Novellen - Miguel de Cervantes Saavedra - E-Book

Beschreibung

Dieser Band beinhaltet folgende Novellen des spanischen Schriftstellers: Der eifersüchtige Estremadurer Die beiden Nebenbuhlerinnen Winkler und Schneidler

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 215

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Novellen

Miguel de Cervantes Saavedra

Inhalt:

Miguel de Cervantes Saavedra – Biografie und Bibliografie

Der eifersüchtige Estremadurer

Die beiden Nebenbuhlerinnen

Winkler und Schneidler

Novellen, M. de Cervantes

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849608019

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Frontcover: © Vladislav Gansovsky - Fotolia.com

Miguel deCervantes Saavedra– Biografie und Bibliografie

Berühmter span. Dichter, geb. Anfang Oktober 1547 in Alcalá de Henares aus altadligem galicischen Geschlecht, gest. 23. April 1616 in Madrid, studierte zwei Jahre in Salamanca, sodann um 1568 in Madrid anfangs Theologie, später aus Neigung die schönen Wissenschaften. Aus Verdruss über die geringe Teilnahme. die seine ersten dichterischen Versuche fanden, ging er 1569 nach Italien, wurde hier aus Not Kammerdiener des Kardinals Giulio Aquaviva in Rom, nahm 1570 Dienste bei den spanisch-neapolitanischen Truppen im Kriege gegen die Türken und afrikanischen Korsaren und kämpfte mit großer Tapferkeit in der Schlacht von Lepanto (7. Okt. 1571), wo er drei Schusswunden erhielt, durch deren eine er die linke Hand verlor und der linke Arm dauernd gelähmt wurde. Nachdem er bis Mai 1574 in Sardinien gestanden, begab er sich über Genua zum Heer des Don Juan d'Austria in der Lombardei und kehrte mit jenem in dem berühmten dritten flandrischen Regiment des Lope de Figueroa nach Sizilien zurück. Im Juni 1575 nahm er in Neapel Urlaub zur Heimreise nach Spanien, ward aber unterwegs 26. Sept. 1575 von algerischen Seeräubern aufgegriffen und nach Algier in die Gefangenschaft geschleppt, in der er, zuerst als Sklave des grausamen Ali Mami, sodann des venezianischen Renegaten Hassan Pascha, der sich vom Ruderknecht zum Dei von Algier emporgeschwungen hatte, fünf Jahre zubrachte. Mehrere ebenso verwegene wie abenteuerliche Versuche, sich und seine Leidensgefährten durch die Flucht zu befreien, scheiterten, worauf er den kühnen Plan fasste, sich mittels einer Sklavenverschwörung in den Besitz von Algier zu setzen. Verraten, wurde er in Fesseln gelegt, doch zwang seine Kühnheit selbst den Mauren Achtung und Schonung seiner Person ab. Endlich 19. Sept. 1580 von seinen nächsten Verwandten (Mutter und Schwester) sowie einigen Freunden losgekauft, kehrte C. nach Spanien zurück, trat nochmals in sein altes Regiment ein und machte die Expeditionen gegen Portugal und nach den Azoren mit, die Philipp II. den Gehorsam verweigerten, und wurde Ende 1583 für immer der Heimat und den Musen zurückgegeben. Bald darauf vermählte er sich mit D. Catalina de Palacios Salazar aus einer angesehenen, aber armen Familie in Esquivias. Da er nun auf Erwerb denken musste, schrieb er noch in den Flitterwochen seinen Schäferroman »Galatea« (Madr. 1584) und wandte sich dann der dramatischen Dichtung zu, die damals in ihren Anfängen war. Von den 20–30 Dramen dieser Zeit, im alten Stile des Cueva, Argensola und Virues, wurden manche mit Beifall aufgenommen; doch sind nur zwei davon erhalten: »Los tratos de Argel«, ein Gemälde der Leidenszeit in Algier, und das heroische Schauspiel vom Untergang der Stadt »Numancia«, das noch Goethe mit Bewunderung erfüllt hat (gedruckt erst 1784). Dann verließ er gegen eine kleine Anstellung in Sevilla die Stellung eines Bühnendichters und verfasste wahrscheinlich hier jene Reihe von »vorbildlichen« oder »Musternovellen«, worin er das Treiben und die Laster dieser Stadt so trefflich zeichnet. Mit dem Tode Philipps II. verschwindet er aus Sevilla, und wir sehen ihn einige Jahre später (1603) in Valladolid wieder auftauchen, wohin ihn das Hoflager Philipps III. führte. In diese Zeit (1598–1603) muss eine amtliche Reise als Steuereinzieher durch die öde Provinz La Mancha und seine Gefangennahme in dem Städtchen Argamasilla fallen, in dessen Kerkermauern er seinen »Don Quijote« begonnen haben soll, dies Buch für Weise und für Männer. Über den Grund der Gefangennahme ist nichts Sicheres bekannt; ja es steht nicht einmal fest, dass die unsterbliche Geschichte vom sinnreichen Junker aus der Mancha hier begonnen ward, da C. auch in Sevilla und in Valladolid, gleichfalls aus unbekannten Ursachen, von kurzer Freiheitsberaubung betroffen ward. Nur das wissen wir, dass 1605 der erste Teil des Romans im Druck erschien, und dass das unvergleichliche Buch sofort großen Anklang fand. Fünf Ausgaben im ersten Jahr (zwei in Madrid, zwei in Lissabon, eine in Valencia) sind ein unbestreitbarer Erfolg. Auch dramatische Bearbeitungen, Gedichte, Allusionen blieben ebenso wenig aus wie Kritik, Satire, Parodien und Verleumdungen. Auf den zweiten Teil ließ C. volle zehn Jahre warten: erst als 1614 ein Aragonier unter dem Pseudonym Alonso Fernandez de Avellaneda eine geschmacklose Fortsetzung des »Don Quijote« veröffentlicht hatte (abgedruckt in der »Bibl. de Aut. Españoles«, Bd. 17), vollendete und druckte C. den zweiten Teil seines Meisterwerkes (1616). Er steht dem ersten an satirischer Kraft nach, übertrifft ihn aber an philosophischem Geist. In der Zwischenzeit war C. jedoch keineswegs müßig gewesen. Eine wichtige verbesserte Neuausgabe des ersten »Don Quijote« ließ er 1608 drucken, besorgte die Herausgabe seiner Novellen (1613), schrieb die »Reise nach dem Parnaß, eine Satire in Terzinen«, in der er sein dichterisches Glaubensbekenntnis niedergelegt und die zeitgenössischen Poeten je nach ihrem Werte mit großem Wohlwollen lobt oder milde tadelt (»Viaje del Parnaso«, 1614, neu 1879). Auch verfasste er, sich neidlos vor dem dramatischen Genius Lopes beugend und ihm folgend, eine Reihe von Komödien und kleinen Zwischenspielen voll Laune und Witz. Das letzte Werk, an das er Hand legte, ist der Roman von den »Leiden des Persiles und der Sigismunda« (1616). Seit 1606 lebte er mit wenigen Unterbrechungen in Madrid. Seine Züge verewigte in einem Porträt der Maler Jauregui. Seine Büste (von Don Antonio Sola) wurde 1835 an dem von ihm bewohnten Haus in der Calle de Cervantes (Ecke der Calle de Leon) zu Madrid aufgestellt. Seit dem 260. Jahrestage seiner Geburt feiert man in Spanien alljährlich ein Cervantesfest.

Was die Werke des C. betrifft, so sind unter den bereits genannten zwölf Novellen (»Novelas ejemplares«) fünf hervorzuheben: »Der freche Neugierige«, den er in den »Don Quijote« verwebt hat; »Rinconete und Cortadillo«, ein stark ausgetragenes, aber wahres Gemälde von sevillanischen Gaunern; »Die Macht des Blutes«, das interessanteste und am besten ausgeführte Stück; ferner »Das Zwiegespräch zweier Hunde«, eine ergötzliche Kritik voll Philosophie und Munterkeit; und »Die kleine Zigeunerin«, die dem deutschen Publikum durch Webers Tondichtung »Preziosa« besonders vertraut ist. Sie tragen, dem reichen Boden des Volkscharakters entsprossen, die ganze Fülle echt spanischer Lebendigkeit und Anmut an sich, wodurch sie noch heute unerreicht sind. Eine dreizehnte, etwas heikle Novelle, »Die falsche Tante«, ward später aufgefunden und wird seit 1819 mit den übrigen gedruckt. Zahllose Neuausgaben und Übersetzungen zeugen von der unverwelklichen Frische dieser Erzählungen (vgl. Apraiz, Estudio sobre las Novelas de C., Madr. 1901). Von den acht Dramen im Lopeschen Stil sind »El gallardo Español« und »Los baños de Argel« die gelesensten (erste Ausg., Madr. 1615, »Ocho Comedias y ocho Entremeses«; Neuausgabe als »Teatro Completo« 1899, Bd. 198 u. 199 der Bibl. Clasica). Höher geschätzt als die großen Dramen waren die acht kleinern, »Entremeses« genannten Stücke, die sich vielfach durch phantastische Komik bei oft drastischer Natürlichkeit auszeichnen. Die »Trabajos de Persíles y Sigismunda« sind ein langer, mit Abenteuern überladener Roman, der für uns, obschon ihn der Dichter selbst für seine beste Schöpfung hielt, nur noch literarhistorisches Interesse hat. Auch der ohne den verheißenen zweiten Teil gebliebene Schäferroman, »Galatea«, ist ein schwer genießbares, spanischen und italienischen Mustern nachgebildetes Produkt, dessen Hauptwert in den darein verwebten lyrischen Gedichten besteht (Neuausgabe 1883). Dagegen ist C. ' Hauptwerk: »El ingenioso hidalgo Don Quijote de la Mancha«, ein europäisches Buch geworden und wird es bleiben, solange die Luft an sinnreicher Erfindung, lebendiger Darstellung, poetischer Wahrheit und echtem Humor fortbesteht. Es ist zunächst eine gegen den Unsinn der Ritterromane gerichtete und diese vernichtende Satire, dann ein ironisches Spiegelbild des abenteuerlich stolzen, hochfliegenden spanischen Nationalgeistes und in noch höherem Sinn eine großartige Allegorie, welche die Gegensätze zwischen Geist und Materie, Ideal und Wirklichkeit, Poesie und Prosa zur Darstellung bringt. Treffende und konsequente Charakterzeichnung, unversiegliche Ursprünglichkeit und tiefhumoristische Lebensansicht, aus dem edelsten und mitleidigsten Gemüt entspringend, die rascheste Auffassung des komischen Elements selbst auf der Nachtseite menschlicher Erscheinungen und wiederum ein stets durchscheinendes Gefühl von echter und rechter Menschlichkeit und Liebe offenbaren sich hier auf das innigste, verbunden mit dem höchsten Zauber der Darstellung, in einer der edelsten Sprachen, deren sich je ein Volk bediente, voll Würde und Naivität. »Don Quijote« war der erste eigentliche Roman und ist zugleich einer der vollendetsten, ein Buch für alle Zeiten und Völker und gehört zu den am häufigsten gedruckten und am meisten übersetzten der Weltliteratur. In den Jahren 1605–1857 wurden erwiesenermaßen von dem Roman in Spanien selbst nicht weniger als 400 Ausgaben veranstaltet; von Übersetzungen erschienen 200 ins Englische, 168 ins Französische, 96 ins Italienische, 80 ins Portugiesische, 70 ins Deutsche, 13 ins Schwedische, 8 ins Polnische, 6 ins Dänische, 2 ins Russische und 1 ins Lateinische. In den letzten 30 Jahren haben sich die Abdrücke des Originals und seiner Übertragungen und Bearbeitungen natürlich noch beträchtlich vermehrt. Außer einer Prachtausgabe (Madr. 1780, 4 Bde.) und der von Pellicer (das. 1798, 9 Bde.) sind als die besten neuern Ausgaben zu nennen die der Akademie mit dem Leben des Dichters von Navarrete (das. 1819, 5 Bde.), die mit dem vollständigen Kommentar von Clemencin (das. 1833–39, 6 Bde.), die von Hartzenbusch (im Kellergefängnis von Argamasilla de Alba gedruckt, 1863, 4 Bde.), die von L. Ramon Mainez (mit Anmerkungen, Cadiz 1875, 2 Bde.) und die kritische von Fitzmaurice Kelly und I. Ormsby (Lond. 1896). Eine Reproduktion der ersten Ausgabe veranstaltete Lopez Fabra (Barcelona 1872, 2 Bde.). Eine gute Handausgabe ist die in Brockhaus' »Coleccion de aut. españoles« (1882, 2 Bde.) erschienene. Gesamtausgaben von C.' Werken erschienen zu Madrid 1803–1805 (16 Bde.), ohne die Komödien und ohne die »Reisenach dem Parnaß« (das. 1820, 11 Bde.). Einen Wiederabdruck sämtlicher Werke ohne die Komödien enthalten auch die »Coleccion de los mejores aut. españ.« (Par. 1840–41), Rivadeneyras »Bibl. de aut. españoles« (Madr. 1853, Bd. 1) und Fitzmaurice Kellys Ausgabe der »Complete Works« (Lond. 1901). Eine Auswahl gab Ag. Garcia de Arrieta heraus (Par. 1826–32, 10 Bde.); einen Band unveröffentlichter Werke (»Varias obras inéditas de C.«) Adolfo de Castro (Madr. 1874). Vgl. Gallardo, Ensayo de una Biblioteca española, Bd. 1 (S. 1246 bis 1404). Unter den deutschen Übersetzungen des »Don Quijote« sind hervorzuheben die von Bertuch (Leipz. 1780, 6 Bde.), Tieck (Berl. 1799–1801, 4 Bde.; 3. Aufl. 1853, 2 Bde.; mit den Zeichnungen von Doré, das. 1875), Soltau (Königsb. 1800, 6 Bde.; 2. Aufl., Leipz. 1837, 2 Bde.), Zoller (Hildburgh. 1867, 2 Bde.), Braunfels (Stuttg. 1884, 4 Bde.), E. v. Wolzogen (Berl. 1884). Der Roman »Persiles und Sigismunda« wurde von Butenschön (Heidelb. 1798; Leipz. 1837, 2 Bde.), die »Zwischenspiele« von H. Kurz (Hildburgh. 1867) verdeutscht. Eine Übersetzung sämtlicher Romane und Novellen lieferten Förster (Quedlinb. 1825, 12 Bde.), Keller und Notter (Stuttg. 1840–42, 10 Bde.); in Auswahl Baumstark (Regensb.1868, 2 Bde.). Vgl. E. Chasles, Michel de C., sa vie, son temps, son œuvre (2. Aufl., Par. 1866); P. Mérimée, La vie et l'œuvre de C. (das. 1877); Diaz de Benjumea, La verdad sobre el Don Quijote (Madr. 1878); L. Ramon Mainez, Vida de C. (Cadiz 1878); Baumstark, Cervantes Saavedra (Freiburg 1875); A. I. Duffield, Don Quixote, his critics and his commentators, and minor works (Lond. 1881); Asensio, C. y sus obras (Madr. 1902); P. Pastor, Documentos Cervantinos (1897); L. Rius, C., Bibliogr.Critica(1900); R. Marin, Cervantes estudióen Sevilla (1900); Fitzm. Kelly, Life of Miguel de C. (1892); Dorer, C. und seine Werke nach deutschen Urteilen (mit Bibliographie, Leipz. 1881).

Der eifersüchtige Estremadurer

Vor etlichen Jahren verließ ein junger Edelmann einen Flecken in Estremadura und zog wie ein zweiter verlorener Sohn in verschiedenen Gegenden von Spanien, Italien und Flandern umher, worüber er in die Jahre kam und sein Vermögen zusetzte. Am Ende seiner vielfachen Reisen, als bereits seine Eltern tot waren, und sein Vermögen größtenteils durchgebracht, begab er sich nach der großen Stadt Sevilla, wo er Gelegenheit genug fand, das Wenige, was ihm noch geblieben war, zu vergeuden.

Wie er sich in dieser großen Geldnot sah, und auch nicht viele Freunde hatte, nahm er seine Zuflucht zu einem Mittel, zu dem so manche andere Verschwender in dieser Stadt zuletzt greifen. Er beschloß nämlich, nach Indien zu gehen, diesem Zufluchtsorte der Verzweifelten in Spanien, dieser Freistätte der Bankrottierer, diesem Hafen der Mörder, diesem Schutz und Schirm der Gauner, dieser Lockspeise der Buhlschwestern, wo viele in ihren Hoffnungen sich betrogen finden und nur wenige ihre Lage wirklich verbessern. Wie daher eine Flotte nach Terra Firma abging, ward er mit dem Befehlshaber derselben einig, schnürte sein Bündel, versah sich mit Mundvorrat, schiffte sich in Cadiz ein und sagte Spanien Lebewohl. Die Flotte lichtete die Anker, und zur allgemeinen Freude schwellte ein sanfter und günstiger Wind die Segel, so daß er in wenig Stunden das Land ihren Blicken entrückte und ihnen die weiten Flächen des großen Vaters der Gewässer, des Ozeans, zeigte. Unser Reisender war nachdenklich und erwog die vielen und mannigfaltigen Gefahren, die er in den Jahren seiner Wanderung bestanden, und die schlechte Wirtschaft, die er sein ganzes Leben hindurch geführt hatte, und das Ergebnis seiner Betrachtung war der feste Vorsatz, seine Lebensweise zu ändern, mit dem Vermögen, das ihm Gott bescheren würde, anders hauszuhalten und vorsichtiger als bisher mit den Weibern umzugehen.

Auf der See herrschte fast völlige Windstille, während dieser Sturm bei Philipp von Carrizales vor sich ging (so heißt nämlich derjenige, der den Stoff zu dieser Erzählung hergegeben hat). Auf einmal erhob sich der Wind, und wütete so heftig gegen die Schiffe, daß sich niemand auf seinem Sitze halten konnte, und so war auch Carrizales genötigt, seiner Gedanken sich zu entschlagen und sich bloß mit den Gefahren der Reise zu beschäftigen. Diese lief so glücklich ab, daß sie ohne irgendeinen Unfall in den Hafen von Carthagena einliefen. Und um uns nicht bei dem aufzuhalten, was außer unserem Zwecke liegt, bemerken wir bloß, daß Philipp, wie er nach Indien ging, ungefähr achtundvierzig Jahre alt war, und in den zwanzig Jahren, die er dort zubrachte, sich durch Fleiß und Betriebsamkeit ein Vermögen von mehr als anderthalbhunderttausend Krontalern erwarb.

Wie er sich nun reich und glücklich sah, erwachte in ihm die Sehnsucht, die allen so natürlich ist, nach seinem Vaterlande zurückzukehren und ungeachtet der vorteilhaften Aussichten, die er hatte, sein Geld zu vermehren, verließ er Peru, wo er ein so großes Vermögen erworben hatte, setzte es in Gold- und Silberbarren um, ließ es, um sich keinen Ungelegenheiten auszusetzen, registrieren und kehrte nach Spanien zurück. Er stieg in San Lucar ans Land und langte, ebenso reich an Geld wie an Jahren, in Sevilla an. Er erhielt ohne Schwierigkeit seine Schätze, und wollte jetzt seine Freunde aufsuchen, die aber alle mit Tode abgegangen waren. Er beschloß darauf, nach seiner Heimat zu reisen, ob er gleich bereits Nachricht hatte, daß auch dort ihm der Tod keinen Verwandten übriggelassen habe. Wenn ihn früher, wie er in den dürftigsten Umständen nach Indien ging, mancherlei Gedanken bestürmten und ihn mitten auf den Wogen des Meeres keinen Augenblick Ruhe gelassen hatten, so bestürmten sie ihn jetzt nicht minder auf dem festen Lande, obwohl aus einer verschiedenen Ursache. Denn wenn ihn damals die Armut nicht schlafen ließ, so raubten ihm jetzt seine Schätze die Ruhe; denn Reichtum ist für den, der nicht an seinen Besitz gewöhnt ist, noch ihn zu gebrauchen weiß, eine ebenso drückende Last, als es Armut für den ist, der beständig damit zu kämpfen hat. Sorgen verursacht das Gold und Sorgen der Mangel daran. Doch dem Einen wird durch einen mäßigen Besitz abgeholfen, während die andern mit den Schätzen wachsen.

Carrizales betrachtete seine Barren nicht mit den Augen eines Filzes – denn in den wenigen Jahren, wo er Soldat gewesen war, hatte er gelernt, freigebig zu sein –, sondern er ging mit sich zu Rate, was er eigentlich damit anfangen sollte. Denn ließ er sie ganz, so waren sie ein toter Schatz für ihn, und behielt er sie im Hause, so dienten sie Habgierigen zum Köder und Dieben zur Lockspeise. Die Lust war ihm bereits vergangen, zu dem unruhigen Handelsgeschäfte zurückzukehren, und er glaubte bei seinen Jahren Geld genug zu haben, um für seine Lebenszeit auszureichen. Er wünschte wohl, in seiner Heimat zu leben, und indem er sein Geld auslieh, sein Alter ruhig und ungestört dort zuzubringen, um nun soviel wie möglich Gott zu leben, nachdem er mehr als er sollte der Welt gelebt hatte. Doch auf der andern Seite erwog er die große Armut, die in seinem Geburtsorte herrschte, und daß er sich dort allen den Zudringlichkeiten aussetzen würde, mit denen Arme ihren reichen Nachbar zu bestürmen pflegen, zumal wenn niemand anders im Orte ist, zu dem sie in der Not ihre Zuflucht nehmen können.

Dann wünschte er auch, jemanden zu haben, dem er einmal nach seinem Tode sein Vermögen hinterlassen könnte. Er fühlte darum seiner Kraft an den Puls und glaubte noch das Ehejoch tragen zu können. Aber schon bei dem bloßen Gedanken ans Heiraten befiel ihn eine solche Angst, daß sein Entschluß davon wie der Nebel vom Winde verging. Denn auch in seinem ehelosen Stande war er der eifersüchtigste Mensch von der Welt und bei dem bloßen Gedanken ans Heiraten ward er dergestalt von Eifersucht geplagt, von Argwohn beunruhigt und von Grillen geängstigt, daß er ein für allemal beschloß, das Heiraten aufzugeben.

Wie er hierüber mit sich einig war, und noch über seine künftige Lebensweise schwankte, führte ihn sein Schicksal eines Tages durch eine Straße, wo er an einem Fenster ein Mädchen von dreizehn bis vierzehn Jahren erblickte, die so reizend und einnehmend war, daß der alte Carrizales, unvermögend Widerstand zu tun, seine Altersschwäche der Jugend Leonorens (so hieß das schöne Mädchen) gefangen gab. Er konnte sich nicht enthalten, augenblicklich tausenderlei Betrachtungen anzustellen. Das Mädchen, dachte er, ist schön, und nach dem Äußeren des Hauses zu urteilen, kann sie nicht reich sein. Sie ist noch Kind, und ihre Jugend kann mich vor Argwohn sicherstellen. Ich will sie heiraten, einsperren und nach meinen Grundsätzen erziehen; so wird sie keine andere Denkungsart bekommen als die, welche ich ihr beibringe. Ich bin noch nicht so alt, daß ich die Hoffnung aufgeben müßte Erben zu bekommen. Ob sie etwas mitbringe oder nicht, kann nicht in Anschlag kommen; denn der Himmel hat mir genug beschert, und Reiche müssen nicht nach Geld, sondern nach Neigung wählen. Denn gegenseitige Neigung verlängert bei Eheleuten das Leben, und Abneigung verkürzt es. Wohlan! das Los ist geworfen, und das ist das Mädchen, das mir der Himmel bestimmt hat.«

Nach diesem Selbstgespräch, das er nicht ein-, sondern hundertmal bei sich wiederholte, redete er einige Tage darauf mit Leonorens Eltern und erfuhr, daß sie zwar arm, aber von Adel seien. Er machte sie mit seiner Absicht, seiner Person und seinem Vermögen bekannt, und warb sehr angelegentlich um die Hand ihrer Tochter. Sie baten sich Bedenkzeit aus, damit sie nähere Erkundigungen über ihn einziehen könnten, und auch er von ihrem Adel sich in dieser Zeit überzeugen könne. Man nahm Abschied voneinander, erkundigte sich beiderseits, fand alles bestätigt, und Leonore ward die Braut des Carrizales, nachdem er ihr vorher zwanzigtausend Dukaten als Leibgedinge verschrieben hatte; in solche Liebesflammen war die Brust des eifersüchtigen Alten versetzt.

Doch kaum war er den Heiratsvertrag eingegangen, als er plötzlich tausend wütende Anfälle von Eifersucht bekam und ohne irgendeinen Anlaß mit ängstlicheren Grillen sich plagte als je zuvor. Den ersten Beweis von seiner eifersüchtigen Gemütsart gab er dadurch, daß er von keinem Schneider an Leonoren das Maß zu den vielen Kleidern wollte nehmen lassen, die er ihr zugedacht hatte. Er suchte deshalb eine andere Person auf, die ungefähr Leonorens Wuchs und Größe hätte, und fand ein armes Mädchen, nach deren Maß er ein Kleid machen ließ. Da es Leonoren paßte, so ließ er danach die übrigen Kleider machen, und zwar so viele und kostbare, daß sich Leonorens Eltern überglücklich schätzten, einen Schwiegersohn gefunden zu haben, der ihnen und ihrer Tochter so gut aushelfen könnte. Sie selbst war ganz betroffen beim Anblick so prächtiger Kleider; denn der Putz, den sie in ihrem ganzen Leben an sich gesehen hatte, bestand in einem Raschrock und in einem Fähnchen von Taft.

Der zweite Beweis, den Philipp von seiner Eifersucht gab, war, daß er sich nicht eher vermählen wollte, als bis er ein Haus besonders dazu eingerichtet hätte. Er kaufte eins für zwölftausend Dukaten in einem vorzüglichen Quartiere der Stadt, an dem fließendes Wasser und ein Pomeranzengarten war. Alle Fenster, die auf die Straße gingen, oder sonst im Hause waren, ließ er so weit zumauern, daß das Licht nur von oben hereinfiel. In das Kutschentor (das nach der Straße geht) ließ er einen Stall für eine Mauleselin bauen und darüber einen Strohboden und ein Kämmerchen für den Stallknecht, einen alten, verschnittenen Neger. Die Mauern des Hofs ließ er so hoch aufführen, daß man beim Hereintreten nur die Wände und den Himmel erblickte, und aus dem Kutschentor ging ein Drehfenster in den Hof. Er schaffte reichen Hausrat an, und seine Tapeten, Sofas und Baldachins waren dem vornehmsten Manne angemessen. Ebenso kaufte er vier weiße Sklavinnen, die er im Gesicht brandmarken ließ, und zwei Negerinnen, die das Spanische schlecht sprachen. Er kam mit einem Koch überein, daß er ihm das Essen bringen und einkaufen sollte; doch durfte er nicht im Hause schlafen, und überhaupt nicht weiter, als bis an das Drehfenster kommen, durch welches er die Speisen hereinzureichen hatte.

Nachdem er diese Anstalten getroffen hatte, gab er einen Teil seines Vermögens an verschiedenen und sicheren Orten auf Zinsen; einen anderen legte er in die Bank, und etwas behielt er für vorfallende Ausgaben. Ebenso ließ er sich einen Hauptschlüssel für alle Zimmer im Hause machen und hatte alle Vorräte unter Verschluß, die man für das ganze Jahr zu der schicklichsten Zeit einzukaufen pflegt.

Nachdem er alle diese Einrichtungen getroffen hatte, begab er sich zu seinen Schwiegereltern, um seine Braut heimzuführen. Die Eltern gaben sie ihm unter vielen Tränen; denn es schien ihnen, als solle sie zu Grabe getragen werden.

Die kindische Leonore wußte nicht einmal, wie ihr geschah. Sie weinte mit ihren Eltern, bat sie um ihren Segen, sagte ihnen Lebewohl, und umringt von ihren Sklavinnen und Mägden, ging sie an der Hand ihres Gemahls nach seiner Wohnung. Beim Eintritt in dieselbe hielt Carrizales an alle eine lange Rede, schärfte ihnen die Bewachung Leonorens ein, und verbot ihnen, auf keinerlei Art und Weise irgend jemanden durch die zweite, innere Tür einzulassen, selbst nicht einmal den verschnittenen Neger. Doch ganz besonders trug er Leonorens Bewachung und Pflege einer klugen und gesetzten Dueña auf, die er gewissermaßen als ihre Hofmeisterin annahm. Zugleich bestellte er sie zur Aufseherin über alles, was im Hause vorging, und gab ihr das Regiment über die Sklavinnen und zwei Mädchen von Leonorens Alter, die er ebenfalls angenommen hatte, damit sie Leonoren zur Unterhaltung dienten. Er versprach allen eine so gute Behandlung und ein so gutes Leben, daß sie ihre Einsperrung gar nicht fühlen sollten; auch wollte er sie jeden Feiertag, ohne Ausnahme, zur Messe gehen lassen, doch so früh, daß sie kaum das Tageslicht zu sehen bekämen.

Die Mägde und Sklavinnen versprachen, allen seinen Befehlen gern und willig nachzukommen; die junge Frau zuckte die Achseln, verneigte sich und sagte, sie habe keinen andern Willen, als den ihres Herrn und Gemahls, dem sie stets gehorsam sein werde.

Wie der gute Estremadurer diese Vorkehrungen getroffen und sich in sein Haus zurückgezogen hatte, begann er, soweit es ihm möglich war, die Früchte der Ehe zu genießen, die Leonoren bei ihrer Unerfahrenheit weder einladend noch zuwider waren. Sie vertrieb sich die Zeit mit ihrer Dueña und den Mädchen und Sklavinnen; und diese suchten sich für ihre Einsamkeit durch Näschereien zu entschädigen, und selten verging ein Tag, an dem sie nicht tausenderlei Dinge zugerichtet hätten, denen Honig und Zucker die Würze geben. Alles, was sie dazu brauchten, stand ihnen im Überflusse zu Gebote, und ihr Herr gab es ihnen auch sehr willig und gern, weil er hoffte, daß sie über dieser Unterhaltung und Beschäftigung nicht Zeit haben würden, an ihre Einsperrung zu denken.

Leonore ging mit ihren Mägden auf gleichem Fuße um und nahm auch dieselben Zeitvertreibe vor; ja, in ihrer Unschuld machte sie wohl Puppen und nahm andre Spiele der Kinder vor, die von ihrer Unverdorbenheit und Jugend zeugten. Das alles machte dem eifersüchtigen Eheherrn große Freude, und er glaubte das glücklichste Los gewählt zu haben, das sich nur denken lasse, und daß weder List noch Bosheit der Menschen auf irgendeine Weise imstande sei, seine Ruhe zu stören. Er dachte darum auf weiter nichts, als wie er seiner Gemahlin eine Freude machen könne, und erinnerte sie beständig, jeden Wunsch, den sie haben möchte, ihm nur zu sagen, denn sie könne auf seine Erfüllung rechnen.

Wenn sie in die Messe ging, was, wie gesagt, in der Morgendämmerung geschah, stellten sich ihre Eltern auch ein und sprachen in der Kirche mit ihrer Tochter im Beisein ihres Gemahls, der seine Schwiegereltern so reich beschenkte, daß sie darüber den Kummer einigermaßen vergaßen, den ihnen die Einsperrung ihrer Tochter verursachte.

Wenn Carrizales des Morgens aufgestanden war, so erwartete er den Koch, der abends zuvor durch das Drehfenster den Küchenzettel für den nächsten Tag erhalten hatte. War dieser dagewesen, so ging er gewöhnlich zu Fuße aus, nachdem er die innere und äußere Tür verschlossen hatte, zwischen welchen sich der Neger befand. Er ging seinen wenigen Geschäften nach, kam bald wieder, schloß sich ein und vertrieb sich die Zeit damit, daß er seine Gemahlin liebkoste und seinen Mägden schmeichelte, die ihn auch alle wegen seines leutseligen und gefälligen Betragens,