Nur alles zählt - Ralph Denk - E-Book

Nur alles zählt E-Book

Ralph Denk

0,0
13,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
  • Herausgeber: Riva
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2023
Beschreibung

Die Geschichte von Ralph Denk, Gründer und Manager des deutschen Spitzenteams »BORA – hansgrohe«, ist die eines sensationellen Erfolgs. Innerhalb nur weniger Jahre baute der ehemalige Radrennfahrer aus dem Nichts ein Profiradsportteam auf und führte es vom Amateurbereich an die Weltspitze. Den Weg dieses visionären Machers nachzuverfolgen ist ebenso spannend wie aufschlussreich. Denn zu keiner Zeit ist Ralph Denk der Erfolg einfach zugefallen. Verantwortlich dafür ist neben harter Arbeit vor allem sein pragmatisches und fokussiertes Mindset, das ihm erlaubt, stets alle sich bietenden Chancen zu nutzen. Nur alles zählt steckt darum nicht nur voller Geschichten von legendären Radrennen und großartigen Radsportlern wie Weltmeister Peter Sagan, die Ralph Denk in seinem Team begleitete. Es veranschaulicht zugleich die Erkenntnisse eines großen Entrepreneurs über die gelungene Verwirklichung seiner Vision. So kann jeder persönlich von Ralph Denks Erfolgsgeschichte profitieren.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 244

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



RALPH DENK mit Tim Farin

NUR ALLES ZÄHLT

RALPH DENK mit Tim Farin

NUR ALLES ZÄHLT

Über Mindset und Erfolg im Profiradsport

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen

[email protected]

Wichtiger Hinweis

Ausschließlich zum Zweck der besseren Lesbarkeit wurde auf eine genderspezifische Schreibweise sowie eine Mehrfachbezeichnung verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind somit geschlechtsneutral zu verstehen.

Originalausgabe

1. Auflage 2023

© 2023 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Redaktion: René Stein

Umschlaggestaltung: Pamela Machleidt

Umschlagabbildung: veloimages

Satz: Daniel Förster

eBook: ePUBoo.com

ISBN Print 978-3-7423-2281-4

ISBN E-Book (PDF) 978-3-7453-2072-5

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-7453-2073-2

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.rivaverlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

Inhalt

EinleitungAuf den Weg gemacht

Kapitel 1Verblöde keine Zeit!

Kapitel 2Mit Fleiß kommt man weit

Kapitel 3Rampenlicht und Schattenseiten: der Superstar und das Team

Kapitel 4Konkurrenz belebt das Kollektiv

Kapitel 5Zocken, blenden, hoch pokern – mit dem Plan in der Schublade

Kapitel 6Von Krisen als Chancen: Wie wir mit Doping als Risiko umgehen

Kapitel 7Triumph am Abgrund

Kapitel 8Mens sana? Wenn der Druck unerträglich wird

Kapitel 9Gemeinsam größer

Kapitel 10Entwicklung als Wert

Über die Autoren

Einleitung

Auf den Weg gemacht

»Wir sind jetzt zum dreizehnten Mal hier«, mault der bald fünfzig Jahre alte Oberbayer Ralph Denk, der eine Sport-Daunenjacke im Teamlook trägt und sich in einen Konvoi von Fahrzeugen seiner Mannschaft eingereiht hat. Es ist ein Februarmorgen um kurz vor acht, und gerade fährt Denk mit seinem Ford-Kombi auf eine belgische Autobahn. »Kein Witz, wir waren jetzt zwölfmal hier und fast immer ist was schiefgelaufen, oft richtig scheiße.« Eine Delegation seines Millionenunternehmens, des mit Abstand wichtigsten Radsportteams Deutschlands, ist unterwegs zu einem ganz besonderen Termin im Rennkalender, unterwegs von einem anonymen Vier-Sterne-Teamhotel an der Autobahn irgendwo in Flandern an einen der glorreichsten Orte dieser Disziplin.

Aber Denk sitzt regungslos hinterm Lenkrad, wie es einer tut, der viel unterwegs ist und für den bei einer Reise kein Zauber mehr innewohnt, sondern blanke Notwendigkeit. Wir fahren eine Dreiviertelstunde durch den kalten Morgen, die Sonne kommt spät heraus über der noch fast leeren Autobahn, und es fällt nicht schwer, Ralph Denk abzunehmen, dass er »kein bisschen nervös« ist. Er fährt, er beantwortet die Fragen des Beifahrers ohne Allüren, er folgt den anderen Fahrern vor ihm und parkt endlich in der historischen Halle gleich neben Belgiens Kult-Radrennbahn ’t Kuipke, wo schon Tausende Fans auf den Beinen sind und auf die Stars ihres Lieblingshobbys warten. Denk folgt den Anweisungen eines Ordners, legt den Rückwärtsgang ein, rollt den Kombi zurück in die vorgegebene Position neben dem Bus und begibt sich in Deckung. Er ist der Chef eines Starensembles, das an diesem Morgen in Flandern den traditionellen Auftakt in die europäische Klassiker-Saison angeht. Aber Denk bleibt im Hintergrund, wo ihn kaum jemand trifft, und selbst wenn die Fans vor dem Absperrkordon ihn sähen, die allerwenigsten würden den Fahrer des Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen KU-BOH 1 erkennen.

Denk ist einer für hinter den Kulissen. Er reicht seiner Schwester, die ihn seit Neuestem im Marketing unterstützt, einen Zugangspass für die offizielle Eröffnungsfeier, bei der die Radsportfanatiker in der Radhalle die Mannschaften zelebrieren. Denk will da gar nicht erst hin, zu viel Rummel, das überlässt er seinem Gast, also mir. Ich beobachte von der VIP-Tribüne den letzten Wheelie von Denks ehemaligem Superstar Peter Sagan auf dem Oval, höre den Applaus und spüre die fachkundige Begeisterung der Menschen, die Denks Sport und Geschäft die Basis bieten. Beim Blick runter auf die Karte am Halsband fällt erst auf, wie ungewöhnlich der Zugang ist: »Team Director« steht auf dem bedruckten Plastik, das Denk seinem Gast hat weitergeben lassen. Denk hat seinen Status weitergegeben an seinen Ghostwriter, mit dem er seit ein paar Monaten zusammen an diesem Buch arbeitet. Er kennt das Geschäft, die Orte, die Eindrücke. Er braucht sie nicht mehr zu sehen. Er gibt das Privileg gern weiter und redet nicht mal drüber. Es passiert einfach.

Ralph Denk hat einen markigen Spruch gebracht, der sein Leben prägt. Diesen Spruch, der auch eine Kampfansage war, hat er seinem Lehrer einmal ins Gesicht gesagt. Davon wird später zu lesen sein. Obwohl man weiß, dass Denk einer ist, der Großes vorhat und sich kaum je zufriedengibt, ist er zugleich ein sehr zurückhaltender Zeitgenosse. Für jemanden, der aus dem Nichts eines der erfolgreichsten Teams seiner Sportart geschaffen hat, und das nicht nur im Straßenradsport, sondern vorher schon mit dem Mountainbike, ist er enorm öffentlichkeitsscheu. Er macht, was er machen muss, wenn es um Presse geht. Man kann ihm abnehmen, dass es ihm dabei nicht um die große Bühne geht.

Dass Sie heute sein Buch in den Händen halten, hätte Ralph Denk deswegen vor nicht allzu langer Zeit wohl selbst kaum geglaubt. Ein Jahr bevor diese Mischung aus Mindset-Ratgeber und Autobiografie vor der Tour de France 2023 in den Handel kam, wirkte Denk selbst noch äußerst zurückhaltend. Es gab Vorgespräche zwischen Verlag und ihm, doch weiter kam man bis zum Spätsommer nicht. Dafür sind wir im Laufe einer Winterpause und einer Frühjahrssaison weit gekommen. Zwar kannten sich Denk und sein Co-Autor schon vom Telefon, doch richtig begegnet waren sie einander noch nie – und so war auch nach einer ersten Zoom-Konferenz im September 2022 kaum greifbar, welche Geschichte Ralph Denk in den kommenden Monaten erzählen würde.

Zu diesen Zeilen war es also ein weiter Weg. Ralph Denk und sein Ghostwriter trafen sich zuerst virtuell, dann saßen sie im Herbst zwei lange Tagessitzungen miteinander im noch spätsommerlichen Raubling, wo sie einander erst kennenlernen mussten. Auffällig ist dabei, dass Denk während eines solchen Treffens sehr zurückhaltend auftritt, keine Sprüche klopft, auf Small Talk oder persönlichen Austausch verzichtet – aber einen Plan hat. Es dauert, bis er den Kontakt ausbaut. Im Winter trafen Protagonist und Co-Autor sich noch mal in Raubling, diesmal schon vertrauter, und zum Abschluss der zwei Tage sagte Denk zum Journalisten: »Jetzt muss ich mal ganz blöd fragen: Interessiert das überhaupt irgendwen, was ich zu erzählen habe?« Der Zweifel war echt, sodass der Gesprächspartner dem erfahrenen Manager versichern musste: Ja, das ist Material, das für Radsportfans, aber auch Sportmanagement-Interessierte ebenso wie für Menschen spannend ist, die sich mit Unternehmertum und Führung auseinandersetzen.

Der Austausch zwischen Denk und seinem Mitstreiter zeigt auch, wie atemlos der Radsport funktioniert. Wir saßen eben nicht nur im Konferenzzimmer in Raubling, wo natürlich ständig Mitarbeiter des Teams eilige Anrufe dazwischenwarfen, wir sprachen auch in einer Hotelbar in Roeselare, im Auto auf dem Weg zum Omloop Het Nieuwsblad, dem ersehnten Klassiker zwischen Gent und dem flämischen Provinzörtchen Ninove, wir trafen uns zwei Wochen später auf einem Parkplatz in der sonnigen, aber noch kühlen Toskana und dann noch einmal einen Monat später mitten in der historischen Altstadt von Brügge, wo die Flandern-Rundfahrt, eines der Monumente des Radsports, ihren Start zelebrierte. Denk wirkte immer gleich: ruhig, skeptisch, ein bisschen schelmisch, auf jeden Fall schüchtern. Doch in der Zwischenzeit war Vertrauen zwischen ihm und seinem Gesprächspartner gewachsen, auch darin, dass seine Gedanken für ein Publikum spannend sein würden. Viele Zoom-, Google- und Telefongespräche rundeten das Projekt ab. Wenn Texte abends kurz vor Mitternacht bei ihm waren, gab Denk schon morgens um kurz nach acht Rückmeldung. Natürlich sei er da, wenn die Texte kommen, sagte Denk, was sonst?

Und natürlich ist Denk da und dabei, wenn seine Leute unterwegs sind. Wir stehen an der im Radsport weltberühmten Kopfsteinpflasterstraße Haaghoek. Das ist eine gepflasterte Trasse, die beim Örtchen Sint-Kornelis-Horebeke nicht nur die Arme der Fahrer gehörig durchschüttelt, wenn sie ihre Position im Feld halten wollen. Ralph Denk ist mit seinem Ford so schnell wie möglich von der großen Zeremonie beim Start in Gent dorthin gefahren, hat sich einen Platz am Straßenrand gesucht und sich dann für eine Wartezeit von gut drei Stunden eingerichtet. Es gibt Wasser aus Plastikflaschen, Sandwiches und Salat aus der Kühlbox – und dazu läuft Radsport aus den Emiraten über das Tablet rechts neben Denks Steuer. Er ärgert sich kurz, weil sein Fahrer ein paar Tausend Kilometer entfernt die falsche Entscheidung im Zielsprint trifft, er ärgert sich überhaupt darüber, dass an diesem Tag hier in Belgien eines der größten Spektakel seines Sports stattfindet – und zugleich Weltklassefahrer bei Rennen in Dubai und Frankreich auftreten. »Das kann man doch nicht mehr vermitteln«, sagt Denk. Ihm schwebt ein anderer Sport vor, er redet von Reformen, davon, dass die Toprennen auch die Topfahrer verdient haben und keinen parallel stattfindenden Wettbewerb, der die Sache verwässert.

Gleich geht er raus aus dem Auto in die sehr windige Kälte, öffnet der Kofferraum und schreitet – ebenso wie die belgischen mittelalten Männer mit Biergläsern und Dosen in ihren Händen – ein paar Hundert Meter die Straße zurück am Kopfsteinpflaster entlang. Er lässt sich nur mit etwas Widerstand eines der beiden Laufräder abnehmen, die er als Ersatz für seine Fahrer dabeihat, auch die Trinkflaschen stopft er sich fast alle unter die Weste seines Teams. Dreimal läuft Denk an diesem Tag von seinem Auto zu dem Platz, wo er den Fahrern Hilfe anbietet, dreimal nimmt niemand diese Hilfe an, danach eilt Denk wieder ins Auto und brettert dem Ziel entgegen. Da steht er dann, mit derselben Miene wie am Morgen, neben dem Bus. War nix, geht weiter. So ist das eben.

An einem solchen Tag, an dem für Ralph Denk nichts Besonderes passiert, passiert aber sehr viel, das diesen Mann spannend macht. Denn er steht eben als Teamchef selbstverständlich an der Strecke. »Klar, wenn ich das nicht machen würde, dann wäre das doch ein ganz schlechtes Zeichen«, sagt er. Denk hat aus eigener Kraft eine Organisation aufgebaut, die nicht nur erfolgreich ist, sondern auch für ihren Führungsstil beachtet wird. Dahinter steckt keine abgehobene Philosophie, sondern gerade auch Hemdsärmeligkeit und Fleiß. Denk ist nicht nur bei den Rennen, er packt an wie eh und je. Wenn mal etwas am Bus defekt ist, vielleicht eine Leitung, dann kümmert er sich sogar darum. Denn Denk will, dass seine Leute, die Fahrer, die Trainer, die anderen Mitarbeiter genauso verantwortungsvoll auftreten wie er selbst.

Auch der dreizehnte Auftritt beim Omloop in Flandern verläuft für Denk und sein Team glanzlos, Ruhm und Ehre bleiben versagt. Schnell eilt der Fahrzeugkonvoi zurück zum Hotel. Es geht weiter. Denn der Mann hat Großes vor. Man sieht es nur nicht sofort.

Kapitel 1

Verblöde keine Zeit!

Man muss nicht auf die Wirtschaftshochschule gehen, um eine der wichtigsten Grundlagen des Erfolgs zu verinnerlichen. Das ist zumindest meine Überzeugung. Und die habe ich schon sehr lange. Man kann sehr viel Zeit und Möglichkeiten verschwenden, wenn man nicht weiß, wo es hingehen soll. Oder man nimmt eine Haltung an, in der man extrem ehrgeizig ist und sich gleichzeitig ständig hinterfragt. Ich frage mich zum Beispiel jetzt gerade, ob meine Geschichte die Leute überhaupt interessiert. Das ist doch nur mein eigener Weg, von dem ich hier spreche, und ich war auch nie einer, der sich besonders gern in den Mittelpunkt gestellt hätte. Aber im Laufe der Zeit haben immer wieder Menschen gesagt: Wir wollen deine Geschichte hören, die ist spannend, die musst du mal erzählen. Also mache ich das hier und hoffe, dass sich von ihr auch etwas auf andere Zusammenhänge übertragen lässt. Ich fange mit einer Sache an, die ich schon sehr früh in meinem Leben verinnerlicht habe. Ich brauche Ziele – und, noch wichtiger, ein Kommando an mich selbst: Verblöde keine Zeit!

Es hat also eher wenig mit Eitelkeit zu tun, wenn ich Sie in diesem Kapitel in meine sehr lang überwundene Vergangenheit mitnehme. Hier geht es um meine Micky-Maus-Karriere im Leistungssport, an deren Ende ein harter Schnitt stand – an dem ich meine Emotionen überwunden und ein ganz neues Ziel gesetzt habe.

Springen wir zurück ins Oberbayern der späten Siebziger- und der Achtzigerjahre. Hier unten bei uns fühlen wir uns den Österreichern in Tirol verbundener als den Leuten in der eleganten Hauptstadt München, wir sind wirklich Provinz mit Blick auf die schönen Alpengipfel. Der Wintersport gehört zu unserem Leben, und so war das auch bei meinen Eltern. Sie waren bei uns in Bad Aibling aktive Alpinsportler im Verein, das war auch der Sport, den ich in der Kindheit bei ihnen sah und den ich als kleiner Junge dann auch ausübte. Das war eben so.

Meine Eltern waren, das kann man so sagen, ganz normale Leute. Arbeit und Sparsamkeit haben unser Leben damals geprägt. Meine Mutter war Buchhalterin und kümmerte sich um die Kinder und den Haushalt. Mein Vater hatte ebenfalls einen klassischen Beruf gelernt und war als Metallbauer und Werkzeugmacher tätig. Die beiden hatten ein Haus gebaut, sich dafür verschuldet und dann gearbeitet, um diese Last abzubauen. So war das Lebensmodell im Allgemeinen, so machten es die meisten. Es war warm und herzlich in meiner Familie, das war bei meinen Eltern immer so, und dafür bin ich ihnen bis heute dankbar. Sie unterstützten mich immer, auch später in meinem Sport. Ich habe sie, als ich in der Lage war, selbst in mein Unternehmen übernommen, heute helfen sie mir. Damals haben sie immer sehr viel für mich getan. Aber etwas an ihrem Lebensmodell hat mich angetrieben, es anders zu machen. Wenn wir ins Wirtshaus gingen, dann bestellten wir nur in den seltensten Fällen etwas zu essen – ein feudales Leben sieht anders aus. Das wollte ich anders haben, nicht unbedingt protzig, sondern mit anderen Möglichkeiten.

Ich hatte höhere Ziele und hatte immer Ehrgeiz. Aber ich bin auf die Hauptschule gegangen, wie man es damals als Kind aus einem Haushalt wie dem unseren so tat. Alles war geordnet bei uns zu Hause, bei uns in Bayern. Ich lehnte mich dagegen schon recht früh auf. Eine meiner liebsten Erinnerungen aus der Schulzeit ist ein Dialog mit meinem Lehrer in der siebten oder achten Klasse, als es um Ziele ging.

»Was ist denn dein Ziel?«, hat der Lehrer mich gefragt. Meine Antwort: »Ich möchte einmal mehr Geld verdienen als Sie.« Das hat ihn überrascht, er hat gelacht. Ich glaube, dieses Ziel habe ich erreicht.

Bevor wir gleich weiter meinen letztlich erfolglosen Versuch einer Sportlerkarriere in den Blick nehmen, lassen Sie uns noch mal kurz auf das Ziel schauen: »Mehr Geld verdienen als Sie.« Das war damals natürlich sehr einfach ausgedrückt, aber es war auch ziemlich ehrgeizig für einen Jungen meiner Herkunft. Solche Ziele sind meiner Meinung nach wichtig, damit man sich aufrafft und das Wichtige vom Unwichtigen unterscheidet, damit man in seinem Leben weiterkommt und nicht seine Energie verschwendet. Mehr Geld verdienen, einen »feudaleren« Lebensstil als meine Eltern pflegen, das kann man auch anders verstehen, als ich es meinte. Deswegen erkläre ich Ihnen, was dahintersteckt.

Hinter dem »mehr Geld als Sie« steckt das eigentliche Ziel, finanzielle Unabhängigkeit zu erreichen, indem ich meine Fähigkeiten effizient einsetze. Heute, gut drei Jahrzehnte später, kann ich diesen Wunsch noch immer nachvollziehen und bin froh, dass ich damals schon so fokussiert war. Ich kann heute eindeutig feststellen: Ich habe einen hohen Grad finanzieller Unabhängigkeit erlangt, und das wäre mir weder in einem Ausbildungsberuf noch als Hauptschullehrer auf diese Weise gelungen. Es gelang mir mit einem Geschäft, das ich aus eigenen Stücken aufgebaut habe – eine wichtige Zwischenstation in meinem Leben.

Vielleicht war mir das als Teenager noch nicht ganz klar, aber es geht bei diesem Mindset gar nicht um Statussymbole. Die waren mir schon früher nicht wichtig und sind mir heute scheißegal. Wenn Sie mein Leben von außen beobachten, weiß ich auch nicht, ob Sie überhaupt einen Unterschied zu dem meiner Eltern von damals feststellen würden. Gut, im Wirtshaus ist es mir gleich, wenn die Rechnung mal etwas höher ausfällt. Und wenn es die Bio-Südfrüchte sind, auf die ich Lust habe, dann ist es mir wurscht, ob die Mango zwei, sechs oder acht Euro kostet. Es geht mir darum, ein Leben zu führen, in dem ich keine Einschränkungen erlebe bei dem, was mir wichtig ist. Dieses Stadium habe ich seit einiger Zeit erreicht, an dieses Ziel bin ich gelangt. Ich trage keine Designerklamotten, ich habe noch nicht einmal eine Uhr – was soll ich denn damit? Es gibt doch ein Handy, das die Zeit anzeigt. Aber ich habe ein Bankkonto, das mir Freiheit garantiert. Ich habe Immobilien, selbst bezahlt, die mir Sicherheit geben. Ich könnte mir heute den Porsche locker kaufen, den auch ich als junger Mann in der Berufsausbildung immer mal wieder mit Sehnsucht angeschaut habe, aber er interessiert mich nicht mehr. Ich habe keine materiellen Träume: Ich brauche keine Jacht und keine Luxusvilla auf Mallorca.

Was ich brauche, sind Ziele und die Haltung, das Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden. Das war damals so, das ist meine Lebensweise geblieben. Es ist allerdings gar nicht so einfach, dafür Verständnis in seinem Umfeld zu finden. Nehmen wir nur die Schule. Wenn Sie meine Noten aus der Hauptschule anschauen, dann ist die Streuung immens. Ein guter Schüler war ich ganz sicher nicht. Aber das war schon Ergebnis einer sehr klaren Haltung. Ich hatte einfach keine Lust auf dieses System, und was auf dem Lehrplan stand, war mir viel zu unspezifisch. Ich war gut in den Fächern, wo mich etwas interessierte. Das war vor allem Mathe. Ich denke, wenn man die vier Grundrechenarten gut beherrscht, kommt man immer noch weit. Mich hat auch Geschichte interessiert, wie also alles zustande kommt. Andere Fächer habe ich ausgeblendet, Sozialkunde und Religion zum Beispiel. So hatte ich auf dem Zeugnis Einser und Fünfer. Das hat mir aber, anders als den Lehrern und meinen Eltern, nie Sorgen bereitet.

»Mehr Geld verdienen als Sie.« Man konnte mich für überheblich halten, vielleicht sogar für ein wenig dumm, weil ich (vermeintlich) nicht sah, was wirklich los war und welcher mein mir vorgezeichneter Weg war. Als ich fünfzehn Jahre alt war, habe ich eine Lehre zum Kunststoffformgeber begonnen. Ich denke nicht, dass man mich in dieser Phase als besonders ambitioniert wahrgenommen hat, wenn es um den zu erlernenden Beruf ging. Lustigerweise schickte mir vor Kurzem mein damaliger Lehrherr – nennen wir ihn »Hartl« – ein Zeugnis zu, das er noch aus meiner Berufsschulzeit hatte. Darin stand: »Der geschwätzige und leicht ablenkbare Schüler tut sich schwer, konzentriert zu arbeiten. Er fehlt relativ häufig. Seine Mitarbeit war unterdurchschnittlich.« Ich muss immer wieder lachen, wenn ich das lese, denke aber, meine Eltern haben das damals anders aufgenommen. Aber hinter dieser Beurteilung von außen steckt ein Missverständnis: Ich habe auch damals schon ziemlich genau gewusst, was ich wollte – und der Rest hat mich einfach nicht interessiert. Das sieht dann für einen Lehrer vielleicht aus wie der nächste Schüler, der mangels Talent und Ehrgeiz vor sich hin dümpelt.

Dass ich diese Lehre überhaupt angefangen habe, war nicht meine Idee. Es waren die Lehrer an der Hauptschule und dadurch eben auch meine Eltern, die mir der guten Ordnung halber eine solche Ausbildung einredeten. Das war eine Laufbahnentscheidung, die ich nie wieder so treffen würde. Sie war von anderen vorgegeben und hätte niemals die Möglichkeiten geboten, meine damaligen Ziele zu erreichen. Allerdings habe ich mich drauf eingelassen, und das wiederum hat mit dem Radsport zu tun – und der Idee, mit dem Sport an mein großes Ziel zu kommen.

* * *

Meine sportliche Laufbahn auf dem Rennrad begann mit einer Verletzung. Als Kind war ich Skifahrer, doch mit vierzehn Jahren habe ich mir beim Schulsport die Kniescheibe gebrochen. Das bedeutete eine Pause von einem Jahr – und natürlich in dieser Lebensphase oft auch das Aus, ändert sich zu der Zeit doch alles sehr schnell bei jungen Menschen im Kopf und im Körper. Nach dieser Verletzung suchte ich mir neue Vorlieben und stieg in den Radsport ein, beim RSV Götting-Bruckmühl gab es gute Nachwuchsarbeit, und mir machte das Radeln großen Spaß. So viel, dass ich schon bald auf Leistungssportniveau unterwegs war. Und da passte die Lehre eben doch ganz gut: In meinem Unternehmen hatten wir einen festen Schichtbetrieb von sechs Uhr morgens bis zwei am Nachmittag. Was ich da so an Wissen und Können über einen für mich uninteressanten Job vermittelt bekam, nahm ich nebenher mit. Meine eigentliche Arbeit übte ich am Nachmittag aus, den ich zur freien Verfügung für mein eigentliches Ziel hatte: die Verbesserung meiner sportlichen Leistungsfähigkeit. Ich muss auch lachen, wenn ich daran denke, dass ich Handwerker hätte werden sollen: Klar, ganz ungeschickt bin ich nicht. Aber das Werkeln interessiert mich überhaupt nicht. Ich hänge zu Hause nicht einmal die Bilder selbst an die Wand. Es macht mir einfach keinen Spaß.

Spaß hatte ich allerdings am Sport. Noch dazu, weil ich relativ schnell gemerkt habe, dass ich mehr Talent hatte als viele andere, und auch dass sich meine Arbeit in Erfolg messen ließ. Als ich in die Lehre startete, verfolgte ich bereits ein sehr großes Ziel, man kann schon von Traum sprechen: Ich hatte das Ziel, ein erfolgreicher Radprofi zu werden und damit eben den Weg zur finanziellen Unabhängigkeit zu finden. Mir war damals klar, dass das keine sichere Sache war. 100 Prozent überzeugt war ich nie, dass ich das Ziel auch erreichen könnte. Aber an der Arbeit sollte es auf keinen Fall scheitern. Also trainierte ich in meinen Teeniejahren mit großem Fleiß und fuhr in Bayern auf höchstem Niveau. In der Juniorenklasse war ich schon weit, ich feierte im Laufe der Jahre in der Jugend und bei den Junioren mehrere Landesmeisterschaften auf der Bahn und wurde so stark, dass ich mich auch vor internationalen Wettbewerben nicht fürchten musste. Ich war kein Überflieger, das war mir damals schon bewusst, weder in der U17 noch in der U19, also in den letzten beiden Klassen vor dem Einstieg in den damaligen Amateursport. Die U23 als Nachwuchsklasse, die es heute gibt, war damals noch nicht eingeführt. Ich arbeitete also auf den Horizont hin, auf die Zwischenbilanz am Ende der U19: Würde ich das Zeug haben, um im Amateurradsport weiter hochzukommen?

Wenn Sie ein Ziel erreichen möchten, ist es wichtig, dass Sie sich ihm in relevanten Schritten nähern. Das ist eine allgemeine Erkenntnis, die Sie überall umsetzen können. Später in meinem Leben war es wichtig, dass mein Radladen schnell die angepeilten Umsatzgrößen erreichte und steigerte, dass ich mit meinem Mountainbike-Team für die Werbewirkung den sportlichen Erfolg ausbaute – und dass ich mit meiner Rennrad-Equipe nicht von Jahr zu Jahr mit mickrigen Budgetschritten, sondern mit erheblichen Sprüngen in Richtung Weltspitze vorankam. Im Radsport kann man die Ziele und die Dynamik der Entwicklung sehr gut messen, denn wir arbeiten in festen, vergleichbaren Saisons mit sehr klar definiertem Jahresablauf. Da bleibt nichts verborgen. Sind die Schritte zu klein, flacht die Dynamik ab, dann muss man sich hinterfragen. Das ist meine Überzeugung.

Die Darmstädter Landstraße in Frankfurt ist in der Sportgeschichte der Bundesrepublik ein wichtiger Ort. Hier, auf der leicht ansteigenden Hauptstraße im Stadtteil Sachsenhausen, gehörte der Profisport jahrzehntelang zum öffentlichen Leben. Am 1. Mai war in Frankfurt nicht nur frei, man hatte wirklich einen Feiertag – bis heute ist das, inzwischen Eschborn-Frankfurt benannte und woanders endende Rennen, einer der wichtigsten Termine im deutschen Profiradsport geblieben. Damals wie heute jagten Weltstars erst durch den Taunus und schließlich für den Zielsprint in die Stadt, um einen renommierten Titel und Argumente für einen besseren Profivertrag einzuheimsen. Das Publikum in Frankfurt war bekannt dafür, dass es den Radsport liebte, es kannte sich aus, alte Männer und Väter mit Bier, Jungs, Menschen, die sich immer schon mit diesem Rennen beschäftigt und den Sport unterstützt haben, ein raues, ehrliches Ambiente. Es ist schade, dass es das alte Format heute nicht mehr gibt, aber es ist umso verständlicher und erfreulicher, dass im Hochglanz der Bankentürme ein moderneres Finish immer noch Bestand hat. Auch in Frankfurt hat man sich entwickelt, und das ist gut so. 1991 startete ich bei Rund um den Henninger-Turm, in meinem letzten Jahr bei den Junioren, ein Wettkampf mit internationalen Fahrern aus ganz Europa. Ich schaffte es zwar nicht ganz aufs Treppchen, aber mein vierter Platz, bejubelt von Fans vor der Kulisse des Henninger-Brauturms, war für mich Bestätigung. Während noch am selben Tag der spätere Mastermind hinter Lance Armstrongs Aufstieg, Johan Bruyneel, den Profisieg einfuhr, war mir klar: Ich bin weit genug gekommen, um auf die Karte Profiradsport zu setzen. Hätte ich in Frankfurt im Solo gewonnen, wäre die Sache völlig klar gewesen. So aber war es zumindest eine realistische Aussicht. Drei Jahre hatte ich jetzt bis zu diesem Ziel. Allerdings kam es anders. Und auch das war meine eigene Entscheidung.

Ich stamme aus demselben Jahrgang wie Jan Ullrich, der größte Radstar, den Deutschland jemals hatte. Ihn kannte ich damals natürlich schon, er war als Wunderkind aus Rostock nach Hamburg gegangen, sein Bundesligateam RG Hamburg, später Panasonic, mischte die Szene auf, großspurig aufgezogen vom Autohändler Wolfgang Strohband. Da war einer, der überragendes Talent hatte, das zog auch den ganzen Nachwuchs in Deutschland mit. Es war auch die Zeit, als der Radsport in Deutschland eine Leistungsexplosion erlebte. Es flossen damals zwei Systeme zusammen, das wissenschaftlich gestützte Sportwesen der Deutschen Demokratischen Republik traf auf kapitalstärkere Strukturen in der Bundesrepublik. Einer der großen Stars aus der untergegangenen sozialistischen Republik, Olaf Ludwig, war in der Blüte seiner Karriere plötzlich Aushängeschild großer Industriekonzerne. 1991, im Jahr, als ich aus der Juniorenklasse kam, war das Team Telekom gerade auf dem Weg, eine der größten Mannschaften im Radsport zu werden. Die angehenden Neunziger waren die Pionierzeit im deutschen Radsport, und es baute sich eine Welle der öffentlichen Begeisterung auf. Walter Godefroot, belgischer Ex-Profi, übernahm das Ruder beim Telekom-Rennstall und formte eine Mannschaft, die sehr schnell auf höchstem Niveau Siege einfuhr. 1992, als ich im Amateurlager um meine berufliche Laufbahn kämpfte, leuchteten die Farben des Telekom-Teams, damals schwarz-weiß-grau-magenta, auf den Champs-Élysées in Paris und im deutschen Fernsehen. Olaf Ludwig reißt auf dem Zielstrich die Arme hoch, er trägt übrigens schon einen Helm, sein Trikot flattert, wie es heute nicht mehr möglich wäre, aber er gewinnt den Sprint in Frankreichs Hauptstadt. Das war eine große Nummer, und der Sog dieser Erfolge war enorm. Ein paar Jahre später hatten wir einen deutschen Tour-Sieger, Jan Ullrich, und einen wahren Boom, der sogar auf dem Höhepunkt drei Teams aus Deutschland in die höchste Liga des Straßenradsports spülte.

Andreas Klöden ist zwei Jahre jünger als ich. Sein Name ist eng verbunden mit der großen Zeit des deutschen Profiradsports. Klöden war der hochbegabte Helfer und enge Freund von Jan Ullrich beim Team Telekom, ein überragender Sportler, der sein Talent in den Dienst des einzigartigen Genies stellte. Wie groß dieses Talent war, das »Klödi« mitbrachte, konnte ich mir aus nächster Nähe anschauen. So nah dran bin ich an die größte Bühne des Radsports gekommen, aber eben nur nah dran.

Der Sport hat mich weit gebracht. Und ich habe es im Sport weit gebracht. Bei den Amateuren gelangen mir schnell Erfolge. Ich hatte im Winter für die erste Saison oberhalb der Junioren sehr gut trainiert. Ich war akribisch, ich verbrachte viel Zeit im Süden. Einmal war ich über den Winter ins Trainingslager nach Australien gereist, das war meine eigene Entscheidung, meine Eltern erfuhren erst ein paar Tage vorher davon. In Zusmarshausen gelang mir in meinem ersten Amateurjahr mein erster Sieg beim ersten Start, eine Woche später holte ich auch in Fürth den Sieg. Damals arbeitete man sich in der Amateurklasse hoch. Das war gut messbar. Vom C- über den B- zum A-Amateur war das Ziel, und mir gelangen diese Schritte relativ schnell.

So empfahl ich mich für größere Aufgaben. Wenn man viel auf Rennen unterwegs ist, lernt man viele Leute kennen – auch wenn ich nicht wirklich ein naturgegebener Netzwerker bin. Einer, der ebenso eher zurückhaltend auftritt, ist Lars Teutenberg. Er ist noch mal drei Jahre älter als ich, stammt aus einer totalen Radsportfamilie und gilt als einer der größten Materialfreaks, die es in unserem Sport gibt. Ich kannte Lars aus der Szene, wir hatten uns irgendwie angefreundet, und er fuhr damals bereits auf Bundesliganiveau für das Berliner Team Opel Schüler. Er brachte mich auch in Verbindung mit seinem Team, Lars machte sich für mich stark. »Da ist ein Junge in Bayern, der ein Stück weit treten kann«, so oder so ähnlich hat er mich angepriesen. Ich konnte laut Teutenberg ein Stück weit treten, und so kam ich meinem Ziel wieder ein Stück weit näher.