Nur ein kleines Lied - Ralf Stefan - E-Book

Nur ein kleines Lied E-Book

Ralf Stefan

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Beschreibung

Hans Peter und sein Freund Ben haben endlich ihr Ziel erreicht und dürfen mit der Schülerband "Proxima" zum öffentlichen Tanz spielen. Werden die Kneipier den jungen Musikern tatsächlich eine Chance geben? Außerdem stellt sich die Frage, ob Hans Peter das Versprechen halten und die Singefreunde nach Berlin führen wird. Nebenbei benötigt er für seine Lehrstelle mit Abitur einen Notendurchschnitt von 1,0. Löst er diese Aufgabe ebenfalls? Eine wahre Herausforderung für den jungen Mann aus Treuenbrietzen. In einer Zeit ohne Handys und Computer müssen alle zusammenhalten. Manchmal kann sogar ein kleines Lied die Entscheidung für eine riesige Chance bringen. Vielleicht auch eine Chance auf Glück? Ein heiterer und musikalischer Rückblick in das DDR-Jugendleben zu Beginn der 70er Jahre.

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Seitenzahl: 369

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1 - Jetzt geht´s los
2 – Sie tanzten mit uns ›Kasatschok‹
3 – Kindertanz
4 – Du musst einen Knall haben
5 – Eins war nicht gleich Eins
6 – Musik aus der Konserve
7 – Viel Spaß für wenig Geld
8 – Alte und neue Helden
9 – Niemals aufgeben
10 – Nur ein kleines Lied
11 – Alles auf neu
12 – Unsere letzten gemeinsamen Lieder

Nur ein kleines Lied Ein Roman von Ralf Stefan

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Nur ein kleines Lied
Ralf Stefan
1. Auflage
April 2020
© 2020 DerFuchs-Verlag D-69231 Rauenberg (Kraichgau)[email protected] DerFuchs-Verlag.de
Alle Rechte vorbehalten.
Das Werk, einschließlich aller Teile, ist urheberrechtlich geschützt.
Alle Rechte, insbesondere die der Vervielfältigung, Verbreitung, Übersetzung und Verfilmung liegen beim Verlag. Eine Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen ohne Genehmigung des Verlags ist strafbar.
ISBN 978-3-945858-90-5 (Taschenbuch)
ISBN 978-3-945858-91-2 (ePub)

Eigentlich sollte es nur ein Song werden, aber es waren zu viele Erinnerungen. Ich bedanke mich bei allen Freunden, die mir erlaubten, unsere Erlebnisse zu erzählen. Mein besonderer Dank gilt Sabrina für ihre große Hilfe.

1 - Jetzt geht´s los

Fünf Kilometer quer durch die Stadt musste ich mit dem Fahrrad zur Bandprobe in die Aula fahren. Der Riemen vom Gitarrenkoffer drückte heute auf der linken Schulter. Die Sonne schien und der leichte Westwind schob mich ein wenig.

Seit dem letzten Samstag durfte unsere Schülerband Proxima endlich mit einer Genehmigung der Kreisverwaltung öffentlich zum Tanz spielen. Der lange Traum von Ben und mir hatte sich mit der Einstufung vor der Jury verwirklicht. Zwei Fragen aber blieben: Würden uns Veranstalter überhaupt buchen und wie würde die Reaktion der Gäste auf uns ausfallen?

Wir waren erst fünfzehn. Die jüngste Band in der Region, und hatten sogar eine Sondergenehmigung, weil Jugendliche erst mit sechzehn Jahren bis vierundzwanzig Uhr zum Tanz durften. Zu unseren Auftritten musste immer noch ein Erwachsener mit kommen, meistens mein Onkel Peter oder Bens Vater Fritz. Außerdem spielten wir auf einer ›Schrott‹-Verstärkeranlage, hatten kein eigenes Fahrzeug und kannten auch die englischen Texte nicht. Die Musiker der anderen Bands in der Umgebung waren mindestens zehn Jahre älter als wir, holten sich ihre Verstärkeranlagen aus dem Ausland oder hatten, wie Scirocco, schon eigene Hits im Radio.

Vor wenigen Wochen hatten wir noch im Schweinestall von Bens Oma geübt. Im Winter waren uns die Finger steif gefroren und nach der Probe stanken wir alle sechs wie die Säue. Meine Mutter war jedes Mal total entsetzt gewesen, wenn ich nach Hause kam, und jagte mich sofort zum Waschen und Umziehen in die Waschküche.

»Hans Peter, so kommst du mir nicht ins Haus! Dein Stiefvater schmeißt dich sofort wieder raus«, hatte sie mich immer an der Hoftür empfangen.

Für Stiefvater Alex war moderne Rockmusik sowieso nur ›Krach‹ oder ›Indianermusik‹. Jeden Tag lag er mir wegen der Schule in den Ohren, meckerte über meine Zimmerordnung und erinnerte mich an unser Abkommen. Mit dem Zeugnis nach der neunten Klasse musste ich mich für eine Lehre bewerben und für ihn zählten nur Einsen.

»Mit einem Zeugnisdurschnitt von 1,0 kann niemand deine Bewerbung zur Berufsausbildung mit Abitur und einen Internatsplatz ablehnen«, hörte ich ständig, wobei ich manchmal den Eindruck hatte, die Betonung lag bei ihm auf dem ›Internatsplatz‹.

Unser kleines Haus hatte er schon umgebaut. Mein Zimmer war jetzt nur noch der Durchgangsraum vor unserem Wohnzimmer, während meine Halbschwester Heike oben ihr eigenes Reich hatte. Ich glaubte langsam wirklich, dass er mich loswerden wollte. Sollte ich dieses Zeugnis liefern, so sein Versprechen, wollte er mir das Geld für die Fahrschule geben und ich könnte endlich den Mopedführerschein machen. Vor dem neunten Schuljahr hatten wir diese Vereinbarung getroffen und ich war nicht mehr weit von diesem Ergebnis entfernt. Zweien hatte ich nur noch in ›Biologie‹, ›Staatsbürgerkunde‹ und im ›Zeichnen‹.

»Bio kann jedes kleine Mädchen lernen. Du musst dich nur hinsetzen und dir Zeit nehmen. In Stabü, also Staatsbürgerkunde, ist es genauso. Da brauchst du nichts zu überlegen. Erzähle deinem Lehrer den Stoff einfach so, wie es im Lehrbuch geschrieben steht und diskutiere nicht rum, dann eckst du auch nicht an. Nimm dir endlich mehr Zeit für die Schule und hänge nicht laufend mit deinen langhaarigen Kumpels rum«, war seine Empfehlung.

Im Zeichnen war ich leider total talentfrei und musste mir etwas einfallen lassen. Ich schrieb eine Dokumentation über die Architektur in der Antike für die ›Messe der Meister von Morgen‹. Meine Fächer waren Mathe, Sport und Musik.

Schön, dass ich Mutter hatte. Sie unterstützte mich und hatte immer Verständnis. Sie fand es gut, dass ich nicht nur rumhing, sondern mit Ben und den Jungs Musik machte, hatte Alex in meinem Beisein einmal sogar direkt gesagt:

»Solange mein Junge nur Einsen und Zweien nach Hause bringt, darf er in seiner Freizeit Musik mit den Kumpels machen!«

So konnte Stiefvater mich nicht einsperren. Das Schlimmste wäre Stubenarrest gewesen. Einzelhaft in den eigenen vier kahlen Wänden. Allein! Ohne Kontakt nach außen, nur Lehrbücher und Schulkram. Eine schreckliche Vorstellung! Mir lief bereits Angstschweiß über den Rücken, wenn ich nur daran dachte.

In der Clique war ich der Kleinste, hatte als Einziger kein Moped und bekam kein Taschengeld. Das hieß, alles zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu schaffen. Dafür war ich in Mathe der Klassenbeste und spielte gut Gitarre. Mein Freund Ben sagte mir oft:

»Ist doch auch was wert!«

Bei einem Lagerfeuer, abends an unserem Baggersee, lernte ich Anja kennen. Ich brachte meine Gitarre mit, Ben die Mundharmonika. Unsere Freunde und sogar einige Mädels aus der Singegruppe waren dabei. Wir sangen unsere Lieder und Songs. Nur Beatrice fehlte, sie musste wie immer auf ihre jüngeren Brüder aufpassen.

›Blowin in the wind‹, ›Oh freedom‹ ... Das Feuer knisterte, es war eine tolle Atmosphäre und ich sang mein ›Lied vom Pflaumenbaum‹. Irgendwann setzte sich ein Mädchen neben mich. Ich hatte sie noch nie zuvor gesehen, obwohl man sich in unserer kleinen Stadt kannte. Zumindest wäre sie mir bestimmt schon aufgefallen. Das Mädchen konnte also nur von außerhalb sein. Wir kamen ins Gespräch.

»Wie heißt du?«

»Ich bin Hans Peter. Und wie ist dein Name?«

»Ich bin Anja. Du spielst sehr gut Gitarre.«

Mmmhh, das ging mir runter wie Öl. Danke, Anja!

Sie lächelte mich süß an, hatte lange blonde Haare und große blaue Augen. Natürlich war sie ein Fan von Juliane Werding, wie wir alle. Sie hatte sogar eine gewisse Ähnlichkeit mit ihr. Wir quatschten und lachten eine Weile. Ich erfuhr, dass sie ihre Cousine Elke im Nachbardorf besuchte und beide mit dem Fahrrad hier waren. Anja ging auch in die neunte Klasse und fand unsere Treffen am Lagerfeuer toll. Ihre Cousine hatte ihr davon erzählt und da hatten sich die beiden Mädels einfach aufs Fahrrad gesetzt und waren die sechs Kilometer hierher gefahren in der Hoffnung, dass sich auch heute Jugendliche hier treffen würden. Und sie hatten Glück!

Anja wohnte in einem kleinen Dorf, aber dort wäre für Jugendliche nur ›tote Hose‹, erzählte sie mir. Es war sehr nett und wir beide quatschten weiter über Gott und die Welt, über alles: Schule, Musik und auch Sport. Sie erwähnte, dass sie fast jeden Tag nach der Schule Hochsprung trainierte und ich bedauerte sie ehrlich. Im Sitzen waren wir fast gleich groß und das würde bedeuten, sie war für Hochsprung im Grunde zu klein. So wie ich für den Schwimmsport, den ich seit Jahren trainierte. Umso erstaunter war ich und bekam große Augen, als sie mir erzählte, dass sie bei der Bezirksspartakiade eine Bronzemedaille gewonnen hatte. Ich gratulierte ihr herzlich. Als ich ihr im Gegenzug erzählte, dass ich aktiv im Schwimmverein trainierte, freute sie sich und ihre großen Augen leuchteten.

»Oh, wir sind beide Sportler!«, sagte sie strahlend.

Gerade wollte ich ihr von unserer Band erzählen, als ihre Cousine rief:

»Anja, komm, es ist schon spät! Wir müssen los, sonst gibt es noch Ärger.«

Daraufhin lächelte mir Anja zu, schien aber irgendwie auch traurig zu sein. Sie streichelte kurz sanft über meine linke Hand und ich ergriff ihre.

»Komm, ich bring dich zum Fahrrad!«, sagte ich ihr freundlich. Sie lächelte und drückte fest meine Hand.

»Das ist aber nett. Dann komm, Hans Peter!«

Wir standen auf und sahen uns an. Anja hielt sich erschrocken die linke Hand vor den Mund und ich wurde sofort rot. Im Lagerfeuerlicht konnte ich erkennen, dass sich ihre Gesichtsfarbe ebenfalls änderte. Während des Sitzens am Lagerfeuer war es uns nicht aufgefallen, aber jetzt im Stehen bemerkten wir es und das war uns beiden peinlich: Anja war fast einen Kopf größer als ich. Wie ein kleiner Junge stand ich neben ihr. Alle sahen zu uns und es wurde plötzlich mucksmäuschenstill am Feuer.

»Anja, komm endlich!«, rief Elke nochmals, klang schon zornig. Sie stand an den Fahrrädern und wartete ungeduldig auf ihre Cousine.

»Ich komme!« Anja gab mir ein Küsschen auf die Stirn, ließ meine Hand los und lief zu ihrer Verwandten. Ich sah ihr nach und bemerkte ihre unheimlich langen Beine. Sie lief wie eine Gazelle, die jeden Augenblick hätte abspringen können.

Als ich mich umsah, bemerkte ich Ben und Felix. Ben grinste und Felix schüttelte lachend den Kopf, schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn.

»Hast du es nicht bemerkt? Sie ist fast eins achtzig!«, fragte mich Ben lachend. Er meinte es nicht böse, das wusste ich, denn er war mein bester Freund. »Ihr habt so schön geturtelt. Aber wachse doch endlich, Hans Peter! Mindestens zehn Zentimeter musst du noch.«

Oh, war mir das peinlich.

»Nein, ich habe sie nicht kommen sehen. Auf einmal saß sie neben mir.« Ich war einfach nur traurig.

Ja, so war die Geschichte mit Anja. Ben erzählt die Geschichte noch heute und freut sich jedes Mal, dass ich immer noch rot werde.

Der Kleinste und ohne Moped zu sein war blöd, aber für mich irgendwie zu ertragen. Mit dem Taschengeld verhielt es sich jedoch anders.

»Wenn du Geld für die Schule brauchst, kommst du zu mir«, erklärte mir Stiefvater Alex. »Taschengeld gibst du sowieso nur für Zigaretten oder Alkohol aus!«, war seine Meinung. »Wenn dein Vater endlich Unterhalt zahlen würde, könnte ich dir auch Taschengeld geben. Leider wissen wir nicht, wo er ist«, brummte er immer wieder.

Ich konnte es mir zwar nicht vorstellen, dass in unserem kleinen, umzäunten Land irgendjemand verloren gehen konnte, musste es ihm aber so glauben. Er erzählte es schon seit Jahren.

Meine Eltern hatten sich in meinem zweiten Lebensjahr scheiden lassen. Später heiratete Mutter Alex, doch ich wurde nicht adoptiert und behielt den Nachnamen Hörte, Mutter wurde Frau Abraham. Alex war nur fünfzehn Jahre älter als ich, leider weder Sportler noch Musiker, hatte dafür auch null Komma null Interesse. Er liebte die Taubenzucht und dafür gab er alles.

»Ihr ergänzt euch eben gut«, hatte Mutter mir einmal augenzwinkernd erklärt.

In Mathematik hatte er richtig was auf der Pfanne. Das wurde auch mein Lieblingsfach und war prima. Über alles Mögliche im Leben konnte man sich streiten, ärgern und stundenlang diskutieren. Jeder konnte eine andere Meinung haben und auf seine Art auch Recht, aber in der Mathematik waren zum Schluss sechs mal sechs immer sechsunddreißig.

Mutter und Alex kauften ein kleines Haus am Stadtrand und ich konnte mit Heike toll im Garten spielen. Eine neue Schule wurde fast vor unserer Haustür gebaut und ersparte mir pro Tag fast zwei Stunden Schulweg bis ans andere Ende der Stadt. Sogar ein Hund, na ja, unsere Dackeldame Kati, kam dazu und brachte viel Bewegung ins Haus.

Vor zwei Jahren baute Alex dann unser Haus um. Mutter war darüber scheinbar gar nicht erfreut. Aber ich half, wo ich konnte. Mein Zimmer war abgeschafft worden und mit dem Esszimmer zum neuen Wohnzimmer erweitert. Mein Bett kam in das davor liegende Durchgangszimmer und nach einiger Zeit bemerkte ich, dass das ganz schön blöde war. Ich hatte keinerlei Privatsphäre mehr, nicht nur die Familie, sondern ebenso unsere Besucher latschten durch mein Zimmer.

Alex beschwerte sich ständig über meine Ordnung, sogar Schulhefte auf dem Schreibtisch regten ihn auf. Zum Gitarre spielen musste ich mich in die Werkstatt verziehen, Freunde konnte ich nicht mehr einladen und eine Freundin wollte Alex sowieso nicht sehen. Ich sollte mich gefälligst auf die Schule und mein Zeugnis konzentrieren.

Der Gitarrenkoffer drückte auf meinem Rücken, aber endlich war ich am Probenraum angekommen und stellte mein Fahrrad ab. Wir waren raus aus dem Schweinestall und probten jetzt in der schönen Aula der alten Schule, aber nur auf Widerruf. Zum Fest der deutsch-sowjetischen Freundschaft sollten wir demnächst zum Tanz spielen. Nur, wenn wir es ›ordentlich‹ machen würden, sagte Direktor Rosenbaum, durften wir weiter als Schülerband dort üben. Klappte es nicht, ging es zurück zu den Schweinen.

Auf der Bühne baute Steini stolz sein neues Amati-Schlagzeug auf. Er winkte mir zu und freute sich, dass ich etwas zeitiger kam.

»Meine Mathehausaufgaben liegen dort drüben«, rief er und deutete auf einen der vor der Bühne stehenden Tische.

»Alles klar, wird erledigt.« Ich stellte meine Gitarre neben den Tisch und sah mir die Aufgaben an.

Steini ging wie ich in die neunte Klasse und hatte Stress mit seinem ›Alten‹ wegen der Schulnoten. Er sollte nach der Zehnten einen Handwerkerberuf erlernen und brauchte dafür bessere Mathezensuren. Sein Vater hatte ihm verboten in unserer Band mitzuspielen. Er sollte sich gefälligst um die Schule kümmern und in Mathe besser werden. Wir waren jedoch nicht dumm, hielten zusammen und ich war in Mathematik sehr gut. Wir brauchten Steini am Schlagzeug. Offiziell kam er zur Mathematiknachhilfe bei einem Lehrerstudenten nach Treuenbrietzen, den er sich selbst gesucht hatte. Natürlich kostenlos, was seinen Vater am meisten freute. Mir machte es Spaß, ihm zu helfen und für mich war es eine hilfreiche Wiederholung.

Schnell erledigte ich seine Aufgaben, hob den Daumen in seine Richtung und Steini strahlte. Er kam kurz zu mir und ich erklärte, was ich für ihn gerechnet hatte. Nach fünf Minuten waren wir fertig. Einmal hatte er erwähnt, er würde lieber zum Zahnarzt gehen, als zum Mathematikunterricht. Seit ich ihm allerdings half, hatte er in Mathe bessere Noten und sein Vater ließ ihn endlich in Ruhe.

Wie üblich werkelten Peer und Tilmann an unserem alten Bassverstärker. Die gesamte Verstärkeranlage hatten wir vom Klubhaus geschenkt bekommen. Sie hatte dort seit Jahren in einem Bühnenraum herumgestanden, nachdem sich die Kapelle aufgelöst hatte. Die Klubhausleitung wollte die Anlage schon in den Müll werfen, aber dank Michael Rot bekamen wir sie geschenkt. Peers Bassverstärker war viel zu leise, gab einfach nicht mehr her und mit ihm konnten wir keine vernünftige Rockmusik machen. Deshalb hatte unser zweiter Gitarrist, Tilmann, neue Endstufenröhren besorgt. Aber Asche! Gleicher Typ, EL34, doch die neuen Röhren passten einfach nicht in die alten Aufnahmesockel. Nach langem Hin und Her hatte Tilmann mit langen Drähten die Röhrenkontakte direkt an die alten Sockel gelötet. Vor dem Spielen musste deshalb die Verstärkerrückwand abgeschraubt werden und die Röhren heraus gezogen. Wie an Krakenarmen hängend wurden sie auf Porzellantellern abgelegt.

Funktionierte, aber kein Fachmann hätte es sehen dürfen! Sollte jemand eine Hand in den offenen Verstärker halten, bekäme er ordentlich eine gewischt. Ich malte mir ständig den Ärger aus, den wir bekommen würden.

Unsere Sänger Ben und seine Schwester Dani fehlten noch, aber ich baute ihre Mikrofone schon auf. Unsere Dani! Zur Einstufung war sie leider krank geworden und hatte deshalb so geweint. Ich hoffte, dass sie heute wieder fit wäre. Ungeduldig sah ich auf meine Uhr. Zehn Minuten waren es noch und Steini machte bereits Radau am Schlagzeug. Peer und Tilmann waren ebenfalls nicht mehr zu halten: Peer jagte Bassläufe in den leeren Saal und Tilmann entlockte seiner Gitarre wie üblich verzerrte Hartrockriffs. Unser Heavy Metal-Fan strahlte dabei glücklich. War das ein Lärm!

»Komm, Hans Peter, lass uns endlich anfangen!« Steini war voll in Form und ich nahm meine Jolana-Gitarre.

»Wollen wir ›Apache‹ spielen?«, fragte ich in die Runde.

»Ne, für heute viel zu langsam. Wir wollen doch unsere Einstufung feiern! Spielen wir den ›Gitarrentwist‹.« So viele Worte hintereinander von unserem Schweiger Peer waren ungewöhnlich und so konnte ich seine Bitte nicht ablehnen.

»Steini, zähl vor!«, forderte ich und ab ging die Musik.

Wir hatten alle die Lautstärke auf Maximum gedreht, es schepperte mächtig und ich glaubte, der schwere Kronleuchter im Saal würde im Takt wackeln. Plötzlich öffnete sich die Eingangstür und Jugendliche strömten in den Saal. Unsere Proben waren meist öffentlich, die Übungszeiten bekannt und andere Angebote für Jugendliche gab es nicht in der Stadt. Wir hatten keinen Jugendklub zum Abhängen, vielleicht noch eine Arbeitsgemeinschaft in der Schule oder im Sportverein. Das Fernsehen sendete am Nachmittag zudem auch nicht.

Unsere erfolgreiche Einstufung und die daraus folgende Genehmigung für das öffentliche Auftreten als Band bei Tanzabenden hatte sich deshalb rasant herumgesprochen. Mitschüler und Freunde kamen nach dem Song auf die Bühne und gratulierten.

»Auf Proxima!«, hallte es durch den Saal.

Unsere Freunde vom Jugendklub in Niebelhorst, ›Horstler‹ genannt, kamen und begrüßten uns mit unserem Schlachtruf. Peng, Frieda, Bulli, Becks und die anderen, sogar einen Kasten Cola hatten sie mitgebracht. Becks kam lachend auf die Bühne gestürmt und hielt einen Vertrag in der Hand.

»Jetzt dürft ihr endlich bei uns auftreten. In drei Wochen haben wir einen freien Termin. Komm und unterschreib. Wo ist eigentlich Ben?«, fragte er am Ende erstaunt. Ich sah noch einmal kurz in den Saal, konnte ihn jedoch nicht entdecken.

»Er wird sicherlich gleich kommen«, beruhigte ich Becks.

»Unterschreib!«, forderte er mich nochmals auf und hielt mir einen Kugelschreiber hin. Eigentlich war es egal, wer den Vertrag unterzeichnen würde. Wir hatten keinen Chef festgelegt, aber meist waren es Ben oder ich. Den Vertrag legte ich auf meinen Regent-Verstärker und unterschrieb. Es war unser erster offizieller Vertrag. Alle ›Muggen‹ (DDR-Honorarordnung: Musikalische Unterhaltung gegen geringes Entgelt) vorher hatten wir schwarz und ohne offizielle Genehmigung gespielt. Nach der Unterschrift hielt ich einen Augenblick inne, denn Tränen stiegen mir in die Augen. Becks riss mir den Vertrag aus der Hand, eilte an den Bühnenrand und hielt ihn breit grinsend in die Höhe.

»Jetzt geht es richtig los!«, verkündete er in den Saal.

»Musik! Musik! Wir wollen was hören!«, riefen unsere Gäste, doch wir hatten ein Problem: Unsere beiden Sänger fehlten noch und wir sahen uns ratlos an. Tilmann kam zu mir.

»Lass uns ›Paranoid‹ von ›Black Sabbath‹ spielen!«

Es war der einzige Song auf unserer Liste, den ich sang. Aber auch einer der wenigen richtig ›harten‹ Rocksongs, die wir spielten. Sonst bevorzugten wir tanzbare Songs von CCR, Christie, Beatles, Rolling Stones und so weiter. Zum ›Fest der deutsch-sowjetischen Freundschaft‹ sollten wir diesen Song lieber nicht hören lassen. Der Heavy Metal-Fan Tilmann strahlte jedoch über beide Ohren, schüttelte die langen Haare und hielt es jetzt für eine prima Idee. Unsere Gäste forderten weiter Musik. Steini und Peer hatten Tilmanns Vorschlag gehört. Steini verdrehte die Augen und Peer sah ich ebenfalls seine Meinung an. Irgendwann sollten wir endlich loslegen. Einige der Gäste waren bis zu zwölf Kilometer mit dem Fahrrad zu uns gekommen und wir wollten sie nicht enttäuschen.

Ben oder Dani waren immer noch nicht zu sehen, also nickte ich.

Tilmann schritt rasch an Bens Mikro und brüllte in den Saal:

»Freunde, vielen Dank für eure Glückwünsche! Aber jetzt geht es erstmal richtig los!«

Ich schlug im Anschluss in die Saiten und das Intro von ›Paranoid‹ ertönte. Die Stimmung war so aufgeheizt, dass es sofort total ab ging. Normalerweise tanzten zuerst nur die Mädels und ›tippten‹ im Paartanz, wie sie den Diskofox bezeichneten. Der Song war allerdings viel zu schnell für diese Tanzart. Jungs und Mädels rannten wie verrückt vor die Bühne und hotteten los. Unser Kraftfahrer Bulli und Joschke aus dem Schwimmverein sprangen sogar auf Tische und tanzten wilde Solos. Die Atmosphäre war unglaublich! Wir lachten und waren begeistert.

Als ich jedoch zur Tür sah, traute ich meinen Augen nicht. Ben und Dani waren gekommen und hinter ihnen standen Direktor Rosenbaum und Musiklehrer Hartmann. Ben grinste, aber selbst aus der Entfernung sah ich das Entsetzen der Lehrer in ihren Mienen beim Blick auf den Trubel. Au Backe! Das gab Ärger. Die letzte Strophe sang ich trotzdem zu Ende. Die sechzig bis siebzig Jugendlichen jubelten danach.

Herr Hartmann, Bens Musiklehrer hatte uns die Aula als Probenraum besorgt und diskutierte nun mit dem erregten, im Gesicht rot angelaufenen Direktor. Ben und Dani kamen auf die Bühne gelaufen. Mein Freund sah stolz auf die Gäste hinab. Da war es wieder, sein besonderes Lächeln über ein zufriedenes Publikum. Stolz sah er in den Saal.

»Na, Alter?«, begrüßte und umarmte er mich.

»Echt toll, Hans!«, freute sich Dani, meinte aber bestimmt nicht die Situation, sondern die vorläufige Spielerlaubnis, die wir trotz ihrer Abwesenheit wegen Krankheit bei der Einstufung für sie bekommen hatten.

Unsere Gäste hatten die Anwesenheit der Lehrer bemerkt und es wurde ruhig im Saal. Beide diskutierten immer noch und alle sahen zu ihnen. Wurden wir jetzt den Probensaal wieder los und mussten zurück in den Schweinestall?

»Ben, Hans Peter, alles ist gut und nur ein Missverständnis!« Dani stand neben ihrem Bruder und Herr Hartmann lächelte uns drei an.

»Bitte spielt den Titel, den Dani gesungen hat und nach dem die Mädchen so schön tanzen konnten. Bitte!« Beinahe verzweifelt sah er uns an.

Ich wusste nicht, welchen Song er meinte, und auch Ben runzelte die Stirn. Wir hatten ihm bei seinen Besuchen mehrere Titel vorgespielt, aber Dani strahlte.

»Meinen sie etwa ›Sacramento‹ «, fragte sie ihn leise, aber trotzdem viel zu laut. Die Mädels vor der Bühne hatten es gehört.

»Sacramento! Sacramento! Spielt Sacramento!«, jubelten sie.

Herr Hartman zuckte fragend mit den Schultern, aber unsere Sängerin strahlte und nickte ihm zu. Sie ging zum Gesangsverstärker und holte sich ihr Mikrofon. Sie wollte es lieber in der Hand halten und nicht auf einem Mikroständer platziert bekommen. Steini lächelte und wir wussten alle, wie es weiter gehen würde. Dani ging an den Bühnenrand, lächelte und hob den Arm. Es wurde sofort ruhig im Saal.

»Sacramento«, sagte sie leise und bescheiden ins Mikro.

So war sie! Ich begann das Vorspiel und die Mädels jubelten. Die Tanzfläche war sofort voll und Direktor Rosenbaum staunte mit offenem Mund. Er begann zu lächeln und zog aus seiner Tasche einen Zettel, den er Hartmann reichte. Er sah einmal darauf, grinste und winkte seinen Schüler zu sich und gab den Zettel stolz an Ben weiter. Die beiden Lehrer winkten zum Ende des Liedes noch einmal in unsere Richtung, drehten sich um und verließen den Saal.

Ben sah endlich auf den Zettel, kam zu mir gelaufen und wartete. Dani beendete den Song mit ihrem süßen Dankeknicks für das Publikum und die Gäste klatschten. Sie war glücklich.

Ben zeigte mir den Zettel der Lehrer. Es war eine Einladung.Am Freitag in zwei Wochen werden wir unser ›Fest der deutsch-sowjetischen Freundschaft‹ veranstalten und ihr seid alle herzlich eingeladen! Als Höhepunkt spielt zum Abschluss unsere neue Schülerband ›Proxima‹.

2 – Sie tanzten mit uns ›Kasatschok‹

Wir hatten gut zwei Wochen Zeit für die Vorbereitung der Muggen. Unser Problem war nicht das Fest in der Aula am Freitag, dort sollten wir nur eine Stunde spielen, doch der Auftritt in Niebelhorst beunruhigte uns. Wir hatten immer noch nicht genug Songs drauf, um einen fünfstündigen Tanzabend ohne Wiederholungen zu füllen. Nicht jeder Song passte zu uns. Es sollten tanzbare Rocktitel sein, nach denen die Mädels gut tippen konnten. Gemeinsam mit Ben beobachtete ich genau, wer zu unseren öffentlichen Proben kam. Zuerst waren nur Peers Freundin Tina und Danis Freundin Maria dabei. Bei Letzterer wunderten wir uns schon nicht mehr, denn die beiden hingen eh immer zusammen. Es folgten Freundinnen der beiden Mädels, die bei den Proben zu tanzen anfingen. Später schleppte Dani ihre halbe Klasse mit und so kamen die ersten Jungs dazu.

Dienstags hatten wir keine Probe, da Ben acht Stunden Unterricht hinter sich bringen musste. Es war der einzige Tag in der Woche, an dem ich mich nach der Schule mit meiner Freundin Beatrice treffen konnte. Wir gingen zwar in dieselbe Klasse, aber nach dem Unterricht musste sie sofort nach Hause, um ihre jüngeren Brüder zu hüten. An unseren Dienstagen gingen wir im Wald spazieren. Mehr war nicht drin, denn eigentlich hatte Bea zu der Zeit Nachhilfeunterricht bei ihrer Freundin Frederike in Rietz. Eine Stunde knappsten wir jedoch immer ab. Ihre Eltern verboten meiner Freundin einfach alles!

Am letzten Dienstag zur Vorbereitung der Einstufung und bei totalem Sauwetter – da konnte ich eh nicht mit Beatrice spazieren gehen. Wir machten eine Ausnahme und probten. Nach seiner letzten Stunde folgte Ben, viele Mitschüler im Schlepptau, in die Aula und freute sich über die Ablenkung vom Schulalltag. Unsere Freunde vom Jugendklub in Niebelhorst besuchten uns ebenfalls immer öfter. Als jüngste Band der Region brauchten wir ein jugendliches Publikum und bei den Proben sahen wir die Reaktion auf unsere Musik.

›Traue keinem über dreißig‹, war unser Motto und das war besonders für mich einschneidend, denn Stiefvater Alex hatte gerade seinen dreißigsten Geburtstag gefeiert.

Die Songs mussten zu unserer Technik und der Besetzung als Gitarrenband passen, was es immer schwieriger machte, die richtigen Titel zu finden. Als Ben und ich vor zwei, drei Jahren anfingen gemeinsam Musik zu machen, hörten wir im Radio mindestens einen neuen Song wöchentlich, den wir nachspielen konnten. Heute freuten wir uns, wenn es einer im Monat war. Die Beatles hatten sich aufgelöst und von unserer Lieblingsband CCR waren kaum noch neue Songs zu hören.

Elektronische Orgeln oder Keyboards kosteten mehr als ein Auto, aber gemeinsam mit neuer Studiotechnik waren sie in den Radiosongs nicht mehr zu überhören und machten uns das Leben schwer. Unsere Hoffnung lag weiter hauptsächlich bei John Fogerty mit seiner Band CCR.

Oft saßen Ben und ich am Radio und hofften, neue Songs zu hören. Noten und Texte gab es bei uns nicht zu kaufen. Zum Glück waren die Texte nicht so wichtig, da kaum jemand Englisch konnte. Wir sangen englisch ohne Englisch und alle sangen mit. Freunde halfen uns und besorgten Tonbandaufnahmen. Joschke brachte eine Aufnahme von ›Sunshine of your love‹ und Tilmann konnte Teile von Deep Purples ›Woman from Tokyo‹ nachspielen, die wir zum Song ergänzten. Ben und Dani hörten im Radio ›Light my fire‹ von den Doors und machten ein schönes Duett daraus. Ich knabberte an der Ausarbeitung von CCRs ›Up around the bend‹. Unsere Bandarbeit war hart, aber stets lustig.

***

Endlich kam der Freitag – der Tag des Schulfests. Nach der letzten Schulstunde setzte ich mich mit meiner Beatrice auf die Treppe vor der Schule. Wir sagten beide kein Wort, bis ihre Freundin und Schatten Frederike bemerkte, dass sie heute nicht gefragt war, und abzog. Klar sahen wir uns jeden Tag im Unterricht, sie saß schließlich schräg hinter mir.

Ich strich ihr über die langen blonden Haare und sie lächelte mir kurz zu. Sie hatte ein wunderschönes Lächeln. Bea wirkte dennoch sehr traurig. Ich wusste die Antwort zwar, fragte dennoch:

»Kommst du heute zum Schulfest?« Sie schüttelte den Kopf und Tränen schossen ihr in die Augen.

»Hans Peter, sei bitte nicht traurig, dass ich deine Band Proxima noch nie gehört habe. Ich kann nichts dafür, darf einfach nicht. Ich erlebe dich in der Singegruppe. Die ist meine Proxima.« Sie schenkte mir ein Küsschen, danach umarmten und drückten wir uns.

Plötzlich kam Direktor Kreuz aus dem Gebäude. Er hatte uns oft nach der Schule zusammen gesehen, aber fragte nie, warum wir uns an der Schule trafen. Er war ein anderer Typ Mensch, als Bens Direx Rosenbaum. Kurz blieb er stehen und lächelte.

»Hallo, meine Lieben. Hans, ich habe gehört, ihr habt eure Einstufung bestanden.« Ich nickte freudig. »Prima! Dann denke bitte an unser Abkommen. Im nächsten Jahr qualifizierst du dich mit unserer Singegruppe für die Weltfestspiele in Berlin.«

»Oh ja!«, forderte auch Bea und strahlte mich an. Während er ging, winkten wir ihm kurz nach. Wir saßen weiterhin auf der Treppe und sahen uns lange verliebt in die Augen. Zum Abschluss folgte ein langer zärtlicher Kuss.

»Lass dich heute Abend nicht von den Mädels verführen!«

»Keine Angst, Bea. Kein Mädchen lächelt so süß wie du.« Den Beweis lieferte mir Bea sofort.

Wir stiegen auf unsere Fahrräder und fuhren in unterschiedliche Richtungen nach Hause.

***

Wir hatten uns kurz vor drei treffen wollen, um noch eine kleine Technikprobe machen zu können. Mit dem Fahrrad musste ich Gas geben, aber ich schaffte es fast pünktlich. Meine Freunde hatten die Anlage bereits auf der Bühne aufgestellt. Steini putzte sein neues Schlagzeug, Ben und Dani stellten die Lautstärke und den Klang der Mikrofone ein. Tilmann machte wieder Krach und probierte Hardrockriffs über seinen MV3-Verstärker. Herr Hartmann war schon auf dem Weg zu ihm und würde ihn sicherlich um weniger Lautstärke bitten.

Die Tische zierten heute weiße Tischdecken. Vasen mit frischen Blumen standen auf ihnen, ebenso Gläser und Flaschen mit Brause. Vorn befand sich ein Tisch für die Ehrengäste und ein Rednerpult war aufgebaut worden. Die Aula hatte eine eigene Verstärkeranlage mit Boxen an den Wänden und ein Mikrofon für die Redner steckte am Pult. Alles wirkte sehr festlich.

Die Küchenfrauen brachten Kisten in die Essenausgabe und ich konnte den Inhalt riechen: Frischer Kuchen! Mmmhh, ich freute mich schon auf ein Stück.

»Hans Peter, trödel nicht rum und komm endlich!« Typisch Mama Dani!

Steini klopfte mit seiner Fußmaschine die große Trommel und ich eilte auf die Bühne. Mit Bens Hilfe stimmte ich noch schnell meine Gitarre, ehe Herr Hartmann zur Bühne gelaufen kam und heftig auf seine Armbanduhr deutete.

»Jungs, wenn ihr anspielen wollt, habt ihr noch fünf Minuten. Die ersten Gäste stehen bereits vor der Tür.«

Ich nickte ihm zu und rief:

»Nur zwei Titel, bitte!«

Herr Hartmann nickte. Ich stimmte mich kurz mit Ben ab. Wir wollten die Titel mit Dani spielen. Steini zählte vor und wir begannen mit ›Sacramento‹. Schon beim Vorspiel flog die Saaltür auf und Danis Schulfreunde rannten als erste in den Saal auf die Tanzfläche. Irgendjemand hatte nach der Kuchenlieferung vergessen, die Tür wieder abzuschließen. Ich sah, dass Direktor Rosenbaum entsetzt vom Stuhl aufsprang, aber Herr Hartmann hielt ihn fest und zog ihn zurück auf seinen Stuhl. Auch die mit am Tisch sitzenden Lehrer und Lehrerinnen wirkten erschrocken. Herr Hartman deutete nur auf die Tanzfläche, sagen konnte er nichts, dazu spielten wir zu laut. Alle Lehrkräfte drehten sich in diese Richtung, einige ältere hielten sich die Ohren zu.

Immer mehr Schüler der Schule stürmten in den Saal. Zum Erstaunen der Lehrer fingen die Mädchen an zu tanzen und tippten in Pärchen. Die Jungs blieben am Rand stehen, beobachteten sie und begannen im Takt zu klatschen. Ben lachte und zeigte mit dem Arm zu den Tanzenden. Ich nickte. Klar war es schön, dass getanzt wurde. Er schüttelte den Kopf, grinste und deutete erneut zur Tanzfläche. Ich verstand ihn nicht. Da nahm er den Kopf hoch und ahmte den Kuckucksruf nach.

Jetzt hatte ich es! Herr Hartmann hatte Ben erzählt, dass die Verantwortlichen für das Fest Angst hätten, viele Schüler würden sich drücken und nur wenige zu diesen Veranstaltungen kommen. Das sehe natürlich immer schlecht vor den sowjetischen Freunden aus. Ben hatte ihm mit einem Augenzwinkern erklärt, sollten bei diesem Fest einige ›Kuckuckskinder‹ kommen, wäre es doch bestimmt kein Problem. Herr Hartmann hatte seine Zustimmung gegeben. Und jetzt sah ich die ›Kuckuckskinder‹: Peng, Frieda und weitere Leute aus dem Jugendklub Niebelhorst tanzten auf der Fläche und viele Schüler aus meiner Schule waren im Saal. Sogar welche aus meiner Singegruppe konnte ich entdecken. Nur Beatrice und Frederike fehlten.

Ich schaute zu den Lehrern. Die Frauen freuten sich und bestaunten die tanzenden Pärchen, die Herren sahen dem Remmi-Demmi eher skeptisch zu. Der Song näherte sich dem Ende und Herr Hartmann kam mit erhobenem Zeigefinger in unsere Richtung gelaufen. Ein kurzer Blick zwischen Ben und mir reichte. Das konnte nur ›Noch einen Titel spielen‹ bedeuten.

Steini spielte am Schlagzeug die Verbindung der Titel durch und es folgte ›Hold tight‹ von Dave Dee. Auf der Tanzfläche wurde weiter getanzt. Mit den Armen vor der Brust signalisierte Herr Hartmann ›Aus! Aus!‹. Wir nickten ihm freundlich zu. Ja, nach dem Song würden wir aufhören. Zur Sicherheit sahen wir beide danach nicht mehr zu ihm, bevor er doch etwas anderes gemeint hatte. Zum Abschluss verkündete Ben:

»Hallo Freunde, später geht es weiter!«

Es gab einen tollen Applaus. Die Anlage der Aula wurde hochgefahren, was wir am Rauschen hörten. Am Mikrofon des Rednerpultes stand Frau Heise, die Vorsitzende des DSF-Verbandes.

»Liebe Freunde der deutsch-sowjetischen Freundschaft! Wir freuen uns, dass ihr so zahlreich und mit guter Laune erschienen seid. Aber liebe Schüler, ich bitte euch um Disziplin, denn wir wollen doch unsere sowjetischen Freunde nicht enttäuschen. In wenigen Minuten werden sie hier eintreffen und deshalb bitte ich euch, den Saal noch einmal zu verlassen. Wenn unsere sowjetischen Freunde nachher ihre Plätze eingenommen haben, dürft ihr zurück in den Saal kommen. Jeder von euch bekommt ein frisches Stück Kuchen, erfreut euch an den Darbietungen der sowjetischen Schüler und im Anschluss tritt unsere neue Schülerband auf. Mit der Veranstaltung beginnen wir um sechzehn Uhr. Noch ein Hinweis: Während der Veranstaltung werden keine weiteren Gäste mehr eingelassen, also seid bitte pünktlich!«

Alle waren diszipliniert und gingen ohne Murren raus auf den Schulhof. Wir räumten die Anlage in den hinteren Bereich der tiefen Bühne, während Tilmann den schweren Vorhang auf der linken Seite ein Stück zur Mitte zog. Steini und Peer holten zwei Tische auf die Bühne und stellten sie so hinter den Vorhang, dass die daran sitzenden nicht vom Saal aus zu sehen waren. Dani und ihre Freundin Maria organisierten Stühle, Tina und Kathi besorgten für uns Kuchen und Brause von der Essenausgabe und wir machten es uns dort gemütlich.

Gegen 15:30 Uhr kamen die sowjetischen Gäste. Draußen tuckerten mehrere Busse und ein Ural-LKW vor die Aula. Stiefvater hatte mir erzählt, mit einem mit Sand beladenen Ural könnten sie Bäume umkippen oder an einer Kette Wurzeln aus dem Boden ziehen. Ben und ich hatten uns vor dem Vorhang auf die Bühnenkante gesetzt und betrachteten den Einzug. Ich hielt nach Piloten Ausschau, schließlich kamen sie vom größten Militärflugplatz zu uns. Aber die Männer waren alle viel zu dick. Nach deren mit Orden behangenen Uniformen mussten es höhere Offiziere sein. Sie begrüßten die Lehrkräfte und den Direktor. Von unserer Sicht aus sollten sie die Tische auf der linken Seite des Saales besetzen. Es kamen Soldaten herein und brachten Transportkisten auf die Bühne, verließen dann aber sofort wieder die Aula. Ben stieß mir seinen Ellenbogen in die Seite.

»Guck doch mal!«, forderte er mich auf und wies zum Eingang. Um die zehn bis fünfzehn Mädchen kamen in den Saal. Sie trugen lange, rote Kleider, die fast bis auf den Fußboden gingen und hatten alle dickgeflochtene Zöpfe – dagegen sahen Danis Zöpfe geradezu mickrig aus. Nochmals folgten einige Mädchen in blauer Folklorekleidung, doch darauf Schüler in normaler Kleidung. Viele der sowjetischen Jungs trugen einfache Uniformen ohne Rangabzeichen und Stiefel. Sie schienen außerdem alle beim gleichen Friseur gewesen zu sein. Lange Haare gab es nicht, alle Raspel kurz. Mein Freund und Friseur Gunnar als Langhaarschneider wäre bei ihnen arbeitslos geworden.

Vier Jungs kamen in Uniform zu uns auf die Bühne. Mit einem ›Hallo‹, sowie einem Handschlag, begrüßten sie nur die Jungs. Die Mädels, die bei uns saßen lächelten sie nur an. Ben schaute irritiert zu Dani, aber sie winkte ab.

Sie holten aus den Transportkisten eine Bandanlage und Instrumente. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Irgendwie wirkte alles wie Militärtechnik. Verliebt blickte ich zu unserer Anlage, Ben lächelte nur. Wir beide hatten große Angst gehabt, dass sie uns in Grund und Boden spielen würden, aber mit dieser Technik erschien die Gefahr nicht mehr so groß zu sein. Wir kämpften heute um die Aula als Proberaum.

Ihr Schlagzeug bestand nur aus einer großen Trommel mit Fußmaschine, einer kleinen Trommel und einem Becken. Der Schlagzeuger nutzte auch keinen Stuhl, sondern spielte sich im Stehen ein. Eine Bassgitarre und zwei Elektrogitarren wurden ausgepackt, die Gitarrenkörper sahen wie selbstgeschnitzt aus. Drei Mikrofone kamen auf die Bühne, die wie aus den vierziger Jahren wirkten. Mein altes Schwanenhalsmikro von Onkel Peter wäre dagegen schon moderner gewesen. Die Jungs waren eindeutig zwei bis drei Jahre älter als wir. Dani schien den gleichen Gedanken zu haben. Leise fragte ich sie:

»Wie alt sind die?«

»Die gehen dort elf Jahre zur Schule. Sie werden so siebzehn, achtzehn sein«, erklärte sie mir danach. Ja, so schätzte ich sie ebenfalls ein.

Auf einmal wurde es laut. So einen Krach hatte ich noch nie gehört. Zuerst prügelte nur der Schlagzeuger, ohne irgendeinen Rhythmus zu halten, wild auf seine Trommeln und das Becken ein. Dann schlugen auch die Gitarren an, aber jeder etwas anderes, sie spielten nicht zusammen. Es wirkte, als wollte jeder einfach nur der Lauteste sein. Ich hatte den Eindruck, da standen vier Tilmanns auf der Bühne. Plötzlich sahen alle am Tisch zu ihm.

»Nein!«, rief Tilmann. »Das sind nicht meine Brüder!« Er hob abwehrend die Hände und wir mussten lachen.

Da ertönte ein durchdringender Pfiff durch den Saal. Der kam nicht aus einer Pfeife, den hatte jemand auf den Fingern gemacht. Nach meiner Schwimmerzeit konnte ich Pfiffe unterscheiden.

Die Band hörte sofort auf mit dem Krach. Ein stämmiger Offizier war vom Tisch aufgestanden, drohte ihnen mit der Faust und rief ihnen mit einer donnernden Stimme auf Russisch quer durch den Saal etwas zu. Dani neben mir zog sofort den Kopf ein. Der Offizier konnte bestimmt Opern singen, ging mir durch den Kopf. Ben nickte anerkennend.

»Der braucht keine Gesangsanlage«, kommentierte er.

Die Jungs legten ihre Instrumente ab, schalteten die Verstärker aus, untersuchten kurz den Bühnenvorhang und zogen ihn komplett vor die Bühne. Unten wurde es unruhig und ich konnte noch sehen, dass jetzt die deutschen Schüler in den Saal gelassen wurden.

»Wir gehen runter«, verabschiedeten sich die vier Mädchen von uns. Die Jungs der sowjetischen Band nahmen stattdessen Platz und boten uns diese russischen Zigaretten ›Papirossa‹ an, Papphülsen mit Tabak im vorderen Teil. Ich lehnte sofort ab, aber Tilmann griff zu.

»Tilmann, lass den Blödsinn. Ihr könnt hier nicht rauchen!«, fauchte ich ihn an.

Die Sowjets aber freuten sich mächtig, er war jetzt ihr bester Freund. Ben half mir und deutete den Gästen an, ihm zu folgen.

»Kommt mit!«

Die Innenseiten der Bühne waren komplett mit Stoffen verhangen. Ben marschierte mit ihnen bis in die hinterste Ecke der uns gegenüberliegenden Seite, zog den Stoff beiseite und ein Notausgang wurde sichtbar. Er entriegelte ihn und sprach kurz mit Tilmann. Der ging dann mit ihnen nach draußen rauchen.

Im Saal begannen die Reden. Ben kam zurück und wir setzten uns zu Peer und Steini an den Tisch. Mein Freund legte die Füße auf einen freien Stuhl.

»Weckt mich, wenn es los geht!«, bat er und schloss tatsächlich die Augen.

Niemand konnte uns sehen, da der Bühnenvorhang weiterhin geschlossen blieb. Reden und klatschen, reden und klatschen, reden und klatschen ...

Ich hatte meine Jacke vor mir auf dem Tisch zusammengeknüllt, den Kopf darauf gelegt und war ebenfalls irgendwann eingeschlummert, bis jemand vorsichtig an meinem Hemdsärmel zupfte. Plötzlich hörte ich Balalaikamusik und war sofort hellwach. Ole lachte mich an.

»Hallo mein Freund, wo kommst du denn her?«, wollte ich überrascht wissen.

»Hallo Hans Peter. Komm lieber mit, du Kulturbanause und sieh dir das an!« Schnell sah ich auf die Uhr, es war 17:50 Uhr. Ben war ebenfalls wach geworden, und schaute sich um. Die anderen Bandmitglieder befanden sich nicht auf der Bühne. Behutsam kletterten wir auf der rechten Seite von der Bühne und trauten unseren Augen kaum. Die sowjetischen Mädchen mit den roten langen Kleidern führten einen Volkstanz auf. Ben rieb sich verdutzt die Augen und fragte:

»Wie geht das denn?«

Zu leiser Musik auf der Balalaika schwebten die Mädchen über die Tanzfläche scheinbar ohne die Füße zu bewegen, so sah es zumindest aus. Die Röcke reichten bis zum Boden und, als hätten sie Rollschuhe an den Füßen und würden von einem unsichtbaren Seil gezogen, glitten sie zügig über die Tanzfläche. Jetzt bildeten sie vier Vierergruppen und drehten sich darin, dann ging es in einer Reihe hintereinander weiter.

»Hans, wie machen die Mädels das? Ist ja wie Zauberei«, brachte Ben fasziniert heraus. Ich wusste es auch nicht, versuchte aber, mir einen Reim daraus zu machen.

»Es bewegt sich keins der Kleider. Vielleicht laufen sie nur auf den Zehen?«

»So ein Blödsinn!«, beschloss Ben.

»Ich sage es doch, ich weiß es nicht!«, fauchte ich zurück.

Unsere Mädchen starrten gebannt, staunten und waren hellauf begeistert. Die sowjetischen Mädchen, die nicht tanzten, beobachten uns, bemerkten das Erstaunen und kicherten. Sie wussten anscheinend, wie sie es machten. Da gab es keinen Trick, dachte ich mir. Dahinter steckte bestimmt sehr viel Training. Für die Tanzgruppe gab es am Ende besonders viel Beifall.

Die vier Mädchen in den blauen Kleidern tanzten anschließend ›Kalinka‹. Den Tanz kannte ich aus dem Fernsehen, konnte mich allerdings nicht darauf konzentrieren. Mich beschäftigte immer noch der Tanz davor. Wie hatten die Mädels das nur angestellt?

Tilmann kam hinter der Bühne hervor und stank nach Rauch. Er deutete in Richtung der Offizierstische.

»Siehst du die Gläser?«, fragte er.

»Ja, und? Mein Stiefvater trinkt auch zusätzlich Wasser zum Kaffee«, sagte ich, aber er grinste.

Jetzt standen die Offiziere auf und stießen mit den fast vollen Wassergläsern an. Dass die Mädchen noch tanzten, schien sie nicht zu kümmern. Sie tranken die Gläser mit einem Zug aus und stellten sie verkehrt herum auf den Tisch. Das war schon merkwürdig!

»Hast du es gesehen? Das nennen sie ›sto gramm‹, hundert Gramm Wodka auf ex.«

Mir drehte es bei dem Gedanken fast der Magen um.

»Du spinnst doch!«, fauchte ich Tilmann an, aber er lachte mich aus.

»Die Jungs von der Band haben hinten auch eine Pulle Wodka mit und bringen sich gerade in Stimmung!«, schoss er nach und verdrückte sich an den Tisch der Horster.

Die Mädels beendeten ihren Tanz. Es war schön gewesen und wir klatschten für sie. Jetzt waren ihre Jungs dran und die machten ordentlich Tempo auf der Tanzfläche. Besonders ein blonder Junge in meiner Größe schien ihr Solotänzer zu sein. Er schmiss die Füße, die in Stiefeln steckten, hin und her. Tolle Sache! Da musste er einige Beinmuskeln unter der Hose verstecken, um so tanzen zu können. Die sowjetischen Mädels kamen jetzt nach vorn, bildeten einen Kreis und feuerten ihn an. Ben stand plötzlich neben mir und klatschte mit.

»Der ist fast so gut wie ich«, erklärte er feixend und wir lachten.

Ben war unser Tanzbär, konnte nicht einmal richtig tippen – nur auf der Bühne während des Singens machte er seine Show richtig gut. Der Tanz war zu Ende und ich sah auf die Uhr: 18:10 Uhr. Ein jüngerer Offizier kletterte auf die Bühne und ging hinter den Vorhang. Ben und ich gingen zu den Horstern. Wir wollten uns die Show von dort aus ansehen.

Der Bühnenvorhang wurde zurückgezogen und da standen unsere Musikfreunde mit roten Gesichtern. Ich glaubte Tilmann sofort: Die Jungs hatten bestimmt getrunken.

Was dann passierte, möchte ich nicht wirklich beschreiben. Die Jungs machten einen riesen Krach, die Musik war unglaublich chaotisch. Beim nächsten Song war der Gesang zu hören, irgendein langsamer Titel auf Russisch, der traurig klingen sollte. Die eigenen Jugendlichen pfiffen sie sogar aus. Oh, war das peinlich! Die Jungs der Band taten mir leid. Ich wusste nicht, warum sie so schlecht spielten. Hatten sie nicht geprobt? Wurden sie einfach herbestellt und sollten spielen? Ich wusste es nicht. Jetzt probierten sie ein Gitarrenstück, aber auch das klappte nicht und sie blieben stecken. Die Jugendlichen pfiffen sie weiterhin aus. Der eine Gitarrist schnallte den Gitarrengurt ab. Ich sah, dass er weinte, seine Gitarre in eine der Transportkisten schmiss und durch den Notausgang der Bühne nach draußen lief. Die anderen Bandmitglieder folgten ihm. Die Jugendlichen pfiffen weiter, auch unsere.

Es musste etwas passieren, sonst war der Abend schnell beendet und wir vielleicht auch unseren Proberaum los. Ben sah mich an und wollte mich auf die Bühne schicken. Ich schüttelte den Kopf.

»Diesmal du, Ben! Du kannst es besser.«

Ben kletterte auf die Bühne. Er schaltete unsere Gesangsanlage an, es gab jedoch sofort eine Rückkopplung, da die Boxen zu weit hinter dem Mikrofon standen. Die deutschen Schüler hatten aufgehört zu pfeifen, durch den Krach der Rückkopplung angetrieben machten die sowjetischen weiter. Einige Offiziere diskutierten ruppig mit der Schulleitung. Peer und Steini stürzten ebenfalls auf die Bühne und brachten die Anlage nach vorn an den Bühnenrand. Ben deutete an, sie sollten ruhig werden.

»Hallo, liebe Freunde. Ich bin Ben«, eröffnete er.