Unterscheidung in «Rassen» und stellt damit den Ursprung der Rassisierung ins Zentrum. Dass eine solche biologisch bedingte Einteilung von Menschen in verschiedene «Rassen» existiert, wurde viele Male widerlegt und entbehrt aus heutiger Sicht jeder wissenschaftlichen Grundlage. Dennoch ist diese Unterscheidung noch sozial wirksam: Menschen werden aufgrund der gelernten Unterscheidungen bewertet. Das produziert Ein- und Ausschlüsse beziehungsweise Bevorzugungen und Benachteiligungen, die teilweise auch heute noch legitimiert werden. Wenn wir von Rassismus und rassistischer Diskriminierung sprechen, sprechen wir also davon, dass Menschen aufgrund äußerlicher Merkmale rassifiziert werden: Es wird unterschieden zwischen «Wir» und den «Anderen». Entsprechend erleben viele Menschen of Color, Schwarze Menschen und andere rassifizierte Menschen rassistische Diskriminierung (siehe Kapitel 3). Dies geschieht oft unerwartet und mitten im Alltag – in der Bahn, auf dem Schulhof, in den sozialen Medien. Rassistische Diskriminierung äußert sich nicht nur in offenem und feindseligem Verhalten, sondern oft auch in unreflektierten sprachlichen Äußerungen und in Mikroaggressionen. Und auch indem Zugänge zu Bildung, Gesundheit und Wohnen erschwert werden. Rassismus ist tief in unserer Gesellschaft verankert. Er hat sich in den Strukturen und Institutionen sowie im zwischenmenschlichen Handeln festgemacht (siehe Kapitel 6). Jede rassistische Diskriminierung ist eine massive Grenzverletzung und kann für die betroffene Person eine tiefe Verletzung der eigenen Würde und Integrität bedeuten. Rassistische Diskriminierungen können Vorurteile oder offene, allgemeine Benachteiligungen und die Verwehrung von Ressourcen bis hin zu Völkermord sein. Rassismus ist ein Unrechtssystem, mit dem Menschen abgewertet und ausgeschlossen werden.

Der Begriff «Rasse» wird heute oft nicht mehr verwendet. Dennoch werden aufgrund äußerlicher Merkmale wie Augenform, Hautfarbe, Haar oder auch Familiennamen stereotype Zuschreibungen und Vorurteile ins Feld geführt und Personen rassifiziert. Anstelle vom Begriff der «Rasse» wird der Begriff «Kultur» oder «Ausländer» als Platzhalter verwendet, um das rassistische Moment zu legitimieren.[3]

Leider reicht es nicht, einen Begriff wie den der «Rasse» aus dem Sprachgebrauch auszuschließen, damit die diskriminierende Zuordnung nicht mehr erfolgt. Etienne Balibar (1992) spricht von einer Kulturalisierung als neuer Form von Rassismus. Damit wird Kultur als ein unveränderbarer Wesensunterschied erklärt, der unvereinbar mit der «eigenen» Tradition und Kultur sei. In solchen Denk- und Sprechweisen wird Rassismus unter dem Deckmantel der Kultur weitergetragen.

Damit werden die «Anderen» konstruiert, abgewertet und als nicht zugehörig bezeichnet. Wer kann bestimmen, wer die «Anderen» sind? Wer kann bestimmen, was die vertraute, hiesige Kultur ist? Die Deutungsmacht, wer wen verandern und abwerten darf, verläuft entlang rassistischer Zuschreibungen und nicht-rassifizierte Menschen werten rassifizierte Personen wie Menschen of Color, Schwarze Personen, jüdische und muslimisch gelesene Personen ab. Rassistische Diskriminierung geschieht in diesem Machtgefälle, indem weiße, also nicht-rassismusbetroffene, Personen diese Definitionsmacht für sich beanspruchen und andere an ihren Platz verweisen. Indem sie sie als «nicht von hier» einstufen und behandeln. Damit wird die hierarchisierende Gesellschaftsstruktur immer wieder gefestigt.

Rassismus ist also die Einteilung von Menschen in Gruppen, die mit gelernten Vorurteilen verknüpft und in eine Hierarchie gestellt werden. Wichtig dabei ist: Eine Abneigung oder Böswilligkeit gegen Menschen oder Menschengruppen ist keine Voraussetzung für rassistisches Handeln. Rassismus ist keine persönliche oder politische Einstellung, sondern ein institutionalisiertes System, das in soziale, wirtschaftliche, politische und kulturelle Beziehungen hinein wirkt und weiße Menschen und ihre Interessen konsequent bevorzugt. Das ist unabhängig davon, ob eine subjektive Intention dahintersteht oder nicht.[4] Rassismus ist ein strukturelles gesellschaftliches Problem, aufgrund dessen Ein- und Ausschlüsse produziert werden. Auf diese Weise strukturiert Rassismus den Alltag aller Menschen. Die einen werden dadurch bevorteilt und andere benachteiligt. Dabei wird Letzteren die Teilhabe an gesellschaftlichen Ressourcen erschwert. Diese Ausschlüsse werden legitimiert oder stillschweigend akzeptiert, indem nicht dagegen gehandelt wird.

2.1 WIR ALLE SIND RASSISTISCH SOZIALISIERT

In der Studie «Zusammenleben in der Schweiz» wurden Menschen in der Schweiz gefragt, ob sie sich im Alltag, in der Nachbarschaft oder bei der Arbeit von «Anderen» gestört fühlen. Die Gründe für das Gefühl, gestört zu werden, waren in der Studie die Hautfarbe, Sprache, Religion oder Staatsangehörigkeit. Solche rassistischen Einstellungen lehnten 69 Prozent der Befragten klar ab (in der Studie wurden sie gebeten, anhand einer Skala von 1 «nicht einverstanden» bis 4 «einverstanden» zu beantworten, ob sie sich in einer bestimmten Situation von «Anderen» gestört fühlen).

Das ist eine große Mehrheit, doch in der Studie wurden die Teilnehmer*innen auch direkt gefragt, ob sie Aussagen mit konkreten rassistischen Annahmen zu muslimischen, Schwarzen und jüdischen Menschen zustimmten.[5] Ein Fünftel der Befragten (hinsichtlich Schwarzer Personen) bis zu 39 Prozent (hinsichtlich jüdischer Personen) stimmten den entsprechenden rassistischen Aussagen zu. Bei den rassistischen Aussagen zu muslimischen Menschen stimmten 34 Prozent der Befragten zu. Die Studie zeigt also, dass die Schweizer Bevölkerung mehrheitlich von sich glaubt, keine rassistischen Vorurteile zu haben, und dennoch stimmen 20 bis fast 40 Prozent konkreten rassistischen Aussagen zu.

In derselben Studie wurde erfasst, dass jede dritte in der Schweiz lebende Person regelmäßig Rassismuserfahrungen macht.[6]

Solche Zahlen machen deutlich: Nicht rassistisch denken reicht nicht. Ein aktives nicht-rassistisches Handeln ist notwendig, um ein rassismusarmes Zusammenleben zu gestalten. Alice Hasters beschreibt dies treffend: «Rassismus wird man also nicht los, nur weil man behauptet, nicht rassistisch zu sein. Es kann zum Beispiel sein, dass man am Tag gegen Rassismus demonstriert – und trotzdem Angst bekommt, wenn ein Schwarzer Mann einem nachts über den Weg läuft. Oder dass man kurz überrascht ist, wenn eine Frau mit Kopftuch perfekt Deutsch spricht.»[7]