Nur ein Kuss? - Penny Jordan - E-Book

Nur ein Kuss? E-Book

Penny Jordan

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Beschreibung

Ein Traum hat sich für die zierliche Lehrerin Harriet Smith erfüllt: Von dem Honorar ihres ersten Kinderbuches konnte sie sich ein zauberhaftes Cottage kaufen. Problemlos lebt sie sich in der kleinen Dorfgemeinde ein - nur eins belastet Harriet immer stärker: Ihr Nachbar, der arrogante Gutsbesitzer Rigg Matthews, raubt ihr den Schlaf. Sie hat sich in den attraktiven Mann verliebt, befürchtet aber, dass er seine Avancen nicht ernst meint. Auf dem Geburtstagsfest seiner Nichte Trixie küsst er Herriet zwar heiß und besucht sie nachts in ihrem Cottage, doch nun wartet sie seit Tagen auf eine Nachricht von ihm ...

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Seitenzahl: 204

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IMPRESSUM

Nur ein Kuss? erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Ralf MarkmeierRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 1990 by Penny Jordan Originaltitel: „Breaking Away“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 1550 - 2003 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Karin Weiss

Umschlagsmotive: shutterstock_DenisProduction.com

Veröffentlicht im ePub Format in 09/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733759230

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

Es ist längst dunkel, wenn ich im Dorf ankomme, und das ist meine eigene Schuld, dachte Harriet und verzog das Gesicht.

Sie war später aus London weggefahren, als sie vorgehabt hatte. Und dann hatte sie am Nachmittag auch noch in einer Autobahnraststätte einen Tee getrunken. Jetzt brach die Dämmerung herein, und sie brauchte mindestens noch eine halbe Stunde, bis sie das Dorf und ihr neues Zuhause erreicht hatte.

„Du bist verrückt!“, hatte Harriets Schwester Louise ausgerufen, als sie ihr erzählt hatte, dass sie umziehen würde. „Willst du wirklich aus London wegziehen und in einem abgelegenen Dorf nahe der schottischen Grenze leben?“, hatte Louise gefragt. Harriet hatte deutlich gespürt, wie entsetzt ihre Schwester gewesen war.

2. KAPITEL

3. KAPITEL

Harriet war klar, was Rigg antworten würde. Es lag auf der Hand, sie konnte es an seiner zufriedenen Miene ablesen. Deshalb war sie auch nicht überrascht, als er schließlich kühl erklärte: „Leider habe ich den Schlüssel vor einigen Tagen an den Makler zurückgeschickt. Vielleicht ist er noch nicht angekommen.“

Harriet bezweifelte keine Sekunde, dass es stimmte. Dieser Mann würde sich nicht so weit erniedrigen, jemanden zu täuschen, auch dann nicht, wenn er sich für irgendetwas rächen wollte. Ohne es zu merken, runzelte sie die Stirn. Sie verstand sich selbst nicht mehr. Wieso glaubte sie, genau zu wissen, was für ein Mensch Rigg Matthews war? Ihre Reaktion auf ihn gefiel ihr nicht. Die Sache war zu gefährlich und zu bedrohlich.

Als ihr bewusst wurde, dass Trixie und Rigg sie ansahen, zauberte sie wieder dieses unverbindliche Lächeln auf die Lippen, mit dem sie seit vielen Jahren die Leute auf Distanz hielt.

Trixie blickte sie irritiert an. „Rigg, du kannst doch bestimmt irgendwie helfen“, wandte sie sich dann an ihren Onkel, ehe sie abwechselnd Harriet und Rigg betrachtete. Offenbar spürte sie die gespannte Atmosphäre.

„Nein“, protestierte Harriet sogleich, „das ist nicht nötig. Ich habe sowieso nicht damit gerechnet, dass sich hier noch ein Schlüssel für das Cottage befindet. Aber es war einen Versuch wert.“

Sie drehte sich um und wollte gehen. Ihr war klar, wie ungepflegte sie in ihrem feuchten Outfit auf diesen attraktiven Mann wirken musste, der sie so genau beobachtete. Sie konnte nicht verhindern, dass sie mit allen Sinnen auf ihn reagierte, und hielt sekundenlang inne. Dann versteifte sie sich und versuchte, die Gefühle zu verdrängen.

Reagierte sie etwa körperlich auf Rigg Matthews? Das war geradezu lächerlich. In der Vergangenheit hatte sie sich manchmal gewünscht, für einen der netten und liebenswerten jungen Männer, mit denen sie ab und zu ausgegangen war, und auch für Paul irgendetwas zu empfinden. Doch sie waren ihr alle gleichgültig gewesen.

Deshalb hatte sie sich vor einigen Jahren damit abgefunden, dass sie sich wahrscheinlich nie körperlich zu einem Mann hingezogen fühlen würde. Und plötzlich, wie aus heiterem Himmel, passierte es im ungünstigsten Moment. Es war ein schmerzliches, überwältigendes Gefühl. Harriet war bestürzt über die heftigen Emotionen, die sich in ihr ausbreiteten, und versuchte herauszufinden, was da mit ihr geschah.

Schließlich erbebte sie. Sie fühlte sich seltsam schwach, und ihr war sekundenlang schwindlig. Glücklicherweise stand sie mit dem Rücken zu Rigg. Es wäre zu demütigend gewesen, wenn er gespürt hätte, was in ihr vorging. Sie konnte gar nicht schnell genug von ihm wegkommen und eilte zur Tür.

„Warte doch. Ich bin sicher, Rigg kann dir irgendwie helfen“, sagte Trixie. Sie holte Harriet an der Tür ein und blickte ihren Onkel bittend an.

Obwohl sie sich gegen ihren Onkel auflehnt und ihn kritisiert, liebt und respektiert sie ihn, dachte Harriet. Trixie hatte offenbar großes Vertrauen zu Rigg und schien davon überzeugt zu sein, dass sie sich auf ihn verlassen konnte, egal, welche Probleme in ihrem Leben auftauchen würden. Sie beneidete Trixie etwas, denn sie hatte nie jemanden gehabt, auf den sie sich verlassen konnte.

Louise war immer der Liebling ihrer Eltern gewesen, und Harriet hatte schon in der Kindheit lernen müssen, um alles zu kämpfen.

Aber es war auch ganz gut, dass sie für sich selbst sorgen und sich durchsetzen konnte, wie sie sich eingestand. „Das ist lieb von dir, Trixie. Doch ich bin sicher, dein Onkel wird mir zustimmen, dass er nichts für mich tun kann, was ich nicht auch selbst tun könnte“, erwiderte sie kühl und war froh, wie leicht ihr die Worte von den Lippen gingen. Ohne dass sie sich dessen bewusst war, klang ihre Stimme so scharf und bestimmt wie während des Unterrichts in der Schule. Betont gleichgültig fügte sie hinzu: „Ich fahre nach Hawick und bitte einen Schlüsseldienst …“

Dummerweise fing sie in dem Moment heftig zu zittern an. Und dann musste sie auch noch niesen. Hatte sie sich etwa erkältet? Das konnte sie jetzt gar nicht gebrauchen.

Während sie ein Taschentuch in der Tasche ihrer Jeans suchte, erklärte Rigg kühl: „Ich möchte Ihnen einen Vorschlag machen. Soweit ich mich erinnere, hat das Cottage ein kleines Dachfenster.“

„Ja“, stimmte Harriet zu. Schockiert drehte sie sich um und sah ihn an. Doch sogleich wünschte sie, sie hätte es nicht getan. Obwohl er streng, hart und sehr distanziert wirkte, war er wirklich ein außergewöhnlich attraktiver Mann. Wie kann eine Frau nur so dumm sein, ihn kurz vor Hochzeit zu verlassen? überlegte sie. Aber was sollten solche Gedanken? Großzügigkeit, Herzlichkeit und menschliche Wärme waren viel wichtiger als gutes Aussehen, und solche Eigenschaften schien Rigg nicht zu haben.

„Ja, das stimmt“, wiederholte sie. „Doch …“

„Ich wollte Ihnen vorschlagen, dass Sie vielleicht durch das Dachfenster ins Haus steigen. Es würde zumindest Zeit sparen.“ Er musterte sie von oben bis unten.

Harriet konnte sich gut vorstellen, was für einen Anblick sie ihm bot mit dem feuchten Haar und in den nassen Jeans, die an ihren Beinen klebten. Wieder zitterte sie am ganzen Körper. Vielleicht lag es daran, dass sie sich in den nassen Sachen ausgesprochen unwohl fühlte. Vielleicht hatte es aber auch einen ganz anderen Grund. Ihr fiel auf, dass Rigg die Lippen zusammenpresste. Wahrscheinlich war ihm das alles sehr unangenehm. Und dann erinnerte sie sich an ihre erste Begegnung. Er hatte wesentlich weniger angehabt als sie jetzt, und es war kälter gewesen. Das Schlimmste war, sie hatte ihn einfach stehen lassen.

Sie nahm sich zusammen und zauberte ein höfliches Lächeln auf die Lippen. „Das Dachfenster, ja, danke. Ich werde es versuchen.“

„Ohne Leiter und jemanden, der sie für Sie festhält, schaffen Sie es nicht“, erklärte er prompt. „Trixie, geh in die Küche, und bitte Mrs. Arkwright, unserem Gast etwas Warmes zu trinken zu machen“, forderte er seine Nichte auf, ohne sich von Harriet abzuwenden. Und als wüsste er, dass Harriet Einwände erheben würde, fügte er so energisch hinzu, dass jeder Widerspruch zwecklos zu sein schien: „Dann kannst du Harriet mit nach oben nehmen und ihr etwas anderes zum Anziehen geben. In der Zeit fahre ich mit Tom zum Cottage und versuche, irgendwie hineinzukommen.“

Harriet fühlte sich beschämt durch seine Hilfsbereitschaft. Geschickt hatte er sie auf eine Stufe mit einem Teenager oder einem Kind gestellt. Zugleich hatte er ihr indirekt vorgehalten, ihm in seiner schwierigen Situation nicht geholfen zu haben.

Ärgerlich und peinlich berührt, fragte sie sich, ob er sie zunächst absichtlich hatte glauben lassen, er würde es ihr heimzahlen und ihr nicht helfen. Er genoss es offenbar, dass er sich ihr als edler Mensch präsentieren konnte.

Egal, weshalb er seine Hilfe anbietet, ich werde sie nicht annehmen, nahm Harriet sich vor. Doch in dem Moment musste sie schon wieder niesen, und Rigg eilte aus dem Haus.

Eine halbe Stunde später betrachtete Harriet sich im Spiegel. Sie trug ein weites T-Shirt und hautenge Jeans, die Trixie ihr gegeben hatte. Ihr Haar war wieder trocken, aber es war durch den Regen so weich geworden, dass es sich nicht frisieren ließ. Deshalb fiel es ihr offen über die Schultern und wirkte seltsam unordentlich.

Mrs. Arkwright bestand darauf, ihr eine warme Suppe vorzusetzen. Sie schmeckte so köstlich, dass Harriet den ganzen Teller leer aß.

Riggs Haushälterin war eine gemütliche, freundliche Frau. Sie erzählte Harriet, Miss Trixie, wie sie Riggs Nichte nannte, sei manchmal recht schwierig, aber Rigg sei der rücksichtsvollste Arbeitgeber, den sie sich vorstellen könne.

Harriet spürte, dass die ältere Frau mehr über sie erfahren wollte, und erzählte etwas von sich.

Die Frau schüttelte den Kopf. „Ich verstehe nicht, dass es Leute gibt, die gern in London wohnen. Hier bei uns kann man wenigstens richtig atmen, wenn Sie wissen, was ich meine.“

Harriet wusste es. Sie gab zu, wie aufregend es für sie gewesen war, sich endlich den Traum ihres Lebens erfüllen zu können und auf das Land zu ziehen.

Als sie gerade erwähnte, dass sie nach Louise’ Heirat das Haus verkauft hatte, kam Trixie wieder in die Küche. Sie hatte mit einer Freundin telefoniert.

„Du bist aus London weggezogen? Was für eine verrückte Idee“, erklärte sie geradeheraus. Harriet musste lächeln, und Mrs. Arkwright schüttelte den Kopf. „Das war Eva am Telefon“, fuhr sie fort. „Ihre Mutter will wissen, ob ich mit ihnen in Ferien fahren darf. Ich habe ihr gesagt, dass ich Rigg noch bearbeite.“

„Miss Trixie, Sie wissen genau, dass er Sie nicht mitfahren lässt“, sagte Mrs. Arkwright und wandte sich dann an Harriet. „Das kann ich gut verstehen, denn es ist eine ziemlich wilde Gesellschaft, in der Mrs. Soames verkehrt.“

„Das Problem mit Rigg ist, dass er keine Ahnung davon hat, wie junge Leute heutzutage leben“, beschwerte Trixie sich bei Harriet. „Wenn man ihn hört, denkt man, er stamme aus dem Mittelalter“, fügte sie verächtlich hinzu.

Harriet runzelte die Stirn. Sie erinnerte sich an ihre Auseinandersetzungen mit Louise und empfand so etwas wie Mitgefühl für Rigg. Doch sie wehrte sich gegen diese Regung, denn sie durfte nicht zulassen, dass sie über einen Mann, vor dem der Verstand sie warnte, zu viel nachdachte. Außerdem hatte Trixie etwas Nettes, Natürliches an sich, was Louise fehlte.

„Mach dir keine Sorgen“, erklärte Trixie. Offenbar hatte sie Harriets Stirnrunzeln missverstanden. „Rigg findet eine Möglichkeit, ins Haus zu kommen.“ Sie blickte zum Fenster hinaus und verzog das Gesicht. „Sieh dir den Regen an. John Beard hat vorige Woche gesagt, es würde einen harten Winter geben. Er war Schäfer und ist jetzt Rentner. Ich wünschte, Rigg würde mich mit Eva und ihrer Mutter zum Skilaufen fahren lassen. Ich brauche unbedingt Urlaub.“

Harriet musste über die Bemerkung lachen.

„Ihr Onkel braucht eher Urlaub als Sie“, wandte Mrs. Arkwright ein.

„Er kann ja mitkommen. Ich habe es ihm angeboten, aber Sie wissen ja, wie er ist. Er behauptet, er hätte zu viel zu tun“, antwortete Trixie.

Mrs. Arkwright warf ihr einen missbilligenden Blick zu. „Es ist kein Wunder, dass Rigg dieser Mrs. Soames nicht traut. Sie hat zugelassen, dass ihr Freund Sie nach Hause fuhr, obwohl er getrunken hatte. Ich kann gut verstehen, dass Rigg zornig ist, denn Mrs. Soames hatte ihm versprochen, sie würde dafür sorgen, dass Sie um elf zu Hause sind. Stattdessen waren Sie erst um zwei Uhr nachts wieder hier“, stellte Mrs. Arkwright fest.

Sekundenlang herrschte bedrückendes Schweigen. Trixie sah die Haushälterin rebellisch an.

„Wahrscheinlich gab es einen Grund dafür, warum Mrs. Soames Trixie nicht rechtzeitig nach Hause gebracht hat“, mischte Harriet sich ein, ohne nachzudenken.

„Ja, es hatte einen Grund“, sagte Trixie sogleich.

„Andererseits ist es verständlich, dass dein Onkel beunruhigt war“, fuhr Harriet fort. Es geht mich natürlich nichts an, gestand sie sich ein, als Trixies Miene sich verfinsterte. Plötzlich hörte sie ein Auto vorfahren und versteifte sich.

„Das ist Rigg“, verkündete Trixie. Sie sprang auf und eilte zur Tür. Ihren Ärger hatte sie offenbar schon wieder vergessen. „Hoffentlich hat er es geschafft, ins Haus einzusteigen.“

Ja, das hoffe ich auch, schoss es Harriet durch den Kopf. Als die beiden Männer hereinkamen, blickte sie Rigg an. An seiner linken Hand war eine Schnittwunde, und am Ärmel seiner Jacke hing ein Spinngewebe. Sie biss sich auf die Lippe, ehe sie aufstand und ihn fragen wollte, ob er etwas erreicht habe.

„Hast du es geschafft?“, kam Trixie ihr jedoch zuvor.

„Ja.“ Dann wandte er sich an Harriet. „Sie müssen ein Schloss am Dachfenster anbringen lassen, wenn Sie eine neue Scheibe einsetzen lassen. Ich bin nicht sicher, ob die Versicherung den Schaden bezahlt.“ Seine Stimme klang streng. Er zog ihren Schlüsselbund aus der Tasche und reichte ihn ihr. „Wir haben das Dachfenster mit Brettern vernagelt, damit es nicht hineinregnet. Sie sollten es jedoch bald reparieren lassen, denn im Landfunk wurde für nächste Woche Sturm vorhergesagt.“

Harriet kam sich vor wie ein gemaßregeltes Kind. Sie nahm den Schlüsselbund entgegen. Nur mühsam gelang es ihr, sich zu beherrschen. „Danke, dass Sie mir geholfen haben. Es war dumm von mir, mich auszusperren. Doch trotz dieser Dummheit habe ich genug Verstand, um zu wissen, dass das Dachfenster so rasch wie möglich repariert werden muss“, erwiderte sie leicht gereizt.

Rigg betrachtete sie und runzelte die Stirn. Plötzlich wurde ihr klar, dass er ihr nicht ins Gesicht sah, sondern sie von oben bis unten musterte. In dem geliehenen Outfit und mit dem Haar, das ihr offen über die Schultern fiel, wirkte sie sicher eher wie ein Teenager statt wie eine erwachsene Frau von beinah fünfunddreißig.

Während sie den Schlüsselbund entgegennahm, berührte sie sekundenlang Riggs Finger. Sogleich überlief es sie heiß, und sie stand wie erstarrt da. Trixie redete auf ihren Onkel ein und erzählte ihm von dem Telefonat. Er drehte sich zu seiner Nichte um, und Harriet eilte zur Tür.

Je eher sie wieder in ihrem Cottage wäre, weit genug weg von diesem Mann, der sie so sehr aus der Fassung brachte, desto besser wäre es für sie. Natürlich wollte sie Trixie die geliehenen Sachen zurückbringen. Doch zuvor würde sie sie anrufen, um sich zu vergewissern, dass Rigg nicht zu Hause war.

Trixie hatte ihn als Frauenhasser beschrieben. Er war ein intelligenter Mann und wusste bestimmt, wie er auf Frauen wirkte. Deshalb wollte Harriet unter allen Umständen vermeiden, dass er glaubte, sie versuche, seine Aufmerksamkeit zu erregen oder dergleichen.

Sie konnte sich gut vorstellen, was so ein attraktiver und reicher Mann von einer Frau wie ihr hielt. Seit sie über dreißig war, hatte Louise sich oft genug darüber lustig gemacht, dass sie noch Single war und keine Affären gehabt hatte. Sie machte sich keine Illusionen mehr und hatte sich damit abgefunden, dass Männer sich nicht für sie interessierten.

Da schon ihre Eltern dafür gesorgt hatten, dass sie überzeugt war, weniger attraktiv und weiblich zu sein als ihre Schwester, verhielt sie sich allen Menschen und ganz besonders Männern gegenüber kühl und distanziert. Auf den Gedanken, dass nur ihre zurückhaltende, beinah abweisende Art für ihr Singledasein verantwortlich war, wäre sie nie gekommen.

In Wahrheit war sie viel attraktiver, als ihr bewusst war. Außerdem wirkte sie sehr verletzlich, was bei Männern einen Beschützerinstinkt wachrief.

Als sie sich an der Tür umdrehte, begegnete sie Riggs Blick. Er runzelte wieder die Stirn. Wahrscheinlich konnte er es kaum erwarten, dass sie endlich verschwand.

„Ich begleite Sie nach Hause“, erklärte er jedoch zu ihrer Überraschung. „Es wird schon dunkel. Obwohl ich alles abgeschlossen habe, weiß man nie, ob nicht jemand ums Haus schleicht. Die Bretter, mit denen wir das Dachfenster vernagelt haben, würden einen Einbrecher nicht davon abhalten können, ins Cottage einzudringen.“

Sekundenlang blickte sie ihn nur an. „Nein, mir passiert schon nichts. Sie haben genug für mich getan“, entgegnete sie dann.

„Das kannst du dir sparen, Harriet“, mischte Trixie sich ein. „Rigg ist fest davon überzeugt, wir Frauen könnten nicht selbst auf uns aufpassen.“ Sie hob herausfordernd das Kinn.

Aber Rigg ignorierte ihre Bemerkung und ging zur Tür. Harriet hatte keine andere Wahl, als ihm vorauszugehen.

Während sie nebeneinanderher zu den Autos eilten, hätte sie sich gern bei ihm dafür entschuldigt, dass sie ihm an jenem Abend nicht geholfen hatte. Sie fand jedoch nicht die richtigen Worte.

Sie war sich seiner Gegenwart viel zu sehr bewusst und war verwirrt und nervös. Und sie befürchtete, er würde vielleicht spüren oder ahnen, was für Gefühle seine Nähe in ihr wachrief. Sie verstand selbst nicht, was mit ihr los war. So hatte sie noch nie auf einen Mann reagiert, und er hatte sie keineswegs ermutigt. Das Gegenteil war eher der Fall.

Normalerweise war sie eine gute Autofahrerin. Aber jetzt hatte sie Mühe, den Motor zu starten, und dann legte sie auch noch den Gang so hart ein, dass es ein lautes, unangenehmes Geräusch gab. Es war ihr geradezu peinlich, und sie wagte nicht, sich vorzustellen, was Rigg jetzt von ihr dachte. Schließlich fuhr sie zurück zu ihrem Cottage.

Durch den Regen und die grauen Wolken wurde es noch früher dunkel. Ihr kleines Haus, das sie wenig später zwischen den Bäumen erblickte, wirkte düster und verlassen.

Harriet erbebte und stellte den Wagen auf der Einfahrt ab. Am nächsten Morgen werde ich als Erstes Ersatzschlüssel machen lassen, nahm sie sich vor. Sie stieg aus, und im selben Moment stieg auch Rigg aus seinem Auto. Sie bekam weiche Knie und zwang sich, sich höflich für seine Hilfe zu bedanken. Aber sie schaffte es nicht, ihn anzusehen. Er hatte ihr geholfen, obwohl er allen Grund gehabt hätte, es nicht zu tun.

Rigg holte eine Taschenlampe aus dem Handschuhfach und leuchtete damit über das Cottage.

„Es ist noch alles so, wie es war“, stellte er fest. „Wenn Sie möchten, dass ich mit Ihnen hineingehe und nachsehe …“

„Nein, das ist wirklich nicht nötig“, unterbrach sie ihn und wich so hastig zurück, dass sie ausglitt und das Gleichgewicht verlor.

Rigg reagierte rasch. Er legte die Taschenlampe hin, packte Harriet fest an den Armen und hob sie hoch, um sie sogleich wieder auf die Füße zu stellen.

Trotz des Schocks über die Berührung mit seinem Körper war sie sich Riggs Kraft und Stärke sehr bewusst. Er hatte sie so mühelos hochgehoben, als wäre sie ein Kind. Sie erinnerte sich daran, dass sie am Abend ihrer Ankunft bemerkt hatte, wie muskulös und durchtrainiert sein Körper war.

Er schien ihr Entsetzen zu spüren, denn sekundenlang wurde der Griff seiner Hände noch fester. Im Licht der Scheinwerfer seines Geländewagens konnte sie sein markantes Profil erkennen, als er sich zu ihr hinüberbeugte. Die Lippen presste er zusammen, und Harriet schloss daraus, dass er sie nicht mochte.

„Sie brauchen nichts zu befürchten“, erklärte er kurz angebunden. „Ich kann Ihnen versichern, es ist nicht meine Art, Frauen zu vergewaltigen.“

Es könnte so leicht sein, ihm mit einigen freundlichen, netten Worten klarzumachen, dass ich so etwas auch gar nicht befürchte, überlegte sie. Aber nein, aus irgendeinem unerfindlichen Grund fing sie an, hilflos zu zittern, sodass er die Stirn runzelte und sie aufmerksam ansah.

„Es war doch nur ein Scherz“, sagte er spöttisch und fügte zu ihrer Überraschung hinzu: „Es tut mir leid, dass ich Sie beunruhigt habe.“

Langsam ließ er sie los und trat einige Schritte zurück.

„Ich bin beinah fünfunddreißig und nicht fünfzehn“, entgegnete sie heiser. „Sie haben mich nicht beunruhigt. So dumm bin ich wirklich nicht mehr.“ Ich brauche mir nichts vorzumachen, ich habe mich gerade wie ein Teenager benommen, gestand sie sich insgeheim ein.

Rigg betrachtete sekundenlang ihre Lippen, die sie leicht zusammenpresste. Harriet hatte das Gefühl, ihr Herzschlag würde unter seinem Blick aussetzen.

Schließlich zog er die Augenbrauen hoch. „Ich war überzeugt, heutzutage würde kaum noch eine Frau glauben, ihr Alter würde sie vor einem Übergriff schützen.“

Es kam ihr vor wie ein Vorwurf oder eine Missbilligung. Plötzlich war sie so gereizt, dass sie jede Vorsicht vergaß. „So habe ich es auch nicht gemeint“, stieß sie hervor.

„Nein? Wie denn?“

Oh nein, weshalb habe ich mich auf dieses Thema eingelassen? schoss es ihr durch den Kopf. Nach kurzem Zögern erklärte sie: „Ich wollte damit nur sagen, dass Sie mir nicht wie ein Mann vorkommen, der es nötig hat, eine Frau zu vergewaltigen.“ Glücklicherweise schien Rigg nicht zu merken, wie peinlich ihr das alles war.

„Aber an dem Abend, als wir uns zum ersten Mal begegnet sind, waren Sie sich nicht sicher“, wandte er ein.

Harriet errötete und ärgerte sich darüber, wie lebhaft sie sich an diesen Zwischenfall erinnerte. „Das war auch eine ganz andere Situation. Sie waren …“

„Beinah nackt?“, half er ihr weiter.

„Ein Fremder“, korrigierte sie ihn schnell.

„Ah ja, das bin ich wohl jetzt nicht mehr. Dann haben Sie nicht grundsätzlich etwas gegen Männer, sondern nur gegen mich oder gegen meine Berührung.“

Harriet blickte ihn an und überlegte, wie sie es geschafft hatten, das Gespräch auf dieses heikle und gefährliche Thema zu bringen. Sie unterdrückte den Wunsch, die Lippen mit der Zunge zu berühren, um herauszufinden, ob sie sich so heiß und trocken anfühlten, wie es ihr vorkam.

„Nein, das stimmt nicht“, erwiderte sie schließlich.

Rigg ignorierte ihren Einwand. „Sie brauchen wirklich keine Angst zu haben, obwohl Sie sehr attraktiv sind. Ich versichere Ihnen, es liegt mir fern, mich einer Frau aufzudrängen.“

Attraktiv hatte er sie genannt! Sie sah ihn erstaunt an, und während sie noch versuchte zu begreifen, was er da gesagt hatte, ging er zu seinem Wagen zurück. Harriet blickte sprachlos hinter ihm her.

Warum hatte er sie attraktiv genannt? Sie hatte nicht den Eindruck gehabt, er sei ein Mann, der höfliche, aber leere Komplimente machte. Sosehr sie sich auch bemühte, diese Frage zu ignorieren, sie drängte sich ihr den ganzen Abend immer wieder auf, noch lange nachdem sie die Lebensmittel in den Kühlschrank geräumt und etwas gegessen hatte. Auch das Buch, das sie sich gekauft hatte, weil sie geglaubt hatte, es sei spannend, konnte sie nicht von Rigg ablenken.

4. KAPITEL

Als Harriet am nächsten Morgen wach wurde, stellte sie erleichtert fest, dass sie keine Erkältung hatte. Nachdem sie am Tag zuvor so nass geworden war und so oft geniest hatte, hatte sie beinah schon damit gerechnet.

Es hatte aufgehört, zu regnen, doch der Himmel war mit grauen Wolken verhangen. Der frische Wind wehte das Laub von den Bäumen und wirbelte die Blätter vor sich her. Es war Herbst geworden, eine Jahreszeit voller Nostalgie oder Melancholie, in der man spürte, dass der Winter nicht mehr weit war. Vielleicht liegt es an der Jahreszeit und nicht an Rigg, dass ich so seltsame Gefühle und Emotionen habe, die ich nicht einordnen kann, überlegte Harriet.

Am Abend zuvor hatte sie sich entschlossen, sich nicht mehr zu erlauben, an Rigg und ihre Reaktion auf ihn zu denken. Sie hatte genug zu tun und konnte jetzt damit anfangen, sich auf vernünftigere und produktivere Dinge zu konzentrieren, ehe es zu spät war.

Zu spät wofür? fragte sie sich unbehaglich, während sie frühstückte. War sie etwa dabei, sich in ihn zu verlieben? Plötzlich schmeckte ihr der Toast nicht mehr, und sie legte ihn auf den Teller.

Es war völlig unmöglich, dass sie sich in ihrem Alter und nach nur zwei flüchtigen Begegnungen in einen Mann verliebte. Sie war eine erwachsene Frau und kein Teenager mehr.

Ich gehe spazieren, und dann setze ich mich an den Computer, nahm sie sich vor. Sie musste die dummen und lästigen Emotionen, die momentan ihr Leben zu beherrschen schienen, vertreiben und auflösen.

Als sie nach draußen ging, war sie froh, dass sie den warmen Dufflecoat angezogen hatte. Das leuchtende Rot kam ihr jedoch jetzt vor wie eine ziemlich kindische Auflehnung gegen die früheren Zwänge. Vielleicht war das ja die Erklärung, vielleicht benahm sie sich wie ein Teenager, weil sie nie einer hatte sein dürfen. Dieser Gedanke belustigte und beruhigte sie so sehr, dass ein Lächeln ihre Lippen umspielte.