Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Die Fortsetzung des Radiotagebuchs von Deutschlands Experten Nr. 1 in Sachen Realitätscheck. Dieter Nuhr stellt sich dabei in seinen beliebten Radiokolumnen aktuellen Fragen zu Themen, die die Gesellschaft und ihn beschäftigen. Und er gibt Antworten in denen er sich einmal mehr als Meister des hintergründigen Humors und der klugen Beobachtung zeigt. Die Welt sorgt immer weiter dafür, dass ihm das Futter nicht ausgeht. So sind seit dem ersten Radiotagebuch aus dem Jahr 2010 zahlreiche Kolumnen dazu gekommen, also höchste Zeit für eine neue Sammlung!
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 375
Veröffentlichungsjahr: 2025
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Dieter Nuhr
NUHR AUF SENDUNG 2
Ein Radiotagebuch
13. Januar 2010
Ich freu mich auf den Frühling. Winter ist ja schön und gut, aber ich bin ein großer Freund der Klimaerwärmung. Das ist jetzt hier der zweite sibirische Winter hintereinander und ich bin jetzt persönlich durch damit.
Weil ja gerade Ältere gerne mal erzählen: »Früher, da gab es noch richtige Winter«, aber noch richtiger brauche ich persönlich nicht. Seit Jahren sagen die Klimaforscher: »Es wird wärmer.« Ich frage mich: »Wann geht das endlich los?«
Mir ist kalt! Ich kann die Füße ins Eisfach legen, um sie aufzuwärmen. »Richtige Winter« und unsere Alten kriegen dann so einen schwärmerischen Gesichtsausdruck. Ich vermute, die kriegen auch einen schwärmerischen Gesichtsausdruck, wenn sie sagen: »Früher gab es auch noch richtige Kriege.« Das muss man auch nicht bedauern, dass wir das Kriegführen jetzt lassen, zumindest zu Hause.
Der Winter geht mir persönlich jetzt langsam auf den Sack und man muss auch an die Tiere denken. Viele haben jetzt wieder ihre Dackel und Terrier in die Mikrowelle gestellt und sich gewundert, wie die die Ohren spitzen und dann macht es »buff« und Feierabend und die ganze Mikrowelle ist versaut. Kleintiere gehören nicht in die Mikrowelle – oder nur, wenn man sie dann auch essen möchte.
Obwohl Mikrowellen angeblich gegen Alzheimer helfen. Mehrere Stunden Handytelefonieren täglich soll auch Alzheimer verhindern, zumindest bei Mäusen, haben Forscher rausgekriegt. Was ich nicht verstanden habe, war, wo die Mäuse gefunden haben, die telefonieren.
Ich meine, das war teilweise echt schlimm mit dem Schnee, man hatte schon Angst, dass man von hinten vom Zugspitzferner überrollt wird. Im Fernsehen habe ich gedacht: »Das ist doch der Yeti«, aber es war bloß der Kachelmann. Manchmal dachte man: »Deutschland muss evakuiert werden«, aber wohin? Alle nach Belgien oder Holland, das weckt ja auch keine schönen Erinnerungen … Flüchtlingstrecks wie einst 45.
Die Regierung rief zum Hamsterkauf auf und dann verdunkelte sich die Sonne. Da habe ich mich erschreckt, als sich plötzlich alles verdunkelte, bis ich gemerkt habe, das war abends, das ist normal im Winter.
Überhaupt ist alles, glaube ich, ziemlich normal, ab und zu wird es kalt und dann wird wieder Sommer, und wenn der Nächste panisch rumbrüllt: »Es wird kalt« oder: »Es wird warm«, dann sage ich: »Ja, genau, dann zieh dir was an« oder: »Zieh dir was aus«, je nachdem, »aber brüll mir nicht in die Ohren.« Die eigentliche Katastrophe ist bei uns nicht das Wetter, sondern die ständige Panik. Im Sommer wie im Winter.
20. Januar 2010
Ich fühle mich wohl in meiner Haut. Ich bin ja jetzt so um die 40, also genauer gesagt zwischen zehn und 70, wo man sich auch schon mal Gedanken macht über die letzte Ruhestätte. Man will es ja nett haben, vor allem in der Ewigkeit, weil die so lang dauert. Der Tod ist ein wichtiges Ereignis im Leben, da will man auch im Tod gepflegt erscheinen. Früher war es so, dass der Mann oft erst nach seinem Tod zum ersten Mal gepflegt wurde, es wurde gewaschen, gesalbt, und da war die Trauer groß, wenn die Witwe in der Friedhofskapelle feststellte, so schlecht sah der gar nicht aus, was so ein Shampoo ausmacht und wenn er mal die Fresse hält.
Das ist der größte Vorteil am Tod, dass man auch als Mann nicht mehr auf dicke Hose machen muss. Das geht beim Mann um die 40 los, er ist gelassener, er fühlt sich wohl und im besten Fall lebt er sogar noch, das ist doch toll.
Meine Grundfrage ist immer: »Was ist der Mensch und was unterscheidet ihn vom Tier, vom Fisch zum Beispiel?« Dass er keine Schuppen hat, im besten Falle, denn bei den Menschen haben nicht alle Schuppen. Ich kenne Leute, wenn die vor einem hergehen, das ist wie im Schneesturm.
Das wird auch im Alter nicht besser. Das ist gerade für Männer eine ziemlich neue Erkenntnis, dass der Körper irgendwann Pflege braucht. Dann sehen die die Schuppen und dann wundern die sich: »Warum hat meine Mutter das nicht weggemacht?«
Männer wissen nicht viel über Körperpflege, sie unterhalten sich auch nicht darüber. Wenn eine Frau ein neues Pflegemittel für sich entdeckt hat, dann fährt der Freundinnenkreis gern mal drei Wochen in ein Kloster in der Toskana, um Vor- und Nachteile abzuwägen. Gespräche unter Männern, die Körperpflege betreffend, sind kurz. »Du stinkst!« »Echt?« Fertig. Männer machen da nicht viele Worte, erst wenn Mutter sagt: »Du stinkst!«, weiß der Mann, ich muss was tun.
Aber wenn Männer erwachsen werden, dann ist Mutter oft nicht mehr da, wenn man sie braucht, das ist so traurig. Da brauchen die lange, bis die das verarbeitet haben. Und dann geht man auf die 40 zu. Und so um die 40 kaufen viele Männer ihr erstes eigenes Shampoo. Dann sind sie erwachsen. Das ist schön …
27. Januar 2010
Ich lese gerade in der Zeitung, dass jeder fünfte Deutsche einen Migrationshintergrund hat. Gott sei Dank, da bin ich nicht alleine. Ich bin ja vom Niederrhein und man hat es im Rheinland auch nicht immer leicht, andere Mentalität, andere Sprache, teilweise andere Religion. Hier hat man noch im 30-jährigen Krieg aufeinander geschossen, das gibt es heute fast gar nicht mehr, woanders ist es da schlimmer. Die Forbesliste ist jetzt raus, in der alle Länder drinstehen, in die man momentan besser nicht reist, also Afghanistan an der Spitze und das Rheinland kam erst ganz hinten.
Somalia ist auch nicht gut oder Simbabwe oder der Irak. Richtig sicher sind Legoland, Ostwestfalen, da ist angeblich gar keiner mehr, und Wermelskirchen. Während die Gegend um Bad Doberan regelrecht gefährlich ist, da ist die Woche über ein Wildschwein in ein Kaufhaus gestürmt. Gut, in Krisenzeiten sollte man keine Kunden abweisen, aber das geht zu weit und den Keiler haben sie erschossen. Bad Doberan ist für Wildschweine eine absolute No-go-Area. Auf der Forbesliste für Wildschweine steht Bad Doberan jetzt vor dem Jemen.
Die Welt soll friedlicher werden. Westerwelle hat ein Aussteigerprogramm für Taliban angeregt, das ist gut. Ich kenne viele Taliban, die sich einen anderen Beruf durchaus vorstellen könnten, wenn der Guido das bezahlt. Viele Taliban sagen sich: »Der Terror ist auch kein Zuckerschlecken, aber wo sind die Alternativen?« Und Westerwelle sagt: »Da findet sich schon was, vielleicht Fahrkartenkontrolleur oder Politesse?« Der Guido hat bestimmt schon einen Plan, dass man dem Taliban mal zuruft: »Hör doch auf mit den ständigen Sprengungen.« Und dann ruft der Taliban zurück: »Wie denn, ich habe doch nichts anderes gelernt.« Und dann ruft der Guido aus dem Schützengraben: »Bei uns kannst du eine Umschulung machen!«
Dann wird der Taliban glücklich sein und sagen: »Super, dann möchte ich irgendwas mit Medien machen, vielleicht Terrorbotschaften sprechen bei Al Jazeera oder Konditionstrainer bei Felix Magath.«
Es gibt so viele neue Berufe heutzutage, das kann man täglich in der BILD-Zeitung nachlesen, Amokrentner zum Beispiel oder TV-Nonne. Das sind ganz neue Berufsbilder, oder Super-Transe, immer noch besser als sich irgendwo im Nahen Osten in die Luft zu sprengen, obwohl – man weiß es ja nicht. Lorielle London ist auch wieder getrennt, BILD-Super-Transe zu sein, macht auch nicht glücklich, das sollte man einem Taliban besser nicht anbieten, sonst geht der in seinen alten Beruf zurück und dann macht’s »buff«!
2. Februar 2010
Der Mensch hat über 90 Prozent genetische Übereinstimmung mit dem Schwein, das ist bekannt, aber was mich überrascht hat, als ich das gelesen habe, war, das ist bei Männern und Frauen gleich, weil ja viele Frauen glauben, nur Männer sind Schweine, das stimmt aber nicht, bei Männern ist es nur offensichtlicher.
Wobei auch der Mann sich seit ein paar Jahren immer weiter von der Tierwelt entfernt. Die Männer haben neuerdings auch das ganze Bad vollstehen mit Töpfchen und Tübchen und Fläschchen, da wird gepudert, gezupft und eingerieben.
Vor gar nicht langer Zeit hat der Mann noch gelebt wie in der Suhle, da gab es noch gar kein Duschgel, es gab nur eine Seife für die ganze Familie. Der häufigste Haushaltsunfall war, dass einem in der Badewanne stehend unter der Dusche die Seife aus der Hand flutschte, dann bückte man sich, rutschte aus, verhedderte sich im Duschvorhang, schlug mit dem Schädel gegen die minzfarbenen Kacheln und verhakte sich mit dem Auge in der Duschkopfhalterung.
Das war so gefährlich, dass man fast ausschließlich badete. Samstags, so war das, bis der Mann begriff, jedes Duschen bringt ihn dem Paarungsakt näher. Frauen mögen das, wenn der Kerl sich geruchstechnisch vom Hausschwein unterscheidet, deswegen benutzen Männer heute Duschgel und Pflegelotionen. Früher meinte man, Falten machen Männer interessant. Aber zu viele Falten? Man will auch als Mann im Gesicht nicht aussehen wie ein frisch gepflügtes Rübenfeld.
Die Haut wird anscheinend im Laufe des Lebens immer mehr, legt sich übereinander, schlabbert rum. Die wächst immer weiter, wie die Ohren, die wachsen auch immer weiter. Alt ist man, wenn man sich mit den Ohren die Nase putzen kann, und gepflegt ist man, wenn man das trotzdem unterlässt.
10. Februar 2010
Eins ist ja interessant: Die Bundeskanzlerin ist wieder kein Mann. Und auch sonst überall immer mehr Frauen. Das entspricht dem Trend. Unsere ganze Gesellschaft ist ja indessen so, dass alle Normen weiblich sind. Man soll einfühlsam sein, sich kümmern, sich sorgen … Das waren früher feminine Tugenden. Männliche Konfliktlösungsstrategien sind heute unerwünscht, also auf die Fresse hauen wird nicht befürwortet. Weder im Kindergarten noch im Bundestag.
Die Etikette sagt: »Wir sollen miteinander reden«, und schon die Benutzung kleinerer Schrotflinten in der Partnerschaft führt bei Außenstehenden häufig zu Kopfschütteln, vor allem im Restaurant. Da verhält man sich weiblich. Es wird nicht gern gesehen, wenn einer beim Geschäftsessen mal anständig rülpst und dann sagt: »Scheiß die Wand an. Geiler Fraß. Wann kommen die Weiber?« Was ich persönlich auch gut finde, wenn man das unterlässt, da bin ich irgendwie, ich weiß nicht, lesbisch?!
Aber es ist für Männer manchmal nicht leicht und das fängt schon im Kindergarten an. Da ist keine Männlichkeit erlaubt, Aggressivität unerwünscht, Wettbewerbsdenken geht gar nicht, diese alte männliche Jägermentalität … Nein! Wir sind keine Jägergesellschaft mehr. Wir leben unter Sammlerinnen. Nur Frauen. Da wird im Team gearbeitet, man pflegt sich, man hilft sich und Hauen ist verboten! Viele Jungen können heute nicht mal mehr einen Tiefschlag von einem Leberhaken unterscheiden.
Ich auch nicht, ich bin alternativ sozialisiert worden. Was haben wir geredet mit den Frauen. Da hat man als Mann gelernt: Man muss nicht immer gleich ran an den Speck. Nein! Da wurde erst mal geredet. Und dann wurde sich unterhalten. Und dann noch ein bisschen gesprochen. Und wenn man dann mal auf das Thema kam, dass man da ein warmes Gefühl verspüren würde und dass diese Wärme möglicherweise auch physisch beziehungsweise medizinisch, also dass sich das Blut im Unterleib sammeln würde, dann sagte die Frau: »Sag das nicht meinem Freund, der ist Boxer.«
Denn die Frauen wollten damals wie heute Männer, die reden, mit denen man »Pferde stehlen kann«. Aber nur zum Quatschen. Für das »andere« waren weiter die Gorillas zuständig. Frauen brauchen eigentlich immer zwei Männer. Oder einen, den es aber nicht gibt. Ein Sensibelchen, gefangen im Körper eines Profiboxers …
Das ist so, wie wenn man einen Hund sucht, der ins Handtäschchen passt, aber notfalls auch mal einen Einbrecher verschluckt. Schwer zu finden, so was.
24. Februar 2010
Die große Rolle der Religion in unserem öffentlichen Leben muss man ja respektieren und das geht bei den Kirchenglocken los. Das geht mir auf den Sack und einen Muezzin möchte ich auch nicht hören. Was soll das, dass man den anderen quasi durch Lärm mitteilt: »Wir sind hier die Platzhirsche.« Das soll Macht ausdrücken genau wie der Kirchturm oder das Minarett. Alle Türme drücken in erster Linie nur Macht aus, das sind plumpe männliche Phallussymbole, genau wie Bankentürme. Was sagt uns der Commerzbankturm in Frankfurt? Er sagt uns, wir können vielleicht nicht rechnen, aber wir haben den Längsten.
Aber die Kirchen haben es auch nicht leicht in diesen Tagen. Weder unsere Banken, die Kirchen der Heiligen des Geldes, als auch die anderen, überall ist der Satan! Der Islamist sprengt sich deshalb in die Luft und bei den Katholiken schicken sie deshalb immer noch Exorzisten raus. Die werden tatsächlich noch heute im Vatikan ausgebildet, und wenn einer vom Dämon besessen ist, dann kommt der Exorzist und sagt: »Hallo, Herr Dämon! Weichen Sie, bitte!« Das Bitte ist wichtig, denn der Teufel kann Unhöflichkeit nicht leiden. Das weiß ich noch von früher, aus unserer Straße, da kam immer der Bodo, das war für uns der Leibhaftige, und der fragte immer: »Wat willze!?!« Und wenn man dann nicht höflich war …
Jedenfalls, die treiben da immer noch den Teufel aus, weltweit gibt es Tausende von Exorzisten. Unglaublich, aber wahr, man kann es kaum glauben. Ich weiß nicht, wie die Jesuiten dazu stehen, aber die Kirche nimmt für sich in Anspruch, eine moralische Institution zu sein, und vielleicht war das gar kein Missbrauch von Kindern, sondern Teufelsaustreibung. Das ist nicht der Satan, das sind Hormone … die Pfeifen da …
Das Zölibat an sich ist ja auch eine teuflische Erfindung. Dass ausgerechnet die Priester, die ja Gottes Schöpfung preisen sollen, sich seiner wichtigsten Schöpfung verweigern, dem Körper, das ist doch pervers, das ist eine Verhöhnung des göttlichen Willens, denn wir wurden ja geschaffen, um zu essen, zu trinken und uns zu vervielfältigen, so funktioniert sie, die Schöpfung.
Wobei das mit dem Trinken auch so eine Sache ist. Wenn schon unsere evangelischen Bischöfinnen den Heiligen Geist nicht mehr vom Himbeergeist unterscheiden können. Angeblich ist schon so mancher in den Himmel aufgefahren. Aber nüchtern.
3. März 2010
Ein Kumpel von mir ist zum zweiten Mal Vater geworden, das ist jetzt allerdings auch schon ein paar Jahre her, aber der Zustand hält sich. So ein Kind, das ist ja auch oft das Problem. Ein Hamster ist überschaubar, ein Jahr und fertig. Selbst ein Hund kann notfalls an ein vietnamesisches Restaurant … Nein, das ist auch nicht schön, obwohl ein Hund im Grunde, also wenn man es objektiv betrachtet, auch nur ein Schwein an der Leine ist.
Das Problem bei meinem Kumpel ist nicht der Hund und auch nicht das Kind, denn ein Kind ist etwas Schönes. Das Problem ist, wenn man mehrere hat. Das ist nicht wie bei Autos, da kann man auch mehrere haben, aber es fährt immer nur eins und es ist viel pflegeleichter. Wenn Sie es den Winter über in der Garage lassen und sich einfach mal nicht darum kümmern, dann kommt nicht das Straßenverkehrsamt und entzieht die Fahrerlaubnis wegen Verletzung der Fahrerpflichten.
Andererseits braucht man für ein Kind keinen Führerschein, was ich schade finde. Gerade in Erziehungsfragen könnte das Schlimmste verhindert werden, wenn Eltern über die grundsätzlichen Regeln informiert wären. Beim Auto weiß jeder, ich tanke Diesel oder Super, beim Kind wird ständig falsch eingefüllt, Pommes Schranke, Chips und Cola obendrauf, und dann wundern sich die Eltern, wenn die Blagen irgendwann nicht mehr laufen, sondern als Fleischsäcke die Fernsehcouch überwuchern.
Egal, ich wollte ja nur erzählen, dass mehrere Kinder auch kein Zuckerschlecken sind. Forscher haben das jetzt mal untersucht und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass es bei Kindern im Alter von zwei bis vier Jahren alle zehn Minuten Krach gibt und das die soziale Kompetenz schult. Familienforscher wissen indessen nämlich, dass sich Geschwister gegenseitig erziehen, das ist doch mal eine gute Nachricht. Eltern kümmern sich viel zu viel, man muss auch mal laufen lassen und das habe ich meinem Kumpel auch gesagt. Er soll einfach 15 bis 20 Jahre in Urlaub fahren, die Kinder bleiben zu Hause, einmal in der Woche kommt der Bofrostmann, dann erledigt sich das Problem von ganz alleine.
10. März 2010
Überall Missbrauch, sogar bei der Bundeswehr! Rohe Leber mussten die essen, wobei man sagen muss, in dem Krankenhaus, wo ich Zivildienst gemacht habe, nach roher Leber hätten die sich da gesehnt. Die hätten, ohne mit der Wimper zu zucken, auch lebende Schafe verputzt, wenn es welche gegeben hätte. Das macht der Hunger.
Nun war die Bundeswehr schon zu meiner Zeit nicht für ihre feine Küche bekannt, also in meiner Klasse war keiner, der gesagt hätte: »Verweigern? Ich? Niemals! Ich lasse mir den kulinarischen Genuss der Feldküche auf keinen Fall entgehen.« Die Sterne eines Generals sind ja nicht von Michelin und ein Barett ist kein Häubchen.
Das mit dem Missbrauch war schlimm! Gerade bei der Bundeswehr haben sich viele gesagt: »Da hätte ich gleich Messdiener bleiben können.« Im Grunde ist das Problem bei der Bundeswehr dasselbe wie in der Kirche: zu wenig Frauen. Das können die Kerle nicht verknusen, da steigt der Hormonpegel, auch wenn man das in der Kirche nicht wahrhaben will. Der Wille zum Fortpflanzungsprozess ist dem Menschen von Natur aus eingegeben. Man könnte auch sagen: »Geschlechtsverkehr ist göttlicher Wille.« Und wer sich heute für das Zölibat entscheidet, der verweigert sich dem, oder er hat untenrum Probleme, das gibt’s ja auch. Oder er mag einfach lieber Popohaue, das ist ja auch nicht selten.
Jetzt streiten sich die Missbrauchsopfer mit der Kirche rum. Früher hätte man gesagt: »Kann man da nicht einen Schiedsrichter einschalten?« Da lob ich mir die Evangelen, bei denen ist der Missbrauch relativ selten, die fahren nur besoffen durch Hannover, das ist human.
Wenn ich unsere Kirchenväter richtig verstanden habe, liegt die Schuld ohnehin bei den Opfern und der Sexualisierung der Gesellschaft. Das stimmt, denn die Herren Bischöfe haben natürlich Probleme damit, wenn andere unbeschwert Sex haben. Das macht die nervös und offenbar auch aggressiv, dann gibt es Ohrfeigen. So ist der Mensch, ein primitives Bündel aus Reiz-Reaktions-Prozessen im Gehirn. Der Mensch ist hormonell, und ein Bischof kann lange zetern, das wird er nicht ändern. Er ist ja nicht Gott und Gott meldet sich gerade mal gar nicht zu Wort. Warum auch? Er hat ja mit der Kirche nichts zu tun.
Gott wird schon wissen, warum der Sex zur Natur des Menschen dazugehört. Ohne Sex hätten wir gar keine Gesellschaft mehr. Dann gäbe es keine Menschen mehr und die Kirchen wären leer und sogar das Zölibat wäre kein Problem mehr. Der Dämon der Lust stände in der Gegend rum und würde sich wundern und sagen: »Kein Sex ist schon schlimm, aber dass ich jetzt auf die Bohnen mit Speck in der Kaserne verzichten muss, das geht ja gar nicht«, und würde sich erschießen, zu Recht.
16. März 2010
Alles liegt an meiner Erziehung. Und an den Genen. Und an Gott. Und am Wetter. Wir können alle nichts dafür, insofern sind wir alle unschuldig.
Deswegen sollte auch jeder dasselbe haben, weil er nichts dafür kann, dass er kein Nobelpreisträger geworden ist oder kein Nationalspieler. Ich wäre auch gern Nationalspieler, aber die nehmen mich nicht. Das ist ja deren Sache, aber dann kann man mich dafür doch nicht finanziell verantwortlich machen. Ich verlange, dass mir der FC Bayern ein angemessenes Gehalt zahlt, zumal ich weit über 40 bin und in solchen Sachen auch gern mal mit dem Alter argumentiert wird. Das ist doch menschenverachtend, zählt Erfahrung denn gar nichts mehr? Gehört man jetzt schon mit 40 zum alten Eisen? Der FC Bayern sollte verpflichtet werden, eine Quote einzuhalten, Frauen, Alte, Behinderte. Erst wenn auch ein Schwerbehinderter beim FC Bayern spielt, ist Gerechtigkeit erreicht und Schalke wird Meister.
Allerdings müssten dann auch die Arbeitsplätze angepasst werden. Damengarderoben, altersgerecht und mit dem Lifta-Treppenlift aufs Spielfeld. Wenn dann Matthäus wieder in der Bundesliga aufläuft, dann muss in der Allianz Arena Kunstrasen verlegt werden, damit sich der Lothar nicht mit dem Rollator verhakt. Dann wird auch schon mal einer in der 70. Minute ausgewechselt wegen Prostataproblemen, daran wird man sich dann gewöhnen müssen.
Das finden wir jetzt vielleicht lächerlich, aber das ist das Schlimme in unserer elitären, auf Leistung getrimmten Welt, dass uns das schon selbstverständlich ist, dass der Leistungssport seniorenfeindlich ist. Und frauenverachtend. Da weht der Geist des Guido Westerwelle, wenn es nur noch um das Bessersein geht und Leistung sich lohnen muss. Das ist leicht gesagt, wenn man nicht mitspielen darf.
Wer hat eigentlich diesen jeder Menschlichkeit Hohn sprechenden Fußballwahn in die Welt gesetzt? Da muss doch jemand verantwortlich sein, beziehungsweise, das ist ja das Problem, am Ende ist wieder niemand verantwortlich, weil keiner dafür kann. Selbst wenn da jemand wäre, der als Einzelner verantwortlich zeichnet, er kann ja nichts dafür. Das liegt alles an seiner Erziehung und an den Genen. Und an Gott. Und am Wetter. Der kann nichts dafür, der ist unschuldig. Schade, man kann ihn noch nicht mal hauen, und das ist das Problem heute, dass auch Hauen nichts mehr bringt.
23. März 2010
Neulich habe ich jemanden beleidigt, das wollte ich gar nicht. Ich habe ja bloß öffentlich nachgedacht, das mache ich öfter, das ist nun mal mein Beruf. Und in dem Fall habe ich nachgedacht über Religion. Ei, ei, ei, ei, das geht ja gar nicht.
Nachdenken über Religion ist ganz schlecht. Denn schon das Nachdenken über Religion wirkt auf viele beleidigend, weil das ja infrage stellt. Bei der Religion ist schon das Infragestellen beleidigend, so ist das. Warum, weiß ich auch nicht, ist halt so, sagen jedenfalls die Beleidigten. Wer denkt, beleidigt die Gläubigen. Klar, weil das Denken den Glauben gefährdet.
Deswegen steht ja auch in der Bibel: Selig sind, die arm sind im Geiste, weil die unbehelligt vom Verstand glauben, statt zu denken.
Bei meiner Beleidigung ging es um die Dreifaltigkeit. Ich hatte erwähnt, dass über Dreifaltigkeit nichts in der Bibel steht, das ist eine Erfindung religiöser Funktionäre aus dem 4. Jahrhundert. Die wurden damals der Vielgötterei bezichtigt, weil es den Gottvater gab, den Sohn und noch den Geist, und die haben geantwortet: »Nein, das sind zwar drei, aber trotzdem nur einer«, nur eben faltig. Dreifaltig. Über so was hat man im 4. Jahrhundert nachgedacht.
Und wenn ich jetzt daran öffentlich zweifle, ist das offenbar beleidigend. Ich verstehe das nicht, aber es ist so. Wenn ich jetzt glaube, dass Gott vierfaltig ist, dann bin ich ein Ketzer. Ich glaube, dass Gott unendlich viele Falten hat, nicht weil er so alt ist, sondern weil der alles sein kann. Fünffaltig und glatt kann er auch sein, faltenfrei. Das weiß kein Mensch, das ist meine Überzeugung. Ich bin bloß nicht beleidigt, wenn jemand was anderes glaubt.
Vielleicht ist Gott auch würfelförmig und wohnt in Recklinghausen. Ich halte das für genauso wahrscheinlich wie die Aussage, »Gott ist bärtig und wohnt im Himmel«, aber Wahrscheinlichkeit zählt ja nicht. Es zählt der Glaube, und ich glaube gar nicht, dass Gott würfelförmig ist. Er ist rund und würfelförmig zugleich. Er kann nämlich alles, deshalb ist er auch sternförmig. Rund, eckig, spitz … also im Grunde schon wieder dreifaltig. Eigentlich sind wir uns wieder einig, und es muss keiner beleidigt sein, das ist schön und die Eiferer können sich wieder abregen. Und fröhlich sein. Und lachen. Ich glaube, da lacht sogar der liebe Gott mit. Ich glaube, dass der ohnehin die ganze Zeit lacht. Der lacht sich kaputt über uns alle, die, die nichts wissen, und die, die glauben, weil sie auch nichts wissen. Gott hat nämlich Humor, sonst hätte der so was wie uns gar nicht erschaffen.
26. März 2010
Wofür braucht man eigentlich Kultur? Was ist das überhaupt? Das geht los beim Messer-und-Gabel-Essen und geht dann bis zur hohen Kunst, wenn sich beispielsweise im Theater ein paar nackte Greise über die Bühne wälzen und sich dabei mit Olivenöl einschmieren – und dabei Gurgellaute ausstoßen. Das ist Kultur, weil es auf unsere hilflose Kommunikationslosigkeit im Angesicht der eigenen Sterblichkeit verweist. So sehe ich das. Vielleicht bedeutet es auch nur, dass Olivenöl überschätzt ist. Wenn man ein Steak anbrät, so bei 200 Grad, da taugt Olivenöl nicht, das geht kaputt, da nehmen Sie besser Erdnussöl. Oder Diesel, das ist Kultur. Kochkultur … gibt es ja auch. Es gibt sogar Freikörperkultur oder Pilzkulturen. Ganz wichtig, wir haben alle Pilze, nicht nur an den Füßen, auch im Darm. Darmflora. Das ist Natur im Gegensatz zur Kultur. Eine gesunde Darmflora ist noch keine Hochkultur. Braucht man überhaupt Kultur? Es gibt viele, die kommen ohne aus. Das geht. Viele brauchen kein Theater, denen reicht der Getränkehandel an der Ecke.
Aber, was ist das, Kultur? Zeugen Ringelsocken schon vom humanen Willen zur Gestaltung seiner Umwelt oder beginnt Kultur überhaupt erst da, wo es mühselig wird? So hartgesottene Kulturverteidiger sagen ja oft: »Das ist keine Kultur, das ist für die Masse.« Aber wenn Massenkultur keine Kultur ist, dann kann die Masse gar keine Kultur haben, denn selbst wenn die Masse jetzt plötzlich Kultur hätte und plötzlich alle in Ausstellungen des Neokonzeptualismus gehen würden, dann wäre auch der Neokonzeptualismus plötzlich Massenkultur, also keine Kultur? Dann würden die Avantgardisten wahrscheinlich DSDS gucken, weil das auf hochintelligente Weise die Essenz unserer Eventkultur spiegelt und durch die Erklärung des Nichts zum Superstar unsere Leistungsgesellschaft dekonstruiert. Ein hochintelligentes Konzept und vielleicht ist das schon Neokonzeptualismus. Das Herausreißen der Kultur aus der Todesstarre der Museen in die Wohnzimmer der intellektuellen Elite.
Das ist Kultur, wobei die wirkliche Kultur mit der Erfindung des Feuers angefangen hat, mit der technischen Beherrschbarkeit der Naturkräfte. Also wenn man ein Streichholz anzündet, ist das im Grunde ein hochkultureller Akt. Ich wette, das wird auch bald im Theater aufgeführt, der Mann, der die Natur beherrscht, und dann kommt einer auf die dunkle Bühne, es zischt, ein Streichholz geht an. Staunen! Vorhang! Grandios. Was für eine Reduktion. Ohne überflüssiges Pathos. Da capo! Bravo!
5. April 2010
Puh, bin ich vollgefressen. Immer noch von Sonntag. Kaum ist die Fastenzeit vorbei, hat man all das wieder in sich reingefressen, was man die Wochen vorher weggelassen hat. Ich weiß gar nicht, wie viele Eier ich verputzt habe, aus Schokolade, Marzipan, teilweise waren die Eier sogar aus Ei.
Ich glaube, ich bestehe zu 50 Prozent aus Cholesterin, 50 Prozent Fett und der Rest ist Alkohol, weil in jedem fünften Ei ja auch noch Fusel drin ist. Dass ein Huhn in der Lage ist, so etwas zu legen, Wahnsinn.
Bis zur Fußball-WM habe ich das alles weg, die Zeit rast. Bald ist schon wieder WM und dabei gibt es den gesamten Fußball erst seit 150 Jahren. Was haben die Leute eigentlich vorher gemacht am Samstag? Gut, teilweise hat man damals samstags noch gearbeitet. Im Kohlenschacht. Man starb auch gerne mit 30 an der Staublunge oder an Schnupfen. Es gab ja noch keine Antibiotika, und dann wurde das Penizillin erfunden, deshalb gibt es heute Menschen, die werden teilweise sogar 40, wie Jens Lehmann, und die spielen immer noch Fußball – im Tor, aber immerhin.
Das ist die moderne Medizin und alles ist anders als früher. Der Ball ist auch nicht mehr aus Leder, sondern aus, weiß ich nicht, Kalziumkarbonat gemischt mit Popel, aber er ist immer noch rund, selbst an Ostern. Sogar am Ostersonntag ist der Ball nicht eirig, höchstens nach dem Familienkaffee, wenn zu wenig Stühle da waren und der dicke Daniel auf dem Ball gesessen hat. Dann ist der Ball ein Ei, aber das legt sich wieder, bis nächstes Jahr Ostern. Wenn man schlau ist, lädt man sich dann nicht wieder die ganze Familie in die Bude, sondern man geht zu Tante Marion und setzt sich auf den Ball vom dicken Daniel, der benutzt den sowieso nicht, sonst wäre er ja nicht so eine Tonne. Der frisst die Eier lieber, nicht nur an Ostern, auch an Weihnachten, selbst in der Fastenzeit. Der hat wahrscheinlich sogar schon mal einen Fußball gepellt und sich dann gewundert, dass nichts drin war, was für ein Trottel!
Bis zur Fußball-WM werde ich jetzt erst mal meinen Fußball verstecken und dann gilt: Die Eier müssen ins Tor und nicht in den dicken Daniel!
14. April 2010
Fußball geht uns ja alle an. Fußball ist ein Thema von allgemeiner Relevanz, wie man so schön sagt, wie beispielsweise Pathologie. In der Pathologie schneiden die Medizinstudenten die Leichen auf. Da sagen viele: »Leichenschneiden? Ist nicht meins.« Ich verstehe die allgemeine Begeisterung gar nicht, dass so viele Leute hingehen und dann jubeln, wenn die Leiche aufgeschnitten wird. Der Vergleich hinkt ein bisschen, aber es ist so. Pathologie ist wie Fußball, wenn man mal mitgenommen wird und man ist dabei und kriegt auch die Stimmung mit, merkt man schnell, das ist wunderbar und man lernt etwas über den Menschen.
Zwischen dem Aufschneiden einer Leiche und Fußball gibt es natürlich Unterschiede. Wenn man zum Beispiel so ein Schienbein zersägt, dann gibt das in der Pathologie nicht mal eine Gelbe Karte und nicht, weil der Schiedsrichter blind ist. Das ist so gewollt, das geschieht aus Interesse, weil man ja wissen will, wie sieht so ein defensiver Mittelfeldspieler eigentlich von innen aus? Das ist beim Fußball nicht das zentrale Interesse und das Schienbein wird natürlich trotzdem zersägt. Nicht mit der Knochensäge, sondern artgerecht mit dem Fußballschuh, mit den Stollen wird vorgebohrt, und dann: Fupp! Das führt zu hässlichen Splitterungen, und wenn Sie dann dem Schiedsrichter sagen: »Das war nur aus medizinischem Interesse«, da zieht der die Arschkarte.
Das ist die Rote, die Karte am Arsch, und dann ist Feierabend, dann kann man höchstens noch in der Kabine irgendwas zerlegen, aber das ist ja auch kein Ersatz. Auf dem Platz, da kommt es drauf an, der große Otto Rehagel hat das, glaube ich, gesagt, der Philosoph des gesprochenen Balles: »Die Wahrheit liegt auf dem Platz.«
Otto Rehagel hat auch gesagt: »Die sollen sich nicht so anstellen, bei mir zählen nur glatte Brüche als Verletzungen«, das ist die richtige Haltung. Wer nach einem Tritt gleich aufgibt, der ist bei der Weltmeisterschaft falsch, aber wenn jemand mit der Säge um einen steht und überall nur Studenten sind und der eine sagt: »Müller, Sie zersägen das Schienbein«, dann ist es für einen ohnehin zu spät, dann liegt man schon in der Pathologie. Selbst wenn das begeisterte Publikum jubelt, wird man nicht mitjubeln können. Das ist beim Fußball so, da jubeln alle mit, wenn man nicht schon vor dem Stadion in die Pathologie gekloppt wurde.
21. April 2010
Es ist doch gut, dass es Regeln gibt, sonst würde ja jeder tun, was er will. Am Ende wäre Anarchie und Arminia Bielefeld wird deutscher Fußballmeister, das kann ja keiner wollen, außer ein paar Leuten in Bielefeld, da war ich am Wochenende, eigentlich eine schöne Stadt, aber deutscher Meister …
Nein, es gibt Regeln, das sollte jeder akzeptieren. Ich finde das gut, dass man heute in der Regel darauf verzichtet, sich auf offener Straße zu erschießen. Es gibt einfach Dinge, die sollte man zu Hause erledigen. Selbst eine gewisse Kleiderordnung, dass nicht jeder, der über 300 Kilo wiegt, sagen kann: »In meiner Größe gibt es nichts, dann gehe ich eben nackt«, und dann steht der neben einem im Aufzug, das ist nicht schön. Nicht umsonst gibt es Regeln, nur welche Regel ist die richtige?
Hier kommt ein großer Comedy-Kollege zum Zuge, vielleicht der bekannteste Komiker Ostpreußens, Immanuel Kant, sein kategorischer Imperativ ist und bleibt ein Kracher! »Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit Grundlage einer allgemeinen Gesetzgebung sein könnte.« Ein Brüller! Bedeutet so viel wie: »Mach, was du willst! Aber mach nicht so einen Krach!«, und da hat er recht.
Wer lärmt, hat unrecht, so steht es schon im Grundgesetz beziehungsweise, wenn nicht, dann muss das dringend geändert werden. Was Kant versäumt hat zu schreiben, ist: »Handle so, dass der Pegel deines Handelns in Dezibel gemessen dergestalt geartet ist, dass das Hören deines Tuns jederzeit nicht tierisch auf den Sack geht. Handle so, dass der Luftdruck deines Redens dem Inhalt deiner Rede entspricht.« Mit anderen Worten, es spricht nur, wer was weiß. Leider sucht man solcherlei Sittlichkeit meistenteils vergeblich.
Kant erfand seinen Imperativ 1785 im Rahmen seiner Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. Leider sind die Sitten seitdem irgendwie verlottert und Metaphysik beschränkt sich heute auf das Horoskop, wo dann Wassermännern dazu geraten wird, sich einem neuen Lebenspartner nur gegen Bargeld hinzugeben, weil sich Neptun im Jupiter verhakt hat. Das ist schade, denn grundsätzliches Nachdenken über das Wesen des Seins ist nichts Schlechtes. Es fehlt nur meist die Zeit dazu, weil man nach der Schicht noch Möhren kaufen muss und um drei schon wieder der Schreiner vor der Tür steht, der natürlich in Wirklichkeit auch um vier noch nicht da ist, weil es sich um fünf nicht mehr lohnt.
Das ist die Sittenlosigkeit! Heute ist die oberste Moral: Ich gehe vor, Frauen und Kinder folgen, und die anderen Kerle können gucken, wo sie bleiben.
28. April 2010
Ich bin ja so froh, dass dieses Thema Missbrauch endlich mal weniger wird. Missbrauch, Missbrauch, ich kann es nicht mehr hören. Ich finde, der Bischof Mixa ist zurückgetreten, das ist gut und das reicht. Jetzt hat er wenigstens wieder mehr Zeit, sich um die Kinder zu kümmern.
Jetzt geht es endlich mal um andere Themen, nämlich Griechenland und Wahlkampf. Wenn ich Sigmar Gabriel richtig verstanden habe, dann ist die Griechenlandpleite ein guter Grund, in Nordrhein-Westfalen SPD zu wählen. Wie da der Zusammenhang ist, weiß ich nicht genau, wahrscheinlich weil die SPD und pleite, das passt einfach.
Die Regierung in Berlin ist ja sowieso schuld, woran, ist noch nicht ganz klar, aber dass die schuld ist, ist doch sonnenklar. Auch die Vulkanwolke, so etwas hat es bei der SPD nicht gegeben, da hätten wir gar kein Geld für gehabt, aber das ist für die Isländer kein Thema. Total pleite, aber so einen Vulkan, das können sie sich leisten. Ich glaube, dass auch in Griechenland bald ein Vulkan losbrechen wird, wahrscheinlich direkt unter der Staatsbank. Griechenland soll ja jetzt angeblich schon für einen Euro bei eBay angeboten worden sein, aber da rate ich ab, die Folgekosten … Dann wird es auch bald Staub und Asche regnen wie in Island. Was für eine Wolke! Wahnsinn. Erst habe ich gedacht, das wäre Kachelmanns Rache, aber nein, das war Naturgewalt!
Das war das Schöne an diesem Vulkan, dass man lernen konnte, der Mensch ist nicht der Einzige, der hier alles in Schutt und Asche legt, denn der Mensch war unschuldig … wahrscheinlich, aber vielleicht war das gar kein Zufall, dass ausgerechnet am Geburtstag des Papstes die Hölle Feuer spie?! Ich muss mal den Bischof Mixa fragen, der weiß mehr, als man glaubt.
5. Mai 2010
Heute wollte ich mal wieder über Fußball sprechen! Aber bitte: Nicht gleich abschalten! Auch wenn Ihnen Fußball fremd ist! Sie sind ja vom Thema trotzdem betroffen! Gerade jetzt, wenn die Weltmeisterschaft kommt … Um Sie herum lauter Irre … »Öööh!«
Beim Fußball zeigt sich ja der wahre Charakter des Menschen. »Ööööh! Grätsch ihn weg! Die Sau!« Zivilisation ist eine ganz dünne Haut und darunter lauert – der Fan! »Ööööh!«
Beim Fußball ist die Welt ja noch in Ordnung, da gibt es die Guten, das sind wir und dann gibt es die Bösen. Das sind die anderen, die Fremden, die Dahergelaufenen, das Geschmeiß, der Abschaum, das niedere Gewürm, das es nicht wert ist, den Ball zu treten, weil er ihnen in Anmut und Grazie und auch geistig überlegen ist.
Und diese Brut, die es nicht wert ist, die Luft zu atmen, die durch das eigene reine Stadion weht, das ist jeweils die Mannschaft der Nachbarstadt. Oder im Fall der WM ist das Holland. Das ist zwar doof, weil die Holländer einen ganz wunderbaren Fußball spielen. Aber das anzuerkennen hieße, gerecht zu urteilen, und das ist ein Verhalten, das sich kein Fußballfan vorwerfen lassen muss.
Ein Holländer ist ja für uns Deutsche wie ein Schalker in Dortmund oder ein Dortmunder in Schalke, er ist nicht – wie nennt man das? – Mensch. Er ist unrein, das ist wie früher, als die Menschen noch vom Jagen und Sammeln lebten und durch die Moore streiften … schon damals lebte auf Schalke wahrscheinlich ein Häufchen Halbaffen – und in Dortmund lebten auch ein paar Halbaffen. Und wenn sich so ein Äffchen in den Sumpf der jeweils anderen verirrte, weil er sich verlaufen hatte oder auf der A40 die falsche Abfahrt … dann gab es artgerecht auf die Fresse, »ööööh!«, wie es noch heute üblich ist, wenn man sich in den falschen Fanblock verirrt.
Der Mensch ist sich heute vielleicht in vielerlei Hinsicht fremd geworden, aber wenn der Ball rollt, dann ist er wieder bei sich. Dann ist er wieder ein Affe ohne Pelz, und wenn dann ein Tor gegen Holland zu Unrecht wegen lächerlichem Abseits nicht gegeben wird, obwohl es ganz klar gleiche Höhe war, dann sinken selbst Hochintellektuelle vom Geist der nationalen Zugehörigkeit vergiftet auf das geistige Niveau einer Stadionwurst – mit Senf. »Ööööh!« Das ist das Schöne am Fußball, seine Ursprünglichkeit. Freuen wir uns auf die WM, ich bin dabei!
20. Mai 2010
Bald ist wieder Urlaub und ich weiß noch nicht wohin: Griechenland oder doch Island? Beide brauchen das Geld, aber Island …? Lieber Griechenland, die brauchen es wirklich, allein wenn man sich mal die Akropolis anschaut, da ist seit Jahren nicht mehr renoviert worden, das Dach ist undicht … schlimm. Das ist das Doofe an Immobilien, in dem Zustand kann man im Grunde nur noch abreißen, das Grundstück ist in Ordnung, aber auf dem Berg, ohne Aufzug, keine Parkplätze, vergiss es.
Immerhin gibt es nette Nachbarn, die Griechen sind einfach locker, die sagen sich, wie Diogenes, der alte Philosoph, der in seiner Tonne lebte und alle Angebote, viel Geld zu verdienen, abgelehnt hat, weil er gesagt hat: »Viel Geld zu verdienen dient ja doch nur einem Zweck: irgendwann nicht mehr arbeiten zu müssen.« Da wäre es ja viel effektiver, gleich aufs Arbeiten zu verzichten. Wer hätte gedacht, dass das mal Staatsphilosophie würde, aber da wusste man ja auch noch nicht, dass wir das bezahlen.
Aber was willst du machen, Insolvenz ist Insolvenz und der Unterschied zwischen Insolvenz und Konkurs ist ja: Insolvenz ist Erpressung. Beim Konkurs wird einfach dichtgemacht, bei der Insolvenz sagt der Schuldner: »Willst du ein bisschen von deinem Geld wiederhaben? Wenn du alles willst, gibt es nämlich gar nichts, dann mach ich Konkurs.« So geht das und das kann ich auch privat nur empfehlen.
Wer Schulden einfach zurückzahlt, ist heutzutage ein völliger Idiot. Man kauft ein Auto auf Pump und fragt einfach nach einem Jahr: »Sind Sie mit der Hälfte einverstanden?« Dann sagen die natürlich einfach: »Nein«, weil man ein Auto gekauft hat und nicht den ganzen Laden. Wenn man 500.000 Autos gekauft hätte, dann wäre das was anderes, denn dann hätten die gesagt: »Zahlen Sie 100.000 und wir sind glücklich und zufrieden.« Deswegen: Nie nur ein Auto, lieber gleich alle, dann muss man auch nicht bezahlen, bloß, was macht man mit 500.000 Autos? Da geht man an den Parkgebühren pleite. Da sieht man wieder, pleite ist man irgendwann sowieso, die Frage ist nur, wie viele Autos man fährt, bis es so weit ist.
15. Juni 2010
Ich muss sagen, Wissen ist überschätzt. Menschen, die bedingungslos glücklich sind, sind oft doof wie ein Regenmantel, jene aber, die vom Baum der Erkenntnis gegessen haben, die Schlauen, das sind die Zweifler, die fürchten sich vor dem Klimawandel, vor Krieg, vor der FDP, so ist das. Der Wissende ist häufig schlecht gelaunt, während der Volltrottel in der Lage ist, selbst hanebüchenen Unseligkeiten wie Gerichtssendungen, Rubbellosen oder Klatschzeitschriften Glücksmomente abzutrotzen. Ein Trottel zu sein, ist also wunderbar, für den Homo sapiens aber trotzdem kein erstrebenswerter Zustand. Warum eigentlich nicht?
Man sagt, der Wissensdurst sei dem Menschen angeboren, das ist Ansichtssache. Bei mir selbst stelle ich immer häufiger fest, dass es auch Dinge gibt, die ich gar nicht wissen möchte: »War der grüne Belag auf dem Brot schon da, als ich heute Morgen mein Frühstücksbrot zubereitet habe? Wo war meine Tochter gestern Abend um 00:50 Uhr? Und wer ist Hamza Hakimzoda Niyoziy?« Ich will es nicht wissen und ich interessiere mich ebenso wenig für usbekische Dramatiker.
Man kann auch gar nicht alles wissen, selbst anerkannte Geistesheroen wie Albert Einstein oder Sonya Kraus sind nicht in der Lage, alle wichtigen Fragen des Lebens zu beantworten, vielleicht nicht einmal die wichtigsten, die da lauten: »Gibt es intelligentes Leben? Wo ist meine Lesebrille?« und: »Kann ich noch fahren?« Und die Antwort ist: »Mal so, mal so.«
Gerade was man gerne behalten hätte, ist weg, einfach weg: »Wie war nochmal der Name? Wo ist mein Pfefferspray? Was muss man tun, wenn man in Treibsand geraten ist?« Weg, weg, weg. »Ich weiß, dass ich nichts weiß«, sagte Sokrates, das stimmt, der hatte nicht mal einen Führerschein, aber glücklich war der auch nicht. Wie man’s macht, macht man’s falsch.
23. Juni 2010
Wenn man ehrlich ist, gibt es Fragen, die wir nicht beantworten können, wir haben extreme Wissenslücken. Bei Gesprächen über Ikonografie der Hochromanik beispielsweise, da kann ich oft nur ganz wenig beitragen. Fragen zur Frühgotik, da kenne ich mich natürlich aus oder ein kleiner Diskurs über karolingische Ornamentik. Aber oft hat man Pech, eine Riesenparty, willige Frauen, man hat gerade ein paar schrille Thesen über den Krakauer Hochaltar von Veit Stoß um 1477 auf der Pfanne, da wendet sich das Gespräch und atemberaubende, animalische Damen kennen nur noch ein Thema: Skulptur des angehenden 12. Jahrhunderts. Dann steht man blöd da, wenn man nicht gerade Fremdenführer in Speyer ist … oder in Worms.
Um solchen Blamagen aus dem Weg zu gehen, versuchen wir, die schlimmsten Lücken in unserem biologischen Datenspeicher zu stopfen, zumindest die Bildungslöcher auszufüllen, die von der Ausdehnung her in der Lage wären, kleinere Galaxien zu verschlucken, also quasi gravitationstechnisch in der Nähe schwarzer Löcher anzusiedeln sind. Leider füllt sich unser Hirn zwar stetig mit Information, nimmt aber doch dann nur wieder das auf, was man eigentlich lieber vergessen hätte, diese Nacht mit Sabrina, einige Zitate von Mr Spock oder Liedtexte von Konstantin Wecker.
Leider sind gerade bei der Wissensaneignung die Verluste oft größer als der Zugewinn. Da nimmt man zwar Neues auf, aber dabei werden unbemerkt Speicherbereiche überschrieben, die man eigentlich noch bräuchte. Alte Menschen pochen ja gerne auf ihren reichen Erfahrungsschatz, vergessen aber dabei oft, dass die Saurier, die sie noch persönlich kennenlernen durften, indessen ausgestorben sind. Auch wenn man in der Freizeit begeisterter Jäger und Sammler ist, es bringt heute nichts mehr, wenn man weiß, wie man einen Dilophosaurus erlegt, wie man den ausnimmt und dann zu Gulasch verarbeitet, die gibt’s nämlich nicht mehr, was eigentlich schade ist, denn meine Mutter machte Dilophosaurus immer mit Fenchel und Pastinaken.
30. Juni 2010
Das Vorurteil, dass unsere Jugend ungebildet sei, ist Quatsch. Die Naseweise wissen einfach in anderen Bereichen Bescheid, wie man einen »voll Messer macht« oder dass ein Grind auf dem Skateboard bei über 50-Jährigen oft zum Unfalltod führt.
Die Bildung unserer Jugend ist unterschätzt. Die Einführung des Multitaskings bei Kleinkindern irgendwann in den 60er Jahren hat zu einer starken Beschleunigung der Datenverarbeitung bei der jüngeren Generation geführt. Unsere Eltern waren ja noch erbost, wenn wir bei den Hausaufgaben Musik hörten. Die junge Generation heute ist in der Lage, beim Vokabellernen im Internet zu surfen und zeitgleich zu twittern, zu telefonieren, bei SchülerVZ zu chatten, fernzusehen, im Doodlejump die 100.000er-Grenze zu überspringen, Selbstporträts mit dem Handy zu erstellen und dabei leichte Drogen zu konsumieren – das alles im Sitzen, denn viele Jugendliche bewegen sich heute ja ausschließlich in Datenräumen.
Selbst der Gang zum Kühlschrank wird heute von den Eltern erledigt, die aufgrund mangelnder Computerkenntnis zu Dienstsklaven in der Realraumzeit degradiert wurden und der Jugendliche an sich wird dadurch zur Schnittstelle zwischen Realzeit und Datenraum.
Dazu gehört profundes Wissen, das natürlich anderswo wegfällt, beispielsweise im Bereich neuere Geschichte. Wir Alten konnten noch die Reihenfolge der Spieler aufsagen, die bei verschiedenen Elfmeterschießen England demütigten. Junge Menschen können heute oft nicht einmal mehr die Weltmeisterelf von 1990 memorieren, geschweige denn die von 74 oder die Startelf von 1934, die immerhin Dritter wurde, mit Conen, Lehner und Szepan, das ist doch schlimm. Es ist traurig, dass das Wissen der Alten immer mehr verloren geht. Tempus fugit – wie der Lateiner sagt oder wie es die Jungen ausdrücken würden: Voll Krass! Stimmt.
7. Juli 2010
Ich kann mich noch an Zeiten erinnern, in denen man Bücher las, nachdachte oder mit einem Grashalm im Mundwinkel in der Sonne döste. Solche Tätigkeiten erledigen heute Avatare im virtuellen Raum, damit der Entspannungsbedürftige in der Zwischenzeit weiterhetzen kann.
Aber was will man machen, man muss ja mitkommen. Wer heute in der Spitzengruppe mitfahren will, der kann es sich nicht leisten, aufgehalten zu werden. Man darf ja Vorausfahrende nicht einfach von der Straße schießen, das ist verboten und es fehlt oft auch am Equipment. In den Extra-Listen der bekannten Autohersteller sucht man Kurzstreckenraketen vergebens oder Kobalt-Thorium-Geräte oder Photonentorpedos gibt’s nicht mal bei BMW, die kann man ausschließlich in erdfernen Galaxien bestellen und das dauert ja auch wieder …
»Zeit ist Geld«, so sagt der Volksmund und es gibt leider viel mehr Geld als Zeit. Zeit ist heute ein ganz teurer Rohstoff, und weil Zeit so teuer ist, bleibt am Ende wieder kaum noch Geld übrig. Deshalb wird Geld heutzutage auch kaum noch aus dem Fenster geworfen, was vor allem für die schade ist, die unterm Fenster warten, ob nicht doch noch ein paar Scheine rausflattern.