Not without you - Sarah Glicker - E-Book

Not without you E-Book

Sarah Glicker

0,0
3,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Verliebt in den Mechaniker Als Ben sein neues Leben in Miami beginnt, hofft er, seine düstere Vergangenheit hinter sich lassen zu können. Bei der Arbeit in der Werkstatt begegnet er Layla, die ihn vom ersten Moment an fasziniert. Doch sie ist die Tochter seines Bosses und er darf sich im Job keine Fehler erlauben. Layla hat gerade ihr Studium abgeschlossen und bewirbt sich um eine Anstellung in einer großen Firma. Nebenbei unterstützt sie ihre Eltern und kommt deshalb regelmäßig in der Autowerkstatt ihres Vaters vorbei. Sie weiß, dass ihr Dad keine Beziehungen zwischen seinen Angestellten und seinen Töchtern duldet. Doch sie kann nicht aufhören, an Ben zu denken. Dabei ahnt sie nicht, dass er ein Geheimnis verbirgt, was ihre Welt auf den Kopf stellen wird …

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 415

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Not without you

Die Autorin

Sarah Glicker, geboren 1988, lebt zusammen mit ihrer Familie im schönen Münsterland. Für die gelernte Rechtsanwaltsfachangestellte gehörten Bücher von Kindesbeinen an zum Leben. Bereits in der Grundschule hat sie Geschichten geschrieben. Als Frau eines Kampfsportlers liebt sie es, Geschichten über attraktive Bad Boys zu schreiben.

Das Buch

Verliebt in den Mechaniker

Als Ben sein neues Leben in Miami beginnt, hofft er, seine düstere Vergangenheit hinter sich lassen zu können. Bei der Arbeit in der Werkstatt begegnet er Layla, die ihn vom ersten Moment an fasziniert. Doch sie ist die Tochter seines Bosses und er darf sich im Job keine Fehler erlauben.Layla hat gerade ihr Studium abgeschlossen und bewirbt sich um eine Anstellung in einer großen Firma. Nebenbei unterstützt sie ihre Eltern und kommt deshalb regelmäßig in der Autowerkstatt ihres Vaters vorbei. Sie weiß, dass ihr Dad keine Beziehungen zwischen seinen Angestellten und seinen Töchtern duldet. Doch sie kann nicht aufhören, an Ben zu denken. Dabei ahnt sie nicht, dass er ein Geheimnis verbirgt, was ihre Welt auf den Kopf stellen wird …

Sarah Glicker

Not without you

Layla & Ben

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

Originalausgabe bei Forever Forever ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin Juni 2022 (1) © Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2022Umschlaggestaltung: zero-media.net, München Titelabbildung: © FinePic® Autorenfoto: © privat E-Book powered by pepyrusISBN 978-3-95818-684-2

Emojis werden bereitgestellt von openmoji.org unter der Lizenz CC BY-SA 4.0.

Auf einigen Lesegeräten erzeugt das Öffnen dieses E-Books in der aktuellen Formatversion EPUB3 einen Warnhinweis, der auf ein nicht unterstütztes Dateiformat hinweist und vor Darstellungs- und Systemfehlern warnt. Das Öffnen dieses E-Books stellt demgegenüber auf sämtlichen Lesegeräten keine Gefahr dar und ist unbedenklich. Bitte ignorieren Sie etwaige Warnhinweise und wenden sich bei Fragen vertrauensvoll an unseren Verlag! Wir wünschen viel Lesevergnügen.

Hinweis zu UrheberrechtenSämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken, deshalb ist die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben.In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich die Ullstein Buchverlage GmbH die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.

Inhalt

Titelei

Die Autorin / Das Buch

Titelseite

Impressum

Teil 1

Prolog

Ben

1

Drei Tage später

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

18

Teil 2

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

21

22

23

Teil 3

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

Anhang

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Teil 1

Teil 1

Prolog

Ben

»Verschwinde sofort von meinem Grundstück«, dringt die laute und energische Stimme meines Vaters an mein Ohr, noch bevor ich überhaupt die Treppe erreicht habe, die zur Haustür führt.

Es dauert den Bruchteil einer Sekunde, bis diese aufgerissen wird und ich die große Gestalt des Mannes erkennen kann, der mich aufgezogen hat. Auf die meisten Menschen macht er einen einschüchternden Eindruck. Sie ziehen den Kopf ein, wenn er einmal laut wird, und machen ein paar Schritte zurück, um mehr Abstand zwischen sich selbst und ihn zu bringen. Und würde ich ihn nicht kennen, würde es mir wahrscheinlich genauso gehen.

Er ist groß und lächelt verdammt selten. Ich glaube, die Male, an denen er mich wirklich angelächelt hat, kann ich an einer Hand abzählen. Und das ist schon ein paar Jahre her. Außerdem hat er über der rechten Augenbraue eine dicke Narbe. Offiziell behauptet er immer, dass die von einem Unfall stammt. Meine Oma hat mir vor ein paar Jahren allerdings verraten, dass er sie sich bei einer Prügelei in der Schule zugezogen hat.

Noch bevor ich etwas von mir geben kann, um mein Auftauchen zu erklären, kommt er mit einem wütenden Blick auf die Veranda, die sich vor meinem Elternhaus befindet, und stemmt die Hände in die Hüften, während er sich zu seiner vollen Größe aufrichtet.

Ich erkenne, dass er in den Jahren, seitdem wir uns das letzte Mal gesehen haben, eindeutig zugenommen hat. Sein Hemd spannt mehr um seinen Bauch herum, als es eigentlich der Fall sein sollte, und sein Gürtel befindet sich im letzten Loch. Damit hatte ich nicht gerechnet. Schließlich hat er immer auf seine Ernährung geachtet, während er meiner Mom Vorhaltungen über ihren ungesunden Lebensstil machte. Er hat ihr sogar mal gesagt, wie schnell es sie ins Grab bringen würde. Dabei bin ich mir sicher, dass es ihm eigentlich egal ist.

Jetzt betrachtet er mich mit einem finsteren Blick, sodass ich nicht mehr darüber nachdenke, einen Schritt näher zu gehen. Mein Ziel war es auch nur, ihn aus der Fassung zu bringen und nicht, mich mit ihm zu prügeln. Das habe ich erreicht.

Ich habe keine Angst vor ihm. Das hatte ich noch nie. In gewisser Weise kann man sogar behaupten, dass ich noch nie Respekt vor ihm hatte. Dennoch frage ich mich gerade, ob es wirklich eine so gute Idee gewesen ist, hier aufzutauchen. Ich habe nämlich keine Lust auf Streit.

Mit großen Schritten nähert er sich mir und lässt mich dabei nicht aus den Augen. Allein wegen der Art und Weise, wie er sich bewegt, wären die meisten wahrscheinlich sofort wieder abgehauen. Oder sie wären gar nicht erst auf die Idee gekommen, hier aufzutauchen.

Doch ich war noch nie so, wie andere es erwartet haben. Sonst wäre ich nicht in dieser Situation gelandet. Ich bin schon immer meinen eigenen Weg gegangen, ohne dabei auf jemand anderen Rücksicht zu nehmen. Und das werde ich wahrscheinlich auch immer. In der Vergangenheit war es mir egal, ob mein Vater mich anschrie oder meine Mutter es ruhig versuchte. Ich saß da und habe an etwas anderes gedacht. Ich hätte zu alten Freunden fahren sollen. Da wäre der Empfang herzlicher gewesen, fährt es mir beim Anblick meines alten Herren durch den Kopf.

Ich will mit meiner Vergangenheit abschließen. Doch wenn ich einen der Jungs aufsuche, verfalle ich bald wieder in die alten Muster. Und auch wenn ich noch immer nicht das machen will, was mein Vater sagt, so will ich auch nicht wieder straffällig werden.

Dennoch wusste ich von Anfang an, dass es eine scheiß Idee war, hier aufzutauchen. Seitdem die Cops vor der Tür standen, hat mein Vater kein Geheimnis daraus gemacht, dass er mich nicht mehr sehen will. Ehrlich gesagt will ich überhaupt nicht wissen, was er den Nachbarn als Grund für meine Verhaftung genannt hat.

»Ich freue mich auch, dich zu sehen«, begrüße ich ihn, ohne mich aus der Ruhe bringen zu lassen.

Nur wenige Zentimeter von mir entfernt kommt er zum Stehen und verzieht keine Miene. Aus Erfahrung kann ich sagen, dass das kein gutes Zeichen ist. Doch interessieren tut es mich nicht. Mir ist bewusst, dass er mir Angst machen will. Doch seien wir mal ehrlich. Ich bin erwachsen und habe für die Scheiße geradegestanden, die ich gebaut habe. Es gibt keinen Grund, wieso ich Angst vor ihm haben sollte.

»Du hast keine Ahnung, wie sehr deine Mutter unter dieser Geschichte zu leiden hatte. Das tut sie noch immer. Dein Auftauchen macht es nicht besser. Weißt du, was du uns damit angetan hast? Ich habe es dir damals schon gesagt und ich meine es noch immer: Du bist nicht mehr mein Sohn. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob du das jemals warst. Mein Sohn hätte sich im Griff.«

Mir ist klar, dass er auf meinen Streber-Bruder anspielt. Den Arzt in seiner teuren Privatklinik. Er hat schon immer ein langweiliges Leben geführt, was aber sein Problem ist und nicht meines.

Auch, wenn es das Beste wäre, zu verschwinden, kann ich es nicht. Stattdessen richte ich mich ebenfalls noch ein wenig auf und spanne meine Muskeln an. »Ich habe nie gewollt, dass es Mom meinetwegen schlecht geht. Ich glaube, bei dir geht es ihr schlecht genug. Sie hat ein Herz, was man von dir nicht gerade behaupten kann.« Um meine Worte zu unterstreichen, lehne ich mich ein Stück nach vorne.

Ich kann beobachten, wie meine Ansage ihn aus dem Gleichgewicht bringt. Überlegen grinse ich ihn an.

»Eigentlich wollte ich in Ruhe mit euch sprechen. Euch sagen, wie es so weit kommen konnte. Mich entschuldigen. Doch nun will ich von dir nur noch wissen, ob Mom hier ist.«

Obwohl ich die Antwort bereits kenne, spreche ich die Worte dennoch aus. Mein Vater wird mich mit Sicherheit nicht in die Nähe meiner Mutter lassen.

Dafür hat er viel zu sehr Angst, die Kontrolle zu verlieren. Aber ich will wenigstens einen Versuch starten.

»Dass du dich überhaupt traust, dich nach ihr zu erkundigen«, fährt er mich an.

Ich versuche ruhig zu bleiben und ihm keine Macht über mich zu geben. In den letzten Jahren hatte ich schließlich mehr als genug Zeit, mich auf diese Unterhaltung vorzubereiten. Ich war davon ausgegangen, dass ich es geschafft habe. Doch ich kann es einfach nicht. Seine Worte sorgen dafür, dass bei mir sämtliche Sicherungen durchbrennen.

Mit zusammengekniffenen Augen starre ich ihn an. Er bewegt sich kein Stück. »Ich habe für alles, was ich getan habe, gebüßt. Und zwar jeden einzelnen Tag in den letzten drei Jahren. Hätte ich mich vor dieser Verantwortung gedrückt, könntest du nun sauer auf mich sein. In diesem Fall würde ich dein Verhalten sogar verstehen und wäre auch nicht hergekommen. Aber genau das habe ich nicht. Und deswegen hast du kein Recht, mich so zu behandeln. Das heißt aber nicht, dass es mich überrascht. Dir war schon immer wichtiger, was andere von dir denken, als wie es deiner eigenen Familie geht.« Ich rede leise, mit gefährlicher Stimme. Keinerlei Zweifel lasse ich daran, dass ich es so meine, wie ich es sage. Er kann mich nicht behandeln, als wäre ich ein kleines Kind. Diese Zeit haben wir schon lange hinter uns gelassen.

»Ben«, erwidert mein Vater. Er versucht, mich in meine Schranken zu weisen. Gleichzeitig huschen seine Augen hin und her.

»Du bist so ein Weichei. Lass dir endlich Eier wachsen und kümmere dich um die wirklichen Probleme in deinem Leben. Vielleicht geht es Mom dann auch wieder besser. Es muss frustrierend sein, wenn man mit einem Mann verheiratet ist, der nicht in der Lage ist, es einem zu besorgen. In gewisser Weise kann man dich nicht einmal als Mann bezeichnen.«

Mir ist sehr wohl bewusst, dass sich mittlerweile sämtliche Nachbarn an ihren Fenstern befinden und uns beobachten, so wie es hier immer ist. Aus diesem Grund spreche ich ein wenig lauter, sodass sie meine Worte hören. Ich bin mir sicher, dass sie ihn auf den ungebetenen Gast ansprechen werden. Von mir aus soll er den Nachbarn deswegen aus dem Weg gehen. Denn mit seinem Verhalten hat er mir mal wieder klargemacht, wieso ich mich noch nie sonderlich gut mit ihm verstanden habe. Nicht, dass ich es vergessen gehabt hätte.

»Du solltest mir nicht die Schuld geben. Schließlich warst du alt genug, mal deinen Kopf einzuschalten, bevor du handelst. Und um deine Mutter brauchst du dir keine Gedanken zu machen, sie hat alles, was sie braucht.«

Ich sehe meinem Vater an, dass es ihm schwerfällt, die Worte auszusprechen. Seine Stimme ist so leise, dass er sich sicher sein kann, dass sie sonst niemand hört.

Mir liegt so einiges auf der Zunge. Aber das behalte ich lieber für mich, wenn ich nicht will, dass diese Unterhaltung ausartet. Das ist eines der Dinge, die ich in den letzten Jahren gelernt habe. Selbstbeherrschung!

Eine Weile stehen wir uns stumm gegenüber. Und je mehr Zeit vergeht, umso schwieriger wird es für meinen Vater, wie ich ganz genau erkennen kann.

»Du hast nichts. Kein Geld, kein Auto, keine Wohnung. Wäre es anders, würdest du nicht hier stehen. Ich bin mir sicher, dass du früher oder später wieder da landen wirst, wo du hergekommen bist. Denn dort gehörst du hin. Mehr bist du nicht wert.«

Mein Vater sagt das, um mich zu verletzen, doch er schafft es nicht. Ich habe mir geschworen, dass ich lieber auf der Straße leben werde, als zurück ins Gefängnis zu gehen.

Ich greife nach meiner Tasche, die neben mir auf dem Boden liegt. Ohne meinen Vater weiter zu beachten, drehe ich mich um und gehe in die Richtung, aus der ich gekommen bin.

Als ich einen Blick in die Häuser werfe, an denen ich vorbeigehe, kann ich sehen, wie hinter vorgehaltener Hand getuschelt wird. Es gibt eben Dinge, die sich nie ändern.

Wahrscheinlich haben sie Angst, dass ich in ihre Häuser einbreche.

»Zum Flughafen«, weise ich den Fahrer an, nachdem ich in ein Taxi gestiegen bin.

1

Drei Tage später

»Layla?«, dringt die laute Stimme meiner Mutter durchs Haus.

»Ich bin oben«, erwidere ich, während ich nur mit einem Handtuch bekleidet das Badezimmer verlasse.

Mitten im Flur bleibe ich stehen, obwohl das Wasser aus meinen Haaren auf den Boden tropft. Doch an der Stimme meiner Mutter höre ich, dass sie aufgeregt ist. Und das macht mich neugierig.

»Hier ist ein Brief für dich«, erklärt sie. »Er sieht wichtig aus.«

Eigentlich wollte ich mich gerade anziehen, doch nun überlege ich es mir anders. Da ich in meinem letzten Jahr auf dem College bin, habe ich mich hier in Miami bei einigen Firmen beworben. Oder besser gesagt, ich habe mich an jede gewandt, bei der ich mit meinem Studienfach Spanisch als Fremdsprache etwas anfangen kann. Von den meisten Firmen habe ich allerdings schon nach kurzer Zeit Absagen bekommen. Entweder haben sie nicht gesucht, oder sie wollten jemanden, der Erfahrung mitbringt.

Am Anfang war es ein wenig niederschmetternd. Schließlich habe ich gute Noten und liebe diesen Bereich. Aber vielleicht war noch nicht die richtige Firma für mich dabei.

Klar, ich habe noch ein paar Wochen Zeit, ehe ich ins Berufsleben starte, doch mit jedem Tag verschwinden wieder drei gute Stellen, mindestens. Ich sage nichts, als ich vor meiner Mutter stehen bleibe. Stattdessen strecke ich meine Hand nach dem Brief aus.

Kurz sieht meine Mom mich nachdenklich an. Dann überreicht sie mir wortlos den Brief. Ihr Blick sagt mir, dass sie mindestens genauso nervös ist, wie ich es bin. Auch wenn sie versucht es mir nicht zu zeigen, um mich nicht noch hibbeliger zu machen.

Ich nehme mir Zeit und betrachte den Umschlag in meiner Hand. Er ist von einer Spedition, von der ich weiß, dass sie viel mit Europa arbeitet.

»Du zitterst ja«, stellt meine Mom fest und unterbricht so die Ruhe, die sich zwischen uns ausgebreitet hat.

Um es endlich hinter mich zu bringen, öffne ich den Umschlag und lese mir den Brief durch. Dabei dringt mir ein Seufzer über die Lippen, den ich nicht für mich behalten kann.

»Es ist eine Absage«, kläre ich sie auf.

Ich lasse meine Hand sinken und lege den Brief auf den kleinen Tisch, der neben mir steht.

»Oh nein, das tut mir leid, Schätzchen. Diese Leute haben überhaupt keine Ahnung, was ihnen entgeht.«

»Ja, es ist schlimm. Hätte ich vor drei Jahren gewusst, dass ich in diesem Beruf anscheinend keine Zukunft habe, hätte ich mich für ein anderes Fach entschieden. Doch dafür ist es nun zu spät.«

»Es ist niemals zu spät, sich für etwas anderes zu entscheiden, einen anderen Weg einzuschlagen. Du kannst noch ein zweites Studium machen«, schlägt sie vor und sieht mich dabei begeistert an.

Sie klingt, als wäre das die perfekte Lösung für mein Problem. Für mich kommt es aber nicht infrage. Langsam habe ich keine Lust mehr zu lernen und bin froh, wenn ich endlich mein eigenes Geld verdienen kann. Das tue ich jetzt zwar auch schon, aber es gibt einen Unterschied zwischen einem Aushilfsjob und einer richtigen Festanstellung.

»Ich glaube nicht, dass ich das machen werde«, entgegne ich also. »Ich werde schon eine Stelle finden, bei der mir meine Fremdsprachenkenntnisse zugutekommen.«

»Das war ja auch nur ein Vorschlag. Noch hast du Zeit. Wer weiß, vielleicht kommt ja noch das beste Angebot, was du dir überhaupt wünschen kannst«, sagt sie und versucht mich aufzubauen.

»Wir werden sehen«, murmle ich. Ein leichtes Lächeln legt sich auf meine Lippen. Ich weiß, dass sie es nur gut meint. Aber ich überlege gerade schon, ob ich mich vielleicht auch noch in anderen Städten bewerben sollte. Schließlich muss ich ja nicht hierbleiben.

Meine Schwester hat das auch nicht gemacht.

Und sie scheint ganz froh darüber zu sein, dass sie Miami verlassen hat. Es gibt einige Orte, an denen ich mir vorstellen könnte zu wohnen.

»Kannst du mir einen Gefallen tun?«, fragt meine Mom mich nun und sieht mich dabei vorsichtig an.

»Was gibt’s denn?«

»Ich habe heute Nachmittag einen wichtigen Termin. Und das Kostüm, das ich dafür brauche, liegt im Wagen deines Vaters. Kannst du es vielleicht holen? Ich muss hier noch einige Sachen erledigen und komme deswegen nicht raus.« Bittend sieht sie mich an.

»Sicher«, erwidere ich. »Ich mache mich fertig und fahre dann.«

Dabei behalte ich für mich, dass ich froh bin, etwas zu tun zu haben. Vor allem deswegen, weil ich ihr so aus dem Weg gehen kann und nicht mehr Gefahr laufe, dass sie noch etwas wegen meiner Bewerbungen sagt. Ich weiß, dass sie es nur gut meint. Aber in dieser Sache kann sie mir nicht helfen. Das ist etwas, das ich allein auf die Reihe bekommen muss. Auch wenn es anscheinend schwieriger wird, als ich es erwartet hatte.

Bevor sie noch etwas sagen kann, greife ich wieder nach dem Brief und verschwinde in der oberen Etage.

Schnell ziehe ich mir einen knielangen Rock an und ein Shirt mit einem Aufdruck von Mickey Maus. Dann lege ich Make-up auf und schlüpfe in meine Sandalen. Ohne den Brief weiter zu beachten, oder auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden – ändern kann ich es ja doch nicht mehr –, greife ich nach meiner Tasche und verlasse das Zimmer.

Es dauert eine knappe Stunde, bis ich die Werkstatt, die meinem Dad gehört, erreicht habe. Normalerweise habe ich den Weg dorthin innerhalb einer halben Stunde hinter mich gebracht, aber normalerweise muss ich auch nicht an jeder Ampel stehen bleiben, die sich auf dem Weg dorthin befindet.

Schnell stelle ich meinen Wagen ab und gehe auf die riesigen Tore zu, die in eine große Halle führen. Sie ist so voll, dass die Fahrzeuge schon beinahe Stoßstange an Stoßstange stehen. Eigentlich passen sechs Autos rein. Irgendwie haben die Mechaniker es aber geschafft neun im Inneren abzustellen. Das hat zur Folge, dass ich kaum zwischen ihnen entlanggehen kann.

Als ich mir einen Weg zwischen zwei Geländewagen bahnen will, fällt mein Blick auf den besten Mechaniker, den mein Dad nach seinen eigenen Worten hat. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit lobt er ihn in den höchsten Tönen, sodass meine Mom irgendwann meinte, dass er ihn doch adoptieren soll.

Jacob.

Er steht neben einem der vielen Fahrzeuge und betrachtet irgendeinen Plan.

Ich drehe mich ruckartig herum und schlage einen anderen Weg ein. Bis jetzt hat er mich nicht entdeckt und ich möchte, dass es auch so bleibt. In den letzten Monaten hat er immer wieder Annäherungsversuche unternommen, die ich leider nicht unterbinden konnte. Auf diese Weise ist er mir näher gekommen, als ich es wollte, ganz egal, wie oft ich ihm gesagt habe, dass er mich in Ruhe lassen soll. Meinem Vater habe ich das nicht erzählt, schließlich ist Jacob sein Liebling. Und auch wenn ich keinen Zweifel daran habe, dass er mir sofort glauben würde, habe ich keine Lust auf das Theater, das unweigerlich auf mich zukommen würde.

Ich mag Jacob nicht. Er ist zu sehr von sich selbst überzeugt. Er meint, er wäre der Beste und die Frauen würden ihm zu Füßen liegen. Sollte das der Fall sein, frage ich mich, wieso er mir ständig auf die Nerven geht.

Ohne mich noch einmal in seine Richtung umzudrehen, gehe ich zu dem Büro meines Vaters, das sich in der hintersten Ecke der Halle befindet. Ich klopfe nicht an, sondern trete einfach ein.

Im nächsten Moment wünsche ich mir, dass ich es nicht getan hätte. Mein Vater steht mitten im Raum mit einem Typen, der vielleicht nur ein paar Jahre älter ist als ich. Er trägt eine weite helle Jeans, die ihm tief auf den Hüften sitzt, sodass ich mir sicher bin, dass man den Bund seiner Boxershorts darunter erkennen kann. Sein schwarzes Shirt ist so eng, dass wirklich nichts der Fantasie überlassen wird. Man kann jeden einzelnen Muskel erkennen, der sich darunter befindet. Und die Haut an seinen Armen, die man sehen kann, ist mit so vielen Tattoos bedeckt, dass es wirkt, als wären sie eins.

Es dauert einen Moment, bis er mich schließlich ansieht. Die Umgebung rückt in den Hintergrund und ich werde von ihm eingenommen. Ich muss all meine Selbstbeherrschung zusammennehmen, um mich von ihm abzuwenden und mich stattdessen auf meinen Vater zu konzentrieren.

Ich bin es gewohnt, mit muskulösen Mechanikern zu tun zu haben. Und trotzdem fühlt es sich diesmal irgendwie anders an.

»Layla!« Die Stimme meines Vaters durchdringt den Nebel, der mich noch immer umgibt, und vertreibt ihn langsam. »Ich habe gar nicht mit dir gerechnet. Haben wir einen Termin, den ich vergessen habe?«

Unauffällig schüttle ich den Kopf, bevor ich antworte. Auf diese Weise will ich mich wenigstens so weit wieder in den Griff bekommen, dass ich mich nicht wie eine Idiotin aufführe.

»Ich hatte gar nicht vor herzukommen, sondern wollte mich um ein paar andere Dinge kümmern. Mom hat mich aber geschickt«, erwidere ich. Dabei versuche ich auszublenden, dass wir nicht allein sind. »Du warst doch für sie in der Reinigung. Sie braucht die Klamotten für einen Termin, den sie heute noch hat.«

Mein Blick wandert immer wieder zu dem Typen, der sich mit uns im Raum befindet. Dabei haben wir noch kein Wort miteinander gesprochen. Er hat mich ja nicht einmal gegrüßt, beziehungsweise mir seinen Namen genannt. Deswegen versuche ich wenigstens, ihn nicht ganz so offensichtlich anzustarren.

»Ja, ich habe sie im Auto. Der Wagen ist auf, du kannst sie herausholen«, erklärt mein Vater.

Dankbar lächle ich ihn an und will mich umdrehen, um wieder zu verschwinden. Doch da redet er bereits weiter.

»Ach, und jetzt hätte ich es beinahe vergessen. Zurzeit habe ich so viel im Kopf, dass ich kaum weiß, was ich als Erstes machen soll. Layla, das ist Ben. Er ist unser neuer Mechaniker. Ben, das ist meine jüngste Tochter Layla. Also sei schön lieb zu ihr.«

Ich zucke zusammen, als mein Vater seinen Namen erwähnt. Deswegen dauert es auch ein wenig, bis ich den mahnenden Blick erkenne, den mein Vater Ben zuwirft. Auf diese Weise will er ihm klarmachen, dass er die Finger von mir lassen soll.

Ben.

Mehrmals sage ich mir in Gedanken den Namen vor. Mir ist bewusst, dass ich mich wie ein kleines Schulmädchen verhalte. Aber ich muss zugeben, dass dieser Name zu ihm passt.

»Freut mich«, erklärt er nun und streckt seine Hand nach mir aus.

Ohne darüber nachzudenken, ergreife ich sie. Sofort bereue ich es. Ein elektrischer Schlag, den ich so noch nie gespürt habe, fährt durch meinen Körper. Doch ich versuche es mir nicht anmerken zu lassen.

Allerdings brauche ich nur einen kurzen Blick in sein Gesicht zu werfen, um zu wissen, dass er es genau gemerkt hat. Kurz habe ich die Befürchtung, dass er einen Versuch startet, mir noch näherzukommen.

Genauso, wie Jacob es getan hat.

Doch das macht er nicht. Und ich bin froh darüber.

»Gehen Sie zu Alex. Er soll Ihnen alles zeigen und Ihnen sagen, was Sie machen können«, weist mein Vater ihn an.

»Danke für die Chance«, antwortet Ben und lässt mich los.

Kurz kommt es mir so vor, als würde er auf Abstand zu mir gehen. Dann tritt er an mir vorbei und verschwindet aus meinem Sichtfeld. Dabei streift er meinen Arm, sodass ich unbewusst den Atem anhalte. Gleichzeitig versuche ich, seinem Blick auszuweichen.

»Was ist los?«, erkundigt sich mein Vater, nachdem er mich einen Moment prüfend angesehen hat. Ich schlucke. Kurz befürchte ich, dass er irgendetwas von dem mitbekommen hat, was hier gerade ablief. Aber mein Vater ist nicht unbedingt jemand, den man als aufmerksam bezeichnen kann.

»Nichts«, antworte ich und zucke dabei mit den Schultern. »Was soll los sein?«

»Du siehst so aus, als würde dich irgendetwas bedrücken. Normalerweise bist du nicht so merkwürdig still.«

Bei seinen Worten lasse ich seufzend die Schultern hängen.

»Ich habe vorhin schon wieder eine Absage bekommen«, erkläre ich also. Dann räuspere ich mich und richte mich gerader auf. Ich habe mir vorgenommen, dass ich es mir nicht mehr so zu Herzen nehmen werde, und das war mein Ernst.

»Das tut mir leid für dich. Aber ich bin mir sicher, dass da draußen irgendwo die perfekte Stelle auf dich wartet.« Während mein Dad spricht, geht er um den Schreibtisch herum.

»Ich muss sagen, dass ich mich mittlerweile daran gewöhnt habe.« Meine Worte überraschen mich selbst.

Mein Dad sieht mich ein wenig skeptisch an.

»Na komm«, fordere ich meinen Vater auf und lächle kurz. »Sonst dreht Mom noch durch, weil sie zu spät kommt. Du weißt ja, wie sie sein kann.« Frech grinse ich ihn an.

Mein Dad lächelt ebenfalls und setzt sich dann in Bewegung. Während ich ihm durch die Werkstatt folge, schaue ich mich suchend zu allen Seiten hin um. Aber ich kann Ben nirgends entdecken. Ich weiß nicht, ob ich froh darüber sein soll oder nicht.

Draußen steuert mein Dad auf seinen Wagen zu und greift nach den Sachen, die im Kofferraum liegen. »Wenn deine Mom angerufen hätte, hätte ich ihr die Sachen auch vorbeigebracht«, erklärt er dabei.

»Ich glaube, das ist ihr auch klar. Wahrscheinlich wollte sie nur, dass ich etwas zu tun habe und du dich auf deine Arbeit konzentrieren kannst.«

»Sie denkt eben an alles. Hier ist wirklich viel zu tun.«

»Ja, das sehe ich.« Ich werfe noch einen Blick in das Innere der Halle. »Aber nun hast du ja einen neuen Mechaniker, der dir sicher viel abnehmen wird. Wir sehen uns heute Abend.« Mit diesen Worten drücke ich ihm noch einen Kuss auf die Wange, ehe ich mich entferne.

Aus dem Augenwinkel sehe ich Jacob, der auf mich zukommt.

So schnell wie möglich gehe ich zu meinem Wagen und steige ein. Ich kann es mir gerade noch verkneifen, mit quietschenden Reifen den Hof zu verlassen, um so schnell wie möglich von hier zu verschwinden.

2

Müde schleppe ich mich abends ins Haus. In den letzten Tagen hatte ich so viel zu tun, dass ich kaum eine ruhige Minute hatte. Heute sah es nicht anders aus.

Nachdem ich die Haustür hinter mir geschlossen habe, bleibe ich einen Moment in der Stille stehen, die im Inneren des Hauses herrscht. Da die Autos meiner Eltern nicht vor der Garage stehen, gehe ich davon aus, dass sie noch unterwegs sind. Ich weiß, dass meine Mom in dieser Woche einige geschäftliche Termine hat, die viel Zeit in Anspruch nehmen. Und mein Dad hat eh immer viel um die Ohren.

Schnell streife ich mir meine Schuhe von den Füßen und schmeiße meine Tasche auf den kleinen Abstelltisch, der sich neben der Tür befindet. Dann gehe ich mit großen Schritten in Richtung der Küche.

Doch kaum habe ich die Tür geöffnet, die in den Raum führt, und einen Schritt hineingemacht, bleibe ich überrascht stehen.

»Schwesterherz«, rufe ich erfreut. Ich schiebe meine Müdigkeit so weit von mir, dass man sie mir wenigstens nicht mehr sofort anmerkt. Stattdessen strahle ich sie an. »Was machst du denn hier? Mit dir habe ich überhaupt nicht gerechnet.«

Es dauert einen Moment, bis Isabella ihren Blick von den Unterlagen hebt, die sie vor sich auf dem ganzen Tisch ausgebreitet hat. Ein freudiger Ausdruck hat sich auf ihr Gesicht geschlichen, als sie mich entdeckt. Das ändert aber nichts daran, dass ich genau erkenne, dass sie mindestens genauso müde ist wie ich.

Wundern tut es mich nicht. Als wir das letzte Mal miteinander telefoniert haben, hat sie mir aufgeregt mitgeteilt, dass es eine offene Stelle in ihrer Firma gibt, die sie unbedingt haben möchte.

»Hi«, begrüßt sie mich. »Ich habe beruflich in den nächsten Tagen in der Gegend ein wenig zu erledigen. Und da es schon ein paar Tage her ist, dass ich das letzte Mal hier war, dachte ich mir, dass ich etwas früher komme und gewissermaßen einen kleinen Urlaub einschiebe. Ein paar Termine werden von Kollegen übernommen, die auch in der Nähe sind, ein paar gehören aber zu den Projekten, die ich leite. Und ich hoffe, dass die endlich für die Beförderung sorgen. Sie ist wirklich überfällig.«

Ich muss lachen. Doch bereits im nächsten Moment werde ich wieder ernst. Ich bin mir sicher, dass sie erschöpft von der langen Reise ist. Schließlich ist New York nicht nebenan. Dennoch hat sie wie immer gute Laune.

»Wieso haben Mom und Dad mir nichts gesagt?«, überlege ich laut.

»Weil sie nicht wussten, dass ich vorbeikomme. Sie sollen nicht immer so einen Aufwand betreiben, wenn jemand zu Besuch ist. Ich wollte sie überraschen. Allerdings war keiner hier, als ich angekommen bin. Wahrscheinlich werden sie sich wundern, dass vor der Tür ein Mietwagen steht.« Unschuldig zuckt sie mit den Schultern. Ich hingegen lache erneut. Wenn ich ehrlich bin, habe ich darauf überhaupt nicht geachtet. Meine Mom hingegen ist aufmerksamer als ich. Sie weiß immer genau, welcher der Nachbarn seinen Wagen vor unserem Haus am Straßenrand abgestellt hat. Mich interessiert das nicht.

»Und wie lange wirst du bleiben?«

»Leider nur für fünf Tage. Dann rufen New York und die Arbeit wieder. Es ist zwar nicht extrem lange und ich werde viel unterwegs sein. Aber dazwischen werde ich auch Zeit haben und dir auf die Nerven gehen. Eigentlich sollte man meinen, dass man als freiberufliche Mitarbeiterin weniger zu tun hat. Aber irgendwie kommt es mir so vor, als wäre das Gegenteil der Fall.« Isabella stöhnt und verdreht die Augen.

Jeder würde denken, dass es sie stresst. Und am Anfang hat es auch auf mich diesen Eindruck gemacht. Aber ich kenne meine Schwester gut genug, um zu wissen, dass es sie nicht stört. Sie liebt ihren Job. Sonst würde sie ihn nicht machen. Arbeitszeiten hin oder her.

»Wenn ich mich richtig erinnere, wolltest du unbedingt in der Modeszene mitmischen. Diesen Wunsch hattest du schon, als wir noch klein waren«, ziehe ich sie auf.

»Es war immer mein Traumberuf. Welcher Frau würde das nicht gefallen, immer mit der neusten Mode zu tun zu haben? Deswegen stört es mich nicht, dass es Tage und auch Wochen gibt, in denen ich so viel arbeiten muss, dass ich kaum zu Hause bin. Und das wiederum bringt mich zum nächsten Thema. Du siehst süß aus in dem Shirt«, erklärt Isabella und zeigt dabei auf den Mickey Maus Aufdruck.

Ich betrachte ihn ebenfalls einige Sekunden. Nachdem ich heute Morgen wieder zurückgekommen bin, hatte ich überlegt, ob ich mich umziehen soll. Allerdings hatte ich zum einen keine große Lust dazu, zum anderen musste ich sofort wieder los, um nicht zu spät zur Vorlesung zu kommen.

»Bis heute Morgen wusste ich nicht einmal, dass ich das überhaupt noch in meinem Schrank liegen habe. Es muss schon ein paar Jahre her sein, dass ich es das letzte Mal getragen habe.«

»Und wieso trägst du es jetzt?« Neugierig betrachtet Isabella mich. Ihre Frage sorgt dafür, dass ich wieder an das Thema ihrer Abschlussarbeit denken muss. Meine Schwester geht nämlich davon aus, dass man immer das trägt, was das eigene Befinden widerspiegelt.

»Na ja, ich hatte es heute Morgen eilig, weil ich noch etwas für Mom aus der Werkstatt holen musste. Es war das Erste, was ich in die Finger bekommen habe.«

»Ich habe in den letzten Jahren gelernt, dass es Dinge gibt, die nicht zufällig passieren.« Ihre Stimme klingt beinahe verschwörerisch. »Aber ich finde, es steht dir. Der Schnitt betont deine Kurven, auf die ich übrigens neidisch bin. Und die solltest du nun wirklich nicht verstecken. Die meisten Frauen würden dafür töten.«

Einen Moment bin ich zu verwirrt, um zu antworten. In der einen Sekunde sagt sie irgendetwas über Zufälle und in der nächsten redet sie über meinen Körper. Bei dem plötzlichen Themenwechsel komme ich nicht mehr hinterher.

»Danke für das Kompliment«, erwidere ich jedoch.

Ich schenke ihr ein leichtes Lächeln. Auch wenn wir in vielen Dingen unterschiedlicher Meinung sind, bin ich froh, dass wir uns wie Freundinnen unterhalten können. Ich habe genug Freundinnen, die sich ständig mit ihren Geschwistern streiten. Das ist nichts, worauf ich Lust hätte. Klar, wir haben auch verschiedene Ansichten und sagen es uns auch gegenseitig, wenn wir das Verhalten der anderen total bescheuert finden. Aber keiner von uns nimmt es persönlich oder ist lange beleidigt.

»Macht es dir etwas aus, wenn ich mich ins Bett lege?«, frage ich sie, auch wenn ich mich gerne noch länger mit ihr unterhalten würde.

»Jetzt schon?« Isabella wirft einen überraschten Blick auf die Küchenuhr, bevor sie mich mit weit geöffneten Augen ansieht.

»Die letzten Tage waren stressig. Eigentlich waren es sogar die letzten Wochen.«

»Mach ruhig. Wir können uns morgen unterhalten und dann kannst du mir alles berichten, was ich verpasst habe. Ich weiß ja, dass du viel um die Ohren hast. Dein Abschluss steht kurz bevor. Meinen werde ich nie vergessen. Monate vorher bin ich schon wie ein aufgescheuchtes Huhn gewesen und konnte mich auf nichts mehr konzentrieren.«

»Daran kann ich mich noch erinnern. Du hast alle in den Wahnsinn getrieben. Dagegen bin ich doch eher ruhig. Auf der anderen Seite ist es aber auch nicht so leicht, an dich heranzukommen.«

»Du hast es ja auch richtig gemacht und dich darauf vorbereitet, dass es irgendwann vorbei sein wird. Ich habe das nicht gemacht. Eines Morgens bin ich wach geworden und habe gemerkt, dass es nicht mehr lange dauern wird.« Isabella zuckt mit den Schultern.

»Und das war der Morgen, an dem du alle Nerven verloren hast«, stelle ich fest.

»So kann man es ausdrücken. Na gut, ich werde auch nur noch ein paar Minuten warten. Mal schauen, ob Mom und Dad noch kommen. Sonst lege ich mich auch hin. Ich brauche meinen Schönheitsschlaf.« Isabella lächelt mich verständnisvoll an.

Ich überlege, mich danach zu erkundigen, ob sie von meinen zahlreichen Absagen schon gehört hat. Doch ich habe keine Lust, mich über dieses Thema zu unterhalten. Deswegen beschließe ich, dass es auch bis zum nächsten Tag warten kann.

»Gute Nacht«, flüstere ich.

Gleichzeitig greife ich nach der Wasserflasche, die neben mir auf dem Tisch steht, und verlasse die Küche.

Kaum habe ich die Tür meines Schlafzimmers hinter mir geschlossen, befreie ich mich von meinen Klamotten und gehe in das angrenzende Bad, um mich für das Bett fertig zu machen. Nur mit Unterwäsche bekleidet lege ich mich schließlich hin und schließe die Augen. Gleichzeitig kommt mir aber wieder das Bild eines Mannes in den Kopf, an den ich jetzt eigentlich überhaupt nicht denken will.

In den letzten Stunden hatte ich so viel am College zu tun, dass ich es geschafft habe, das Gesicht von Ben beiseitezuschieben. Die komplette Erinnerung an sein Auftreten, seine gefährliche Stimme, seine Tattoos. Ich hatte mir eingeredet, dass es nur eine kleine Schwärmerei ist. Man trifft ja immer wieder irgendwelche Männer, die einem gefallen. Auch mir ist das schon passiert, oft genug. Auch in der Werkstatt meines Vaters. Doch keiner hat es bis jetzt geschafft, sich in meine Gedanken zu schleichen.

Nun habe ich seinen Anblick wieder vor meinem inneren Auge. Wahrscheinlich ist das der Grund dafür, dass es eine Ewigkeit dauert, bis ich endlich eingeschlafen bin. Doch selbst dann komme ich nicht richtig zur Ruhe. Bei jedem leisen Ton werde ich wach und brauche Zeit, bis ich wieder einschlafe.

»Wusstest du, dass deine Schwester da ist?«, werde ich am nächsten Morgen von meiner Mutter begrüßt.

»Ich habe sie gestern Abend schon gesehen«, erwidere ich.

»Hatte sie dir vorher eine Nachricht geschrieben?«, spricht meine Mom weiter.

»Nein.« Mehr sage ich nicht.

Sie sieht mich an, als würde sie mir kein Wort glauben. Allerdings ist mir das egal.

Ich sehe ihr an, dass sie noch etwas sagen will. Doch bevor sie das machen kann, ertönt das leise Lachen meiner Schwester hinter mir.

»Mom, ich kann Laylas Aussage bestätigen. Sie wusste es wirklich nicht.«

Unsere Mutter verzieht das Gesicht und zeigt uns so, dass sie nicht sehr froh darüber ist.

»Du weißt aber schon, dass es gemein von dir war, oder? Du hättest ihnen besser eine Nachricht schreiben sollen, mit einer ungefähren Zeitangabe«, ermahne ich sie.

Ich bin mir jedoch sicher, dass sie genau merkt, dass ich meine Worte eigentlich nicht ernst meine.

So ist das bei Überraschungen nun einmal.

»Und wo wäre dann der Spaß?« Isabella sieht mich an, als würde sie schmollen. Allerdings kenne ich sie nun lange genug, um zu wissen, dass das nicht der Fall ist. Deswegen mache ich mir keine Sorgen.

»Aber nun werden wir uns über etwas anderes unterhalten. Was hast du heute Schönes vor?«, fragt meine Schwester.

»Ich muss ausnahmsweise mal nicht arbeiten und nicht fürs College lernen. Es passiert nicht oft, doch ich habe einen freien Tag«, erwidere ich.

»Dann mach dich schnell fertig, damit wir starten können«, fordert sie mich mit einem verschmitzten Lächeln auf.

»Starten?« Ich sehe Isabella skeptisch an. Vor allem, weil ich weiß, dass man bei meiner Schwester mit allem rechnen muss. Zum Beispiel mit Überraschungsbesuchen.

»Ich dachte mir, dass wir uns einen Mädelstag machen. Shoppen, schön essen gehen. Falls wir in die Nähe kommen, gehen wir zu Dad und statten ihm einen Besuch ab. Und heute Nachmittag habe ich noch eine Überraschung für dich.«

Nach den letzten Tagen ist das genau die Abwechslung, die ich gebrauchen kann. Meine Schwester ist wohl genau zum richtigen Zeitpunkt gekommen.

»Du hast es mit deinen Überraschungen«, stelle ich fest. Ich bin jedoch froh darüber, dass ich den Tag nicht zu Hause verbringen muss.

»Irgendwie bin ich gerade in der richtigen Stimmung dafür. Also los jetzt«, ruft sie mir nach, als ich das Zimmer verlasse.

Eine halbe Stunde später machen wir uns auf den Weg. Schnell haben wir das Shoppingcenter erreicht.

»Also, was wollen wir zuerst machen?«, erkundigt sich Isabella, nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen und den Wagen verriegelt hat. Dabei strahlt sie mich an, als wären wir noch kleine Kinder.

»Keine Ahnung«, erwidere ich nur und schaue mich dabei um. »Wie wäre es mit dem Schuhladen da vorne?«, schlage ich vor und zeige in die entsprechende Richtung.

»Gute Idee, Schuhe kann man nie genug haben.« Mit diesen Worten setzt sie sich in Bewegung.

Einen Moment bleibe ich stumm stehen und schaue ihr nach. Meine Schwester ist ein Wirbelwind, den man einfach nicht bändigen kann. Ich würde sogar so weit gehen und sagen, dass sie sich nicht ändern wird, wenn sie irgendwann mal verheiratet ist. Ich gebe zu, dass ich meine Schwester ein wenig darum beneide.

Während der nächsten Stunden gehen wir von einem Laden zum nächsten, probieren Klamotten an, albern herum und haben einfach Spaß. Es dauert nicht lange, bis wir unzählige Taschen mit uns herumschleppen.

»Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal so viel eingekauft habe«, murmle ich, nachdem ich sie betrachtet habe.

»Wahrscheinlich, als ich zuletzt in der Stadt war. Aber es lenkt einen ab, wenn es nicht so läuft, wie man es gerne hätte. Manchmal sollte man sich Zeit für so etwas nehmen. Vor allem, wenn man eine Absage nach der nächsten bekommt«, erklärt sie und zuckt mit den Schultern.

Ihre Ansprache bewegt mich dazu, ruckartig stehen zu bleiben. Mein Mund öffnet sich, da ich allerdings nicht weiß, was ich sagen soll, schließe ich ihn direkt wieder.

Es dauert einen Moment, bis meine Schwester registriert, dass ich nicht mehr neben ihr laufe. Dann dreht sie sich zu mir herum und hat einen entschuldigenden Gesichtsausdruck aufgesetzt.

»Jetzt sieh mich nicht so an, als wäre ich ein Alien oder ein Monster. Mom hat heute Morgen kurz erwähnt, dass du auf dem Arbeitsmarkt kein Glück hast. Mehr hat sie zwar nicht erzählt, allerdings habe ich es mir gedacht. Schließlich würdest du es mir sagen, wenn du irgendwo ein Vorstellungsgespräch oder einen Vertrag unterschrieben hättest.«

Ein leises Seufzen dringt mir über die Lippen.

»Wieso hast du es nicht eher gesagt? Ich meine, wir schreiben immerzu. Ich bin deine Schwester.« Ihr Ton klingt nicht anklagend oder etwas in diese Richtung. Allerdings macht er mir auch klar, dass sie traurig darüber ist, dass ich es für mich behalten habe.

»Ich wollte es dir sagen. Gestern Abend schon, aber ich habe keine Lust, mich damit auseinanderzusetzen, obwohl ich weiß, dass ich dem nicht ewig aus dem Weg gehen kann. Wie du dir vielleicht vorstellen kannst, ist es nicht leicht, darüber zu sprechen.«

Einen Moment sieht meine Schwester mich schweigend an. Ihr Gesichtsausdruck ist verschlossen, sodass ich nicht einmal raten kann, was in ihrem Kopf vor sich geht. »Dein Studium wird nicht ewig gehen«, fährt sie fort. »Hast du einen Plan B?«

Ihre Worte sorgen dafür, dass ich den Kopf ein wenig hängen lasse. »Ich weiß nicht, ob man es wirklich als einen Plan B bezeichnen kann«, beginne ich. »Eigentlich ist es etwas total Normales, dass man diesen Weg geht, um auszuweichen sozusagen. Doch wenn es hier nicht klappt, wonach es definitiv aussieht, werde ich mich an Firmen wenden, die in anderen Städten sitzen. Städte, die nicht in der Nähe sind.«

Nachdem ich ausgesprochen habe, verziehe ich ein wenig das Gesicht. So gebe ich ihr zu verstehen, dass ich selbst noch nicht so genau darüber nachgedacht habe.

»Ich bin mir nicht sicher, ob es das ist, was Mom und Dad gerne hören würden. Vor allem vor dem Hintergrund, dass ich bereits verschwunden bin und sie nur noch dich haben. Doch ich finde die Idee super. Vielleicht hättest du in San Diego mehr Chancen. Ich meine, es ist nah an der Grenze. Oder in New York. Meine Tür steht dir immer offen.«

»Ich weiß nicht«, erwidere ich skeptisch.

New York ist ein großer Schritt. Vor allem, wenn man noch keine Stelle dort hat, so wie es bei mir der Fall ist.

»Dort gibt es viele Firmen, die dich mit Kusshand nehmen würden.« Glücklich lächelt meine Schwester mich an, mir hingegen schwirrt der Kopf.

Langsam wird mir klar, dass ich keine andere Wahl habe. Erst recht nicht, wenn ich beruflich erfolgreich sein will.

Sonst hätte ich nicht studieren müssen.

»Ich wette, dass diesen Satz jedes zweite Mädchen dort gehört hat und nun arbeiten sie in Restaurants. Das habe ich hier schon. Dafür brauche ich nicht in eine andere Stadt ziehen.«

»Die meisten träumen wahrscheinlich davon, am Broadway erfolgreich zu werden, oder die Firma zu finden, bei der sie eine mega Karriere hinlegen können. Aber der Leistungsdruck ist hoch. Bei dir bin ich mir jedoch sicher, dass du es schaffen wirst.« Ihre Stimme ist fest und lässt keinen Widerspruch zu. Auf diese Weise zeigt sie mir, dass sie davon überzeugt ist. Allerdings muss ich zugeben, dass New York mir doch ein wenig Angst einflößt. Deswegen gehört diese Entscheidung eindeutig zu denen, über die ich vorher noch ein wenig nachdenken muss.

»Und jetzt bringen wir die Tüten zu Dad, er soll sie mit nach Hause nehmen. Schließlich sind wir in der Nähe.«

»Und was machen wir dann?«

»Dann fahren wir ins Spa und lassen uns verwöhnen. Ich bin mir sicher, dass es dann schon nicht mehr so schwarz für dich aussieht«, verkündet meine Schwester mit guter Laune.

Die Werkstatt ist nur wenige Minuten entfernt, sodass wir schnell da sind. Normalerweise würde ich mich darüber freuen, dass ich die ganzen Tüten nicht tragen muss. Jetzt bin ich darüber aber zwiegespalten. Als meine Schwester nämlich erwähnt hat, dass wir zu Dad gehen, kam mir als Erstes das Gesicht von Ben in den Kopf und hält sich hartnäckig.

Allerdings versuche ich es mir nicht anmerken zu lassen, bis wir unser Ziel erreicht haben. Meine Schwester redet ohne Unterbrechung und sieht mich so an, als würde sie darauf warten, dass ich noch etwas hinzufüge. Da ich allerdings nicht viel von dem mitbekomme, was sie von sich gibt, ziehe ich es vor, den Mund zu halten.

Das funktioniert jedoch nur, bis das flache Gebäude in meinem Sichtfeld auftaucht, in dem sich die Werkstatt befindet.

So unauffällig wie möglich atme ich tief durch. Ich werfe einen prüfenden Blick in die Richtung meiner Schwester. Dabei erkenne ich, dass sie anscheinend nichts von meinem Gemütszustand mitbekommen hat, worüber ich froh bin. Mit festen Schritten geht sie weiter auf unser Ziel zu. Aber so genau kann ich es nicht sagen. Schließlich bekommt meine Schwester mehr mit, als es den Eindruck macht.

»Mitch ist da«, stelle ich fest, nachdem wir uns genähert haben.

Sofort kann ich ihn und ein paar der anderen Mechaniker vor der Halle erkennen. Sie stehen in einer Gruppe zusammen und unterhalten sich.

Zum einen will ich einem Streit zwischen ihr und Mitch aus dem Weg gehen. Sie haben sich in den letzten zwei Jahren nicht sonderlich oft gesehen, doch jedes Mal hat man die Anspannung gespürt, die zwischen beiden herrscht. Wobei man aber froh sein muss, dass es nicht zwischen ihnen gekracht hat. Zum anderen lenkt es mich dieses eine Mal vielleicht davon ab, dass Ben sich ebenfalls in dieser Gruppe befindet und sich mit den anderen unterhält. Genauso wie Jacob.

»Ich muss zugeben, dass es mich ein wenig wundert«, stellt Isabella fest.

»Was denn?«

»Dass Dad ihn noch nicht rausgeworfen hat. Es gibt ein paar Dinge, aus denen er kein Geheimnis macht. Und dass er keine Beziehung zwischen seinen Mechanikern und seinen Töchtern duldet, ist eines davon«, erklärt sie so leise, dass ich sie kaum verstehen kann.

»Ich denke, dass genau da das Problem liegt. Es ist nicht so einfach, gute Mechaniker zu bekommen. Da wird Dad wahrscheinlich auch über eine Beziehung hinwegsehen, die schon lange vorbei ist«, erwidere ich und zucke mit den Schultern. Ich habe mich damit nie so wirklich auseinandergesetzt.

»Mitch ist ein guter Mechaniker, das streite ich nicht ab. Ganz davon abgesehen hatten wir überhaupt keine Beziehung. Er hat sich an mich herangemacht, mehrmals«, erinnert sie mich.

Nachdem wir noch etwas näher gekommen sind, bemerken uns die Männer. Ben sieht mich an. Mit Leichtigkeit schafft er es, dass mir heißer wird. Langsam, beinahe in Zeitlupe, lässt er seinen Blick über meinen Körper wandern, als wäre ich ein Stück Fleisch.

Und wahrscheinlich bin ich das für ihn sogar.

Mir ist bewusst, dass das Outfit, das ich heute trage, eher in sein Beuteschema passt. Ich werde ihm aber keine Hoffnungen machen. Auch wenn ich zugeben muss, dass er es schafft, mich aus meinem inneren Gleichgewicht zu bringen.

»Isabella«, ruft Mitch, bevor wir im Inneren verschwinden können. Gleichzeitig grinst er von einem Ohr zum anderen. »Es freut mich, dich zu sehen. Was verschlägt dich nach Miami?«, erkundigt er sich.

Ich halte die Luft an. Dabei beobachte ich aus dem Augenwinkel meine Schwester und mache mich schon mehr oder weniger darauf gefasst, einschreiten zu müssen.

Im Gegensatz zu sonst macht sie jetzt aber nicht den Eindruck auf mich, als würde es sie interessieren. Sie sieht ein wenig so aus, als würde er ihr am Hintern vorbeigehen. Augenblicklich entspanne ich mich.

»Meine Familie lebt hier, aber das weißt du ja. Und, falls ich dich erinnern darf, das hier ist die Werkstatt meines Vaters. Ich muss dich also enttäuschen, Mitch. Ich bin nicht deinetwegen hier und das werde ich auch nie sein. Ganz davon abgesehen wartet zu Hause mein Freund auf mich«, kontert sie.

Die Ruhe, die sie ausstrahlt, gibt jedem zu verstehen, dass sie sich nicht von ihm aus der Bahn werfen lassen wird.

Ich hingegen muss mich zusammenreißen, dass ich nicht laut anfange zu lachen. Mit gesenktem Kopf, damit es keiner sieht, gehe ich schnell weiter. Ich bin jedoch noch nicht weit gekommen, als ich spüre, wie jemand meine Hand berührt.

Ich hebe meinen Kopf. Ben steht direkt neben mir und sieht mich an. Ich kann seinen Blick nicht genau deuten und das lässt mich sofort noch nervöser werden. Normalerweise wäre es mir egal. Gerade gefällt es mir allerdings überhaupt nicht. Ein sanftes Lächeln erscheint auf seinen Lippen, das ich ohne zu zögern erwidere. Ich denke nicht einmal darüber nach.

Doch da ist noch etwas anderes. Etwas, das ich nicht ganz zuordnen kann. Ich kann nicht sagen, was es ist. Ich weiß nur, dass es sich hinter seinen dunklen Augen versteckt wie eine Art Geheimnis. Sie strahlen Gefahr aus. Eine Gefahr, von der es mir vorkommt, als wäre sie für mich bestimmt. Deswegen mache ich einen Schritt zurück und bringe so Abstand zwischen uns. Außerdem beschließe ich, dass es besser ist, nicht darüber nachzudenken, sondern weiterzugehen und ihn aus meinem Kopf zu verbannen. Falls es mir hilft, werde ich mir auch immer wieder in Erinnerung rufen, dass ich nur seinen Namen kenne.

Und dann wäre da noch Jacob. Seine Gegenwart ist definitiv nicht die beste, um zu flirten. Ich kenne ihn gut genug, um zu wissen, dass es Ben den Start nicht leichter machen würde, und das will ich ihm nicht zumuten. Schließlich weiß ich, wie Jacob sein kann. Und ich kann mir vorstellen, dass Ben ihm gerne die Stirn bieten würde. In diesem Fall würde das aber nicht viel bringen.

Doch nun will ich mir darüber keine Gedanken mehr machen. Stattdessen genieße ich den Tag mit meiner Schwester im Spa und lasse mich verwöhnen.

3